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Nicht verständlich ist 493, wo von dem Menschen gesagt wird: In ihm wohnt der Geist der Weisheit, und der Geist, der Einsicht verleiht, der Geist der Lehre und der Kraft, und der Geist derer, die in Gerechtigkeit entschlafen sind. BEER (bei KAUTZSCH) fügt als Erklärung hinzu: »Der Messias verwirklicht die eschatologische Hoffnung der entschlafenen Frommen<«<. Aber von einer »Hoffnung ist im Text keine Rede. VOLZ (S. 17) meint: »Die natürlichste Erklärung ist wohl die, daß sich zu dem Geist der Weisheit und dem Geist der Einsicht und dem Geist der Lehre und der Kraft noch der Geist einer anderen Eigenschaft gesellt, die speziell für die entschlafenen Frommen Bedeutung hat; dies ist am allgemeinsten der Geist der Daseinskraft, der Existenzfähigkeit; des Lebens, also hätte der Ausdruck den Sinn: im Messias wohnt der Geist, durch den er den entschlafenen Frommen Fortdauer nach dem Tod zu geben vermag«. Aber dann würde man nicht einen »Geist der Toten«, sondern einen »Geist des Lebens « erwarten. Sicher ist, daß hier mit dem Zitat aus Jes. 112 eine fremde Tradition verschmolzen ist. Der Wortlaut besagt ebenfalls ganz klar1, daß in dem Messias der Geist der entschlafenen Frommen wohnt. Ihn gewissermaßen als Aufbewahrungsort der Gerechten zu denken, geht deshalb nicht, weil es in diesem Falle »Geister << heißen müßte. GUNKEL (mündlich) schlägt vor, die Worte als animistische Vorstellung aufzufassen. In ihm inkorporiert sich der Geist der Entschlafenen. Das kommt dem Text am

nächsten.

In dem wohl später angehängten Schlußkapitel (c. 71) der Bilderreden und im slavischen Henochbuche wird der Urvater Henoch, wie man vermutet hat, mit dem himmlischen Menschen identifiziert. Nach seiner Entrückung begrüßt ihn der Hochbetagte mit den Worten: Du bist der Mannessohn, der zur Gerechtigkeit geboren ist; und Gerechtigkeit wohnt über dir und die Gerechtigkeit des betagten Hauptes verläßt dich nicht

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Er ruft dir Heil zu im Namen der künftigen Welt, denn von dort aus ist das Heil ausgegangen seit Erschaffung der Welt, und so wird es auch dir zu teil werden immerdar und in alle

1. An eine Textkorruption ist nicht zu denken, da der Ausdruck oi μer' evoɛßɛías noμwμévoi auch II Makk. 12 45 begegnet. Darnach ist hier vielleicht zu verstehen: der Geist, der zum Martyrium befähigt?

Ewigkeit. Und alle werden auf deinem Wege wandeln, da die Gerechtigkeit dich nimmermehr verläßt; bei dir wird ihre Wohnung sein und bei dir ihr Los und von dir werden sie sich nie und in alle Ewigkeit nicht mehr trennen (7114ff.). Da dasselbe teilweise vom Menschensohn ausgesagt wird (vgl. 492. 39 6ff.) und da Henoch hier direkt mit dem überall sonst technischen Titel Mannessohn angeredet wird, so ist es nicht unmöglich, daß der Verfasser dieses Kapitels beide Gestalten mit einander identifizierte. Aber wahrscheinlicher ist eine andere Auffassung: Henoch erhält hier das höchste Ruhmes- und Ehrenprädikat, das der Apokalyptiker überhaupt zu vergeben hat. Diese Epitheta, die ursprünglich einer bestimmten Gestalt angehörten, haben sich später von ihr gelöst und können nun auf jede halbgöttliche Person übertragen werden. Da Henoch in alle Geheimnisse der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft eingeweiht ist, da er Himmel, Erde und Unterwelt kennen gelernt hat und nichts vor ihm verborgen ist, so ist es ganz begreiflich, daß man diesem Mysten und Weltenwanderer die Prädikate des Menschensohnes beigelegt hat. Noch allgemeiner heißt es II Hen. 644f.: Und nun segne du deine Söhne und alles Volk, damit wir heute verherrlicht werden vor deinem Angesicht, weil du vor dem Angesicht des Herrn verherrlicht wirst in Ewigkeit, da dich der Herr auserwählt hat mehr denn alle Menschen auf Erden und hat dich gesetzt zu einem, der niederschreibt seine Geschöpfe, die sichtbaren und die unsichtbaren, und der wegnimmt die Sünden der Menschen und der hilft den Kindern seines Hauses. Hieraus kann man noch weniger auf eine Identifikation Henochs mit dem Menschensohne schließen.

Wir haben gesehen, um das Gesagte zusammenzufassen, wie in der Apokalyptik der Mensch die Rolle des eschatologischen Helden spielt. Er ist kein blasses Schemen, kein abstraktes Symbol, keine Personifikation Israels, sondern eine konkrete, lebendige Figur, ein Engel, um den sich eine reiche Tradition gruppiert hat. Von Ewigkeit her präexistent, vor aller Welt geschaffen, ist der Menschensohn um seiner Gerechtigkeit willen von Gott auserwählt worden, um zunächst vor ihm in der Verborgenheit des himmlischen Paradieses zu leben, um dann am Ende dieses Äons die Welt zu richten und zu erlösen, um endlich den neuen Äon zu bilden, zu ordnen und im

Namen Gottes zu regieren. Kurz gesagt: Der Menschensohn ist eine eschatologische Gestalt und bezeichnet den präexistenten Weltrichter und Weltherrscher.

Wir dürfen ihn eine Parallelfigur zum Messias nennen, sofern beide eschatologische Bedeutung haben. Aber keineswegs haben wir ein Recht, beide ohne weiteres zu identifizieren. Denn so nahe sie auch einander stehen, so sehr sind sie zu gleicher Zeit von einander unterschieden. Der Messias ist der künftige König aus Davids Haus, von Vater und Mutter geboren, deren Geschlechtsregister vorgelegt werden können. Der Menschensohn wird zwar an einigen Stellen Messias genannt, ist aber niemals als Davidide bezeichnet. Der Messias ist eine irdische, der Menschensohn eine himmlische Gestalt. Beide haben von Hause aus nichts mit einander zu tun, sondern haben einen ganz verschiedenen Ursprung. Eine innerisraelitische Entwicklung ist unmöglich. Denn aus dem Davididen kann niemals ein Engel werden oder doch nur so, daß er mit einer fremden Gestalt verschmolzen wird, weil mythische Vorstellungen in historischer Zeit nicht genuin entstehen.

Der Menschensohn muß also aus der Fremde stammen, wie die ganze apokalyptische Eschatologie aus der Fremde gekommen ist. Denn anders als bei den Propheten wird das Unheil als eine einheitliche und universale Katastrophe (Weltbrand) geschildert, das Heil direkt als Wiederkehr des Paradieses bezeichnet. Zwischen beiden bildet die Auferstehung von den Toten das organisch verbindende Mittelglied. Diese drei Dinge, die bei den Propheten nur undeutlich und lückenhaft als letzte Trümmer eines großen Baues nachweisbar sind, erscheinen bei den Apokalyptikern als ein stattliches, festgefügtes Haus. Die Wiederherstellung des Ursprünglichen war nur möglich, wenn das mythische Urmuster von irgendwoher bezogen werden konnte. In diesen Zusammenhang paßt die himmlische Gestalt des Menschensohnes ausgezeichnet hinein.

Die Herübernahme aus der Fremde war nur möglich, wenn sie an Gegebenes und Vorhandenes anknüpfen konnte. Nun haben wir gesehen (vgl. o. S 285), daß die eschatologische Figur der Prophetie keineswegs einheitlich war. Sie enthält neben dem Messiasgedanken vom künftigen Davididen mythische

Elemente, die von der Geburt eines göttlichen Heilandes und von einem Gottkönige handeln. Wie wir damals annehmen mußten, daß eine ausländische göttliche Gestalt mit dem Davididen kombiniert und verschmolzen sei, so stehen wir hier genau vor derselben Tatsache abgesehen davon, daß die Vereinigung der Menschensohntradition mit der des Davididen in der Apokalyptik noch nicht erfolgt, sondern erst später eingetreten ist. Was liegt näher als die Vermutung, ein und dieselbe Gestalt sei zum ersten Male lange vor der prophetischen Zeit und zum zweiten Male kurz vor der christlichen Zeit nach Palästina gewandert, habe sich dort mit einheimischen Größen vermischt und sei allmählich umgewandelt worden (GUNKEL)?

Nachdem wir dies sachliche Resultat gefunden haben, kehren wir zum sprachlichen zurück. Es wurde von vorneherein betont, der Mensch als Messiasname könne nur als eine Abkürzung verstanden werden. Eine Auswahl unter den verschiedenen Möglichkeiten: Wolkenmensch, oberer Mensch, Himmelsmensch, Urmensch war a priori nicht zu geben. Wie wir jetzt gelernt haben, treffen alle diese Bezeichnungen auf die behandelte Gestalt zu; alle sind im letzten Grunde identisch und haben eschatologischen Sinn. Auf den Urmenschen weist allerdings in der Apokalyptik nichts Besonderes hin, abgesehen vielleicht von I Hen. 498, wonach sich der Geist der in Gerechtigkeit Entschlafenen im Menschen inkorporiert. Wenn diese Exegese richtig ist, würde man nur an den Urmenschen denken dürfen. Zwingender als dies Argument scheinen mir die allgemeinen Erwägungen, die bereits oben beim Messias (S. 289) angestellt sind: Zum Anfänger der neuen Welt, zum Herrscher des wiederkehrenden Paradieses eignet sich am besten die vergötterte Gestalt des ersten Menschen. Grade der erste Mensch, der zum ersten Toten geworden ist, übt, wie hier hinzugefügt werden mag, mitunter auch das Amt und die Funktionen des Totenrichters aus1. In der Apokalyptik haben wir das deutliche Bild eines Gerichtes und eines Richters, der auf seinem Throne sitzt, die geöffneten Gerichtsbücher vor sich oder die Wage in seiner Hand. Bald wird der Hochbetagte (Dan.

1. OLDENBERG: Rel. des Veda S. 541.

72ff.), bald aber auch der Menschensohn (I Hen. 618) in dieser Weise dargestellt.

So dürfte BOUSSET mit seiner Auffassung Recht behalten, der Mensch sei eine Abkürzung für den ersten Menschen. Wenn wir nun aber weiter fragen, woher diese eschatologische Gestalt des Urmenschen stamme, so können wir darauf keine Antwort geben. Zwar weist manches, wie BOUSSET mit Recht betont, nach Persien hin. Die Übereinstimmungen zwischen der jüdischen und iranischen Eschatologie sind so groß und so frappant, daß eine Analogie ausgeschlossen ist, daß vielmehr eine Abhängigkeit der einen von der anderen notwendig angenommen werden muß: Hier wie dort haben wir eine mit Dualismus verbundene Eschatologie, hier wie dort einen Weltuntergang, der speziell als Weltbrand gedacht wird, hier wie dort eine Auferstehung der Toten, ein allgemeines Gericht, ein neuer Äon. Die kleinen Differenzen, die namentlich von SÖDERBLOM herausgestellt sind, werden völlig aufgewogen durch die zahlreichen Berührungen im Einzelnen. Neuerdings hat DARMESTETER die These durchzuführen versucht, die iranische Eschatologie sei von der jüdischen abhängig. Diese Anschauung ist unmöglich, da die jüdische Eschatologie nicht autochthon sein kann, wie ich an vielen Stellen zu beweisen mich bemüht habe. BOUSSET möchte speziell den persischen Urmenschen (Gayōmart) für das mythische Vorbild des Menschensohnes halten. Aber Gayōmart hat, so weit wir wissen, niemals eine eschatologische Rolle gespielt. Die Umbiegung dieser Gestalt ins Eschatologische kann aber nicht auf jüdischem Boden vollzogen sein. BOUSSET muß mit einer Unbekannten rechnen, indem er auf die allerdings bedeutsame Tatsache aufmerksam macht, daß »es unter den iranischen Religionsanhängern eine Sekte gab, die sich nach dem Urmenschen Gayomarthier nannte<<< (Rel. S. 348). Gayōmart muß in ihrem System eine besondere, hervorragende Stelle eingenommen haben, aber leider erfahren wir aus der Notiz Šahrastânis nichts Genaueres darüber1. Es ist möglich, es ist auch nicht möglich, daß der Urmensch bei

1. THEODOR HAARBRÜCKER: Abu-'l-Fath' Muhammad asch-Schahrastânis Religionspartheien und Philosophenschulen. Halle 1850. Teil I, S. 276 f.

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