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Mensch besißt sich, weil er Gott besißt, und er besißt Gott, weil er sich selbst besigt.

Der dritte Grund endlich, der aus dem zweiten hervorgeht, aber dennoch eine eigene Erörterung verdient, ist der, daß die Religion nicht allein eine erkannte und freigewollte Huldigung des Menschen vor Gott ist, sondern daß sie für den Menschen zugleich auch ein Mittel sein soll, sich zu vervollkommnen und durch Ausübung dieser Huldigung sich sittlich zu heben. Der Mensch ist von Natur der Vervollkommnung fähig und kann durch alle seine Fähigkeiten sich Verdienste sammeln. Gegenstand der Religion ist, diese Natur zu entwickeln und sie so weit zu bringen, daß sie alle Tugenden übt. Zu dem Ende ist es unumgänglich nothwendig, daß der Wille des Menschen geübt werde, daß man ihm zu kämpfen gebe. Nicht der unmittelbare Besiß des höchsten Gutes thut ihm Noth, denn dieses würde ihn so sehr in sich aufnehmen, daß es ihm nicht gestattet wäre, sich ferner zu entwickeln, sondern ein Kampfplay, an dessen Ende das höchste Gut ihm erscheint, gleichsam verhüllt durch die Staubwolke, die der Kampf erregte, und wo er die Hoffnung hat, dasselbe zu erreichen. Wer aber Hoffnung sagt, sagt auch Glaube.*) Es giebt keine Sittlichkeit ohne Freiheit; es giebt aber dort keine Freiheit, wo die Evidenz des Guten keinen Zweifel bei seiner Untersuchung zuläßt. Das ganze Wesen des Guten sehen, das hieße seinen ganzen Nußen sehen. Auf den Nußen des Guten sein Augenmerk richten, das hieße die Tugend verbannen und an ihre Stelle den Egoismus sehen. Daher das schöne Wort der h. Schrift: „Der Gerechte lebt aus dem Glauben.“ Die Tugend muß in verständiger Weise geliebt werden, nicht aus Neigung, sagt Malebranche vortrefflich. „Gott will, daß man ihm diene durch den Glauben, frieden mit seinen Verheißungen, vertrauend auf sein Wort, troß der Schwierigkeiten und etwaigen Geistesdürre. Die Freude ist die Belohnung, nicht der Grund des Verdienstes."**) Der Grund des Verdienstes in allen Dingen, selbst in denen außerhalb der Religion, ist der Glaube. Zu hoffen gegen die Hoffnung, nach dem Guten zu greifen, wenn es uns vorkommt wie ein Opfer, und dessen Wonne nicht eher deutlich zu erkennen, als bis man den Leidenskelch bis zur Hefe geleert, das ist die Tugend. In der That, merken Sie wohl! den Einwurf, den Sie gegen die Religion machen, könnten Sie mit ebenso vieler Kraft auch gegen das Gewissen machen, dessen Gesetz Sie doch nicht in Zweifel zichen. Die Beweggründe und die Reize

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*) Der Glaube ist aber ein fester Grund für das, was man hofft,“ sagt wunderbar schön der h. Paulus.

**) Médit. chrét. 14, 18.

der Tugend werden nicht immer mit unwiderstehlicher Evidenz durch das Gewissen angezeigt. Wie viele Menschen giebt es nicht, bei denen sie verdunkelt sind durch die Launen des Temperaments, durch die Vorurtheile der Erziehung, durch die Irrthümer und die Abneigung, die Stand und Rang uns einflößen! ja bei allen Menschen sind sie stets mehr oder weniger verdunkelt durch die Leidenschaften. Das kann aber auch nicht anders sein, denn ohne dies würde die Tugend nicht Tugend sein. Ist sie jedoch darum weniger verpflichtend? findet sie darum über kurz oder lang weniger ihre Vergeltung? Nichts ist liebenswürdiger als die Tugend," sagt Rousseau; „aber um sie liebenswürdig zu finden, muß man sich ihrer bereits zu erfreuen haben. Wenn man, um sie zu erlangen, sich ihr nähert, so nimmt sie, wie Proteus in der Fabel, anfänglich tausend schreckliche Gestalten an, endlich erst zeigt sie sich in ihrer eigenen, aber nur denjenigen, die nicht ermüden und nicht ablassen.“*) Dieser herrliche Ausspruch läßt sich Wort für Wort auf den Glauben anwenden, der die Tugend des Verstandes ist, und auf die Frömmigkeit, die die Tugend des Herzens ist. Beide wollen mehr ausgebildet sein und verlangen nach einer weiteren Entwickelung, gleichsam wie nach einer größeren Seligkeit. Daher rufen sie uns auch zu einem höheren und schwierigeren Kampfe.**)

Um die Widerlegung dieses wichtigen Einwurfs noch einmal in kurzen Worten zusammenzufassen, so ist es dasselbe, ob man fragt: Warum die Religion nicht evident ist, oder ob man fragt: warum Gott nicht vollständig zu begreifen ist; warum der Mensch mit Erkenntniß und freiem Willen begabtist; warum er der Vervollkommnung fähig und im Stande ist, sich Verdienste zu erwerben; warum er von seinen Fä

*) Émile.

**) Das Himmelreich leidet Gewalt; und die Gewalt brauchen, reißen es an sich. (Matth. 11, 12.) De Bonald hat ebenfalls gesagt: „Die christliche Religion ist dazu bestimmt, nicht allein alle Menschen zu retten, sondern auch alle Genossenschaften zu vervollkommnen. Nun giebt es aber Einige, welche wünschen, daß diese Religion die ganze Welt erschüttere und auf jeden Menschen einen so gewaltigen Eindruck mache, daß er ihr nicht widerstehen könne. Diese vergessen, daß, wenn der Mensch durch seine Sinne eine physische Gewißheit hätte von der Evidenz Gottes, von der UnSterblichkeit der Seele, von den Strafen und Belohnungen des anderen Lebens, es keinen Kampf, keine Tugend mehr gäbe, weil es keine Wahl mehr gäbe. An der Hoheit der Dogmen, die den Verstand beschämen, an der Härte der Moral, die dem Herzen wehe thut, an der Strenge der Gebote, die die Sinne abtödten, erkenne ich die Gottheit Dessen, der die christliche Religion gegründet hat; der uns Menschen, die wir doch für das gesellschaftliche Leben geboren sind, eben die nothwendigen Beziehungen, die sich aus unserer Natur herleiten, zu Gesegen macht." (Theor. du pouvoir t. II. p. 427.)

higkeiten Gebrauch machen soll bei dem Verkehre mit dem, der sie ihm gegeben, und warum er durch diesen Gebrauch sich sittlich heben foll? O wie sonderbar! Der Christ vertheidigt die Interessen der Erkenntniß und der Freiheit, und will beide Theil nehmen lassen an dem geistigen Verkehr des Menschen mit seinem Schöpfer. Der Ungläubige dagegen möchte lieber wünschen, daß diese Erkenntniß und diese Freiheit von der Evidenz zu Boden gestreckt wären, wie Schlachtopfer, welche, vom unerwarteten Beile getroffen, am Fuße des Altars niederstürzen. Freilich fordert die Religion die Unterwerfung unseres Berstandes, aber eine Unterwerfung durch den Verstand selbst. Sie ladet unseren Verstand ein, darüber nachzudenken und selbst zu der Einsicht zu kommen, daß es seine Pflicht sei, sich zu unterwerfen, oder vielmehr sich auszutauschen mit der unumschränkten Erkenntniß Gottes. Der Ungläubige aber möchte wünschen, der Verstånd würde zum Opfer gebracht, ohne daß der Verstand selbst irgendwie dazu beitrage und helfe, sondern daß es geschehe durch Verblendung, durch unwiderstehlichen Zwang, durch ein unabänderliches Fatum, ähnlich einem Felsblock, der herunterstürzt und bis zum Centrum des Erdballs versinkt; nicht wie ein Stern des Himmels der auf hoher, luftiger Bahn kreiset und sich um seine Sonne schwingt. Welches von diesen beiden Systemen macht dem Menschen die meiste Ehre? welches ist seiner Natur und somit auch der Wahrheit am entsprechendsten?

„Mag sein!" sagen Sie, „aber das ist eine Ehre, die dem Menschen recht theuer zu stehen kommt, weil sie ihm bei Strafe der ewigen Verdammniß die Pflicht auflegt, sich auf ein tiefes Studium der Religion zu werfen; und wie viele Menschen giebt es nicht, die weder die Fähigkeit, noch die Zeit haben, welche zu einer solchen Arbeit erfordert wird! Wie vielen Völkern hat das Licht des Evangeliums gar nicht geleuchtet! Wie viele Menschen also, die ewig verloren sind! Denn außer der Kirche kein Heil! Mein Verstand und meine Ueberzeugung sträuben sich gegen diese Ungerechtigkeit, und es hieße die Gottheit beschimpfen, wollte man ihr dieselbe zumuthen.“

Guter junger Mann, Sie scheinen mir so wohlerzo gen zu sein; nur aufrichtig mit sich selbst! ich bitte Sie!

Dieser Regung des Unwillens liegt etwas Wahres zu Grunde, welches aber zum Sophisma ausartet, weil die Dinge mit einander verwechselt und übertrieben sind. Diese lebhafte Besorgniß für jene Völker, welche niemals vom Christenthum haben reden gehört, ist sie nicht eine Grille unserer eigenen geheimen Widerstrebsamkeit gegen die Wahrheit! Weil wir dem Lichte feindlich sind, hat es sich vor unseren Blicken in dieselben Wolken gehüllt, die es auch jenen Völkern verborgen halten. Sezen wir an die Stelle der Religion die Philosophie, die Moral,

insofern sie Töchter der Civilisation sind; sollte es uns dann wohl in den Sinn kommen, deren Wahrheit und deren Verbindlichkeit für uns in Zweifel zu ziehen, weil etwa die Hottentotten nichts von ihr wissen? Finden wir nicht eine gewisse Befriedigung und ein Wohlbehagen darin, in dem Grundsaße außer der Kirche u. s w. einen Vorwurf zu finden, ganz erwünscht, um ihn, wie einen Schild, der Wahrheit entgegenzuhalten? Gereicht es uns nicht zum Vergnügen, seine Strenge zu übertreiben? Diesmal thun wir es der Religion an Strenge zuvor; über die Orthodoxie der Kirche sind wir eifersüchtiger, als es die Kirche selbst ist. Ist es also nicht der Fall, daß wir ihr eine übereilte Verurtheilung der Heiden in den Mund legen, um den Entscheidungen auszuweichen, die sie gegen uns gesprochen hat?

Diese Fragen stelle ich Ihrer Aufrichtigkeit anheim: ihr überlasse ich es, alle jene kleinen Sophismen Ihres Herzens zu entwirren. Später werde ich Ihren Einwurf, sofern er die Völker betrifft, welche sich in unbesiegbarer Unwissenheit um das Gesez des Evangeliums befinden, direct und, wie ich glaube, hinreichend beantworten. Für jezt wollen wir diese Völker lassen und von uns reden.

Für uns, die wir von dem Lichte des Evangeliums umleuchtet sind, weise ich jenen Vorwurf von vornherein zurück als den kleinlichsten von allen, die gemacht werden können, und ich behaupte: wenn die christliche Wahrheit uns nicht zur Ueberzeugung wird, so ist das unsere Schuld.

Wir Alle sind in dieser Religion erzogen worden, wir Alle haben in unserem jugendlichen Alter den Glauben gehabt; wodurch haben ihn nun Einige, ja fast Alle, verloren? Dadurch, daß sie sich mehr oder weniger Ausschweifungen hingegeben, welche doch jeder gewöhn liche Verstand tadelnswerth finden mußte; daß sie in diesen Ausschweifungen sich Gründe suchten, die dahin zielten, einer mißliebigen und hinderlichen Religion keinen Glauben zu schenken; daß fie den bequemeren Irrthum einer Philosophie suchten, die alle Tugenden in das Reich der Träume segt und alle Laster ausübt; daß sie, mit einem Worte, ihren Verstand nicht mehr gebrauchten, um den trügerischen Eingebungen der Leidenschaften Folge zu leisten. Ist das nicht Wahrheit? Zeigen Sie mir einmal Mehrere, die die ganze Reinheit ihrer Sitten bewahrten, und nicht auch die Integrität ihres Glaubens bewahrt hätten! Ich schließe daraus, daß es unsere Schuld war, wenn die religiöse Wahrheit in uns von ihrem Lichte verlor; daß sie von selbst würde fortgefahren haben, unseren Augen vorzuleuchten; ja daß sie mit der Ausbildung unserer Erkenntniß würde gleichen Schritt gehalten, und aus ihr Nahrung und Wachsthum würde geschöpft haben, wenn wir sie nicht hätten erlöschen lassen

oder nur nicht verschmäht hättten. Es ist wahr, und es ist eine Gerechtigkeit, dies anzuerkennen, daß wir Tage der Bosheit und Schlechtigkeit durchlebt haben, wo alle religiösen Erinnerungen verschwunden, alle Ueberzeugungen erloschen waren und die Sonne des Glaubens verfinstert wurde durch die Schatten und Nebel einer systematischen Gottlosigkeit. Unsere Generation ist aufgewachsen, und in der Nacht der Unkenntniß und des Vorurtheils blindlings weiter gegangen. Hoffentlich wird daher der Allgerechte bei dem öffentlichen Unglück und allgemeinen Elend, welches er uns zur Sühne auferlegte, Veranlassung finden, jedem von uns die Strafe zu mildern. Nichts desto weniger ist jeder von uns verantwortlich für seinen Antheil an der eben bezeichneten Ursache, warum er seinen Glauben verloren, ich meine nämlich für die Verkehrtheiten seines Willens. Bei Mehreren haben freilich diese Verkehrtheiten aufgehört, und dennoch hat der Unglaube fortgefahren, sie zu fesseln. Aber, wie kann man sich darüber wundern! mit der Zeit bemerkt der Verstand die Falte des Herzens, und endlich fängt er an, sie zu bewachen. Nachdem die Seele durch die Leidenschaften in Armuth und Finsterniß gerathen ist, will sie ihre Leere und ihre Nacht beibehalten, und hält fest an den Vorurtheilen und Irrthümern, womit sie die Leidenschaften bisher hat nähren müssen. Dazu nehmen Sie noch die Rücksicht vor den Menschen einerseits und die Trägheit in der Moral andererseits, die immer an der Schwelle unseres Herzens stehen, um die Rückkehr des Glaubens zu verhindern! Kann man ja doch diesen Glauben nicht annehmen, ohne Auffallen zu erregen; das Schlimmste dabei ist aber, daß man mit ihm zugleich auch die Verdemüthigungen hinnehmen muß, die er zur Bedingung macht, sammt den neuen Tugenden, die ihm zur Begleitung dienen. Das werden Sie mir zugeben: wenn die erhabene Wahrheit der Religion nur die Beistimmung unseres Verstandes forderte, wenn sie nur ein philosophisches oder wissenschaftliches System wäre, welches blos dem Verstande brauchte vorgelegt zu werden, ohne irgendwie das Herz anzusprechen; in welch' hoher Bewunderung würde sie bei uns stehen, und wie würde man den Ungläubigen als einen armen Tropf behandeln! Aber dem ist nicht so. Die Erkenntniß der Religion ist so sehr an die Sittlichkeit des Menschen geknüpft, daß eine Schwächung dieser die Schwächung jener nach sich zieht, und umgekehrt, und diese vollständige Harmonie zwischen Lehre und Sitte ist ein deutlicher Beweis von der Wahrheit dieser heiligen Religion. Nicht weil sie dunkel ist, sondern weil sie heilig ist, sind wir ungläubig geworden.

Wenn nun dieser Unglaube durch unsere eigene Schuld herbeigeführt ist, und wir daher im Grunde genommen nicht das Recht

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