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zurücksanken. Die göttliche Erziehung des Menschengeschlechts, die damals das oberste Prinzip der geschichtlichen Zusammenfassung gewesen war, bedeutete in ihrer Herderschen, stark immanenten Fassung wenigstens ein Tasten nach dem modernen Entwicklungsbegriff. Herder aber verzichtet nun auf ihre wissenschaftliche Umprägung und behilft sich zu ihrer Ergänzung mit dem Hinweis auf die Ausbildung der doch überall schon vorhandenen Humanität ein Grundgedanke, der weit unbestimmter ist und Kant zu dem Vorwurf Anlaß gibt, daß bei Herder die eigentliche Vorwärtsbewegung fehle. Im einzelnen steht es ähnlich. Auf religiösem Gebiet zeigt das 17. Buch deutlich das Nachlassen des Verständnisses für fremdgewordne Formen. Aber auch die Beschreibung des Mittelalters kann man kaum ohne schmerzliche Erinnerung an den früheren Aufsatz lesen.

Die religionsphilosophischen Grundsätze dieser großen Jahre faßt das Büchlein über Gott (87; Text S. 177 ff.) in angenehmem Plauderton zusammen. Hier setzt Herder sich, so genau als es ihm möglich ist, mit Spinoza sowohl wie Leibniz auseinander, und auch Shaftesburys Geist leuchtet allenthalben hindurch. Was ihm an Spinoza miẞfällt, erklärt er zeitgeschichtlich vor allem als Cartesische Schlacke. Ein Hauptmittel, durch das er die starre Ruhe des spinozistischen Monismus zu beleben sucht, ist die Einführung „substantieller Kräfte"; die Welt wird ihm ein System von Kräften, die aus Gott hervorquellen. Die Erklärung Gottes als „, Weltseele" lehnt er ab, obwohl er schon 1770 (Lebensbild III, 1, S. 111), an Shaftesbury anknüpfend, in dem Worte Weltgeist den prächtigsten Namen für Gott erkannt hatte. Das Büchlein war ein Bekenntnis und wurde von Goethe auch für sich in Anspruch genommen. Zugleich aber bildet es ein wichtiges Glied in der Kette der damaligen philosophischen Kämpfe. Abgesehen von vielfacher stiller Polemik gegen Kant, nimmt es Stellung in dem Kampfe, der sich über Lessings Spinozismus erhoben hatte. Herder tritt tapfer neben Lessing; wie dieser verändert er dabei die Meinung des großen Denkers so, daß er eine ganze Fülle von andern philosophischen Gedanken damit verbinden kann. Wieder beweist er, daß seine Größe nicht in scharfer Scheidung und logischem Gedankenbau liegt, sondern in der Fähigkeit,

sich in Fremdes zu versenken und es sich dadurch zu assimilieren.

Die italienische Reise zeigte, wie herb sein Geist wurde, und wie er gerade seine Aufnahmefähigkeit verlor. Unbefriedigt kehrte er heim, um immer unzufriedener zu werden. Als er vor allem dadurch Goethe immer mehr an Schiller verlor, wurde er einsam unter den großen Führern des Geistes. Nur für Männer zweiten oder gar dritten Ranges wie Jean Paul, Gleim oder Knebel, blieb er ein Mittelpunkt. Wenn er früher alle Richtungen der Zeit in seinem Geist gesammelt hatte, so verschloß er sich jetzt dem Verständnis der beiden gewaltigen Fortschritte, die sich in Kant und Goethe vollzogen. Daher schritt die Entwicklung an ihm vorüber. Nur im einzelnen vermochte er noch viel Treffliches zu geben. Die „Zerstreuten Blätter" (85-97), die „Briefe zur Beförderung der Humanität" (93-97), manche Gedichte und Aufsätze in Schillers Horen nnd Musenalmanach enthielten sogar unvergängliche Perlen. Wenn darunter auch manches Philosophische war (Text S. 252), so handelt es sich dabei doch niemals um neuere oder reichere Gedanken; der philosophische Gehalt seines Innern, oder wenigstens die Fähigkeit ihn weiterzubilden, war erschöpft. Als er sich 1799f. zu der „Metakritik“ und „Kalligone" aufraffte, da lag der Anlaß in dem Streben, gegen Kants Kritizismus zu kämpfen. Und der Inhalt war der ungewollte Beweis, daß Herder sein Bestes teils schon gesagt hatte, teils nicht zu gestalten wußte. Hier und da stützte er sich sogar auf Männer und Gedanken der Aufklärung, d. h. des Geistes, dessen innere Überwindung seine eigne beste Tat gewesen war. Nur auf dem theologischen Gebiete, das er in den neunziger Jahren mit neuem Eifer betrat, schritt er teilweise noch fort. Zwar fehlt es in den „,Christlichen Schriften" nicht an Merkmalen des Verfalls z. B. die Selbständigkeit der Religion gegenüber der Sittlichkeit und die Fähigkeit, aus den geschichtlichen Urkunden des Christentums religiöse Kraft zu saugen, sinkt noch weiter ; aber sie geben doch auch treffliche Proben einer religiös und wissenschaftlich gleich würdigen Behandlung biblischer Fragen.

So bietet Herders letzte Zeit ein trübes Bild. In der Würdigung seiner Lebensarbeit bedauern wir es kaum,

ihn schon am 18. Dezember 1803, noch nicht 60 Jahre alt, sterben zu sehen. Für den Mann, dessen Genialität das intuitive Verständnis anderer Zeiten und die Zusammenschmelzung der verschiedensten Entwicklungslinien in eine neue mächtige Einheit gewesen war, bedeutete schon die Verständnislosigkeit gegenüber den neuesten Errungenschaften den Weg zum geistigen Tode. Seine Mängel rächten sich schwer an ihm; freuen wir uns, daß sein Geist, obschon zerteilt, in Goethe, in der Romantik, in dem ganzen deutschen Idealismus und dem geschichtlichen Sinn der Neuzeit weiter lebt.

3. Herders Verhältnis zu Kant.

Mit Unrecht machen viele Philosophen ihr Urteil über Herder durchaus abhängig von seiner Stellung zu Kant. Immerhin ist das Verhältnis zu dem Bahnbrecher der neuen Philosophie so wichtig, daß wir ihm einen besonderen Abschnitt widmen. Da hier nicht der Ort ist, eine selbständige Untersuchung darüber zu schreiben das Urteil müßte sich in hohem Grade nach der eignen philosophischen Überzeugung richten so stellen wir wenigstens die wichtigen Aussagen Herders über Kant zusammen und in ihren historischen Zusammenhang hinein.

Das erste, was uns dabei begegnet, ist die Begeisterung des Studenten Herder für seinen akademischen Lehrer Kant. Sie schlägt sich zunächst in Gedichtform nieder. Herder ruft z. B., nachdem er sein Jugendelend beschrieben hat, freudig aus:

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er gab mir Kant!

(Su. 29, 240, Anm. dazu 240 oben.) Er gibt ihm für die Zukunft die Bedeutung, die Kepler für die Gegenwart hat. Sein Name wird unüberglänzbar" der Ewigkeit Nacht erleuchten (Su. 29, 241). Einst wird er von dem Vortrag Kants über Zeit und Ewigkeit so gepackt, da er den Inhalt daheim in leider verlorene Verse kleidet, die Kant, durch den Ton an seine Lieblingsdichter Haller und Pope erinnert, am folgenden Morgen seinen Zuhörern vorliest. Wir können uns also Herders Stimmung nicht

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warm genug denken, und Kant freute sich lebhaft an dem begeisterten Schüler. Was Herder vor allem fesselte, wird später die Stelle aus den Humanitätsbriefen zeigen. Jedenfalls war es nicht das Streben nach einer sichern Grundlage der menschlichen Erkenntnis; sondern Herder lernte vor allem wie von Hamann oder Rousseau und Hume — in beide hatte erst Kant ihn „eingeweihet“ (Lebensbild I, 2, 193) so auch von ihm eine starke Abneigung gegen dogmatische Metaphysik, die Betonung der Erfahrung, der Natur, der Menschen und der empirischen Psychologie. Ferner nahm er Kants ästhetische Meinungen in sich auf; die Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen“, die 1764 erschienen, klingen aus mancher Bemerkung Herders wieder (vgl. Haym I, 40). Wirklicher Kantianer wurde er trotzdem nicht. Zwar die Andeutungen, die er 1800 in der Vorrede zur Kalligone macht, sind zweifellos durch die spätere Stimmung beeinflußt (Su. 22, 12f.), aber wir wissen tatsächlich aus seiner ganzen Art der Lektüre und aus seiner Bearbeitung der gehörten Vorlesungen, daß er auch mit der größten Begeisterung stets eine Kritik verband. Und der oben erwähnte Aufsatz über die Verwertung der Philosophie zum Besten des Volkes (etwa 1764 f.) zeigt tatsächlich ein wunderbares Durcheinander von Gedanken Kants, Abbts und Rousseaus.

In Riga und Bückeburg hält die Stimmung zunächst an. Anfangs verkehrt Herder brieflich mit seinem Lehrer. Nachdem die persönliche Verbindung abgerissen ist, empfiehlt er doch dem Grafen Wilhelm von Bückeburg seine Schriften. Freilich Kant wurde durch das Bückeburger Schrifttum Herders mißtrauisch gegen dessen ganze Art. Hamann bat ihn um sein Urteil über die „Alteste Urkunde", und das Urteil fiel zweifelhaft genug aus. Kant sprach wegen des überlegenen Tones, mit dem Herder die orientalistischen Fachmänner, vor allem J. D. Michaelis, behandelt, von einem „Triumph ohne Sieg" und fürchtete, daß er bei den Orientalisten nicht durchdringen werde. Die aufgeregte, mehr mit dem Gefühl als mit der Logik arbeitende Schreibart Herders wurde ihm peinlich.

Zehn Jahre später begann auch auf Seite Herders die Wandlung. Zwar besaß er schon seit 1782 die Kritik der reinen Vernunft; aber statt sie gründlich zu studieren, ver

ließ er sich auf die Berichte Hamanns, die er mit eigenen Erinnerungen verband. Hamann mit seiner ganz anderen Geistesrichtung verstand den Ausgangspunkt des Philosophen nicht, konnte also auch sein Werk nicht würdigen. Er verfaßte 1783 f., von Herder aufgemuntert, eine „Metakritik über den Purismum der reinen Vernunft" (Hamanns Schriften, ed. Roth 7, 1-16 und 8, 330 ff.), die er freilich nicht veröffentlichte, sondern Herder übersandte. Er entdeckte in Kants Kritik einerseits das Streben, die Vernunft völlig unabhängig von der Erfahrung und Überlieferung zu machen, d. h. ein Versinken in leeren Formalismus und Wortkram, anderseits betonte er die Sprache als die gegebene Einheit von Sinnlichkeit und Vernunft. Auf Grund dieser Metakritik hat Herder sich sein Urteil gebildet. Freilich ist es fraglich, ob er auf Grund eigener genauer Lektüre zu einem anderen Eindruck gekommen wäre. Fehlte ihm die Sorge um die Sicherheit der Erkenntnis vollständig wie sollte er da ein Werk und ein Verfahren würdigen, das lediglich dies Ziel verfolgte?

Vielleicht hätte Herder öffentlich mit seinem Urteil teils dank der bleibenden Pietät, teils in dem Bewußtsein des Nichtverstehens ebenso wie Hamann zurückgehalten, wenn nicht persönliche Gereiztheit hinzugetreten wäre. Kant nämlich wendete sich jetzt literarisch gegen ihn. Das Gebiet, auf dem sie zusammenstießen, war die Geschichtsphilosophie, also das ureigenste Gebiet Herders, auf dem er sich mit Recht als Meister fühlte. Hier war er doppelt reizbar. Kant besprach den ersten Teil der „Ideen" im Januarheft 1785 der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung in unfreundlicher Weise und gab dadurch Veranlassung, auch den im Novemberheft 1784 der Berliner Monatsschrift gedruckten Aufsatz „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" als gegen Herder gerichtet zu deuten. Herder antwortete schwer gekränkt im zweiten Teil der „Ideen", leider ohne rechtes Verständnis für die Einwendungen Kants (vgl. im Text das 9. Buch), erreichte aber dadurch nur eine wiederum tadelnde Besprechung dieses Teils im Novemberheft der Jenaischen Allg. Literaturzeitung 1785. Die Abhandlungen ,,Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte" (1786) und Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philo

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