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borene Zweckmässigkeit." Ihr gegenüber steht der kritische Verstand stille; denn er ist nur einer mechanischen, discursiven Naturbetrachtung gewachsen. Daher zunächst die Forderung eines ,,intuitiven Verstandes", der im Einzelnen schon das Allgemeine ahne und über jenes sich erhebe; daher sodann der Uebergang aus der ungenügenden physikotheologischen Betrachtung, die höchstens auf einen Ordner der Mechanismen führe, zu der höheren Ethikotheologie, deren Ausgangs- und Endpunkt der moralische, ideale Mensch ist als Träger der ächten Tugend und der wahren Glückseligkeit. Zu einer eudämonistischen Glückseligkeit hatte auch die vorkant'sche Physikotheologie geführt; zu Tugend und Glück aber im Bunde führt nur die Moralität, deren Gesetz den Glauben an seine Vollbringung und somit das Ideal des höchsten Gutes in der Ideentrias Gott, Tugend, Unsterblichkeit hervorruft. — Ueber diesen Fortschritt Kant's sagt Weisse: „Die Philosophie des ontologischen (d. i. spinozistischen) Standpunktes hatte den Zweckbegriff überhaupt für unwahr erklärt. Die bisherige, von den Begriffsbestimmungen des Deismus aus- und in denselben zurückgehende Physikotheologie hatte zwar den Begriff wieder hergestellt, aber die Zweckmässigkeit der Weltordnung nicht in die Idee der Gottheit selbst, sondern aus derselben heraus in die nur ausser Gott gesetzte, nicht zugleich in ihm bleibende oder in die Einheit mit ihm zurückgenommene Creatürlichkeit verlegt. Die Ethikotheologie hebt den so wieder hergestellten Zweckbegriff nur dialectisch auf, aber sie zerstört ihn nicht; sie verleibt ihn vielmehr durch dieses Aufheben in die göttliche Idee selbst ein und lässt Gott, nicht blos subjectiv für das menschliche Erkennen denn das thut auch der Deismus sondern an sich und in der göttlichen Wahrheit, Gott sein, nur wiefern er das, was sein unmittelbares Dasein ausmacht (die Idee des Guten) als einen durch freie, creatürliche Thätigkeit zu realisierenden Zweck aus sich herausstellt: d. h. seine Gottheit, oder abstract seine Unsterblichkeit mitteilt. Dies nämlich liegt in dem Satze: dass mit der Gewissheit von dem Dasein Gottes die Gewissheit von der Unsterblichkeit der Seele eine und dieselbe, beide aber das zum Ideale des höchsten Gutes entwickelte Bewusstsein des moralischen Vernunft wesens als einzig möglichen Selbstzweckes der Weltschöpfung sind." 1

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1) Weisse, Idee der Gottheit 243 f.

Mit welchem Nachdrucke Kant den Begriff der ethisch-theologischen Teleologie in das Denken seiner Zeit einführte, beweist u. A., dass sein Nachfolger Fichte ,,die moralische Weltordnung" als das absolute Sein, als die höchste Wahrheit verkündigte. Seit Kant besonders, wenn auch nicht direkt oder allein durch Kant's Anregungen, ist auch die teleologische Behandlung der Geschichte, die Geschichtsphilosophie in ihre heutigen Bahnen gelenkt worden.

Von diesen, vorwiegend sittlich begründeten Grundlagen ausgehend hat Kant in seiner Art und in seiner Sprache die vielfach variierte Frage gestellt:,,Was muss ich thuen, dass ich selig werde?" Die Antwort, die er mit männlicher Energie gesucht und in seiner praktischen Philosophie gegeben hat, kann freilich, trotz des steten Appelles an die im Menschen latenten Kräfte und an dessen noch vorhandene sittliche Thatkraft, nicht als voll befriedigend gelten. Herz und Gemüt gehen bei dieser Religion,,innerhalb der Grenzen der Vernunft" fast leer aus. Auch wird das „böse“ Gewissen durch die halbe Sühne schwerlich zum dauernden Schweigen vermocht. Der doppelte Irrtum, den schon die Fragestellung einschliesst, hat die Antwort verhängnisvoll beeinträchtigt. Dieser doppelte Irrtum ist: der Wahn, dass überhaupt das ,,Ich" sich seiner Autonomie und Autarkie getrösten dürfe; sodann: der Wahn, dass durch das „, Thuen", nur durch selbsteigenes Thuen, je des Menschen Streben und Sehnen zum Ziele gelangen könne.

1) Vgl. die Einleitungen zur Philosophie der Gesch. von Hegel (1837) und Co. Hermann (1869). Gelegentlich erklärt Kant: „Unter dem Begriffe von Gott versteht man nicht etwa blos eine blind wirkende Natur, als die Wurzel aller Dinge, sondern ein höchstes Wesen; und dieser Begriff eines lebendigen Gottes interessiert uns allein".

I.

Darstellung und Beurteilung des Kant'schen Pelagianismus,

d. h. der Lehren: 1) vom radicalen Bösen, 2) von der Freiheit, 3) von der Autonomie und 4) von der Autarkie der practischen Vernunft.

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Die Folge der von Kant behaupteten ausschliesslichen Competenz der (practischen) Vernunft in den sittlichen und religiösen Fragen war eine Theorie vom Wollen und Können des Menschen, welche über den Pelagianismus und Socinianismus noch weit hinaus ging. Trotz der pessimistischen Anklänge in seiner Lehre vom radikalen Bösen, die sich wenn nicht in ihren Voraussetzungen und Folgen, so doch in der Schilderung des Wesens der Sünde mehrfach mit Paulus und Augustinus berührt, betont Kant streng optimistisch die Ungebrochenheit und Unzerstörbarkeit der menschlichen Freiheit; und aus der vor jedem Scheine einer Theonomie, bezüglich Heteronomie sorgfältig gehüteten Autonomie der practischen Vernunft folgert er deren Autarkie betreffs Erreichung des sittlichen Ideales: dem,,Du sollst" des kategorischen Imperatives müsse ohne jede Einschränkung das Können des Ich entsprechen, der strenge Begriff von Sittlichkeit schliesse jeden Gnadeneinfluss auf Sein und Werden des Ich aus.

1. Das radicale Böse.

Kant's Lehre vom radicalen Bösen 1 scheint auf den ersten Blick nach Seite der ethischen Strenge und der psychologischen

1) Relig. innerhalb d. Grenzen d. blossen Vernunft, 1. Stück: „von der Einwohnung des bösen Princips neben dem guten" (Ausgabe von 1794, S. 3-64). Vgl. in Kritik d. pract. Vernunft (Ausg. von 1788, S. 100 ff.) über den Begriff des Guten und des Bösen.

Wahrheit mit den Paulinischen und Johanneischen Ausführungen von der allgemeinen Sündhaftigkeit und der persönlichen Verschuldung sich nahezu zu decken. 1 Die Differenz der Kant'schen und der evangelischen Anschauungen erscheint zuerst da, wo Kant das metaphysische Gebiet streift und den geheimnisvollen Ursprung des moralisch Bösen nachzuweisen sucht in des Menschen,,intelligibler That." Gegen den Begriff der Erbsünde, wie ihn die Dogmatik des 17. Jahrhunderts in mehr physischer als ethischer Weise auf Grund der Augustinischen und Melanchthonischen Missdeutung 2 von Röm. 5, 12 fixiert hatte, erklärt sich Kant in Uebereinstimmung mit den bedeutendsten supranaturalistischen Theolgen seiner Zeit,3 indem er fort und fort die persönliche, die individuelle That und Schuld betont. Noch stärker aber zeigt sich jene Differenz da, wo es sich um die Folgen der Sünde handelt für des empirischen Menschen sittliche Freiheit und Thatkraft, für sein Wollen und Können. Während die Schrift, Augustin, Luther die Menschheit als einheitliches Ganzes betrachten, dessen einzelne Glieder Erben und Träger der Gesamtschuld, Organe der Sünde sind, so lange sie ausserhalb der göttlichen Gnadenein wirkung stehen, zersplittert die Menschheit bei Kant in zusammenhanglose Atome, deren jedes das volle Wesen und die ungebrochene Kraft eines sittlichen Mikrokosmos offenbart.

Kant's Lehre vom radikalen Bösen ist summarisch folgende:

Zwischen den Extremen des Horazischen Pessimismus (aetas parentum, peior avis, tulit nos nequiores, mox daturos progeniem vitiosiorem) und dem Optimismus eines Seneca (sanabilibus aegrotamus malis nosque in rectum genitos natura, si sanari velimus, adiuvat: lautet dessen ,,heroisches" Bekenntnis) oder Rousseau (Lehre vom Naturstand, von der natürlichen Gutartigkeit der menschlichen

1) Röm. 3, 23; 4, 15; 5, 20a; 7, 14-23; Gal. 3, 10; 4, 29. 3; 5, 19-21; Joh. 5. 19b; 3, 4; 1, 8. 10; 2, 11.

2) Fricke, de mente dogm. loci Ro. 5, 12 ff. (1880); Adam und Christus in Röm. 5 in Jahrb. für bibl. Wiss. II, 166 ff.; Rothe's neuer Versuch einer Auslegg. von Röm. 5, 12-21 (Wittenberg 1836); Dietzsch, Adam u. Christus S. 68 ff.; Ritschl, Rechtfert. und Versöhng. III, 301 ff.

3) Reinhard, Dogmatik (1806) S. 288 ff.; Töllner, theol. Untersuchungen I, 2, S. 56 ff.; Schott, opusc. I, 313 ff.; Storr, Bemerkungen zu Kant's Philosophie (1794) 7 ff.

4) Relig. innerhalb d. Grenzen d. Vernunft 3 ff. 27 ff.

Natur," von deren anerschaffener und unverwüstlicher Güte) liege Idie Wahrheit in der Mitte. Die sachliche Inkorrektheit des disjunctiven Satzes: ,,Der Mensch ist entweder gut oder böse" erhelle aus dem im Menschen vorhandenen Dualismus; es widerstrebe dem Menschen als Noumenon der Mensch als Phänomenon, dem idealen der empirische. Wohl sei eine ursprüngliche, d. h. zur Möglichkeit der menschlichen Natur gehörige Anlage zum (zunächst negativen) Guten vorhanden, da die (vernunftlose, animalische) Lebendigkeit, die (rein menschliche) Vernünftigkeit, die (für das moralische Vernunftgesetz als absolute Triebfeder der Willkür empfängliche) Persönlichkeit nicht blos physisch gut, sondern auch Anlagen zum moralisch Guten seien (Rel. innh. d. Grz. 15 ff.; vgl. 8. 46. 49). Aber die Erfahrung lehre, dass ein rätselhafter Hang zum Bösen in der menschlichen Natur vorhanden sei, der den Menschen als von Natur, d. h. in seiner Gattung böse erscheinen lasse. Hang sei indes nicht identisch mit Anlage (objectiv); er sei subjective Willkür, eine durch freie Entscheidung zugezogene Notwendigkeit der Willensbethätigung; er sei also nicht physisch, sondern moralisch; als peccatum originarium sei er zugleich der formale Grund jeder gesetzwidrigen That, des Lasters oder des peccatum derivativum, sofern der Hang selbst kein factum phaenomenon, keine sensible, empirische, sondern eine „intelligible", d. h. nur durch Vernunftschluss, ohne alle Zeitbedingung erkennbare That sei (a. a. O. 20 f. 24 ff.). Ein moralisch Böses sei dieser Hang also (24 f. 27. 35. 46. 68 f.) und zwar ein radikales, da es den Grund aller Maximen verderbe (35), angeboren sei es und doch wurzle es in der freien Willkür dessen, der es selbst sich zugezogen (27. 35). Sein Grund sei kein materialer (d. h. er wurzle weder in der Sinnlichkeit, noch in einer Verderbnis der moralisch gesetzgebenden Vernunft, welche die Persönlichkeit zu einem teuflischen Wesen umgestalten würde), sondern ein formaler: er bestehe in der Unterordnung der rein moralischen Triebfeder (des Vernunftgesetzes) unter die sinnlichen Triebfedern (Neigungen aus dem subjectiven Principe der Selbstliebe). Daher sei die Bösartigkeit der mensch

1

1) So neuerdings besonders Rothe; vgl. theol. Ethik (2. Aufl.) III, 1 ff. 11 f. 41 ff. 46 ff. 56; dagegen besonders Jul. Müller, die christliche Lehre von der Sünde (im 1. Theil); vgl. Martensen, christl. Ethik I, 128–141. Ebrard, Apologetik I, 224 ff. 257 ff. 268 ff.

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