ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

practisch als durchaus unzureichend und machtlos. Als transscendentale hat sie ausgesprochenermassen keine Bedeutung, keine Wirkungsfähigkeit in dieser unserer empirischen Welt; aus ihr wird sie in eine unserer Wahrnehmung unzugängliche andere, rein intelligibele Welt geflüchtet; dort entwirft die Vernunft wohl eine ideale Ordnung der Dinge kraft ihrer Freiheit, aber sie ist nicht im Stande, diese ideale Ordnung in eine reale umzusetzen; wohl erwartet und fordert sie ihre Verwirklichung, aber sie überwindet nicht den Widerspruch der sensibelen Welt. Es ist ein leidiger Trost, wenn Kant lehrt: Freiheit und Naturnotwendigkeit in einer und derselben Handlung müssten sich nicht geradezu widersprechen, sie könnten beide gleichzeitig und harmonisch sich geltend machen, obschon sie von verschiedenen Causalitäten ausgingen. Diese abstracte, rein dialectische Möglichkeit lässt practisch und in concreto doch jeden ratlos und trostlos, der in sich den Widerspruch des intelligibeln und des empirischen Charakters, des Sollens und des Seins empfindet. Die letzten Gründe von Verdienst und Schuld, so giebt Kant selbst zu, bleiben uns trotz unserer Freiheit verborgen, sie verlieren sich im Mysterium der intelligibelen That und in dem meritum fortunae, das dem Einen eine ohne sein Verdienst glückliche, dem Anderen eine ohne seine Schuld unglückliche Natur- oder Temperamentsanlage verlieh.

Aber nicht nur die abstracte Unterscheidung zwischen dem Noumenon und dem Phänomenon des Menschen erweist sich bei der Ableitung des Freiheitsbegriffes als misslich: sondern auch die schroffe Unterscheidung der theoretischen und der practischen Vernunft. Als Wurzel der Freiheit offenbart sich doch nicht bloss die letztere; schon die theoretische Vernunft erkannte die Freiheit als möglich, d. h. als sich nicht selbst widersprechend; die practische Vernunft fordert nur auf Grund des Sittengesetzes, dessen Sollen unser Wollen und Können voraussetzt, die Thatsache und die Wirklichkeit der als an sich möglich erkannten Freiheit, und so gelangt Kant zur Lehre vom Primate der practischen Vernunft über die theoretische, weil die Ergebnisse jener nur negative, die dieser positive seien. Dieser sachliche Primat der einen über die andere gefährdet die dialectische Coordination beider; und wenn Kant in der Entwickelung seiner Freiheitslehre gern die ,,reine“ Vernunft als Quelle des Freiheitsbegriffes bezeichnet, so giebt er

bei diesem ,,obersten Vermögen", dem Schlusssteine seines Systemes, ,,dem Ausgangspunkte aller Moralität" wider Willen selbst die Andeutung, dass jene abstracte dualistische Scheidung schwer durchzuführen und anzuerkennen sei, es gebe in Wahrheit weder eine theoretische noch eine practische Vernunft, sondern sie sei beides in Einem. Indem Kant über die beiden Hälften seines Vernunftbegriffes hinaus greifen muss, um die Heimstätte der Freiheit in der intelligibelen Welt nachzuweisen, schwächt er die fundamentale Bedeutung des Vernunftbegriffes überhaupt stark ab. Andere haben nach Kant diesen Vernunftbegriff daher nicht nur als die Wurzel seines Systems negiert, sie haben auch den viel tieferen und fruchtbareren der „Persönlichkeit" an seine Stelle gesetzt; und damit treten sie aus dem Bannkreise der abstracten Moral hinüber auf den lebensvollen Boden des biblischen Christentums. Wohl gebraucht auch Kant den Begriff der Persönlichkeit, doch fasst er ihn nur in seiner practischen, noch nicht in seiner universellen Bedeutung für das Wesen des Menschen auf. Persönlichkeit ist ihm geradezu identisch mit „Freiheit und Unabhängigkeit von dem Mechanismus der ganzen Natur" (Krit. d. pract. Vernunft 155), was irrig ist; denn die Persönlichkeit ist nicht, sondern hat diese Freiheit als eines ihrer Momente. Zugleich ist ihm Persönlichkeit ,,das Vermögen, das moralische Gesetz als für sich hinreichende Triebfeder der Willkür zu achten", hierbei aber gilt nur die practische Vernunft als konstitutives Moment (Krit. d. pract. Vernunft 155; Relig. innerhalb d. Grenzen d. Vernunft 18 f.:,,Die Idee des moralischen Gesetzes mit der davon unzertrennlichen Achtung ist die Persönlichkeit, d. h. die Idee der Menschheit ganz intellektuell betrachtet", ihre Wurzel ist,,die für sich selbst practische, d. i. unbedingt gesetzgebende Vernunft“). Namentlich durch Schleiermacher und Rothe ist der Begriff der Persönlichkeit vertieft und erweitert, vor allem auch religiös bestimmt, d. h. unmittelbar an Gott geknüpft worden.2 Persönlichkeit und Wille decken sich

1

1) Schleiermacher, Dogmatik I, 331 ff.; II, 1 ff. (§§ 74. 78 ff.); Rothe, Theol. Ethik I, 325 ff. 155-229. 324-393; Baader, Weltalter 131-381 (1868 ed. Fr. Hoffmann); Martensen, Christl. Ethik I, 99 ff.; Ulrici, Gott und Mensch 595 ff. 606 ff.

2) Vgl. z. B. Fichte, Psychol. I, 15: „Persönlichkeit ist die Grundform des Geistes als solchen, daher als Form in allen Geistern, im absoluten wie im endlichen, schlechthin gleich." Die,,Einheit von Selbst

nicht; jener ist der umfassendere Begriff und bezeichnet den geistigen Centralpunkt, die innere Einheit unseres Wesens, von der aus alle Geistes- und Seelenkräfte ihre principielle Bestimmung erhalten als blosse Organe. Das Ich in seiner innersten, geheimnisvollen Tiefe ist nicht Vernunft, Wille, Gefühl, sondern es hat sie; es selbst aber wird wieder gehabt von der absoluten Persönlichkeit (Gottes), vom absoluten Geiste. Dass auch Kant sich schliesslich über seine rationalistisch nur bestimmte Ethik hinaus zur Anerkennung einer religiös bestimmten gedrängt sah, beweist namentlich die dritte seiner grossen Kritiken, in der er erst vollen Ernst macht mit der schöpferischen und sittlichen Einwirkung Gottes auf die Welt.

Das Fernhalten des Gottesbegriffes als eines konstitutiven (nicht bloss regulativen) Factors hat Kant bei der Ableitung und Fixierung seines Freiheitsbegriffes in einen augenscheinlichen Widerspruch verwickelt. Er lehrt: Freiheit wäre nicht Freiheit, wenn sie nicht das Sittengesetz sich selber gegeben hätte; ferner aber bestimmt er dies Sittengesetz als kategorischen Imperativ der Pflicht. Zunächst ist nicht einzusehen, weshalb zum Begriffe und Bestande der Freiheit jene Autonomie gehören soll. Ist nämlich die Freiheit eine absolute, so verträgt sich mit ihr überhaupt nicht der Begriff des Gesetzes; denn: die absolute Freiheit ist sich selber Gesetz, sobald man sie nur formell als Willkür und purus actus versteht, und fasst man sie als reale, als materiale, so gilt, dass dem Reinen, dem Heiligen kein Gesetz gegeben ist; er ist sich selbst Gesetz. Ist aber die Freiheit eine relative, so bleibt sie als solche in Kraft, gleichviel ob sie es mit dem Gesetze zu thun hat, das von ihr selbst oder etwa von Gott herrührt (Heteronomie als Theonomie); sie vermag ja in beiden Fällen, gemäss

bewusstsein und Selbstbestimmung" macht das Ich, die Persönlichkeit aus; beides aber giebt der Mensch nicht sich selbst, er findet beides als entwickelungsfähige Keime, als gegebene Anlagen in sich vor: als Mitarbeiter Gottes hat er sie zu entfalten und zu bethätigen. Wie Gott sich im Menschengeiste spiegelt, so soll sich dieser spiegeln in der Natur. Persona est quam personat deus.

1) Ulrici, Herzog's Encyklopädie VII, 343: „Ein Wesen, welches das Sittengesetz sich selber gegeben hätte und dessen Freiheit also Autonomie wäre, könnte gar kein Bewusstsein von einem Sollen, von einer Pflicht haben, weil in ihm das Sittengesetz mit seinem freien Wollen in Eins zusammenfiele." Vgl. Jacob. 1, 25; 2, 2; 1 Tim. 1, 9; Röm. 2, 15; Gal. 5, 22 f.

oder entgegen dem Gesetze sich zu entscheiden, sie vermag das Gesetz oder etwas ihm Fremdes zum Bestimmungsgrunde ihrer Handlungen zu machen. Vor allem aber: aus der Kant'schen Fiktion, das Sittengesetz entspreche dem Noumenon des Menschen und stamme von diesem, das Phänomenon des Menschen aber widerstrebe ihm, ergiebt sich kaum die Folgerung, dass der Mensch gleichzeitig autonom und doch auch dem Gesetze verhaftet, verpflichtet sei. Die Folgerung lässt sich wohl in abstracto aufstellen, aber nicht in concreto bewahrheiten. Vielmehr würde bei konkreter Anwendung des Kantischen Dualismus und seiner Konsequenzen entweder das Für und Wider das Gesetz, das Bejahen und Verneinen des Gesetzes, also Noumenon und Phänomenon sich kompensieren, d. h. es würde zu gar keinem Wollen und Handeln kommen;1 oder es würde die positive, bezüglich die negative Seite dergestalt sich geltend machen, dass thatsächliche Unfreiheit des Willens einträte, weil auf Grund der einseitigen Entscheidung nur Zwang und Notwendigkeit übrig bleibt.

[ocr errors]

Was die Definitionen der Freiheit betrifft, so giebt Kant sowohl negative als positive Formeln. Dieser doppelte Ausdruck ist zur Erschöpfung ihres Inhaltes nötig, weil sich die Freiheit ja negativ zu der Erscheinungswelt, positiv zur Welt der Ideen verhalten soll. Auch die Schrift hat die christliche Freiheit bezeichnet als ein Lossein von (Sünde, Tod, Gesetzesknechtschaft) und als ein Lossein für (Gott, Christus, der die lex viva und des Gesetzes Erfüllung ist); 2 und ebenso definierte Luther die libertas

[ocr errors]

1) Aehnlich Martensen, Ethik I, 445 f. „Ein solcher unversöhnlicher Dualismus zwischen dem Sittengesetze und dem Naturgesetze würde (nicht nur in Gottes Wesen selbst einen ungelösten Dualismus hineinlegen, sofern es ein und derselbe Gott ist, der sich in beiden Welten offenbart, sondern würde zugleich) die Einheit der menschlichen Natur aufheben, sofern es derselbe Mensch ist, dessen sinnliche Triebe, Blutumlauf u. s. f. bestimmt werden durch das Naturgesetz, und derselbe, dessen Wille sich nach dem Sittengesetze richten soll, welcher aber verurteilt sein würde zu einem unablässigen und resultatlosen Kampfe."

[ocr errors]

2) Negativ: Röm. 6, 18. 22; 8, 2. 21; 1 Petri 2, 16; 2 Petri 2, 19; Gal. 5, 13. Positiv: Röm. 8, 21; 6, 20; Joh. 8, 36. 32 ff.; Gal. 4, 22 ff.; 2, 4; 5, 1; 1 Cor. 7, 22; 2 Cor. 3, 17. Besonders Röm. 8, 21 ist bezeichnend für die Zu sammengehörigkeit des negativen (als des früheren) und des positiven Factors; das passive cheudepwdyoeta spricht scharf den Gegensatz aus zur Kant'schen Selbstbefreiung und Selbst erlösung.

christiana negativ als „,die das Herz frei machet von allen Sünden, Gesetzen und Geboten", positiv als ,,Glauben und Lieben" (d. h. Leben in Gott). Während nun die Schrift aber ausschliesslich die reale Freiheit betont, welche ihre res, d. i. ihre Wesenheit, ihren Grund und ihren Zweck in Gott hat:1 kennt Kant nur die formale Freiheit. Die formale und reale Freiheit verhalten sich nicht wie Abstufungen des einen Begriffes, sondern wie die Form zum Inhalt, wie das Abstractum zum Konkretum, wie das Physische zum Ethischen. 2 Nach Kant ist die Freiheit identisch mit der Willkür, jene geht in dieser auf: Willkür aber ist zunächt ein ethisch neutraler Begriff. Im aequilibrium liegt keinerlei Garantie. für sittliche Konsequenz. Doch Kant hat sich nicht begnügt, seinen rein psychologischen Freiheitsbegriff zur Basis der gesamten Moral zu machen (eine μετάβασις εἰς ἄλλο γένος): er setzt diesen psychologischen Begriff auch absolut (Freiheit der Willkür

-

1) Das lateinische Wort liberi hat den doppelten Begriff „Freie" und „Kinder“; biblisch sind die liberi (die Freien) „Gottes Kinder“ (Röm. 8, 14. 21; 2 Cor. 3, 17; Joh. 8, 32 ff.), von Gottes Sohn erlöst und von Gottes Geist getrieben.

[ocr errors]
[ocr errors]

2) Vgl. Relig. innerh. d. Grenzen d. Vernunft 11 f. 18. 21. 25. 48. Ueber den Begriff der formalen und der realen Freiheit vgl. Luthardt, Lehre v. freien Willen 6 ff.; Jul. Müller, Lehre von der Sünde II, 35 ff. 40 ff. 176 f. 230 ff; Rothe, Theol. Ethik I. 359 ff. „Die Macht der Selbstbestimmung ist keineswegs schon dasjenige, was man die wirkliche" oder „reale” Freiheit zu nennen pflegt." Letztere ist „die mit der Notwendigkeit identische Freiheit, die Notwendigkeit als die moralische verstanden“. „Freiheit und Notwendigkeit bilden ja logisch keinen Gegensatz und schliessen sich also nicht aus; der Freiheit steht der Zwang gegenüber, der Notwendigkeit die Zufälligkeit." ,,Die formale Freiheit, d. h. die Macht der Selbstbestimmung ist die s. g. Wahlfreiheit, das bloss psychische Vermögen der Willkür, d. h. die Möglichkeit für das individuelle Ich, gegenüber jeder einzelnen Sollicitation zum Handeln, woher sie auch immer kommen möge, von aussen oder von innen her sich auf entgegengesetzte Weise, also sowohl affirmativ als negativ, zu verhalten." Vgl. Schmidt, über die Freiheit des menschlichen Willens, Stud. u. Krit. 1874, IV, 613. 639. 658 f. Reale Freiheit ist Einigung des individuellen Willens mit Gottes Willen Ideo servire vera libertas. Das den Menschen auf sich allein stellende moderne Grundprincip der Spekulation cogito ergo sum hat vor sich und über sich noch das cogitor, ergo sum oder cogito quia cogitor (mein von Gott Gedachtwerden ist nicht nur früher als mein Denken, sondern dieses ist auch erst möglich durch jenes). Baader Weltalter 250 f.:,,Wahrhaft frei kann nur dasjenige Leben sein, das über der Zeit sich befindet."

-

[ocr errors]

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »