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dem allgemeinen Bewußtsein, oder aus dem sittlichen Gefühle zu entnehmen find.

Um nun zuerst vom fittlichen Gefühle zu sprechen, so nehmen wir mit diesem Vermögen Kenntniß von allen moralischen Wahrheiten. Der Verstand kann sie weder beweisen, noch widerlegen; ebenso wie das Gefühl eine mathematische Proportion weder beweisen noch widerlegen kann. Die Begriffe von Gerechtigkeit, Sittlichkeit, Pflicht, Uebereinstimmung mit der Ordnung, mit dem Guten, sind ausschließliches Resultat der Thätigkeit unseres Herzens. Das Organ dieser Wahrheiten und der Führer bei ihrer Anwendung ist das sittliche Gefühl, deffen Siß im Herzen ist. Ich fordere den berühmtesten Logiker heraus, mir zu beweisen, daß ich z. B. mein Vermögen nicht dadurch vermehren darf, daß ich einen Theil von dem Gute eines Anderen, der in Ueberfluß hat, mir eigenmächtig zueigne, sollte auch die Welt es nicht wissen, und sollte es sich auch ausführen lassen durch einen einzigen Act meines Gedankens; daß ich eine Gelegenheit, mich zu rächen und Böses mit Bösem zu vergelten, auch wenn es geheim bliebe, nicht benußen darf. Ebenso giebt es auch Wahrheiten des guten Geschmackes; und wenn z. B. Jemand, dem wir eine edle That oder eine schöne Statue vorhalten, fragt: wie wollt Ihr dieses beweisen? so wird es ihm dadurch noch nicht gelungen sein, die einmal gewonnene moralische Gewißheit des Guten und Schönen in uns zu schwächen.

Ebenso ist es auch mit dem allgemeinen Bewußtsein, welches für die intellectuelle Wahrheit dasselbe ist, was das sittliche Gefühl für die moralische Wahrheit. Ja, die Wahrheiten der Moral und des guten Geschmackes sind es nicht allein, die cine Analyse von Sciten des Verstandes nicht zulassen; es giebt noch eine große Zahl von Wahrheiten, die rein intellectuell find, über die der Verstand nichts vermag, die unbeweisbar und unwiderleglich sind. Das sind nämlich die allerersten Wahrheiten in jedem wissenschaftlichen Systeme; es find die Ariome, die ersten Principien, worauf alle menschlichen Kenntnisse gebauet sind, und die der Verstand durchaus für wahr halten muß, blos auf Grund der Auctorität des allgemeinen Bewußtseins. Ohne dieses könnte der Verstand nicht einmal einen Schritt weiter kommen; denn nur von ihm nimmt er sich die Vordersäße aller seiner Schlüsse), z. B. die Ideen von Raum, Zeit, Bewegung, Unbegrenzt heit, Sein, moralischer Freiheit und dergleichen. Ich nehme wahr, daß ich nicht schlafe, daß ich wirklich schreibe, daß ich frei bin, daß alles dies keine Täuschung ist; und dennoch kann ich es nicht

*) Man kann sagen, daß jeder Beweisführung ein Gefühl zu Grunde liege.

mit dem Verstande beweisen. „Die Principien liegen in unserem Gefühle", sagt ein großer Mathematiker, „die Lehrsäge werden aus Schlußfolgerungen hergeleitet, Alles mit Gewißheit, obgleich auf vers schiedenen Wegen; so wie es lächerlich wäre, wenn das Gefühl vom Berstande verlangte, daß er ihm von all' den Lehrfäßen, die er be weiset, ein Gefühl mittheile, ebenso lächerlich ist es, wenn der Verstand von dem Gefühle und von der Vernunft Beweise für die ersten Principien fordern will, um seine Beistimmung zu geben." Derselbe tiefe Denker hat auch noch an einer anderen Stelle treffend gesagt: „Der Verstand hat seine eigene Ordnung und sein eigenes Verfahren, näm lich mit Grundsäßen und Beweisen. Das Herz geht wieder einen anderen Weg. Um einen Beweis zu geben, daß man geliebt zu werden verdient, pflegt man nicht die Gründe der Liebe systematisch auseinanderzuseßen; das wäre lächerlich. Jesus Christus ist weit mehr der Ordnung des Herzens, d. i. der der Liebe, gefolgt, als der des Verstandes." *)

Das allgemeine Bewußtsein und das fittliche Gefühl spielen also im Organismus unserer Moralität eine bedeutende Rolle. Sie find dem Verstande gegenüber, was ein einfaches Anschauen gegen ein Panorama, und was das nackte Auge gegen ein optisches Instrument ist. Sie zeigen die Dinge unmittelbar, sie machen sie e-vident, augenscheinlich. Wer also bei diesen Dingen den Verstand anwenden wollte, würde mit einem Astronomen zu vergleichen sein, der Alles nur durch sein Fernrohr sehen wollte, und der dieses gleichmäßig bei jedem Gegenstande zur Hand nähme, bei den Möbeln in seinem Zimmer, wie bei den Gestirnen am Himmel. Daher kommt es, daß die Liebe und das Genie, die bekanntlich ein scharfes Auge haben, durch einfaches Anschauen ihren Gegenstand ergreifen und wie im Fluge seine Verhältnisse und Beziehungen erfassen. Sie durchschauen die äußersten Consequenzen schon in den Principien und durchlaufen in einem Augenblicke das ganze Feld des Verstandes. Sie beweisen nicht; sie schauen, sie ahnen. Hierin findet jenes schöne Wort von Bauvenargues seine Wahrheit: „Die großen Gedanken kommen aus dem Herzen. “**) Jenes Vermögen des Verstandes, worauf wir so stolz find, be

*) Pascal, Pensées, prem. part., 19.

**) Mente cordis, sagen die h. Bücher, die in ihrer Sprache so tief philosophisch sind, und doch mit dem Verstande so wenig erfaßt werden. Man_kann_sagen, daß jedes Gefühl ein Denken implicite in sich schließt, und jedes Denken ein Gefühl explicite. Was folgt daraus? daß das Gefühl immer dem Denken vorhergeht, und daß jenes dieses wie im Keime enthält. Ueber dieses innere Urtheil wird uns Rousseau sogleich Einiges mittheilen.

findet sich übrigens jeden Augenblick in der Nothwendigkeit, Dinge zuzugeben, von denen der Verstand selbst keine Vermuthung hat, ja die sogar über ihn hinausliegen und ihn beschämen. 3. B.: Was ist unbegreiflicher als die Ewigkeit, und was ist zugleich gewisser? Denn diejenigen, die Gott dieselbe absprechen, find genöthigt, sie der Materie einzuräumen. Wie viele Geheimnisse giebt es nicht in unserem physischen Organismus! wie viele Geheimnisse in unserer moralischen Ordnung! wie viele Geheimnisse in der Verbindung beider und in ihrer wechselseitigen Einwirkung! wie viele Geheimnisse außer uns, in der Natur! Darf man sagen, daß mitten durch alle diese Geheimnisse der Verstand, der starre und trockene Verstand, allein uns führen müsse, und daß man nur das zugeben dürfe, was er begreift? Dann wären aber alle Schäße unserer Erkenntniß zu verwerfen; denn unsere Gewißheiten überflügeln allenthalben unsere Fassungskraft.

Wenn es schon so schlimm steht um den Verstand, wo man ihn auf natürliche Kenntnisse anwendet, wie soll es ihm dann besser gehen, wenn man ihn anwendet auf die Religion? Die Religion beruhet ja auf dem ersten aller Principien und aller Ariome, auf Gott, und reicht bis zur höchsten und zartesten sittlichen Vollkommenheit; sie beruhet also auf den beiden Begriffen der allgemeinen Ueberzeugung und des sittlichen Gefühls, deren Berechtigung, wie wir so eben sagten, sich viel weiter erstreckt, als die des Verstandes.

Ebenso sagt Portalis in seinem ausgezeichneten Werke Ueber den Gebrauch und Mißbrauch des philosophirenden Verstandes: Die wahre Religion muß das Beste sein, was es giebt, um uns zum Guten geneigt zu machen. Was ist nun aber dieses Beste? Schwerlich wird man auf diese Frage eine genügende Antwort geben, wenn es sich um Dinge handelt, über welche nur der Verstand urtheilt. Aber fast immer ist das Beste wahrzunehmen, wenn es sich um solche Dinge handelt, über welche man wesentlich mit dem Herzen urtheilt. Der Verstand nimmt Anstoß, sucht, berechnet, er ist das Streitsüchtigste, was wir an uns haben. Das Herz fühlt; seine Thätigkeit ist einfacher und weniger verwickelt; die Evidenz, die Gewißheit, wird plöglich und unmittelbar gewonnen. In solchen Dingen, die den Verstand angehen, stoße ich unaufhörlich auf Grenzen; die Vollkommenheit und das Unendliche aber sind das weite Feld des Herzens. So giebt es in den Wissenschaften, die zum Bereiche des Verstandes gehören, keine einzige Wahrheit ohne einiges Dunkel; in der Moral aber, die ihren Siß im Herzen hat, hat man die Anschauung und das Gefühl einer Tugend ohne Makel. Daher ist es

vor Allem das Herz, womit man über die Güte und Vortrefflichkeit der religiösen Lehren urtheilt." (Tome II. p. 196.)

„Aber alle unsere Irrthümer,“ sagen Sie, „kommen her von unseren Begierden und Leidenschaften, deren Quelle im Herzen ist."

Recht! aber gerade deswegen muß sich die Religion dem Herzen offenbaren, denn sie ist das Heilmittel unserer Irrthümer und Leidenschaften, und nirgends anderswo, als an der Quelle des Uebels, muß das Heilmittel angebracht werden. Der Verstand mag dem Herzen die Gefahren und Thorheiten seiner Leidenschaft noch so klar beweisen; es nügt nichts. Er wird es nicht davon heilen, so lange er ihm nicht eine andere Speise bietet, die es davon ablenkt; denn er kann dem Herzen nicht verbieten, zu lieben, d. h. er kann den Herzschlag nicht hemmen. Die Religion, die sich zu gleicher Zeit an das Herz und an den Verstand wendet, ist die rechte und wahre Religion, weil sie zwischen dem höchsten Gute und dem menschlichen Herzen jenes innige Verhältniß stiftet, wodurch das Herz die Nichtigkeit aller falschen Güter sofort nach seiner Weise erkennt, d. h. fühlt, denn das Herz allein ist im Stande, Erfahrungen zu machen und gegen einander abzuwägen, und ohne diese Thätigkeit des Herzens würde der Verstand gar nicht einmal beginnen können, sich auszusprechen und zu erklären.

Man

Bei diesem ersten Punkte will ich etwas verweilen, weil ich bemerkt habe, daß Sie seit langer Zeit in dem Vorurtheile leben, welches ich bekämpfe, und weil dieses Vorurtheil an dem Eingange Ihres Innern steht, um der Wahrheit den Zutritt zu verwehren. sollte sagen, dieses Vorurtheil habe Furcht vor dem Herzen, und wollte es hindern, mit Ihrem Geiste zu verkehren, ähnlich wie jene begierigen Legat Erben, die an dem Bette des Kranken Wache balten und nicht leiden, daß ein braver Verwandter zu ihm gelange.

Uebrigens stammt dieses Vorurtheil aus der Philosophic des achtzehnten Jahrhunderts. Heutzutage ist es durchgehends verschwunden. Wenn wir aber zurückgehen, so finden wir immer mehr und mehr, daß es mit den Schöpfungen oder vielmehr Zerstörungen dieser Philosophie innigst verbunden ist. In der That! das beste Mittel, Alles zu zerstören, war: von Allem den Grund zu erforschen. Auch war dieses Mittel dasjenige, was am wenigsten philosophisch ist (dieses Wort im guten Sinne genommen). Denn ist das eine Philosophie, die damit anfängt, von allen unseren Fähigkeiten und Kräften zu abstrahiren und unsere Seele zu verstümmeln, um ihr nur ein einziges Organ, den Verstand, zu lassen? Muß nicht jede wahre Philosophie mit der Natur im Einklang stehen und dieselbe veredeln! Liegt es nicht in unserer Natur begründet, daß alle unsere Fähig.

keiten einander entsprechend sind, sich einander stüßen und tragen, sich gegenseitig überwachen und endlich in der Einheit unserer Seele wies der zusammenkommen! Sind sie nicht alle in gleicher Weise fehlbar und der Vervollkommnung fähig! und das beste Mittel, fie irre zu führen, besteht es nicht darin, sie von einander zu trennen! Eine solche Philosophie muß Verderben anstiften, und sie hat es gethan.

Einer ihrer Koryphäen, J. J. Rousseau, von dessen Lectüre Sie eingenommen zu sein scheinen, und der zwar der Bewegung des damaligen Zeitgeistes nachgab, aber dennoch bisweilen fürchterlich gegen sie auftrat, erhob seine gewaltige Stimme gegen dieses Vorurtheil. Ich finde namentlich in einem Briefe, den er an einen ungläubigen jungen Mann schrieb, einen Passus, der mir so gut zu Statten kommt, daß ich es mir erlaube, ihn wörtlich anzuführen.

„Mein Herr! Alles dies scheint Ihnen eben nicht sehr philosophisch; mir ebensowenig. Aber, wenn ich es aufrichtig gestehen soll, so fühle ich, wie die Beistimmung meines Innern ein großes Gewicht hat, und ich bemerke, wie dieses Gewicht zu meinen Vernunftgründen noch hinzukommt. Sie wollen, daß man dem nicht trauen dürfe. Darüber bin ich aber anderer Meinung; ich finde vielmehr in diesem inneren Urtheile eine natürliche Schußwache gegen die Trugschlüsse meines Verstandes. Ich fürchte sogar, daß Sie bei dieser Gelegenheit die geheimen Neigungen unseres Herzens, die uns irre führen, mit jener noch geheimeren inneren Stimme verwechseln, die gegen diese eigennüßigen Entscheidungen klagt und murrt und uné, zu unserem eigenen Aerger, auf die Bahn der Wahrheit zurückleitet. Diese innere Empfindung ist eben die der Natur selbst, welche ihrerseits gegen die Sophismen des Verstandes Einsprache thut. Und endlich, wie oft ist nicht die Philosophie selbst, mit all' ihrem Selbstvertrauen, gezwungen, zu diesem inneren Urtheile, auf welches sie doch sonst mit Verachtung herabsieht, ihre Zuflucht zu nehmen! War es nicht eben dieses Urtheil, welches Diogenes bewog, den Zeno, der die Bewegung leugnete, statt aller Antwort über den Haufen zu rennen! Doch, warum sollen wir nicht bei uns stehen bleiben? Während die ganze neuere Philosophie die Geister verwirft, erhebt sich plößlich Berkeley mit der Behauptung, daß es keine Körper gebe. Heben Sie dieses innere Gefühl auf! und ich fordere alle neueren Philosophen zusammengenommen heraus, jenem furchtbaren Logiker zu antworten. Ach, wer weiß denn nicht, daß ohne den inneren Sinn bald gar keine Spur von Wahrheit mehr auf Erden zurückbliebe; daß wir Alle der Spielball der wunderlichsten Meinungen würden, je nachdem ihre Urheber mehr Genie, Gewandtheit und Geist besäßen; und daß wir endlich zur Beschämung unseres eigenen Verstandes bald nicht mehr wüß

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