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versammelten Heere (IV Esra 13)? Auf Grund welcher mißverstandenen Danielstelle behauptet ferner der äthiopische Henoch, daß der Mensch den Heiligen und Gerechten bereits offenbart sei? Daß in ihm der Geist derer wohne, die in Gerechtigkeit entschlafen sind? Wer sich der herrschenden Meinung anschließt, hat die Pflicht, all dies und noch vieles mehr, begreiflich zu machen. Er muß auch zeigen, wie das Bild »des Menschen« im IV Esra bis zu einem gewissen Grade plastischer sein kann als im Buche Daniel (BOUSSET). Wir werden schließen, daß es gar nicht aus diesem stammen kann.

Fragen wir, wie es möglich gewesen ist, daß die bekämpfte Ansicht so allgemeine wissenschaftliche Geltung hat erlangen können, so liegt das zweifellos an der bereits von GUNKEL hier und in anderen Zusammenhängen gerügten Verwechslung der ersten literarischen Bezeugung einer Idee mit ihrem ganzen und ursprünglichem Umfange. Weil in Dan. 7 »der Mensch << zum ersten Male in der Literatur auftaucht, darum glaubt man, müsse notwendig dort der Ursprung dieser Gestalt zu suchen sein. Alle späteren Anspielungen oder Ausführungen können nur im Anschluß an sie entstanden sein! Auf den Gedanken aber, daß dort vielleicht zufällig nur ein Bruchstück aus einer viel reicheren und umfassenderen Tradition aufbewahrt worden sei, die später in gleicher Weise auch von anderen ausgeschöpft wurde, verfiel man nicht. Das ist in unserem Falle um so unverzeihlicher, als es »längst Allgemeingut« (WELLHAUSEN) der Wissenschaft geworden ist, daß der Apokalyptiker seine Stoffe nicht selbst schafft, sondern sie aus der Überlieferung herübernimmt. So wenig man sonst bei der Entwicklung einer Idee die persönlichen Träger dieser Gedanken, ihre Eigenart und ihre Kraft der Umgestaltung vernachlässigen darf, auf unserem Gebiet bedeutet die schriftstellerische Originalität des Einzelnen wenig; sie beschränkt sich auf Kombination, Ausschmückung und Auslegung der Tradition. Dazu kommt endlich noch, daß speziell von den Tieren, die in Dan. 7 mit der Vision des Menschensohnes verbunden sind, selbst WELLHAUSEN Zugesteht, sie enthielten eine irgendwie vermittelte Reminiszenz an fremde Überlieferung. Nur GUNKEL und BOUSSET haben dies auch für den Menschensohn zugegeben und den Weg gezeigt, auf dem die richtige Lösung zu finden ist.

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In der bekannten Vision des 7. Kap. des Buches Daniel begegnet eine menschenähnliche Gestalt, die mit, oder wie die LXX deuten, auf den Wolken des Himmels herankommt und vor den Hochbetagten gelangt (V. 13). Der Ausgangspunkt des >>Menschen« wird nicht genannt und muß darum fürs erste dunkel bleiben, wohl aber ist der Zweck seines Erscheinens klar: Er wird beim Endgericht zum Weltherrscher proklamiert, ihm wird die Macht und die Ehre in alle Ewigkeit zu teil (V.14). Da nach der dem Gesichte beigegebenen Auslegung das Volk der Heiligen des Höchsten das Königtum der Ewigkeit erhält (V. 18. 22. 27), so ist man gezwungen, in dem jetzt vorliegenden Text den Menschen für ein Bild Israels zu halten, entsprechend den heidnischen Reichen, die als Tiere dargestellt sind. So weit stimmen alle Forscher überein.

Der Dissensus beginnt bei der Frage, ob der Menschenähnliche ein von diesem Schriftsteller geschaffenes Symbol für das Volk Israel sei, entstanden im Gegensatz zu den Tiersymbolen für die heidnischen Völker. Dagegen spricht erstens: So gut die Repräsentation der heidnischen Reiche durch Tiere, wie allgemein zugestanden wird, eine Entlehnung ist, so gut wird dies auch a priori von dem bar 'naša gelten müssen. Wir können mit annähernder Wahrscheinlichkeit postulieren, daß wir hier so wenig wie sonst eine originale Idee des Verfassers vor uns haben. Ein strikter Beweis folgt aus einer zweiten Beobachtung: Wäre der Menschenähnliche ein neu geprägtes Symbol, so müßte man in der Deutung genauen und klaren Aufschluß erwarten. Das Gegenteil ist der Fall. Denn grade dasjenige, was uns am Unverständlichsten ist, das Fliegen des bar 'naša mit den Wolken des Himmels, wird nicht erklärt offenbar, weil der Verfasser dazu nicht imstande war. Das wird durch eine dritte Erwägung bestätigt: Hätte der Schriftsteller selbst das Symbol geschaffen, so ist nicht einzusehen, weshalb er sich nicht einfach mit der Gestalt des Menschen begnügte. Damit war ja die Hoheits- und Herrscherstellung Israels über die heidnischen Tiere gebührend gekennzeichnet! Warum fügte er noch das rätselhafte Fliegen mit den Wolken des Himmels

hinzu? Irgend ein plausibler Grund läßt sich dafür nicht ausfindig machen. Die Tiere, die aus dem Meere aufsteigen, werden als nahe und gegenwärtig vor dem Richterstuhl vorausgesetzt, ohne daß sie ausdrücklich auf den Wolken herbeigebracht werden; also wäre es auch unnötig gewesen, von dem Menschen dies auszusagen. Ebenso wenig kann dieser Zug die Zugehörigkeit zu Gott bedeuten. Denn das hätte klarer und besser so dargestellt werden müssen, daß der bar 'naša neben Gott erscheint und von vorneherein neben Gott auftritt, statt daß er erst aus der Ferne herbeigeholt wird. Wissenschaftlich nicht gerechtfertigt ist die von VoLz (S. 11 vgl. S. 220) gegebene Exegese: »Am großen Gerichtstag . . . wird er aus unbekannter Ferne ( aus der bisherigen Inaktivität, dem Nichtsein) auf den Wolken (= dem himmlischen Gespann) vor den Himmelsthron gebracht d. h. er bekommt Leben, Sein, Bedeutung«. Abgesehen davon, daß die Auslegung der Wolken völlig aus dem Bilde herausfällt, ist es nicht erlaubt, eine andere Deutung beizufügen, wo der Schriftsteller ausdrücklich selbst eine bietet. Man muß zugestehen, daß eine Erklärung dieses mythologischen Zuges zunächst unmöglich ist, weil schon der Verfasser des Danielbuches nichts damit anzufangen wußte. Folglich ist das Kommen des Menschen mit den Wolken eine der Tradition entlehnte Einzelheit, die in den Rahmen der Allegorie nicht hineinpaßt.

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Ist an einer einzigen Stelle nachgewiesen worden, daß wir keine Neuschöpfung, sondern eine apokalyptische Überlieferung vor uns haben, so müssen wir die ganze Gestalt des Menschenähnlichen für älter halten als Daniel. Unser apriorisches Postulat, mit dem bar 'naša müsse es sich ebenso wie mit den Tieren desselben Kapitels verhalten, ist damit zur Evidenz erhoben. Um das ursprüngliche Gut der Tradition in voller Reinheit zu gewinnen, brauchen wir nur den Firnis zu entfernen, mit dem es in der Auslegung leicht übertüncht ist. Die Originalität des Bearbeiters besteht allein darin, daß er den Menschen umgedeutet hat auf Israel. Alles Übrige ist, wie die Vision lehrt, zur Rekonstruktion des alten Mythus zu benutzen. Wir erfahren hier Folgendes: Wenn das Gericht stattfindet d. h. am Ende der Tage wird »der Mensch« auf den Wolken des Himmels erscheinen: Dem wurde Macht, Ehre und Herrschaft verliehen,

alle Völker, Nationen und Zungen müssen ihm dienen; seine Macht soll ewig und unvergänglich sein, und sein Reich niemals zerstört werden (714), d. h. er wird zum Weltherrscher an Gottes statt proklamiert; der Hochbetagte tritt ihm sein Amt ab, wohl nicht bloß auf Erden, sondern auch im Himmel1. Da nach altisraelitischer Anschauung der Messias an der Spitze der neuen Zeit stehen soll, dem alle Völker unterworfen werden, so ist »der Mensch<< eine Parallelgestalt zum Messias.

Man könnte vielleicht einwenden, daß wir den Text etwas stilisieren, indem wir einfach »der Mensch« sagen, während genauer von einem die Rede ist, der wie ein Mensch aussieht. Aber das ist keine Schwierigkeit. Denn einmal ist die Gestalt kein gewöhnlicher, sondern ein himmlischer Christusmensch, der mit einem Menschen nur von ungefähr verglichen werden kann. Zweitens gehört diese Ausdrucksweise zum apokalyptischen Stil. Man lese vor allem die Berufungsvision Ezechiels, die mit der Vergleichungspartikel in gradezu verschwenderischer Fülle umgeht. Sachlich macht es keinen Unterschied aus, ob man das >> Wie<< überall streicht, nur für den Stil ist es charakteristisch. So ist es auch in dem 7. Kapitel des Daniel. Wenn der Verfasser von dem ersten Tiere sagt, daß es einem Löwen glich und Adlerflügel hatte, so war es eben ein Löwe, freilich kein eigentlicher, sondern einer mit Adlersflügeln. Die Tradition redete einfach von dem bekannten apokalyptischen Löwen, die Vergleichungspartikel ist nur auf Kosten des Stiles zu setzen (GUNKEL). Wir haben demnach ein Recht, nicht von einem Menschenähnlichen, sondern von dem Menschen zu sprechen.

Es ist notwendig, der Figur des Menschenähnlichen im Buche Daniel noch etwas weiter nachzugehen. 815ff. wird erzählt, wie dem Daniel jemand gegenüber steht, der das Aussehen eines Menschen hat. Während jener über die Vision bestürzt ist, erschallt eine Stimme, die ruft und spricht: Gabriel, erkläre dem dort das Gesicht! Der angelus interpres, der wie ein Mensch aussieht, wird hier mit dem Namen »Gabriel« bezeichnet. Daß Engel in Menschengestalt erscheinen, ist nichts Ungewöhnliches2, aber ganz auffällig ist 920ff., wo bh der Mensch Gabriel zu Daniel kommt, ihm die Zukunft erklärt

1. So jedenfalls im I Henoch. 2. Vgl. schon Gen. 18 f. Jdc. 136.

und die apokalyptische Offenbarung bringt. Auch hier wird die Rolle des angelus interpres von Gabriel gespielt; der aber wird nicht nur mit einem Menschen verglichen, sondern direkt der Mensch genannt, obwohl er zweifellos ein Engel ist. Endlich begegnet uns in c. 10-12 jemand, der aussieht wie ein Mensch (1016. 18) und bei dessen Anblick Daniel wie in c. 8 vor Schreck zu Boden fällt. Obgleich kein Name genannt ist, hat man doch wohl mit Recht geschlossen, daß hier wie anderswo unter dem angelus interpres Gabriel gemeint sei. So lautet auch die Tradition im Talmud (tr. Joma 77 a).

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Der Engel Gabriel, als dessen Charakteristikum wir bisher nur die Menschengestalt kennen gelernt haben, wird 105f. genauer beschrieben1: Als ich meine Augen aufhob und schaute, siehe da war da ein Mensch, gekleidet in Linnen, seine Lenden gegürtet mit Gold aus Uphaz, sein Leib wie Chrysolith, sein Gesicht wie Blitzschein, seine Augen wie Feuerfackeln, seine Arme und Füße wie das Blinken geschliffenen Erzes und der Schall seiner Worte wie die Stimme des Donners. Die Kommentatoren begnügen sich, zu dieser Stelle einige nichtssagende literarhistorische Notizen zu liefern. So liest man z. B. bei MARTI: >> Die Schilderung (des himmlischen Boten Gabriel) ahmte sicher Ez. 92f. nach und ist dann wieder das Vorbild für Apk. Joh. 115 geworden«. Ez. 92f. ist von sechs Engeln die Rede, die jeder ein Zerschmetterungsgerät in der Hand haben. In der Mitte geht ein siebter, nach dem Talmud (a. a. O.) wiederum Gabriel der in ein linnenes Gewand gekleidet ist und ein Schreibzeug an seinen Hüften trägt. Der hier beschriebene Engel stimmt mit dem Daniels nur in dem Linnenkleide überein, sodaß man kein Recht hat, von »sicherer Nachahmung<< zu reden. Man hält ferner Stücke der Danielvision für entlehnt aus Ez. 17, wo von Fußsohlen gesprochen wird, die (rund) sind wie die eines Kalbes und die glänzen wie poliertes Erz. Aber diese Worte beziehen sich nicht auf die Engel, geschweige denn auf Gabriel, sondern auf die Kerube. Sollte also wirklich ein Zusammenhang dieser Stelle mit Daniel vorliegen, so hat der Exeget die Pflicht, es verständlich zu machen, wie die Schil

1. Vgl. dazu oben S. 109.

2. PERLES-KRAETZSCHMAR lesen »ihr Gefieder«.

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