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einen Theil des Jahres mit Militärübungen oder auch am Hofe in Berlin zu, und fand an dem „centaurischen Leben“ nicht geringes Gefallen. Er widmete sich dem preußischen Dienst mit solcher Hingabe, daß er beim König hoch in Gnaden stieg. Als Anfangs 1790 die Ungarn so weit gekommen waren, wegen angeblicher Verletzung der Verfassung ihre Dynastie für ungesetzlich zu erklären und sich eine andere zu suchen, wandten sie sich nach Berlin. Eine Gesandtschaft traf bei König Friedrich Wilhelm ein, um sich einen deutschen Fürsten zum König auszubitten. Der König empfahl ihnen den Herzog von Weimar, der denn, wenn es die Verhältnisse so mit sich gebracht hätten, nicht abgeneigt gewesen wäre, darauf einzugehen.“ 1 Es war damals, wie Ranke meint, „einer der gefährlichsten Momente für die Existenz von Österreich, den die Weltgeschichte nachweist".

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Wie der König Friedrich Wilhelm sich Ende Mai 1787 die Fräulein Julie von Voß in der Schloßkapelle zu Charlottenburg durch den Hofprediger Zöllner als zweite Gemahlin antrauen ließ 2, ein Jahr nach ihrem Tode (25. März 1789) die Hofdame Gräfin Dönhoff „Meine liebe Frau" nannte, und bei diesen und andern Verhältnissen noch seiner früheren Maitresse, der Frau des Kämmerers Rietz, „treu" blieb: so schwärmte sein Freund Karl August ebenfalls nicht bloß für Pferde und Königskronen, sondern auch für Damen. Als 1788 der Engländer Gore mit zwei Töchtern nach Weimar kam, fühlte er sich zu Elise, der ältern, leidenschaftlich hingezogen" 3, aß mit ihr Kirschkuchen und trank mit ihr Spiritus, lernte Englisch, um sich besser mit ihr unterhalten zu können, und wurde sich und seiner ganzen Umgebung unleidlich, als er sich durch eine Unflugheit den Fuß verleßte, und nun, ans Lager gefesselt, seinem romantischen Abenteuer nicht weiter nachgehen konnte. Göthe selbst sing darüber zu jammern und zu moralisiren an:

1 Ranke, Werke. XXXI u. XXXII. 407.

2 „Das Consistorium erklärte eine solche (Trauung zur linken Hand) für zulässig unter Berufung auf die von Melanchthon erlaubte Doppelehe Philipps des Großmüthigen. Vorläufig sollte dieselbe jedoch ein Geheimniß bleiben“ (Neunundsechzig Jahre am preußischen Hofe. Leipzig 1876. S. 124). Als die Todes= nachricht der unglücklichen „Frau“ nach Weimar kam, schrieb Göthe trocken: „Der Tod der Gräfin Ingenheim ist wohl Jedermann sehr unerwartet gewesen: Niemand macht aber dabei eine andere Reflection, als daß der Plaß nicht lange unbesezt bleiben werde" (6. April 1789. Briefwechsel des Großherzogs Karl August mit Göthe. I. 145).

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3 Dünger, Göthe und Karl August. I. 303.

4 Ebds. 306.

1*

„Es ist wieder ein rechtes Probestückgen, wie er sich und andern das Leben sauer macht. Ich mache ein so gut Gesicht als möglich und bin in einer innerlichen Verzweiflung, nicht über diesen besondern Fall, sondern weil dieser Fall wieder sein und unser ganzes Schicksal repräsentirt.'

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„Des Herzogs böser Fuß hält ihn wider seinen Willen hier und auf dem Kanapee; er nimmt sich jetzt, da er die Nothwendigkeit sieht, sehr zusammen und läßt sich nicht merken, wie fatal es ihm ist; innerlich aber ist er in einer schlimmen Lage. Er hat sich in der Neigung zu dem Mädchen so ganz indulgirt, wie in seinem politischen Getreibe: Beides hat keinen Zweck; wie soll es Zufriedenheit gewähren? Die Herzogin leistet ihm treue Gesellschaft mit guter Laune und Geduld. Ich esse alle Tage mit ihnen und bin auch einen großen Theil des Tages dorten, wenn niemand anders da ist. So vergeht eine Zeit nach der andern; man wird des Lebens weder gewahr noch froh. - Das Wetter ist immer sehr betrübt und ertödtet meinen Geist; wenn das Barometer tief steht und die Landschaft keine Farben hat, wie kann man leben ?" 2

Unter

Eine so edle Gattin, wie Herzogin Luise war, mußte diese neue Untreue, nach so manch andern Kränkungen, tief empfinden. Sie ließ es ihren Gemahl jedoch nicht entgelten; wenn er da war, so zeigte sie sich wie immer mild und lieb gegen ihn; wenn er abwesend war, zog sie sich in ihren stillen häuslichen Kreis zurück, widmete sich mit treuer Sorglichkeit der Erziehung ihres Prinzen, und erholte sich anspruchslos in dem engen Cirkel ihrer Hoffrauen und anderer befreundeter Damen. den verschiedenartigsten Gemüthsanwandlungen und Dichterlaunen hatte Göthe auch bisweilen diejenige, sie zu bewundern. Im Herbst 1788 sprach er sogar den Vorsaß aus, sich den nächsten Winter ganz an die Herzogin zu halten, als an „die einzige“, welche ihm geblieben sei. So sprach er, nachdem er kaum das Verhältniß mit seinem „Blumenmädchen“ angeknüpft hatte: es war das bloß ein Seufzer an die Adresse der Frau von Stein, als er diese noch neben Christiane als Freundin behalten zu können hoffte. Auf den Herzog konnte sein Moralisiren natürlich wenig Einfluß ausüben, da dieser sein Herzensgeheimniß kannte und auf Bei= spiele mehr als auf Worte gab.

Als der Herzog, ohne die Heilung seines Fußes abzuwarten (im September 1788), nach Dresden abreißte, erreichte die Verstimmung bei Hofe einen ziemlich hohen Grad. Knebel schrieb damals an Herder : „Der Herzog ist nach dem sächsischen Lager abgereist, und wir leben, bei zur Ruh gesetzter Ehre und Vernunft, ein Leben, das kein Leben

1 Schöll (Fielik), Göthe's Briefe an Frau von Stein. Frankfurt a. M. 1885. II. 360. 2 Aus Herders Nachlaß. I. 93. 95.

ist."1 Das war die Lage der Musen an dem herzoglichen Musenhofe zu Weimar, als Göthe sich anschickte, seinen Tasso auszuführen.

An dem andern Musenhofe, welchen Weimar beherbergte, stand es nicht viel besser. Die Begründerin desselben, die Herzogin-Mutter Anna Amalia, näherte sich dem fünfzigsten Lebensjahre, und die Genossin ihrer früheren Scherze und Liebhabereien, Luise von Göchhausen, stand dem vierzigsten nicht mehr sehr ferne. Da Göthe in Italien wieder jung geworden war, so bekam auch die Herzogin Lust, diese Verjüngungskur zu machen, und reiste bald nach seiner Rückkehr, den 6. August 1788, in Begleitung ihrer Thusnelde" und des Generalsuperintendenten Herder nach Italien. Sie kehrten erst im Sommer des folgenden Jahres wieder zurück, so daß Göthe sich ungefähr ein Jahr lang ziemlich vereinsamt mit dem Patriarchen der Musenstadt, dem alten Wieland, zu Weimar befand.

Wer überhaupt im Zerstreuungstaumel der sogenannten Geniezeit den Ruf Weimars als eines Musenhofes begründete und durch unausgesetzten Fleiß aufrecht erhielt, war nicht Göthe, sondern - Wieland und Herder, und selbst Göthe konnte sich dem Einfluß nicht entziehen, welchen diese beiden verschieden gearteten Geister durch ihre stetig fortwirkende Thätigkeit auf Weimar und von da aus auf ganz Deutschland ausübten.

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Der eigentliche Stammherr und Patriarch des Musenhofes war Wieland. Er hat zuerst an dem noch französischen oder wenigstens halb französischen Hof die deutsche Literatur eingebürgert, die Nichte Friedrichs II. für die Förderung derselben gewonnen, Karl August zum künftigen Mäcenas herangezogen, Göthe und den übrigen Genies" die Wege bereitet. Durch Wieland schon war die ernstere Richtung Klopstocks und des Hainbundes am Weimarer Hofe ein für allemal überwunden, die Kunst von Religion und Sitte abgelöst, die Literatur an die Stelle der Philosophie gesezt, und in der Literatur selbst jener Classicismus angebahnt, der nicht bloß die altgriechischen Kunstideale, sondern auch die altheidnischen Lebensideale als Höhepunkt aller menschlichen Bildung zurückrief.

Seine Thätigkeit als Prinzenerzieher war von kurzer Dauer. Nach zwei Jahren wurde er pensionirt. Statt der stipulirten 600 Thaler gab ihm der Herzog aber 1000, unter der Bedingung, daß er in Weimar bliebe. Er blieb, ohne weitere officielle Beziehung zum Hofe, als ein

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facher Privatmann. Schon als Prinzenerzieher hatte er jedoch den günstigen Moment erfaßt, um sich als Publicist einen bedeutungsvollen unabhängigen Wirkungskreis zu gründen. Als Vorbild schwebte ihm dabei die erste und älteste französische Literaturzeitschrift vor, der schon 1672 gegründete Mercure galant, der später von 1724 an als Mercure de France erschien, sich 1791 in einen Mercure français verwandelte, nach der Revolution aber wieder Mercure de France ward. Wielands Teutscher Merkur" erwarb sich beim ersten Erscheinen 1773 ein Publikum von mehr als 2000 Abonnenten über ganz Deutschland hin und be= hielt diesen Leserkreis, nur um etliche Hundert gemindert, bis zum Jahre 1790; als „Neuer Teutscher Merkur" lebte die Zeitschrift dann unter Wielands Betheiligung bis 1803, ohne ihn bis 1810 weiter, während er von 1796-1803 das „Attische Museum", 1805 und 1806 zwei Bände eines Neuen Attischen Museum“ herausgab. Durch diese publicistische Thätigkeit ward Wieland für zwanzig Jahre eine literarische Macht ersten Ranges für ganz Deutschland. Er imponirte nicht durch zündende, scharfe Kritik, wie einst Lessing, aber er versorgte ganz Deutschland allmonatlich mit dem bunten Lesestoff einer allgemeinen Revue: Gedichten, Novellen, Erzählungen, Übersetzungen, philosophischen Essays, politischen Aufsäßen, Recensionen, Bücheranzeigen, Repliken auf gegnerische Recensionen und allgemeinem literarischem Geplauder.

Schon früher überaus schreibselig, ein echter Schüler der zeitgenössischen französischen Modeliteratur, brauchte Wieland nicht eben zur Bielschreiberei verführt zu werden; sein Merkur bestärkte ihn aber darin und ließ ihm für Wahl und Durcharbeitung seiner Stoffe, für neue Studien und Projecte wenig Zeit übrig. Dazu kannte man seine Gutmüthigkeit, fürchtete seine Kritik nicht, griff ihn lebhaft an und verwickelte ihn unaufhörlich in literarische Streitigkeiten. Dennoch hatte das publicistische Gedränge auch seine Vortheile. Es hielt ihn mit der ganzen literarischen Welt in lebendiger Fühlung, regte ihn beständig an, zwang ihn zu steter Thätigkeit und förderte in mancher Hinsicht seine schriftstellerische Entwicklung, seinen kritischen Blick, seine ästhetischen Anschauungen, Stil, Sprache und Darstellung. Eine neue Richtung einzuschlagen, dazu war er schon zu alt. Er war schon vierzig, als er den Merkur anfing, sechzig, als jüngere Kräfte seinen Einfluß verdrängten, über siebenzig, als er sein Attisches Museum zum zweiten Mal eröffnete. Doch ein gewisser Fortschritt in der Form, rege Theilnahme an dem literarischen Leben der Anderen, Verbesserung mancher unrichtiger Ideen ist im Ver

lauf seiner langen, unermüdlichen Production, bei zahllosen Wiederholungen, vielfachem Copiren seiner selbst und Rückkehr auf die alten Lieblingssteckenpferde doch unverkennbar.

So grausam auch „Alceste“ von Göthe verhöhnt worden war und damit Wielands Lieblingsplan, ein deutsches Singspiel zu begründen, so ließ sich Wieland doch keineswegs entmuthigen. In den ersten zehn Jahren waltet in seinen Beiträgen zum Mercur und sonst noch entschieden die poetische Production vor. Es erschienen Singspiele, wie „Die Wahl des Herkules" (1773), „Das Urtheil des Midas" (1775), kleinere Gedichte, Gelegenheitsdichtungen, der Roman „Die Abderiten“ (1774–1780), Cantaten, Erzählungen in Prosa, wie „Die Geschichte des weisen Danischmend“ (1775), „Athenion genannt Aristion“ (1781) u. s. w., versificirte Erzählungen, wie „Der Mönch und die Nonne auf dem Mittelstein" (1775), „Gandalin“ (1776), das „Wintermärchen" (1776), „Geron der Adeliche" (1777), „Hann und Gulpenhee" (1778), „Der Vogelsang" (1778), „Schach Lolo“ (1778), „Pervonte“ (1778), „Clelia und Sinibald“ (1783) u. s. w. Den Höhepunkt der dichterischen Leistungen Wielands bildet der „Oberon“, der 1780 die drei ersten zusammen gedruckten Hefte des Teutschen Mercur ausmachte. Dann trat eine gewisse Erschöpfung ein. Um sein Pensum zu leisten, wandte sich Wieland der leichteren Arbeit eines Übersetzers zu, übertrug erst Horazens Briefe, dann dessen Satiren, endlich Lucian.

Diesen poetischen Beiträgen gingen von Anfang an die mannigfaltigsten Auffäße in Prosa zur Seite: über philosophische, politische, sogar religiöse Fragen, besonders über das Verhältniß der schönen Kunst zur Moral, über griechische Geschichte, Literaturgeschichte, Philosophie und Kunst, über deutsche, französische, englische, italienische Literatur - end lich eine Unzahl von kleinen Miscellen aller Art, auf die unruhige und flatterhafte Neugier des Publikums berechnet. Die kurze aphoristische Manier wußte er ebenso gut zu handhaben, als jene des eigentlichen Aufsages; den Dialog hatte er an den besten griechischen Vorbildern studirt, die Kunst der Pikanterie an französischen Journalen. Echt sanguinisch, fast wie ein Franzose, sprang er mühelos von einem Gebiet in's andere über, wußte über Alles interessant zu reden, jede kleine Anekdote gut zu verkaufen. Seine Prosa ist leicht, fließend, angenehm. Der Vorwurf des Franzosenthums bedarf großer Einschränkung; er arbeitete wohl stark nach französischen oder überhaupt fremden Mustern, stak voll französischer Ideen und sparte auch die Fremdwörter nicht; aber in Auffassung und Sprache flingt doch überall der gemüthlichste schwäbische Ton durch.

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