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schreiben, um sich rasch ein wenig orientiren zu lassen. Die Philosophie des Aristoteles und Plato hatte er nie gründlich studirt, ges schweige jene des Mittelalters, des Descartes, Baco oder Leibniz. Die religiösen Eindrücke und der fromme Glaube seiner Kindheit waren ihm im Taumel seines Theatertreibens fast ganz abhanden gekommen. Er war Freigeist. Die katholische Kirche war ihm ein noch unbe kannteres Land, als Spinoza 1. Seinen schriftstellerischen Ideenvorrath hatte er nicht weiter her, als aus der seichten Aufklärungsliteratur jener Tage: Zeitschriften, Romanen, Schauspielen, einer Literatur, die fast noch ganz vom Einflusse Rousseau's, Voltaire's, Diderots und der übrigen Philosophen" beherrscht war2. Von Geschichte studirte Schiller eklektisch, was er gerade, von der Hand in den Mund, für seine dramatischen Projecte oder sonst brauchte, um Aufsätze zu schreiben. In Bauerbach mußte er mit den Büchern vorlieb nehmen, die ihm sein Schwager, der Bibliothekar Reinhold, verschaffte; in Mannheim rissen ihn Theatersorgen aus der erforderlichen Muße; erst in Dresden und Leipzig erweiterte und vertiefte sich sein Studium ein wenig. Da begann er ernstlicher Kant zu lesen und sah sich ausführlichere Werke über den dreißigjährigen Krieg und die niederländische Revolution an. Auch da war aber sein Studium nicht dasjenige eines Gelehrten, dem es in aller Ruhe um Erforschung der Wahrheit zu thun ist, sondern dasjenige eines Brodliteraten, der nach pikanten Geschichtsstoffen herumstöbert, um seine „Revue" zu füllen und sein Honorar zu verdienen. Man kann seine Geschichtsforschung nicht treffender charakterisiren, als er es selbst in einem Briefe von dem göttlichen Weimar aus an seine Schwester Christophine gethan hat:

„Ich warte nun mit Schmerzen auf Nachrichten, auch wegen Geld. Das verfluchte Geld! An Krusius schreibe ich nächsten Donnerstag, zu Ende des Monats muß ich Geld haben, weil ich da ganz auf dem Sande bin; wenn mich Krusius nicht gleich bezahlen kann, wenigstens zur Hälfte, so gebe ich meine Niederlande besonders heraus bei einem andern Buchhändler und arbeite noch an einer andern Verschwörung“ (6. October 1787) 3.

1 Zeugniß dafür gibt sein grillenhafter Roman „Der Geisterseher“. 2 Bezeichnend ist, daß er selbst aus Diderots Schandroman „Jacques le fataliste et son maître" eine der schmußigsten Episoden 1785 für seine „Rheinische Thalia" bearbeitete. Schillers Werke [Hempel] XIV. 244–277. Die Handschrift, nach der er arbeitete, hatte er durch Dalberg erhalten. In franzöfifcher Sprache wurde der Roman und die erwähnte Episode daraus, „La Religieuse“, erst 1796 gedruckt.

3 Maltzahn, Schillers Briefwechsel mit seiner Schwester Christophine. S. 102.

Er interessirte sich indeß immerhin wirklich für Geschichte und Philosophie. Ihn beschäftigte nicht das Sinnliche, Farben und Formen, das Leben der Pflanzen und Thiere, sondern der Mensch mit seinen Ideen und Leidenschaften, seinen socialen Verhältnissen und Thaten, seinen Beziehungen zum Idealen, sein Geistesleben, das über das Sinnliche hinausliegt und diesem erst menschlichen Gehalt, Werth, Weihe ertheilt. Hierin steht der arme Brodliterat Schiller entschieden höher, als der behagliche Hofdichter Göthe mit seiner ganzen blasirten Weimarer Gesellschaft, die aus Verehrung für ihn Blumen trocknete und Steine sammelte und kindlich die Mutter Natur anbetete. Schiller fühlte das selbst und hat es in einem Briefe an Körner anschaulich ausgesprochen 1.

Die Weimarer Gesellschaft ihrerseits fühlte den Gegensaß nicht minder. Der neue Ankömmling sammelte weder Blumen noch Steine, brachte weder Kupferstiche noch Gemmen mit, er hatte keine niedlichen Singspielchen geschrieben, noch herzerweichende Romane. Seine Poesie und Prosa hatte etwas Unheimliches. Immer Verschwörungen! Räuber! Banditen! Verschworene! bürgerliche Revolutionäre! Fiesko! Nienzi! Pazzi! Bedemar! Italienische Attentate! Niederländische Revolution! Spanische Hausrebellion! Geisterseher! Kein Prinz und keine Prinzessin war in seinen Stücken des Lebens sicher. Die Bürgerlichen hatten bei ihm immer Recht. Seine neueste Entdeckung war ein liberaler, fast radikaler Prinz an dem Hofe jenes Philipp II., der als Vorbild aller kleinen und großen Autokraten gelten mochte, ein Prinz, der dem Vater die Gemahlin streitig macht, die ganze bisherige politische Ordnung haßt, Alles über den Haufen werfen will, um die Welt vom Throne herab französischen Revolution - völlig umzugestalten. schaftlichem Pathos wurde in dem neuen, noch ungedruckten Stück das ganze politische Programm durchgesprochen, von dem fortan ein Jahrhundert lang Hunderte von Zeitungsschreibern, Constitutionsmachern und andern Menschenbeglückern zehren sollten. Das Programm war so

nach den Ideen der In feierlichem, leiden

1 (Vollmer), Schillers Briefwechsel mit Göthe. I. 87. 88. 89. 2,Ich bin weder Illuminat noch Maurer," sagt Schiller in seinen Briefen über „Don Karlos" (Werke XIV. 470), „aber wenn beide Verbrüderungen einen moralischen Zweck gemein haben, und wenn dieser Zweck für die menschliche Gesell= schaft der wichtigste ist, so muß er mit demjenigen, den Marquis Pofa sich vorsezte, wenigstens sehr verwandt sein. Was jene durch eine geheime Verbindung mehrerer durch die Welt zerstreuter thätiger Glieder zu bewirken suchen, will der Leptere, vollständiger und fürzer, durch ein einziges Subject ausführen: durch einen Fürsten nämlich, der Anwartschaft hat, den größten Thron der Welt zu besteigen, und durch diesen erhabenen Standpunkt zu einem solchen Werk fähig gemacht wird.“

seicht als möglich; aber es war doch ein Programm, philosophisch durchdacht, leidenschaftlich erfaßt, mit ernstem, männlichem Sinn durchgeführt - und deßhalb schon viel zu schwere Kost für die Herren und Damen, welche den Triumph der Empfindsamkeit“ gefeiert und den Jahrmarkt von Plundersweilen" mitgespielt hatten.

„Don Karlos" zog nicht. Gotter las ihn bei der Herzogin Amalie vor, und die Folge war, daß Schiller nicht mehr zu ihr geladen wurde. Wieland, der dabei war, wollte nicht mit der Sprache heraus. Endlich hieß es, der zweite Theil habe mißfallen. Schiller verzweifelte fast. Es wurde ihm kein ermunterndes Wort zu Theil, während ihm überall das Lob Göthe's entgegentönte. Herder, der Chorage der Göthe-Verehrer, hatte bis dahin noch keine einzige von Schillers Schriften gelesen (!!). Er war es indessen, der den „Don Karlos“ wenigstens verstand, nun auch Schillers frühere Werke nachlas und etwas bessere Luft für ihn machte. In Jena fand Schiller Männer, die ihm behagten, wie Reinhold, Schüß, Hufeland, Döderlein, Griesbach, unabhängige Leute", die sich um keine Fürstlichkeit zu bekümmern" brauchten, die seine neue Dichtung verstanden und dem Dichter Anerkennung und Freundlichkeit entgegenbrachten. Darum verzweifelte er nicht, noch einen Wirkungskreis in Jena oder Weimar zu finden, und hielt sich in der Nachbarschaft, um den günstigen Augenblick abzuwarten.

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Von seinen nächsten schriftstellerischen Leistungen hat keine so großes Aufsehen gemacht, als ein Gedicht, das er für das Märzheft 1788 des ,,Teutschen Merkur" lieferte: „Die Götter Griechenlands". Wieland war im Gedränge. Er rechnete auf Schiller; dieser verfaßte wie er selbst sagt „in der Angst" das Gedicht. Der Gott, den ich in den Göttern Griechenlands in Schatten stelle, ist nicht der Gott der Philosophen oder auch nur das wohlthätige Traumbild des großen Haufens, sondern es ist eine aus vielen gebrechlichen schiefen Vorstellungsarten zusammengeflossene Mißgeburt. - Die Götter der Griechen, die ich in's Licht stelle, sind nur die lieblichen Eigenschaften der griechischen Mythologie in eine Vorstellung zusammengefaßt.“

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Das Gedicht war also im Sinne des Dichters eben ein Gedicht, mit dem er dem geplagten Redacteur Wieland aus der Noth helfen wollte, nicht aber ein feierliches Glaubensbekenntniß oder gar ein beabsichtigtes Attentat auf das Christenthum. Die Poesie- und Kunstfülle, welche im

1 Gödeke, Schillers Briefwechsel mit Körner. I. 171.

2 Ebds. I. 251.

ganzen und vollen Christenthum, d. h. in der katholischen Kirche sich offenbart, kannte Schiller nicht. Als Künstler fand er die Lichtseiten der griechischen Mythologie ästhetisch schöner, als das abgeblaßte, verstümmelte Christenthum, wie es in seinem Bekenntnißglauben vor ihm stand, ohne sichtbare Gestaltung, Hierarchie, Sacramente, firchliche Kunst und innigere Durchdringung von Religion und Leben. Da hatte er als Künstler in gewissem Sinne Recht. Mit dieser Religion war für künstlerische Zwecke nicht viel anzufangen, sie hatte nichts hervorgebracht, als etwas Kirchenlied mit Orgelbegleitung. Rafael und Michel Angelo, Lope und Calderon wäre es unzweifelhaft ebenso gegangen, wie Schiller, wenn ihnen die Religion nicht mehr geboten hätte, als eine aufgeklärte Predigt Herders und ein Kirchenlied. Wie das Gedicht deßhalb einige Entschuldigung verdient, so verräth es im Grunde aber doch eine dem Christenthum durchaus feindliche Gesinnung. An der Kunst, am Schönen, am irdischen Genuß liegt dem Dichter mehr, als an der Religion, am Wahren, am Überirdischen und Göttlichen. Die griechische Vielgötterei kommt ihm so schön vor, daß er sich darüber unwillig von dem einen wahren Gotte abwendet, als ob dieser nicht noch unendlich mehr Schönes bieten könnte und Wahrheit und sittliche Güte dazu. Er stellt sehr deutlich das „schöne“ Menschenthum an Stelle Gottes.

„Da die Götter menschlicher noch waren,
Waren Menschen göttlicher." 1

Damit war die Grundanschauung ausgesprochen, welche, bei manchen sonstigen Verschiedenheiten, Wieland, Herder, Göthe und Schiller verband; das war genau die Religion, welche Göthe aus Italien mit nach Hause brachte. Schiller nahm sie ihm von den Lippen, ehe er noch zurück war.

Göthe rückte mit diesem Bekenntniß einstweilen noch nicht so offen heraus. Als seinen Vorläufer schickte er weder einen griechischen Halbgott, noch eine Göttin, sondern den „Egmont", einen Reformationshelden. Er war etwas leichtsinnig, liederlich tische Gewissen konnte sich beruhigen. ein Recensionseremplar, um es für besprechen.

dieser Held; doch das protestanSchiller bekam im Mai (1788) die Jenaer Literaturzeitung zu

Am 18. Juni kam Göthe zurück. Er hatte keine Eile, Schiller zu sehen. Noch am 11. August konnte dieser schreiben:

1 Friedr. Leopold von Stolberg durchschaute diesen antichristlichen Geist des Gedichtes vollkommen richtig und verurtheilte ihn in ebenso ernster als würdiger Form. S. J. Janssen, Stolberg. 1877. I. 201-203.

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Göthe habe ich noch nicht gesehen; aber Grüße sind unter uns gewechselt worden. Er hätte mich besucht, wenn er gewußt hätte, daß ich ihm so nahe am Wege wohnte, als er nach Weimar reiste. Wir waren einander auf eine Stunde nahe. Er soll, höre ich, gar keine Geschäfte treiben. Die Herzogin ist fort nach Italien, und der Herzog wird nächstens bei Euch in Dresden sein. Göthe bleibt aber in Weimar. Ich bin ungeduldig, ihn zu sehen.“1

Es verging indeß noch fast ein Monat, bis Schiller endlich wirklich mit Göthe zusammentraf.

„Endlich kann ich Dir von Göthe erzählen," so meldet er Körner am 12. September, worauf Du, wie ich weiß, sehr begierig wartetest. Ich habe vergangenen Sonntag beinahe ganz in seiner Gesellschaft zugebracht, wo er uns mit Herder, Frau von Stein und der Frau von Schardt, der, die Du im Bade gesehen hast, besuchte. Sein erster Anblick stimmte die hohe Meinung ziemlich tief herunter, die man mir von dieser anziehenden und schönen Figur beigebracht hatte. Er ist von mittlerer Größe, trägt sich steif und geht auch so; sein Gesicht ist verschlossen, aber sein Auge sehr ausdrucksvoll, lebhaft und man hängt mit Vergnügen an seinem Blicke. Bei vielem Ernst hat seine Miene doch viel Wohlwollendes und Gutes. Er ist brünett und schien mir älter auszusehen, als er meiner Berechnung nach wirklich sein kann. Seine Stimme ist überaus angenehm, seine Erzählung fließend, geistvoll und belebt; man hört ihn mit überaus viel Vergnügen; und wenn er bei gutem Humor ist, welches diesmal so ziemlich der Fall war, spricht er gern und mit Interesse. Unsere Bekanntschaft war bald gemacht und ohne den mindesten Zwang; freilich war die Gesellschaft zu groß und Alles auf seinen Umgang zu eifersüchtig, als daß ich viel allein mit ihm hätte sein oder etwas anderes als allgemeine Dinge mit ihm sprechen können. Er spricht gern und mit leidenschaftlichen Erinnerungen von Italien; aber was er mir davon erzählt hat, gab mir die treffendste und gegen wärtigste Vorstellung von diesem Lande und diesen Menschen. Vorzüglich weiß er einem anschaulich zu machen, daß diese Nation mehr als alle andre europäische in gegenwärtigen Genüssen lebt, weil die Milde und Fruchtbarkeit des Himmelstrichs die Bedürfnisse einfacher macht und ihre Erwerbung erleichtert. - Alle ihre Laster und Tugenden sind die natürlichen Folgen einer feurigen Sinnlichkeit. Er eifert sehr gegen die Behauptung, daß in Neapel so viele müßige Menschen seien. Das Kind von 5 Jahren soll dort schon anfangen zu erwerben; aber freilich ist es ihnen weder nöthig noch möglich, ganze Tage, wie wir thun, der Arbeit zu widmen. .

„Die Angelica Kaufmann rühmt er sehr; sowohl von Seiten ihrer Kunst, als ihres Herzens. Ihre Umstände sollen äußerst glücklich sein; aber er spricht mit Entzücken von dem edlen Gebrauch, den sie von ihrem Vermögen macht. Bei allem ihrem Wohlstand hat weder ihre Liebe zur Kunst, noch ihr Fleiß nachgelassen. Er scheint sehr in diesem Hause gelebt zu haben, und die Trennung davon mit Wehmuth zu fühlen.

1 Gödeke a. a. . I. 215.

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