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wenn man den Ebed mit Israel identifiziert. Alles bleibt so undeutlich wie zuvor. Wenn ein Schriftsteller sich vornahm, Israel als einen Propheten zu personifizieren, dann mußte er das Bild auch völlig durchführen. Wir haben hier aber kein zusammenhängendes, sondern ein in lauter einzelne Bruchstücke zerfallendes Gemälde. Grade dieser fragmentarische Charakter wird durch die kollektivische Auffassung des Gottesknechtes nicht erklärt. Wie sollten überdies die Leser wissen, daß unter dem Ebed Israel zu verstehen sei? Israel als Missionar der Heidenwelt, der eine fleißige Propaganda treibt, war damals und ist im ganzen Alten Testamente ein unerhörter Gedanke. Nur dann aber, wenn er jedermann geläufig und selbstverständlich war, konnte sich der Verfasser begnügen, den Ebed namenlos zu lassen, da jedermann wissen mußte, wer gemeint war. Wollte man vermuten, die Idee sei grade hier und nur hier ausgesprochen, so muß man zugeben, daß der Verfasser verpflichtet war, den Ebed ausdrücklich als Israel zu bezeichnen, wenn anders er auf ein richtiges Verständnis rechnete. Aber die kollektivische Deutung ist überhaupt ausgeschlossen, weil dem Ebed eine Aufgabe an Israel zugeschrieben wird.

Die Rätsel werden noch größer, wenn wir die Gestalt als Ganzes ins Auge fassen. Achten wir nur auf die Züge seiner Wirksamkeit an den Heiden, so würden wir ihn einen Propheten nennen können. Aber das Bild des Propheten, das hier gezeichnet wird, ist weder an den vorexilischen noch an den exilischen Propheten Israels orientiert. Oder welche Persönlichkeit wollte man etwa als das Modell des Ebed Jahve anführen? Wer ist je ein Licht der Heiden gewesen? Wer war so schonend, sanftmütig und leise, daß die Schilderung des Knechtes auf ihn zuträfe? Achten wir nun weiter auf die Wirksamkeit des Gottesboten an Israel, so kann von einem Propheten überhaupt nicht mehr die Rede sein. Oder war es

speziell die Sache eines Propheten, das Volk aus der Verbannung heimzuführen? Eher dürfte man dies einem Könige zuschreiben. Aber die hier geschilderte Gestalt wird weder König noch Prophet genannt und ist darum auch keines von beiden, sondern beides zusammen, und das heißt eben: sie ist der Ebed Jahve.

Das zweite Ebedstück (491-9) betont ebenfalls die

beiden Aufgaben unseres Helden: ein Bundesmittler für Israel und ein Lichtbringer für die Heiden zu sein. Aber diese beiden Dinge sind hier enger als 421ff. mit einander verbunden: Weil er der Knecht Jahves ist, soll er nicht nur Israel wieder herstellen, die Stämme Jakobs sammeln, sie in die Heimat zurückführen und ihnen dort ihre Ländereien anweisen, sondern er soll sogar das Heil Jahves so heißt es hier genauer bis ans Ende der Welt verbreiten. Der Grund für diesen außerordentlichen Erfolg ist nicht durchsichtig. Als eine Belohnung erscheint dieser nicht; denn der Knecht wird weder als besonders treu in seiner Arbeit noch als ungerecht leidend in seinem Berufe dargestellt. Noch empfindlicher ist die Lücke, die zwischen seiner Erwählung von Mutterleibe an und seiner künftigen Verherrlichung klafft. Wir erfahren nicht, was der Knecht bisher getan, noch auf wen er seine Kraft verwandt hat, ob auf Israel oder auf die Heiden. Nur das Eine hören wir, daß all sein Streben umsonst war: Vergebens habe ich mich gemüht. » Wo ist (der Ebed) aufgetreten? Wie ist er aufgetreten? Wer hat ihm die Hindernisse in den Weg gelegt?« (GIESEBRECHT S. 34). Wie kann sofort von einem Mißerfolg die Rede sein, ohne daß zuvor die Wirksamkeit des Knechtes geschildert ist (GIESEBRECHT S. 35)? So häufen sich auch in diesem Ebedstück Rätsel über Rätsel. Das Einzige, was einigermaßen deutlich sein dürfte, ist der scharfe Gegensatz zwischen der Gegenwart und der Zukunft. Noch befindet sich der Ebed in tiefster Erniedrigung, aber schon naht die herrliche Zeit, die ihm die höchsten Ehren bringen soll: Könige werden es sehen und aufstehen, Fürsten und sich niederwerfen.

Die hier hervorgehobenen Schwierigkeiten sind zum Teil schon von GIESEBRECHT erkannt, aber er irrt, wenn er sie durch die kollektivische Deutung des Ebed zu beseitigen hofft. Denn diese Schwierigkeiten sind nicht sachlicher, sondern stilistischer Natur; sie bleiben auch dann bestehen, wenn man den Ebed für eine Personifikation Israels hält. Personifizieren heißt doch: etwas wie eine Person darstellen. Die Beschreibung aber, die hier von einer Person entworfen wird, ist voller Lücken, Rätsel und Unverständlichkeiten. Es ist nicht einzusehen, warum nicht, auch wenn Israel gemeint ist, der Ort und die Art seiner Wirksamkeit genauer gekennzeichnet, warum

nicht die Gegner genannt und die Hindernisse aufgezählt werden, die man ihm in den Weg legte. Ein guter Schriftsteller hätte diesen Stilfehler leicht vermeiden können. Im Übrigen aber ist GIESEBRECHTS These schon deshalb undurchführbar, weil auch hier der Ebed, der Israel sammeln soll, nicht mit Israel identisch sein kann.

Das dritte Ebedstück (504-9) beschreibt einen Propheten, dem Jahve die Zunge und das Ohr der Jünger gegeben hat. Von irgend welcher nationalen Tätigkeit, um das Volk wiederherzustellen, ist hier nicht die Rede. Trotzdem ist die vorausgesetzte Situation nicht deutlich. Der Ebed bekennt, er sei nicht widerspenstig gegen das Wort Jahves gewesen und nicht davor zurückgewichen. Fragt man nach einem Grunde, warum diese Tatsache betont wird, so erhalten wir keine Antwort. Man kann ja aus dem Folgenden schließen, daß er um seines prophetischen Berufes willen viel zu leiden hatte und daß er ihn deshalb am liebsten Gott vor die Füße geworfen hätte. Aber das ist eben das Charakteristische: gesagt wird weder, daß er um der Verfolgungen willen an seinem Berufe irre, noch daß er um seines Berufes willen verfolgt wurde. Beide Dinge stehen lose und unorganisch neben einander. Ebenso wenig erfährt man, von wem die Verfolgungen ausgehen. Am nächstliegenden ist es, die Verfolger in dem Kreise derer zu suchen, an denen der Prophet arbeitete. Wenn wir nur wüßten, wem seine Wirksamkeit galt! Die Heiden als das Objekt seiner Tätigkeit anzusehen, ist willkürlich, solange man den Ebed für eine Einzelperson hält. Denn die Heiden müßten ausdrücklich genannt sein. Die Situation scheint hier dieselbe wie in c. 491ff.: Augenblicklich ist der Ebed noch in Bedrängnis. Aber die jetzige Erniedrigung wird bald vorübergehen; denn schon ist der nahe, der ihm Recht schafft (doch vgl. u.).

In eine ganz andere Situation versetzt uns das vierte Ebedstück (5213-5312). Hier ist der Ebed nicht mehr in Not, sondern er ist gestorben und begraben, wie es scheint. Denn im Einzelnen tauchen auch hier eine Menge von Rätseln auf. Der stilistische Aufbau ist sehr geschickt. Am Anfang und am Ende wird die künftige Verherrlichung des Ebed geschildert; dazwischen steht eine Rede, die von der Erniedrigung des Ebed handelt.

Forschungen zur Rel. u. Lit. d. A. u. NT. 6.

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Wenn wir die Stimmung angeben wollen, die in dieser Rede waltet, so werden wir sagen müssen: es ist Mysterienstimmung. Die Redenden sind sich nicht nur bewußt, ein großes Mysterium erlebt zu haben, sondern sie schwelgen förmlich in dem Geheimnis. Obwohl sie es begriffen haben, betonen sie nicht das Verständnis, das ihnen zu teil geworden ist, sondern legen alles Gewicht auf die frühere Unwissenheit: Wer hätte unserer Kunde geglaubt und wem wäre die Macht Jahves offenbar geworden? Wer hätte ein solches Wunder für möglich gehalten? Wie konnte man das ahnen! Er wuchs vor uns auf wie ein kleines Reis, wie ein Wurzelschoß aus dürrem Lande, unansehnlich, unscheinbar, von niemand beachtet, von niemand geschätzt. Und nun springt das Lied in gewaltigem Sprunge, von der Geburt des Ebed über zu seinem Tode. Er war ein Mann der Schmerzen, vertraut mit Krankheit und Leiden, unmenschlich entstellt. Das sahen wir wohl, aber wir glaubten, Gott habe ihn gezeichnet. Darum verachteten wir ihn, verhüllten unser Antlitz vor ihm und mißhandelten ihn. Darum begruben wir ihn auch bei Frevlern und Übeltätern. Das alles schien so natürlich und begreiflich. Aber siehe da! wir gingen völlig in die Irre, wir haben uns gründlich getäuscht. Wir wissen jetzt, er litt um unsretwillen! Um uns Frieden zu schaffen, wurde er bestraft! Unsere Schmerzen, Krankheiten und Verschuldungen nahm er hinweg. Durch seine Strieme sind wir geheilt. Wer hätte das geglaubt! Aber noch mehr, er trat nicht nur für uns ein, sondern er tat dies auch willig und geduldig. Wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, vor seinen Scherern verstummt, so öffnete er seinen Mund nicht; kein Laut der Klage kam über seine Lippen. Und das alles, obwohl er unschuldig war, obgleich er kein Unrecht begangen und kein Betrug in seinem Munde war! So ging der sündlose Ebed geduldig-unschuldig in den Tod, um unsere Verfehlungen zu sühnen. Wer kann dies große Geheimnis genugsam begreifen?

An dieser Rede ist erstens auffällig, daß von der ganzen Zeit, die zwischen der Geburt und dem Leiden und Sterben des Ebed liegt, überhaupt nicht die Rede ist. Zweitens scheint der Anfang der Rede von einer anderen Voraussetzung auszugehen als die übrigen Verse. Wer hätte unserer Kunde

geglaubt, klingt so, als hätten die Redenden von vornherein Bescheid gewußt. Sie scheuten sich nur mit ihrer Botschaft hervorzutreten, weil sie unglaubwürdig war. Im Folgenden aber erfährt man, daß überhaupt niemand den wirklichen Sachverhalt zu durchschauen imstande war. Das, was geschah, war völlig unbegreiflich. Drittens zeichnet sich das Leiden und Sterben des Ebed durch eine eigentümliche Unklarheit aus. An welcher Krankheit hat er gelitten? Ist er daran gestorben oder hat man ihn getötet?

Ebenso dunkel sind im Einzelnen die beiden Versgruppen, die die Rede umrahmen, obwohl der allgemeine Sinn klar ist. Sie handeln von dem Triumph des Ebed: Er wird sich an seinen Nachkommen erfreuen, lange leben, viel Glück haben, mit Starken Beute teilen und die Achtung und Ehrfurcht der Könige genießen. Daran ist auffällig: Erstens wundern wir uns, daß der Ebed plötzlich lebt und Kinder hat. Eben noch hörten wir von seinem Tode. Wenn wir die Schlußszene verstehen wollen, so müssen wir notwendig die Auferstehung des Ebed ergänzen. Wir wundern uns zweitens über das Mißverhältnis zwischen dem vergangenen und dem künftigen Schicksal des Ebed. Vielleicht dürfen wir seine Erhöhung in die Worte zusammenfassen: Er soll ein angesehener und mächtiger König werden. Das ist nichts Außergewöhnliches und viel zu wenig gegenüber dem, was der Ebed in seinem Leiden und Sterben geleistet hat. Der Lohn entspricht nicht der Arbeit. Drittens wundern wir uns, warum nicht die Redenden zusammen mit dem Ebed verherrlicht werden. Sie haben ihn zwar nicht erkannt, so lange er unter den Lebenden weilte, aber sie preisen ihn jetzt, wo er tot ist, und rühmen sich, daß er für sie gelitten und ihre Sünden getragen habe. Sie sind durch seine Sühne schuldlos geworden. Aber von den Folgen, die diese Tatsache für die Redenden haben müßte, ist nicht die Rede1.

Fragen wir die Exegeten, wer der Ebed ist, so lautet eine Antwort: Israel. Die hier Redenden müßten dann die Heiden sein, deren Strafe Israel im Exil auf sich genommen hätte. Dagegen

1. Der Text des Kapitels ist freilich sehr korrupt. Ich glaube aber nicht, daß die Sache klarer würde, wenn der Text besser wäre.

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