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schwer für sich allein zu genießen ist. Wir können nur bedauern, daß er gegen einen so gewaltigen Feind in so unzulänglichen Formen stritt, und daß die Beschreibung seines Verhältnisses zu Kant deshalb mit einem schrillen Miẞklang enden muss. Doch soll wenigstens eine Probe seiner Kampfesweise geboten werden. Am besten läßt sich das aus dem Zusammenhange lösen, was er über den Titel von Kants Hauptschrift sagt (Su. 21, 17—21); nach dem einen Beispiel kann jeder sich vorstellen, wie Herder das ganze Werk Stück für Stück zerreißt und die zerrissenen Sätze einzeln zu vernichten sucht.

Kritik der reinen Vernunft; der Titel befremdet. Ein Vermögen der menschlichen Natur kritisiert man nicht; sondern man untersucht, bestimmt, begränzt es, zeigt seinen Gebrauch und Mißbrau h. Künste, Wis en-chaften, als Werke der Menschen betrachtet, kritisiert man, entweder in ihnen selbst oder in ihren Hervorbringungen; nicht aber Naturvermögen.*)

Den Schülern des großen Mannes, der eine „Kritik der reinen Vernunft, dr Urteilskraft" u. f. schrieb, it indes dieser Name so lieb geworden, daß sie nicht nur Kritiken über Natur- und Übernaturvermö en schrieben, sond rn sich unterscheidend kritische Philosophen nannten, und alle, wenigstens die höchste Philosophie zuletzt in eine Kritik dieser Vermögen setzten. Diese kritische Philosophie, sagt man, sei die einzig mögliche, die einzig wahre.

Wohlan denn! Eben der ungewohnte Name legt eine größere Pflicht auf. Jeder Richter, er richte Naturvermögen oder Kunstwerke, muß von einem klar Gegebenen ausgehn und nicht ruhen, bis dies Gegebne deutlich bestimmt si. Er muß nach einem Gesetz richten, di ses in seinen Urteilsgründen deutlich angeben und genau anwenden. Endlich muß sein Urteil selbst klar, gewiß, aus dem Gegebenen nach der ihm gegebenen Norm entsprungen sein; oder es wird gelautert.

Jede Läuterung unterwirft sich denselben Gesetzen; und da der Verfasser der Kritik der reinen Vernunft seine Schrift als das Werk anführt, welches das reine Vernunftvermögen in seinem ganzen Umfange und Grenzen darstellt" **), so darf und kann es nicht

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*) Locke, Leibniz, Hume, Reid u. f. folgten dem Sprachgebrauch, da sie ihre Werke Essay concerning human understanding, Nouveaux Essais sur l'entendement humain, Treatise of human nature u. f nannten. In andern bestimmteren Sprachen würde der Titel Critica intellectus humani, Critique de la pure raison, Critic on human understanding sogleich einen widrigen Begriff erwecken, da man nur von einem critiqueur sagt: il critique la raison humaine.

**) Proleg. zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. Riga 1783. Vorr. S. 14 (IV, 9).

anders als eine Prüfung, d. i. kritisch gelesen werden. Die Anmerkungen, die daher entspringen, können keinen bescheidenern und eigenern Namen als Metakritik, d. i. Kritik der Kritik führen.

Wenn aber Vernunft kritisiert werden soll, von wem kann sie es werden? Nicht anders als von ihr selbst; mithin ist sie Partei und Richter. Und wonach kann sie gerichtet werden? Nicht anders als nach sich selbst; mithin ist sie auch Gesetz und Zeuge. Sofort erblickt man die Schwierigkeit dieses Richteramtes.

Um uns diese zu erleichtern, setzen wir fest:

Erstlich. Von keiner als der menschlichen Vernunft ist hier die Rede. Wir kennen keine andre, besitzen keine andre; in der menschlichen Vernunft eine höhere, allgemeinere als die Menschenvernunft richten, hieße die Vernunft selbst transzendieren.

Zweitens. Menschliche Vernunft können wir zwar in Gedanken und Worten zu einem gewissen Zweck von andern Kräften unsrer Natur sondern, nie aber müssen wir vergessen, daß sie in ihr abgesondert von andern Kräften nicht subsistiere. Es ist dieselbe Seele, die denkt und will, die verstehet und empfindet, die Vernunft übet und begehret. Alle diese Kräfte sind nicht nur im Gebrauch, sondern auch in ihrer Entwicklung, vielleicht auch in ihrem Ursprunge einander so nah, so mitwirkend und verwickelt in einander, daß wir nicht wähnen dürfen, wir haben ein anderes Subjekt genannt, wenn wir eine andere Verrichtung desselben nannten. Mit Namen zimmern wir keine Fächer in unsrer Seele; wir teilen sie nicht ein, sondern bezeichnen ihre Wirkungen, die Anwendung ihrer Kräfte. Die empfindende und sich Bilder erschaffende, die denkende und sich Grundsätze erschaffende Seele sind Ein lebendiges Vermögen in verschiedener Wirkung.

Drittens. Die menschliche Seele denkt mit Worten; sie äußert nicht nur, sondern sie bezeichnet sich selbst auch und ordnet ihre Gedanken mittelst der Sprache. Sprache, sagt Leibniz, ist der Spiegel des menschlichen Verstandes und, wie man kühn binzusetzen darf, ein Fundbuch seiner Begriffe, ein nicht nur gewohntes, sondern unentbehrliches Werkzeug seiner Vernunft. Mittelst der Sprache lernten wir denken, durch sie sondern wir Begriffe ab und knüpfen sie, oft haufenweise, in einander. An Sachen der reinen oder unreinen Vernunft also muß dieser alte, allgemein gültige und notwendige Zeuge abgehört werden, und nie dürfen wir uns, wenn von einem Begriff die Rede ist, seines Heroldes und Stellvertreters, des ihn bezeichnenden Wortes, schämen. Oft zeigt uns dieses, wie wir zu dem Begriff gelangt sind, was er bedeute, woran es ihm fehle. Konstruiert der Mathematiker seine Begriffe durch Linien, Zahlen, Buchstaben und andre Zeichen, ob er gleich weiß, daß er keinen mathematischen Punkt machen, keine mathematische Linie ziehen könne, und eine Reihe andrer Charaktere von ihm gar willkürlich angenommen sind; wie sollte der Vernunftrichter das Mittel übersehen, durch welches die Vernunft eben ihr Werk hervorbringt, festhält, vollendet? Ein großer Teil der Mißverständnisse, Widersprüche und Ungereimtheiten also, die man der Vernunft zuschreibt, wird wahrscheinlich nicht an ihr, sondern an dem mangel

haften oder von ihr schlecht gebrauchten Werkzeuge der Sprache liegen, wie das Wort Widersprüche selbst saget.

Glaube niemand, daß die hohe Kritik der reinen Vernunft hiedurch erniedrigt, und die feinste Spekulation zur Grammatik werde. Es wäre gut, wenn sie in allem dies werden könnte; worauf auch Leibniz mit seiner Charakteristik ausging. Dem großen Sprachkenner, Sprachenforscher, Sprachenvergleicher war, wie hundert seiner Bemühungen zeigen, die Bezeichnung unsrer Begriffe in ihren Ableitungen sowohl als Komplikationen die letzte und höchste Philosophie. Auch dem weisen Locke (wie seine Nation ihn ehrenhaft nennet) war das Organon unsrer Vernunft, die Sprache, nicht gleichgültig. Nicht nur das dritte Buch seines bescheiden also genannten Versuchs den menschlichen Verstand betreffend handelt von der Natur, dem Gebrauch, der Bedeutsamkeit der Worte; sondern er bekennet selbst das Mangelhafte seines Versuchs auch deshalb, daß er zu spät an dies unentbehrliche Mittel der menschlichen Erkenntnisse gedacht habe. „Als ich diesen Diskurs über den menschlichen Verstand begann und eine gute Weile nachher, kam mir nicht der mindeste Gedanke bei, daß Worte in Betracht zu ziehen dabei irgend nötig wäre; sobald ich aber die einfachen und die zusammengesetzten Ideen unsres Verstandes durchwandert hatte, und den Umfang sowohl als die Gewißheit unsrer Erkenntnisse zu untersuchen anfing, fand ich eine so nahe Verbindung zwischen Erkenntnissen und Worten, daß, falls man nicht zuvor die Kraft und Bedeutungsart der Worte wohl bemerkte, über menschliches Erkenntnis äußerst weniges klar und behörig gesagt werden könne. Zwar geht dies auf Dinge hinaus; größtenteils aber geschieht es so sehr durch Worte, daß von unsern allgemeinen Begriffen Worte kaum trennbar scheinen." So Locke, und ein scharfsehender Sprachforscher seiner Nation hat sogar den Gedanken geäußert, daß der Philosoph seinen Versuch über den menschlichen Verstand lieber einen grammatischen Versuch, einen Traktat über Worte hätte nennen mögen. ,,Nach Aristoteles Urteil, sagt Scaliger, war Grammatik nicht nur, was kein Gesunder leugnen wird, ein Teil der Philosophie, sondern sie selbst hielt er von der Grammatik untrennbar. Er, Aristoteles, bessert oft, oft untersucht und erklärt er Ausdrücke; oft schaffet er solche. In einem fortgehenden Kommentar war er beflissen, die mancherlei Arten der Bedeutung der Worte uns wissen zu machen u. f." Von Plato ist bekannt, wie hohen Wert er der Sprache beilegte, so daß er, um Begriffe zu erforschen, mehrmals, auch unglücklich, etymologisierte. Die Stoiker desgleichen. Überhaupt drückten die Griechen Vernunft und Rede mit einem Wort aus, loyos.

4. Die Auswahl und Druckform.

Alle irgendwie philosophischen Schriften Herders in das Gedächtnis unserer Zeit zurückzurufen, wäre bei ihrer Menge schwierig und für den vorliegenden Zweck unnötig. Zur Beurteilung seiner philosophischen Bedeutung genügt

Stephan, Herders Philosophie.

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eine enge Auswahl. Freilich leidet jede solche Auswahl bei Herder an dem Mißstand, daß er wenig im engeren Sinne Philosophisches geschrieben hat; und was rein philosophisch ist, vor allem die Metakritik und Kalligone, kann wegen seines zugespitzten Inhalts nicht als charakteristisch für seine sonstige Philosophie bezeichnet werden. Bedeutung von Herders Philosophie liegt ja überhaupt weniger in neuen Einsichten oder Formulierungen als in ihrer Anwendung auf die wichtigsten Gebiete des Geisteslebens. Vor allem nach drei Richtungen bringt er dadurch gewaltige Fortschritte: auf dem geschichtlichen, religiösen und ästhetischen Gebiete.

Für unsre Auswahl galt es zunächst, die philosophischen Grundlagen seiner Wirksamkeit klarzulegen. Mußten wir auf Metakritik und Kalligone verzichten, ja bemerken, daß Herder in der zweiten Hälfte seines Lebens bei aller formalen Weiterentwicklung inhaltlich etwas verarmt, so empfahlen sich zu diesem Zwecke Jugendschriften. In ihnen tritt Herder am stärksten aus sich heraus und zeigt daher am deutlichsten die innern Triebkräfte seines Schaffens. An erster Stelle (Ia) steht billig die Schrift Über den Ursprung der Sprache, das Erzeugnis der Straßburger Tage. Man hat sie von jeher als einen genialen Wurf empfunden; und diesen Eindruck erweckt sie noch heute, wo ihr sachlicher Inhalt an wichtigen Punkten nicht mehr vor dem Richterstuhl der Wissenschaft Stich hält. Sie bildet die Antwort auf eine Preisfrage der Berliner Akademie und richtet sich gegen die damals herrschende Theorie Süßmilchs. Dieser hatte 1766 eine Schrift herausgegeben, die den Ursprung der Sprache unmittelbar von Gott abzuleiten suchte. Was konnte für Herder, den bei seiner Gesinnung alle „Ursprünge" mit hoher Teilnahme erfüllten, reizvoller sein, als dem Thema nachzugehen? Wie oft hatte er schon mit Hamann über solche Fragen geredet! Finden sich in früheren Schriften mannigfache Andeutungen darüber, so nahm er nun den Stoff in vollem Umfange auf. Anregungen von Hamann, Rousseau, Leibniz u. a. woben dabei bunt durcheinander; sein Eigentum war das feine Verständnis für die ferne Vorzeit, für das Natürliche und Ursprüngliche. Aus wenigen festen Punkten heraus erwachsen ihm die lebensvollsten Bilder, die dann

der weiteren Erkenntnis dienen. Die Akademie konnte sich trotz seines scharfen Angriffs gegen ihr Mitglied Süßmilch († 67) und trotz ihrer aufklärerischen Stimmung dem Eindruck der Schrift nicht entziehen und krönte sie mit dem Preise. Erschienen ist sie 1772. Die zweite Auflage (89) weist manche Verfeinerung und Glättung auf, doch nicht zum Vorteil des Ganzen. Hier ist die ältere Form abgedruckt, von der die historische Wirkung ausgegangen ist.*)

Da das Hauptmittel, durch das Herder seine Erfolge erringt, sein psychologisches Verfahren ist, folgt (unter b) sein Aufsatz über das Erkennen und Empfinden. Die Berliner Akademie hatte für 1774 unter dem Einflusse Sulzers dies Thema gestellt. Herder behandelte es ohne viel Rücksicht auf die beigegebene Erklärung. Seine Arbeit wurde so wenig als eine andere gekrönt; vielmehr wurde eine Neubearbeitung für das nächste Jahr von den Bewerbern gefordert. Er knüpfte nunmehr stärker an Sulzers Meinungen an, um von ihnen aus zu seinem Standpunkt vorzudringen. Aber vergeblich; Eberhard erhielt den Preis. Nun arbeitete er die Schrift abermals um und gab sie selbständig 1778 heraus. In dieser Form liegt sie unserm Text zu Grunde. Überall erkennt man die Schulung des Verfassers an dem echten Leibniz; aber überall poetisiert er dessen Meinung, trägt er religiöse, ästhetische, spinozistische Züge hinzu, streift er das metaphysische Gewand ab zu Gunsten der inzwischen aufgekommenen physiologischen Behandlungsweise (A. v. Haller). So entsteht ein eigenartiges, echt Herdersches Ganzes, natürlich ohne jede schulgerechte Durchführung.

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*) Wie hoch man heute wieder vielfach über Herder denkt, zeigt das Urteil Wundts über diese Schrift (Völkerpsychologie I B., 2. T., S. 589. Leipzig, 1900): Hier weht vielleicht mehr als in den meisten späteren Werken über den gleichen Gegenstand der Geist heutiger Psychologie, das Streben, das den wahren Philosophen kennzeichnet, sich selbst ganz zu versenken in die Vorstellungen und Gefühle des Handelnden, nicht diesem die eigenen Meinungen und Reflexionen unterzuschieben. Was Spätere in gleichem Sinne geleistet haben, das ist daher bestenfalls doch nur eine nähere Ausführung der Gedanken Herders geblieben" (z. B. bei Humboldt und Steinthal). Die verschiednen Hypothesen über das Thema vgl. bei Steinthal: Der Ursprung der Sprache im Zusammenhang mit den letzten Fragen alles Wissens. 4. Aufl. 1888. Außerdem S. XLIV.

C*

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