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ist ihm das Vermögen des absoluten Anfanges einer Handlung); damit aber verliert er sich in leere Abstractionen. Denn als Vermögen des absoluten Anfanges einer Handlung kommt die formale Freiheit (der Wahl, der Willkür) nirgends mehr vor. Denkbar ist sie wohl: jedoch dieses volle aequilibrium, diese volle sittliche Neutralität wäre vor den absoluten Anfangspunkt aller sittlichen Entwickelung zu verlegen (also noch vor Kant's unfassbare und phantastische intelligible That), der für unser jetziges Sein und Thun keine practische Bedeutung mehr hat. 1 Das Ungenügende des rein formalistischen Freiheitsbegriffes, sowie der Wahn von der Absolutheit und Unverlierbarkeit der Freiheit ist nun zu prüfen.

Der Unterschied zwischen arbitrium liberum und arb. brutum, den Kant statuiert, hat keinerlei Beziehung auf den Unterschied zwischen realer (libertas) und formaler (aequilibrium) Freiheit; er betrifft nur den Gegensatz zwischen Persönlichem und Tierischem, zwischen selbstbewusster und physischer, instinktiver, pathologischer Wahl; er besagt nur, dass die ächte Willkür, das Vermögen der bestimmten Wahl (gegenüber dem unentschiedenen Schwanken und Wählen) eine Prärogative der Persönlichkeit sei; dieses Vermögen ist ihm ein reines, absolutes, purus actus, wobei es nur auf das,,Ob" oder ,,Dass", nicht auf das ,,Wie" und das Was" des Handelns ankommt. Von ihm ist allerdings

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Kant in gewissem Sinne zu sagen, es sei unverlierbar: 2 denn erst mit dem Aufhören des menschlichen Bewusstseins kann diese Art der Freiheitsbethätigung enden, die identisch ist mit bewusster Selbstbestimmung ohne jedweden (moralischen oder physischen) Zwang. Aber es ist nicht genug, diese Form der Freiheit, dies auch anders Können an dem persönlichen, sittlichen

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1) Dem ersten Menschen vor seinem Falle mag man dies absolute aequilibrium beilegen; doch (nach Röm. 7, 14—24) den Adamiten ist es verloren, da unsere Willkür geknechtet und gefesselt ist durch die Sünde. ,Gerade ihr Triumph im sündigen Menschen beweist ihre Schranke" (Luthardt). Vgl. Zezschwitz, Apolog. d. Christentums 201 ff. 2) Vgl. Anselm de libero arbitrio cpp. 10-12 (Hasse, Ans. v. Ktb. II, 388 ff.). Im Gegensatze zu Augustin's Lehre vom servum arbitrium betont Anselm: homo semper liber est naturaliter, und deshalb: a libertate sua nec per se nec per alium potest privari, freilich ist für Anselm diese Freiheit nur potestas, d. i. Möglichkeit der Bethätigung, eine schlummernde oder durch die Hegemonie der Sünde niedergehaltene Kraft.

Menschenwesen zu betonen. Diese Form der Freiheit ist ja doch nur die äussere, die Naturseite der menschlichen Freiheit. 1 Ihr fehlt die Seele. Die Seele der Freiheit, ihre res und materia, ihr sittlicher Inhalt muss zu dem abstracten Begriffe hinzu kommen, wenn er lebendig werden und als Attribut eines sittlichen Wesens gelten soll. „Unabhängigkeit von aller Materie des Gesetzes" ist beim Wollen und Thun doch nur ein Wahn. Selbst angenommen, es hätte der freie Wille bei seiner ersten (nach Kant intelligibeln) That sich nur deshalb geäussert, um sein Dasein zu erweisen: so wäre er doch auch damals nicht schlechthin ohne Motiv verfahren. Irgend ein Motiv (in uns), irgend einen. Zweck (ausser uns) hat jede Handlung;2 fragt auch die Willkür nicht nach Recht und Unrecht, erscheint sie auch unberechenbar und inkonsequent: in jedem einzelnen Falle ihrer Bethätigung verfährt sie doch nicht ohne Ziel und Zweck, sondern wenigstens mit der Absicht, ihr Dasein trotz Anderer Erwartungen und Forderungen eben so und nicht anders zu erweisen. Das sachliche, zugleich sittliche Princip solcher Freiheitsbethätigung ist der Egoismus. Es ist das niedrigste unter den denkbar möglichen, das bei steter Befolgung der Freiheitsbethätigung einen dämonischen, moralisch bösen Charakter aufprägt. 3 Das höchste Princip des Willens und der Freiheit ist die Selbstlosigkeit, d. h. Liebe,,,die nicht das Ihre sucht", Rücksichtnahme auf fremde Interessen, Unterordnung des Ich unter „Gott und die Brüder"; durch dieses Princip werden erst die Individuen, diese Atome im Universum zusammengefasst zum einheitlichen Organismus des ja auch von Kant postulierten,,Reiches Gottes." Fehlt dem Willen

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1),,Absolut frei (oder der absoluten Freiheit Gottes teilhaftig) ist nur der vollendet Gute, nicht der noch der Freiheit der Wahl Ausgesetzte." "Nur der ist frei vom Zwange des Gesetzes, der in dessen Geiste lebt; das Hervortreten des Gesetzes begleitet nur den Zustand der Entgeistung des Gemütes und dessen Entfernung von seinem rechten, gesunden Leben." Baader, a. a. O. 251.

2) Spinoza's Satz: .,Die Seele kann nicht die unbedingte Fähigkeit des Wollens und Nichtwollens haben, sondern sie wird zu diesem oder jenem Wollen von einer Ursache bestimmt" (Ethik, ed. Kirchmann, S. 59. 68. 77. 92 f.) wurde auch von Leibniz und Herbart adoptiert, bezügl. erwiesen (vgl. Leibniz, Theodicee ed. Gottsched S. 200 ff.).

3) Shakespeare lässt dieses Princip von Richard III. (Akt 5, Scene 3) in der Formel aussprechen: ,,Richard liebt Richard, d. h. Ich bin Ich".

seine principielle Bestimmtheit und Richtung, so zersplittern seine Thaten nach allen Seiten hin; es fehlt ihm Charakter, Einheit, Stetigkeit; so lange diese Eigenschaften fehlen, ist von einem Fortschritt in der sittlichen Gestaltung des Einzelnen ebenso wenig zu reden, wie von einem Fortschritt in der Kulturgeschichte der Völker, so viele einzelne Willensakte auch sich häufen mögen. Gegenüber dem Augastinismus liegt eine der Hauptschwächen des Pelagianismus darin, dass er das Individuum ohne Zusammenhang mit dem Geschlechte und im Individuum die einzelne That ohne Zusammenhang auffasst mit dem, was vor ihr schon gethan und erfahren wurde. Nicht nur unser eigenes früheres Thun determiniert (mehr oder minder, je nach der Energie mit der wir handelten, und je nach der Zahl der gleichartigen Akte), sondern auch das determiniert unser späteres Sein und Thun, was wir leiden, was Andere an uns thun. 1 Je länger desto mehr entwickelt sich im Menschen ein habitus sittlicher Art, ein konstanter Charakter (im guten oder bösen Sinne); und so bewahrheitet sich nicht nur das operari sequitur esse, sondern auch das esse sequitur operari. Das Erste ist (auch nach Kant's Lehre von der Präexistenz der Seele und deren für unser gegenwärtiges Sein verhängnisvollen, weil dasselbe prädestinierenden That) immer: operari sequitur esse; mein Charakter (esse) wird mir nicht angeboren, sondern er ist das Resultat meiner eigenen sittlichen Entscheidungen, das Gepräge, welches meine vereinzelten Thaten meiner Erscheinung aufdrücken. Andererseits aber gilt auch: esse sequitur operari; bin ich einmal von einer bestimmten Qualität, eignet mir ein bestimmter Charakter; so bin ich im einzelnen Falle gebunden und unfrei. 2 An den Wendepunkten des Lebens, in den eminent entscheidenden und bedeutsamen Krisen des sittlichen Werdens stehen die Thaten, die auf weite Strecken hinaus unser äusseres Schicksal wie unser inneres Wollen determinieren; seit wir

1) „Das menschliche Individuum steht keineswegs allein, sondern ist ein Glied im Organismus des Geschlechtes, der Sünde desselben teilhaftig; die Sünde als Erbsünde ist eine dem Individuum angeborene Naturbestimmtheit und seine Entwickelung ist vielfach bedingt durch seine Umgebungen." Martensen, Ethik 146 f.; Dogmatik 150 f. 157 ff.; Ebrard, Apologetik I, 241 ff.; Luthardt, Die modernen Weltanschauungen 21 ff. 27. 35 f.

2) Vgl. Matth. 12, 33. 35; Martensen, Ethik I, 159 ff. 166 ff. 143 f. 179.

unter diesen Bann gerieten, waren unsere einzelnen Handlungen nicht mehr frei, sondern sie waren die notwendigen Folgen des von uns allmählich angenommenen Charakters; für diese einzelnen Handlungen (falls sie böse sind) sind wir in zweiter Linie erst verantwortlich, in erster Linie sind wir's dafür, dass wir unseren Charakter so und nicht anders ausgeprägt haben: „,hab' ich des Menschen Kern (esse) erst untersucht, so hab' ich auch sein Wollen und sein Handeln" (operari).

Kant nun schwankt zwischen der Anerkennung des Satzes: operari (der intelligiblen That) sequitur esse (Thatsache des radicalen Bösen) und der Leugnung desselben (die Freiheit ist absolut, ist unverloren und unverlierbar) unklar hin und her. Konsequenter Weise ergiebt die doch ernst gemeinte Prämisse vom vor

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zeitlichen Falle nur die sittliche Determiniertheit der Gefallenen inmitten des zeitlichen Lebens; letzteres behält also nur die Bedeutung einer Offenbarung und Weiterentwickelung des präexistenten Falles; und es ist nicht abzusehen, wie und in welchem Momente der habituelle (böse) Charakter sich nach der entscheidenden und fortwirkenden That von sich aus soll in sein Gegenteil umwandeln können; die psychologische potestas (anders zu handeln, als der geknechtete Wille handeln muss) führt nicht zur moralischen factischen potestas. 1

Nach Kant ist die Freiheit des Menschen absolut. Der Philosoph stimmt überein mit dem Dichter: ,,Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, und wär' er in Ketten geboren." Nur ist leider diese Freiheit eine rein imaginäre, keine praktische: sie überwindet weder die Ketten, die uns die Natur, noch diejenigen, die wir uns selber sittlich uns prädeterminierend - angelegt haben. Auf dem physischen wie auf dem sittlichen Gebiete gilt: nicht immer und nicht sofort können wir, was wir wollen; wohl können wir in Gedanken jederzeit uns frei bestimmen, aber des guten Gedankens Blässe kontrastiert oft schmerzvoll mit der Macht des abnormen, des bösen Charakters. Frühere Willensakte haben eine Reihe von Folgen nach sich gezogen: ihnen vermögen wir uns nicht mehr, nichf sofort, nicht allein zu entziehen. Freie Selbstbestimmung hat ihre Schranke an dem, was hinter uns liegt, als

1) Vgl. Schmidt, a. a. O. 606 ff. 611 f. 619 f. 635-644; Ritschl, Rechtf. und Versöhn. III, 550 f. 308.

eigene That oder fremdartige Hemmung (Raum, Zeit, körperliche Organisation, physische und geistige Beanlagung); seit der Thatsache, dass der Mensch mit den Schranken des ihm gegebenen Gesetzes die Ziele und Zwecke der Welt wie seines Lebens (subjectiv) änderte, ist er selbst ein Anderer geworden; er ist nicht mehr frei von der Sünde, sondern nur noch frei in und für die Sünde; Irrtum und Schuld trüben des Geistes Auge und depotenzieren die urspüngliche Energie für's Gute.1 Kant's Behauptung, die Freiheit des Menschen sei,, absolute Spontaneïtät",,,das Vermögen der absoluten Kausalität" oder ,,des absoluten Anfanges einer Handlung", wäre wohl nicht so oft und so schroff von ihm ausgesprochen worden, wenn er nicht auf Kosten des Gottesbegriffs, der für Kant mehr Hypothese als Wirklichkeit, mehr ideeller Regulator als factischer Kreator und Konstitutor der Welt ist, 2 dem Menschenbegriffe die Attribute des Absoluten zuerteilte. Nur Gott hat Freiheit des Seins und des Handelns; der Kreatur eignet nur die eine von beiden, denn ihr fehlt die Ascïtät; sie ist nur frei zum Handeln d. h. relativ frei, innerhalb der ihr vom Schöpfer gezogenen Schranken. Nur Gott eignet die absolute Freiheit des Handelns, weil sein Thun keine andere Schranke hat als sein Sein, Gott aber ist a se (Gottes Heiligkeit ist die Schranke für seine Allmacht). Des Menschen Freiheit ist gemäss seiner Kreatürlichkeit und seiner absoluten Abhängigkeit von dem Gotte des Lebens nur eine relative: 3 selbst die ärgste Willkür eines dämonischen Men

1) Vgl. Ebrard, Apolog. I, 231 f. und dessen Ausführungen über die ,,Pathologie der Sünde im Einzelnen und im Geschlechte." Bezeichnend ist die Aeusserung des Erasmus, im Streite mit Luther über das liberum bezügl. servum arbitrium habe er ,,seine" Freiheit verloren, für die er schrieb.

2) Die Schöpfung ist nach Kant nicht empirische Thatsache, sondern intelligibler Akt; nur als ob die Welt von Gott (und zwar mit Beziehung nur auf die Noumena) geschaffen wäre, haben wir sie zu begreifen. Vgl. Ulrici, Herzog's Encyklopädie VII, 342.

3) Vgl. z. B.,,die menschliche Persönlichkeit (das Allgemeine) ist durch die Individualität (das Besondere), die geistige und leibliche Naturbestimmtheit, begrenzt, welche dem Menscheu vor allem Selbstbewusstsein und aller Selbstbestimmung gegeben ist, und welche durch den Willen zwar gebildet, niemals aber eine andere werden kann, als sie von Hause aus ist; in seiner Individualität hat jeder Mensch nicht nur seine Begabung, sondern auch seine Schranke". Martensen, Ethik I, 141. 446 ff.; Paret, Herzog's Realencyklopädie IV, 568 (Aufl. 1).

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