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AD.V, 2

Entzifferung der zweiten Kolumne.

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Behistan-Inschrift, der natürlich die Übersehung des persischen Teiles bot, zur Verfügung stellte. Mit Hilfe der etwa 50 in diesem Text vorhandenen Eigennamen, die zu den in schon bekannten Texten sich findenden etwa 40 hinzukamen, also ein weit reichlicheres Material zur Untersuchung darboten, als den Gelehrten in Europa zur Verfügung gestanden hatte, war es Rawlinson gelungen den größten Teil der Zeichen zu bestimmen. Er hatte dieses Resultat jedoch außer einigen daraus gezogenen Folgerungen (1847) nicht veröffentlicht, weil ihm seine Untersuchungen bei der Schwierigkeit des Gegenstandes noch nicht weit genug gediehen zu sein schienen. Als nun Norris diesen umfangreichen Text benußen fonnte, gelang es auch ihm fast alle Zeichenwerte ziemlich genau zu bestimmen und die Sprache in ihren Grundzügen festzulegen. Seine 1855 veröffentlichte Arbeit war die wichtigste auf diesem Gebiet erschienene. Weiterhin haben dann noch an der richtigeren Ausgestaltung der Einzelheiten eine ganze Reihe von Gelehrten gearbeitet, sodaß die Entzifferungsarbeit an dieser Schriftgattung in der Hauptsache als abgeschlossen gelten kann. Die Sprache bietet noch manche Schwierigkeiten. Ihre Zuweisung ist lange streitig gewesen, bis festgestellt wurde, daß es die Sprache der bedeutenden persischen Provinz Susiana, und zwar eine Entartung der neu-elamischen Sprache gewesen ist.

Doch unvergleichlich wichtiger als die Entzifferung der ersten und zweiten Schriftgattung war die der dritten. Denn die beiden ersten wurden außer in den wenigen Achämenideninschriften überhaupt nicht angetroffen. Es existierte also augenscheinlich eine eigentliche Literatur in ihnen nicht, sodaß der Hauptwert namentlich der ersten, der persischen Keilschrift, bis heute darin besteht, daß sie den Schlüssel zur Enträtselung der dritten, der babylonischen Keilschriftgattung abgegeben hat. Der Wert der lezteren aber steigerte sich in den Augen der Gelehrten seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts immer mehr und das Verlangen sie gedeutet zu sehen wurde ein immer mächtigeres, als man erkannte, daß die von Jahr zu Jahr zunehmende Zahl von Schriftdenkmälern vom Boden des alten Babylonien, die nach Europa gebracht wurden und nur in einer einzigen Schriftart geschrieben waren, in den Zeichen abgefaßt war, die in den Achämeniden Denkmälern die dritte Stelle einnahmen. Die wichtigsten historischen und kulturellen Aufschlüsse über das alte Babylonien und Assyrien durfte man sich aber versprechen, als seit 1843 durch den französischen Konsul Botta der

Der Alte Orient. V, 2. 2. Aufl.

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2. Messerschmidt: Entzifferung der Keilschrift.

AD. V, 2 Palast des Königs Sargon in Khorsabad, und seit 1845 von dem Engländer Austen Henry Layard die Ruinen Ninives ausgegraben wurden und aus diesen zahlreiche Denkmäler, die über und über mit Schrift bedeckt waren, in die europäischen Museen famen.

Auch bei dieser Schriftgattung, wie bei der zweiten, konnte man natürlich einen Entzifferungsversucherst unternehmen, nachdem der persische Text, als dessen bloße Überseßung ja schon früh und mit Recht der babylonische Text angesehen wurde, in der Hauptsache verständlich geworden war. Ohne dieses Hilfsmittel einer verständlichen Überseßung, das die Forscher bei ihren Untersuchungen der dritten Keilschriftgattung gegenüber in eine ähnlich günstige Lage verseßte, wie sie für die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen durch die griechische Überseßung von Anfang an bestanden hatte, wäre es wahrscheinlich niemals gelungen die babylonische Keilschrift zu deuten. Denn die Schwierigkeiten, welche dieses komplizierteste der drei Schriftsysteme mit seinen weit über 500 Zeichen allen Versuchen entgegenstellte, waren so große, daß selbst erfolgreiche Gelehrte mehrfach an der völligen Lösung des Problems verzweifelten. Botta sprach 1848 aus: „dieses Studium ist sehr viel schwieriger, als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Wenn man eine Lesung für die Namen des Darius, Ormuzd usw. vorgeschlagen hat, glaubt man den Schlüssel des Problems zu haben. Aber je mehr man es prüft, um so mehr entfernt sich die Lösung. Das ist mir wenigstens begegnet, und es wird, glaube ich, allen denen begegnen, die die Entzifferung versuchen werden“. Und Rawlinson bekannte 1850: „Ich will freimütig bekennen, daß, nachdem ich jedes babylonische Zeichen und jedes babylonische Wort bemeistert habe, zu dem ich irgend einen Anhalt in den dreisprachigen Inschriften fand, sei es durch direkten Nachweis, sei es durch Schlüsse, ich mehr als einmal versucht gewesen bin, wenn ich mich dann bemühte, den so gewonnenen Schlüssel auf die Deutung der (einsprachigen) assyrischen Inschriften anzuwenden, das Studium ein für allemal aufzugeben, weil ich an der Erreichung auch nur irgend eines zufriedenstellenden Resultates völlig verzweifelte." Und das zu einer Zeit, als er eine längere historische Inschrift bereits in allem Wesentlichen richtig zu übersehen verstand! Die große und damals noch nicht gelöste Schwierigkeit, die ihn zu jenen Worten veranlaßte, boten vor allem die Eigennamen, weil jede Überlieferung über diese fehlte. „Kein Plutarch", sagte er, „gibt, wie

AD. V, 2 Schwierigkeiten der Entzifferung des Babylonischen.

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für Ägypten, die Namen der Götter, kein Manetho und Eratosthenes die Namen der Könige und die Ordnung der Dynastien"!

Trozdem hat der nicht genug zu rühmende Scharfsinn, die Geduld und die Energie einer ganzen Anzahl von Gelehrten die Schwierigkeiten verhältnismäßig schnell überwunden. Den Ausgangspunkt mußten, wie schon gesagt, die Eigennamen der dreisprachigen Inschriften bilden. Auch hier befand sich Rawlinson von vorn herein gegenüber den europäischen Forschern in einer begünstigten Lage. Während diese für die frühesten Untersuchungen in den ihnen zur Verfügung stehenden Inschriften nur etwa 40 Eigennamen als Forschungsmaterial besaßen, konnte der erstere bei seinen selbständig und unabhängig in fast völliger Isolierung im Orient gemachten Versuchen noch etwa 50 weitere Eigennamen verwenden, die ihm der babylonische Teil der großen Behistan-Inschrift bot. Die drei Teile derselben wurden ja nicht mit einem Male von ihm abgeschrieben und veröffentlicht, sondern nur nacheinander, entsprechend dem Gange seiner Studien der drei Schriftsysteme, und nachdem er sich selbst daran versucht hatte (1836/37 schrieb er den persischen, 1844 den susischen, 1847 den babylonischen Teil der Inschrift ab). So wurde auch bei dieser Keilschriftgattung wie bei den beiden anderen das Werk der Entzifferung gleichzeitig, aber von einander unabhängig auf zwei Schauplägen vollbracht, einerseits von mehreren Gelehrten in Europa, und andererseits durch Rawlinson im Orient.

Um auch bei diesen Texten, wie bei den persischen, eine Vorstellung davon zu geben, wie es möglich war, in das Verständnis derselben einzudringen, möge hier der babylonisch geschriebene Teil der dreisprachigen Inschrift folgen, deren persischer Teil oben als Abbildung 2 wiedergegeben ist:

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Diesen Zeichen stand man noch, als man das Persische bereits in allem Wesentlichen richtig lesen und verstehen konnte, genau ebenso gegenüber, wie heute jeder Nichtkenner der Keilschrift. Nur wußte

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L. Messerschmidt: Entzifferung der Keilschrift.

AO. V, 2 man, eben nach dem Persischen, daß der Inhalt des Textes sein mußte: Xerxes, der große König, König der Könige, Darius', des Königs, Sohn, der Achämenide, Sobald man nun aber den Text näher zu prüfen begann, war es von vornherein wahrscheinlich, daß der Name „Xerres“, wie im Persischen, am Anfang der Inschrift zu suchen sein würde, und daß sich das viermal vorkommende Wort „König“ auch durch viermalige Wiederkehr derselben Zeichen in der babylonischen Schrift bemerkbar machen mußte. Das leßtere fiel nun auch sofort in die Augen: das Zeichen, welches am Ende der ersten Zeile steht, kehrt in der zweiten noch zweimal, und am Ende der dritten zum vierten Male wieder. Ein Zweifel an der Gleichsehung blieb um so weniger, als das Zeichen, genau wie die persische Gruppe, in der zweiten Zeile zweimal unmittelbar nacheinander gesezt war, dem Ausdruck „König der Könige" entsprechend. „König“ war also hier nur durch ein einziges Zeichen ausgedrückt, während es im Persischen mit sieben Buchstaben geschrieben war. * Weiter mußten nun die zwei Zeichen, welche auf das erste „König“ folgen, nach der persischen Übersehung „groß“ bedeuten, die ersten sechs Zeichen der ersten Zeile aber, wie vermutet, den Namen „Xerxes“ ausdrücken. Das erste dieser sechs Zeichen, ein senkrechter Keil, gehörte aber nicht zum Namen selbst. Denn schon 1837 hatte Grotefend, wie oben erwähnt, durch Vergleichung einer größeren Zahl von Inschriften gefunden, daß in der zweiten Gattung der Keilschrift, die manche Zeichen mit der dritten, um die es sich jetzt handelt, gemeinsam hat, ein solcher Keil vor jedem Eigennamen steht, um die danach folgende Zeichengruppe als einen solchen zu kennzeichnen. Ein derartiges Kennzeichen, das nicht ausgesprochen wird, sondern nur für das Auge zur Erleichterung des Verständnisses dasteht, und deren es mehrere gibt, pflegen wir „Determinativ“ zu nennen. Dasselbe Determinativ findet sich in unserer Inschrift am Anfang der dritten und der vierten Zeile. Die darauffolgenden Gruppen müssen also Eigennamen sein. Demnach muß sich der Übersehung entsprechend in der dritten Zeile der Name Darius“, und in der vierten der Name „Achämenide“ geschrieben finden. Das wird auch dadurch bestätigt, daß sich zwischen diesen beiden, dem Persischen entsprechend, das Zeichen für „König“ findet. Die einzige Gruppe, die noch nicht nachgewiesen ist, ist die für „Sohn". Im Persischen folgt sie nach „König“. In unserer Inschrift ist aber an der entsprechenden Stelle kein Zeichen zu finden, da auf „König“ sofort der Name „Achämenide“ folgt. Somit

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AD. V, 2 Möglicher Gang der Entzifferung des Babylonischen.

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mußte Sohn" hier dem Namen „Darius“ voranstehen. Und hier finden sich am Ende der zweiten Zeile tatsächlich noch zwei Zeichen, die bisher nicht gedeutet sind. Sind sie beide für das Wort „Sohn“ in Anspruch zu nehmen? In der Überseßung steht davor: „König der Könige", das Wort „König“ also hier an zweiter Stelle im Plural. Wir dürfen danach erwarten, daß der lettere Umstand irgendwie im Babylonischen zum Ausdruck kommt, umsomehr als das Wort hier nur durch ein einziges, immer gleiches Zeichen angedeutet ist, also ohne irgendwelche Hinzufügung nicht erkennbar wäre, ob der Singular oder der Plural gemeint ist. Somit muß es als sehr wahrscheinlich erscheinen, daß das vorlegte Zeichen der zweiten Zeile noch zu „König“ gehört — vielleicht als die Endung des Plurals o. ä. —, und daß demgemäß für „Sohn“ nur das eine, leßte Zeichen dieser Zeile übrig bleibt. Es wäre also das Wort „Sohn“ ebenso wie „König“ nur durch ein einziges Zeichen wiedergegeben.

Nunmehr können wir die ganze Inschrift in ihre einzelnen Worte und Wortgruppen zerlegen, aber noch kein Wort oder Zeichen aussprechen. Wie sprachen die Assyrer diese aus, was hieß bei ihnen „König“, „groß“, „Sohn"? Das konnte niemand von vornherein wissen, da alle Nachrichten darüber fehlen. Aber wir besizen dennoch ein Mittel, um zu erfahren, welche Werte die einzelnen Zeichen hatten. Wir haben ja in der ersten Zeile fünf Zeichen, aus denen der Name „Xerxes“ zusammengesezt ist, ebenso in der dritten sechs für den Namen „Darius", und in der vierten sieben für „Achämenide“. Wenn wir also den Versuch machen diese Namen richtig auf die entsprechenden Zeichen zu verteilen, muß es gelingen die Zeichenwerte zu gewinnen und durch ihre Anwendung auf einsprachige Inschriften deren Sinn zu enträtseln. Dabei würden sich aber nun für den Laien genau dieselben Schwierigkeiten auftürmen, wie für die ersten Entzifferer, die Botta in den S. 18 angeführten Worten so lebhaft bezeugt. Es fehlen ja alle Nachrichten über eine ganze Reihe unentbehrlicher Vorkenntnisse! Welche Sprache sprachen die Babylonier und Assyrer? Sprachen sie überhaupt beide die gleiche? Wie groß diese Schwierig= keit war, kann man daraus ersehen, daß Einzelne das Indogermanische, nämlich Sanskrit, ja sogar das Slavische und noch ferner liegende Sprachen heranzogen, wenn auch alle Einsichtigen gleich von Anfang an richtig auf eine semitische Sprache rieten. Weiter: wenn wir mit unseren aus den Inschriften der Perserkönige gewonnenen Zeichen an irgend einen in Ninive gefundenen Text heranträten,

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