ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

AO. V, 2

De Longpérier. Hinds.

27

einsprachigen Denkmäler dieselbe war, was bisher nur eine Vermutung war, die die Versuche erst näher bestätigen sollten.

Eine Mischung aus vielem Richtigen und ebensoviel Falschem enthielten die Arbeiten, welche de Saulch 1849 veröffentlichte. Er machte hier zum ersten Mal den Versuch längere Texte, den babylonischen Teil der dreisprachigen Inschriften, in Buchstaben zu umschreiben, zu übersehen und näher zu erläutern, indem er sie Wort für Wort zergliederte. Aber seine Annahme, daß die Schrift alphabetisch sei, daß alle die zahlreichen Zeichen, deren Botta 642 gezählt hatte, mit wenigen Ausnahmen nichts als verschiedenartige Darstellungen von nur fünf Vokalen und sechszehn Konsonanten sein sollten, war völlig verfehlt. Dagegen wies er allerdings an einer Reihe von Wörtern wirklich überzeugend nach, daß die assyrisch-babylonische Sprache mit dem Chaldäischen, wie er es nannte, und dem Hebräischen eng verwandt war. Das Wesen der Schrift aber war bereits kurz vorher durch Hincks fast bis in alle Einzelheiten klar erkannt worden. In einer Abhandlung vom Juni 1849 (erschienen 1850) legte er über die Ergebnisse seiner Forschungen während der lezten zwei Jahre Rechenschaft ab. Einige Nachträge dazu vom Januar und Februar 1850 formulierten dieselben noch schärfer. Das wichtigste Erkenntnis war, daß es in dieser Schrift kein einziges Zeichen gibt, das nur einen einfachen Konsonanten bezeichnet, sondern daß die Zeichen vielmehr darstellen einen Konsonanten mit vorangehendem oder folgendem Vokal“. Wenn man also bisher immer geglaubt hatte z. B. sieben verschiedene Zeichen für r zu haben, so ergab sich jezt, daß dies in Wirklichkeit sieben Zeichen mit ganz verschiedenen Werten waren, nämlich ra, ri, ru, ar, ir, er, ur. Trat nun in einem mehrmals vorkommenden Eigennamen eins dieser Zeichen für das andere ein, so hatte das, wie jezt klar wurde, zugleich einen Wechsel des Vokals zur Folge. Bisher hatte man z. B. den Namen Cyrus troß des Zeichenwechsels stets K-r-sch gelesen. Nachdem aber nun die Erkenntnis gewonnen war, daß viele Zeichen je eine Silbe mit fest= stehendem Vokal bedeuteten, mußte man das eine Mal Ku-ru-usch (= Kurusch), das andere Mal Ku-ra-asch (= Kurasch) lesen. Dadurch gewann die Sprache der Inschriften mit einem Schlage ein ganz anderes, klar verständliches Aussehen, sodaß es Hincks bereits gelang einen Einblick in den Bau des Verbums zu bekommen, der in höchstes Erstaunen verseßt. Aber diese interessante Abhandlung bietet noch mehr solcher Erkenntnisse. Er weist z. B.

28

2. Messerschmidt: Entzifferung der Keilschrift.

AO. V, 2 nach, daß es auch für die anderen Konsonanten der r-Reihe ent= sprechende Reihen gibt: z. B. ba, bi, bu, ab, ib, ub usw. Er erkennt weiter, daß eine Anzahl Zeichen nicht nur einen Silbenwert haben, sondern daneben noch einen Ideogrammwert, d. h., daß sie zuweilen auch ein ganzes Wort bedeuten. So bedeutet das Zeichen mit dem Silbenwert at öfter auch „Vater“, das mit dem Wort a auch „Sohn“ usw. Wie ein solches Wort als Ideogramm zu lesen sei, sei oft mit Hilfe von Paralleltexten festzustellen, wo das Wort voll ausgeschrieben sei. Wo z. B. in einem Text das Zeichen für Haus“ zu lesen sei, stehe im andern bi-ti. Danach müsse das Zeichen als Ideogramm also „biti“ gelesen werden. Das Nebeneinander von Ideogramm- und Silbenwert in einem und demselben Zeichen sucht er durch die Annahme zu erklären, daß der lettere aus dem ersteren entstanden sei, indem man den Anfang des ersteren nahm. Diese nach Analogie der ägyptischen Hieroglyphen gegebene Deutung hat sich als nicht richtig erwiesen. Bei einigen Zeichen aber vermochte er die Tatsachen auf diesem Wege nicht zu erklären, weil die beiden Werte keinen Laut mit einander gemeinsam hatten. Für diesen Fall vermutete er, wie sich gezeigt hat, ganz richtig, die Entstehung des Silbenwertes aus einer fremden Sprache. Allerdings dachte er dabei an indogermanischen Ursprung. Da über diesen Punkt erst spätere Inschriften= funde einen anderen, richtigeren Aufschluß gaben, ist sein Irrtum erklärlich. Dagegen traf die folgende Behauptung wieder das Richtige: „Einige Zeichen bedeuten nicht nur für sich allein ganze Worte, sondern auch solche, aber anderen Inhaltes, wenn sie mit einem anderen Zeichen verbunden sind, indem diese Zusammensehung nur auf die Begriffe, nicht auf die Laute der Zeichen abzielt." Zwei Zeichen, die für sich „Haus“ und „groß“ bedeuten, und dann bîtu und rabû zu lesen sind, bedeuten, wenn sie zusammenstehen, nicht „großes Haus“, sondern „Palast“, und sind dann nicht bitrab zu lesen, sondern anders, wie das wußte er noch nicht (:ekallu!). Zwei andere Zeichen „Sohn“ und „Weib“, bedeuten, wenn sie zusammenstehen, Tochter". Auch hier war ihm die Lejung noch nicht bekannt, und doch hatte er die Tatsache völlig richtig erfaßt. Dasselbe gilt auch von den Determinativen wie „Gott, Mensch, Land, Stadt". Er sagt: diese „werden gebraucht als Determinativ-Präfire vor Worten, die lautlich vollständig sind ohne sic“. „Sie scheinen alle (ganze) Worte dargestellt zu haben, und viele von ihnen hatten auch noch Silben

AD. V, 2

Hincks Entzifferungs-Versuch.

29

werte." In der Zeichengruppe: Land-a-ra-bi-Arabien, ist „Land" nicht auszusprechen, da es als „Determinativ" nur andeuten soll, daß a-ra-bi ein Landesname ist. Ist aber anderswo das Wort „Land" selbst beabsichtigt (z. B.: der Fluß überschwemmt das Land), dann ist „matu“ auszusprechen. Daneben hat aber das Zeichen zuweilen noch einen Silbenwert. Ein weiteres Ergebnis seiner Untersuchungen war die Erkenntnis, daß die Schrift außer den Zeichen für Silben, die aus Konsonant + Vokal oder Vokal + Konsonant bestehen, auch solche für Silben nach dem Schema Konsonant + Vokal + Konsonant fennt, wie sur, kan. Darauf führte ihn die Beobachtung, daß in wiederkehrenden Worten das eine Mal ein einziges Zeichen an der Stelle stand, wo das andere Mal zwei Zeichen sich fanden z. B. ka-an. Danach mußte das erstere beide Werte in sich vereinigen, also den Wert „kan" haben. Mit den angeführten Ergebnissen hatte er die wichtigsten Eigentümlichkeiten dieser Schrift enträtselt bis auf eine, die man als „Polyphonie“ (Vielwertigkeit) bezeichnet. Viele Schriftzeichen haben nämlich neben ihrer Ideogrammbedeutung nicht allein noch einen einzelnen Silbenwert, sondern sogar deren mehrere. Indessen auch hier war der geniale Forscher bereits auf dem Wege zur Er= kenntnis der Wahrheit. Für ein Zeichen, das als Ideogramm „König“ bedeutet, erkannte er aus seiner Verwendung in den Inschriften ganz richtig die zwei Silbenwerte „man“ und „nisch“. Da die Erscheinung von ihm nur an diesem einen Zeichen beobachtet war, erschien sie ihm noch als eine Ausnahme. Auf dem einmal eingeschlagenen, richtigen Wege weiterschreitend hätte er aber sicherlich auch die letten Schwierigkeiten allein überwunden, wenn nicht gerade jezt ein ebenso glücklicher und scharfsinniger Forscher mit seinen Ergebnissen an die Öffentlichkeit getreten wäre, die teilweise schon etwas weiter gediehen waren, weil ihm ein umfang= reicheres Material zur Verfügung stand: Rawlinson.

Im Januar und Februar 1850 gab er die Resultate seiner Bemühungen der Öffentlichkeit kund und im folgenden Jahre veröffentlichte er endlich den babylonischen Originaltext der großen Behistan-Inschrift, den er schon seit langem mitzuteilen versprochen hatte. Dazu fügte er eine Übersehung und eine genaue Begründung derselben. In der erstgenannten Abhandlung gab er an, daß es ihm gelungen sei die Werte von etwa 150 Zeichen zu bestimmen. Dabei aber äußerte er sich dahin, daß dieselben zu einem Teil einfache Buchstaben seien. Dieser Ausspruch zeigt, daß er

30

2. Messerschmidt: Entzifferung der Keilschrift.

AD. V, 2 hier in der Erkenntnis des Richtigen von Hincks bereits überholt war. Dagegen hatte er schon deutlich erkannt, daß manche Zeichen mehrere Silbenwerte haben, und formulierte das 1851 dahin: „es kann über allen Zweifel hinaus nachgewiesen werden, daß ein sehr großer Teil der assyrischen Zeichen polyphon (mehrwertig) ist“. Die weiteren Ausführungen fallen mit Erkenntnissen von Hincks zusammen, nur ist bei diesem das Verständnis grammatischer Formen erheblich klarer. Rawlinson wiederum war imstande mit Hilfe der Behistan-Inschrift sowie der übrigen persischen Inschriften etwa 200 babylonische Wörter ihrer Bedeutung nach festzustellen und mit ihrer Benuhung noch weitere 300 in den einsprachigen assyrischen Denkmälern. Daher vermochte er eine längere assyrische Inschrift des Königs Salmanassar II (860—824) in größeren Teilen schon ziemlich getreu zu übersetzen. Seiner 1851 erschienenen Abhandlung konnte er ein Verzeichnis von 246 Zeichen mit ihren meist richtig bestimmten Werten beigeben.

So war in allem Wesentlichen, bis auf einen noch zu erwähnenden Punkt, die Grundlage für das Verständnis der babylonisch-assyrischen Inschriften geschaffen. Die weiteren Studien, an denen sich Rawlinson, Hincks, de Saulch, Oppert und neu in die Reihe eintretend, For Talbot, Joachim Ménant, Eberhard Schrader und nach ihm eine große Zahl deutscher Gelehrter beteiligten, betrafen die immer genauere Bestimmung der Zeichenwerte und vor allem der Grammatik. Daneben aber waren diese Gelehrten auch gezwungen vor der Mitwelt mehrfach Rechenschaft abzulegen über die völlige Zuverlässigkeit der Resultate der Entzifferung, da man an der Eigentümlichkeit des dabei gewonnenen Schriftsystems, besonders an der Polyphonie (Mehrwertigkeit) der Zeichen den größten Anstoß nahm und behauptete, eine solche Schrift sei undenkbar, weil sie der Willfür bei der Lesung und Übersetzung der Texte Tür und Tor öffne. Wie sei es möglich, daß zwei Gelehrte unabhängig von einander bei der Übersetzung einer Inschrift den mehrlautigen Zeichen stets an der gleichen Stelle den gleichen Wert beilegten und so den gleichen Sinn herausläsen? Ein Versuch zeigte es. Im März 1857, als Rawlinson, Hincks, Oppert und Talbot gleichzeitig in London waren, wurden ihnen auf Veranlassung des Lehteren vier lithographierte Abschriften einer langen, eben gefundenen, assyrischen Inschrift von der Asiatischen Gesellschaft überreicht, mit der Aufforderung zur Einsendung einer selbständig und unabhängig gefertigten Überseyung

AD. V, 2 Rawlinson u. a. Entzifferung der Eigennamen.

31

in versiegeltem Umschlag. Als man diese dann öffnete, ergab sich, daß die vier Überseßungen in der Hauptsache übereinstimmten. Damit war erwiesen, daß Regeln für die Lesung existierten, welche die Willkür ausschlossen, aber noch nicht, daß diese Regeln selbst richtig waren, und darum verstummte der Widerspruch auch jezt noch nicht. Das geschah erst, als Schrader in mehreren lichtvollen, klaren und erschöpfenden Abhandlungen gezeigt hatte, daß die Basis der Entzifferung eine völlig solide war und die Resultate derselben, so eigenartig sie vielfach erschienen, doch mit den Überlieferungen des Altertums in vollkommenem Einklange standen (1869 und 1872).

Damals hatte auch das lezte Rätsel seine Lösung gefunden, das noch 1852 und später den Gelehrten die größten Schwierigkeiten bereitete, die Lesung der Eigennamen. So sicher man auch bereits alle anderen Worte las und verstand, bei den Eigennamen konnte man absolut die Form nicht herauslesen, die nach historischen und anderen Gründen darin enthalten sein mußte. So wußte man zuverlässig, daß eine gewisse Gruppe den Namen Nebukadnezar enthielt; wenn man aber den Zeichen die bekannten Werte gab, bekam man den Namen An-ak-sa-du-sis, ähnlich statt Salmanassar: Dima-nu-bar u. s. f. Wie war das zu erklären? Das Rätsel löste sich erst, als die Ausgrabungen in Ninive eine große Zahl von Tontafeln ans Licht förderten, durch welche die Assyrer selbst den europäischen Gelehrten zu Hilfe kamen. Sie haben nämlich Listen hinterlassen, die zu besonderen Zwecken angefertigt waren, und in denen sowohl zu einfachen Zeichen wie zu Zeichengruppen die Silben- und Begriffs- (Ideogramm-) Werte zusammengestellt waren. Eine genaue Untersuchung und Vergleichung dieser Listen führte zu der Erkenntnis, daß die Lesung der Eigennamen deshalb mißglückt war, weil man sie syllabisch und nicht ideographisch gelesen hatte. Man hatte den einzelnen Zeichen die Silbenwerte gegeben, die sie auch sonst hatten, während man ihnen, da die babylonischafsyrischen Namen fast durchweg mit Ideogrammen geschrieben werden, hier ihre Ideogrammwerte hätte beilegen sollen. Vor Kenntnis jener Listen wäre das allerdings nur selten möglich gewesen, da man die meisten dieser letteren Werte noch nirgendwo angegeben fand. Nun aber wandelte sich die Gruppe An-ak-sa-du-sis sehr leicht in den gewünschten Namen um: den Zeichen an-ak sprach eine Liste den Ideogrammwert: ilu na-bi-um d. h.,,Gott Nabu" zu, eine Parallelstelle in den Inschriften zeigte, daß die Gruppe

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »