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Der Alte Orient.

Gemeinverständliche Darstellungen

herausgegeben von der

Vorderasiatischen Gesellschaft.

5. Jahrgang, Heft 2.

Wegen der vielfach erweiterten Neudrucke empfiehlt es sich, stets nach Jahrgang, Heft, Auflage und Seitenzahl zu zitieren, also z. B.: AD. IV, 2o S. 15.

Allgemeine Vorbedingungen.

Die Entzifferung der Keilschrift bis zur vollen Lesbarkeit konnte bei der Schwierigkeit und Kompliziertheit dieses Schriftsystems nur das Ergebnis längere Zeit dauernder Bemühungen und des Zusammenarbeitens einer ganzen Anzahl Gelehrter sein. Schritt vor Schritt mußten erst eine Reihe von rein äußerlich wahrnehmbaren Eigentümlichkeiten der Schrift klargestellt werden, ehe man an den Versuch gehen konnte, die Lautwerte der Zeichen ausfindig zu machen. Wenn somit in der folgenden Darstellung eine ganze Reihe von Männern genannt werden müssen, die zur endlichen Erreichung des Zieles beigetragen haben, so gebührt doch das Hauptverdienst den wenigen, die zuerst die Werte von Zeichen erschlossen und damit ein wirkliches Lesen und Verstehen der rätselhaften Inschriften ermöglichten.

Jeder Versuch Inschriften mit gänzlich unbekannter Schrift zu entziffern, bei denen man gleichzeitig auch darüber im unklaren ist, in welcher Sprache sie abgefaßt sein mögen, wird von den Eigennamen ausgehen müssen, dem einzigen Bestandteil derselben, der ohne Kenntnis der Sprache verständlich ist. Soll aber dieser Weg gangbar sein, dann ist die notwendige Voraussezung dafür einmal, daß die Eigennamen sich durch irgendwelche Kennzeichen mitten aus den vielen unverständlichen Zeichen der Inschriften abheben, und sodann, daß wir von irgendwoher darüber belehrt werden, welche Namen eigentlich in den so gefundenen Zeichengruppen_enthalten sind. Am einfachsten und leichtesten wurde bei den schon geschehenen Entzifferungen diese Belehrung immer dann gewonnen, wenn zwei- oder dreisprachige Inschriften vorlagen, d. h. wenn neben der zu enträtselnden Inschrift genau derselbe Inhalt noch einmal in anderer Schrift und Sprache resp. noch zum drittenmal in einer dritten Schrift und Sprache überliefert, und eine von diesen eine bekannte war. Daß die noch unverständliche Inschrift genau denselben Inhalt haben müsse, wie die daneben stehende, verständliche, dafür gibt es stets gewisse Kennzeichen. Wenn z. B. in der einen dasselbe Wort mehrfach wiederkehrt, so pflegt in der andern, falls sie gleichlautend ist, auch eine bestimmte Zeichengruppe entsprechend sich öfter zu wiederholen. Wenn nun festgestellt ist, daß eine gewisse Zeichengruppe einen bestimmten Eigennamen wiedergibt, so gewinnt man daraus die Werte mehrerer Zeichen. Damit

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L. Messerschmidt: Entzifferung der Keilschrift. AD. V, 2 probiert man dann an anderen Stellen des Textes weiter und wird bald sehen, ob die so gewonnenen Worte Verwandtschaft mit einer bekannten Sprache zeigen, oder nicht. Im letteren Falle, der aber bei den ägyptischen Hieroglyphen und bei der Keilschrift glücklicherweise nicht zutraf, würden sich neue Schwierigkeiten erheben.

Bekanntlich wurden die ägyptischen Hieroglyphen mit Hilfe des gelegentlich der ägyptischen Expedition Napoleons 1799 bei Rosette gefundenen Steines entziffert. (Vgl. AO. VIII 2 S. 21). Dieser enthielt dreimal dieselbe Inschrift: in Hieroglyphen, in demotischer und in griechischer Schrift und Sprache. Den lezteren Teil konnte man natürlich ohne weiteres lesen und verstehen. Und nun suchte man unter der Vorausseßung, daß der hieroglyphische und der demotische Teil übersehungen desselben seien, zunächst in ihnen die Zeichengruppen heraus zu finden, die die nach dem Griechischen zu erwartenden Eigennamen, wie Ptolemäus u. a., bezeichnen mußten und sette dann diese Namen ein. Nicht so leicht war es den Keilschriftforschern gemacht. Zwar hat uns auch hier das Altertum dreisprachige, gleichlautende Inschriften überliefert. Da aber keiner der drei Teile in einer bekannten Schrift geschrieben war, so stand man lange Zeit ratlos vor diesen Denkmälern des Altertums. Wie es schließlich menschlichem Scharfsinn dennoch gelungen ist, den Schlüffel zu diesem Rätsel zu finden, soll im folgenden dargestellt werden.

Die Keilinschriften, die zuerst bekannt wurden, und an denen die ersten Entzifferungsversuche unternommen wurden, stammten von dem Boden des alten Perserreiches, hauptsächlich aus den Ruinen des alten Persepolis. Hier hatten an verschiedenen Punkten die Achämeniden-Könige ihre Inschriften in Keilschrift einmeißeln lassen und zwar zum größten Teil in drei verschiedenen Sprachen nebeneinander. Dabei steht stets der persische Text voran, dann folgt die Übersetzung desselben in neususischer Sprache, der Sprache der Provinz Susiana, und endlich die Übersehung in der Sprache Babyloniens, das ja ebenfalls einen Bestandteil des großen Perserreiches bildete. Alle drei Texte waren in Keilschrift geschrieben, aber jeder derselben in einem besonderen, von den anderen verschiedenen System dieser Schrift. Das einfachste, aus nur 39 Zeichen. bestehende war das des persischen Textes. Diese persische Keilschrift hat mit den beiden anderen Systemen nur das Grundelement, den Keil gemeinsam, während ihre je aus mehreren Keilen zusammengesetzten Zeichen völlig von denen jener abweichend sind. Sie wurde durch die persischen Könige geschaffen, wohl weil es Schwierig

AO. V, 2

Gewinnung des Inschriften-Materials.

feiten bot mit der babylonischen, den semitischen Sprachen ange= paßten Keilschrift das Indogermanische zu schreiben. Der in der Mitte stehende Tert war in einer zwar aus der altbabylonischen entwickelten, aber doch erheblich umgestalteten Keilschrift geschrieben, die im ganzen 111 Schriftzeichen aufwies. Während die persische Schrift mit ihren wenigen Zeichen fast eine reine Buchstabenschrift ist, ist diesè neususische Schrift eine syllabische, d. h. ihre Zeichen bedeuten in der Hauptsache je eine ganze Silbe. Die dritte Reihe der dreisprachigen Inschriften schließlich ist in der babylonischen Keilschrift abgefaßt, dem verwickeltsten der drei Schriftsysteme, das aus mehreren Hundert Zeichen besteht, die Silben und ganze Worte bedeuten.

Die ersten Nachrichten über die in den Ruinen der alten persischen Königsresidenz Persepolis gefundenen Keilinschriften kamen im Jahre 1621 durch einen Brief des berühmten Reisenden Pietró della Valle nach Europa. In diesem waren einige Schriftzeichen abgebildet und in den Bemerkungen dazu, unter genauer Begründung, die Erkenntnis ausgesprochen, daß diese Schrift nicht wie andere orientalische Schriften von rechts nach links, sondern viel= mehr von links nach rechts zu lesen sei. Während aber hier nur ein paar vereinzelte Zeichen mitgeteilt wurden, die somit nicht geeignet waren die Aufmerksamkeit besonders zu erregen, wurden im Verlauf der folgenden 150 Jahre durch andere Reisende mehrere vollständige dreisprachige Inschriften abgezeichnet und bekannt gemacht. Sogar eine viersprachige Inschrift auf einer AlabasterVase des Xerxes wurde 1762 durch den Grafen Caylus veröffentlicht. Auf dieser waren die Worte: Xerres, der große König' außer in den oben genannten drei Sprachen noch in ägyptischer Sprache in Hieroglyphen beigefügt, die man jedoch damals ebensowenig lesen konnte. Obwohl nun diese Veröffentlichungen naturgemäß das Interesse weiter Kreise erregten, waren die Zeichen doch noch zu ungenau wiedergegeben um ein Eindringen in das Verständnis der Schrift zu ermöglichen. Zuverlässigere Abschriften der schon bekannten sowie neuer Inschriften, die er 1765 in Persepolis an Ort und Stelle angefertigt hatte, gab erst 1788 Carsten Niebuhr heraus. Derselbe erkannte auch bereits, daß in den vorliegenden Texten drei ganz verschiedene Schriften oder Alphabete, wie er ganz allgemein sagte, zu unterscheiden seien, und daß die einfachste derselben im ganzen nur 42 Zeichen — so viele zählte er aufweise. Seine offensichtlich gewissenhafte Veröffentlichung der Inschriften gab nun erst den Gelehrten die Möglich

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L. Messerschmidt: Entzifferung der Keilschrift.

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feit und damit auch den Anstoß zu einem genaueren Studium der Terte als bisher.

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Die Früchte desselben sollten nicht lange auf sich warten. lassen. Im Jahre 1798 erkannte der Rostocker Orientalist Olav Gerhard Tychsen ganz richtig, daß in der einfachsten der drei Schriftarten, der persischen, ein schrägliegender, einzelner Keil, der immer nach einem Zwischenraum von mehreren Zeichen wiederkehrte, die Bestimmung haben müsse, die einzelnen Worte von einander zu trennen. Aber er erfaßte diese Erkenntnis noch nicht mit voller Klarheit. Denn er glaubte zahlreiche Ausnahmen von dieser Regel annehmen zu dürfen, indem er wiederholt die zwischen zwei solchen Keilen stehende Zeichengruppe in mehrere Worte auflöste, und dadurch die Bedeutung des Zeichens als eines Trenners von einzelnen Worten ziemlich hinfällig machte. Auch in seinen sonstigen Ausführungen herrschte noch große Willkür. Weiter verfehlte er die Antwort auf die wichtigste und zuerst zu lösende Frage nach den Urhebern jener Inschriften —, da er sie von den viel späteren Arfaziden-Königen herleiten zu sollen meinte. Ferner sagte er zwar richtig als Erster, daß die Inschriften dreisprachig seien, glaubte aber andererseits, daß alle drei Schriftarten ein und dasselbe Alphabet enthielten. Weit sicherere Ergebnisse ge= wann ein anderer Gelehrter, der dänische Akademiker Friedrich Münter. Zur selben Zeit wie Tychsen und ganz unabhängig von ihm deutete er ebenfalls den schrägen Keil als Worttrenner. In einer längeren Ausführung wies er ferner auf Grund der ge= schichtlichen Verhältnisse nach, daß die Inschriften von den Achämeniden-Königen herrühren müßten, und daß ihre Sprache der des Zendavesta, des heiligen Buches des alten Persien, nahe stehen werde. Bezüglich der Schrift betonte er mit Niebuhr, daß drei verschiedene Systeme vorlägen, deren erstes augenscheinlich_alphabetisch sei. Das zweite scheine syllabal zu sein, „daher auch die Anzahl der Zeichen auf einer Tafel verhältnismäßig geringer sei“, und das dritte sei wahrscheinlich eine Zeichenschrift für ganze Wörter. Alle drei seien aber höchst wahrscheinlich gleichen Inhaltes, da es in der alten Welt ziemlich gewöhnlich war, auf Monumenten den= selben oder einen ähnlichen Inhalt in mehreren Sprachen auszudrücken. Als weiteren Beweis führte er an, daß, so oft sich in der ersten Schrift ein Wort wiederhole, sich auch in den beiden anderen jedesmal die entsprechenden Zeichen wiederholten. Die erste Schriftgattung, als die einfachste, unterwarf er natürlich zuerst einem Ver

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