AD. V, 2 Erfte, tastende Versuche. 7 such der Entzifferung. Zunächst stellte er fest, welche Keilschriftzeichen am häufigsten vorfamen — in diesen glaubte er wegen der Häufigkeit Vokale sehen zu müssen -, dann, welche Vokale in der Zendsprache am häufigsten begegneten. begegneten. Darauf seşte er beide Resultate einander gleich. Eins dieser Zeichen, das er so als Vokal a bestimmte, war richtig gefunden. Durch weitere, anderes artige Versuche, die aber nicht als logisch haltbar gelten fönnen, bestimmte er das Zeichen für b richtig, also mehr durch Zufall. Sodann war er geneigt eine Gruppe, weil sie öfter, zuweilen sogar zweimal hintereinander wiederkehrte, mit „König“ und „König der Könige“ zu überseßen. Aber die Mängelhaftigkeit des ihm vorliegenden Hilfsmaterials über die persischen Sprachen führte ihn von diesem richtigen Wege wieder ab, und ließ ihn schließlich eine Religionsformel aus den Zeichen herauslesen. Sehr eigentümlich nimmt sich neben dieser soliden, schon viel Richtiges enthaltenden Untersuchung der Versuch aus, den in den Jahren 1800 und 1803 der Helmstädter Professor Lichtenstein veröffentlichte. Er sagte, nichts sei leichter als diese Inschriften zu lesen und zu verstehen, ganz besonders aber die komplizierteste Schriftart. Man brauche nur ein wenig die Zeichen zu betrachten, um zu bemerken, daß sie nichts anderes feien als altarabische oder kufische Buchstaben. Bei jedem Zeichen bilde ein Teil der Reile die eigentliche Form des Buchstabens, die übrigen Keile seien nach Willkür, ohne Regel hinzugefügt. Die Schrift sei von rechts nach links zu lesen, entgegen allen bisherigen Annahmen. Die Sprache sei aramäisch, und die Ausdrücke seien durchaus denen des Koran ähnlich. So las und überseßte er denn auch eine lange babylonische Inschrift ohne jedes Stocken, ohne irgend eine Lücke lassen zu müssen. Sie enthielt nach ihm eine Anrede des Priesters der Todesgottheit an in Trauer gekleidete Frauen, die am Gedenktage aller Seelen sich an den Gräbern ihrer gestorbenen Angehörigen versammelt hatten, um sich dort ihrem Schmerz hinzugeben. Er ermahne sie ihren Kummer zu mäßigen und sich bei den Göttern Trost zu suchen. In Wahrheit aber ist diese Inschrift eine juristische Urkunde über eine Landschenkung! Eine solche Willkür und Kritiflosigkeit, wie sie die angeführten Vorausseßungen dieser „Entzifferung“ zeigen, mußte notwendigerweise einen derartigen Mißgriff zur Folge haben. Übertroffen wurde dies nur noch durch die Art, wie er den besonnenen Zeitgenossen, die etwa seinen Versuch als falsch zu erweisen versuchen würden, unehrliche Beweggründe 8 L. Messerschmidt: Entzifferung der Meilichrift. AD. V, 2 unterschob, indem er schon vorweg als Grund ihrer Gegnerschaft Doch wenden wir uns dem Manne zu, der mit Scharfsinn 1 1) In äußerlichen Dingen! Er sagt darüber an anderer Stelle: Mein Freund „der mir die erste Veranlassung gab, auch die ersten 8–14 Tage, in welchen ich bemüht war, die ersten allgemeinen Säße über die feilichrift zu begründen, mir treulich beistand, die für einen einzelnen Menschen nur allzumühselige Arbeit mir sehr erleichtern half, und überhaupt mich mit der nötigen Literatur der Keilschrift gefälligst bekannt machte.“ AD. V, 2 Grotefends erfolgreiche Bemühungen. 9 zwei Worttrennern oft 10 Zeichen fand, Worte aber, die aus 10 Silben bestanden, nicht gut denkbar waren, so konnten diese Zeichen nicht Silben, sondern nur Buchstaben bedeuten. Diese Annahme wurde auch dadurch unterstüßt, daß die Schrift nur die beschränkte Zahl von etwa 40 Zeichen aufwies, mit denen eine Silbenschrift nicht auskommen würde. Ferner wies er nach, daß alle drei Schriftarten von links nach rechts zu lesen seien, und daß die Sprache der ersten Schrift wahrscheinlich die „Zend"Sprache sei. Zur eigentlichen Entzifferung nahm er dann die beiden kurzen unter Abbildung 1 und 2 wiedergegebenen Inschriften vor, die offenbar verwandten Inhalts waren. Da in den dreisprachigen Inschriften die in der einfachsten Schrift geschriebene immer voransteht, schloß er, daß diese als die wichtigste betrachtet wurde und daher in der Sprache des Herrscherhauses abgefaßt sein müsse. Als Beherrscher Persiens aber zu jener Zeit nahm er nach Münters Darlegungen die Achämeniden-Könige an. Ebenso übernahm er von Münter dessen Deutung einer öfter wieder 1) In diesen habe ich zur Erleichterung der Verständigung arabische Ziffern vor die einzelnen Worte geseßt. Man wird sehen, daß die Ziffern immer bei einem schrägliegenden Keil stehen, dem vor Grotefend schon erkannten „Wort teiler“. Die erste Inschrift besteht aus 14, die zweite aus 9 Worten. Die neususische und babylonische Übersegung ist hier nicht mit abgebildet. Von beiden Inschriften ist also oben nur der Teil wiedergegeben, der an erster Stelle stand und in persischer Seilschrift geschrieben war. 10 L. Messerschmidt: Entzifferung der Seilschrift. AD. V, 2 kehrenden Gruppe von sieben Zeichen als „König“ (vgl. Abb. 1 Nr. 2. 4. 5. 6; Abb. 2 Nr. 2. 4. 5. 7), ohne sich durch die von jenem dagegen geäußerten Bedenken abhalten zu lassen, weil er, wie er sagt, „durch Tychsen's Schrift auf die Vermutung gebracht war, daß in diesen Inschriften, welche sich über den Abbildungen von Persischen Königen finden, ihre Titulatur zu suchen sei“. Dazu kam aber noch, daß diese Gruppe so oft in den Inschriften sich wiederholte, daß sie ein Eigenname keinesfalls sein konnte, und daß an ihrer Stelle einige Male nur ein Zeichen, zweifellos eine Abkürzung, geschrieben war. Dagegen war das erste , unmittelbar vor dieser Gruppe stehende Wort der Inschriften jedesmal verschieden, offenbar also ein Eigenname. Indem er nun als Muster für die Titulatur die der Sassaniden, der späteren perfischen Königė, nahm, überseßte er die eine Inschrift (Abb. 2), in= dem er bloße Vermutungen mit Fragezeichen versah, folgendermaßen: N. N., der König, der große (?), der König der Könige, X, des Königs, Sohn, der Achämenide (?) Dabei beruhte die Überseßung: „X, des Königs, Sohn“, auf dem, was eine Vergleichung mit der anderen Inschrift (Abb. 1) ergab. Er sah nämlich, daß das erste Wort dieser, in ihrem Anfang ganz ebenso gebauten Inschrift, also ebenfalls ein Königsname, in Nr. 2 nach dem Titel „König der Könige“ wiederkehrte, wobei nur ein Zeichen noch eingeschoben war. Aus dieser kleinen Veränderung des Namens schloß er, daß das Wort hier in einem anderen Casus, und zwar dem nach der Formel des Titels zu erwartenden Genitiv („, des X Sohn“) geseßt fei, und daß demnach der König N. N. hier als der Sohn des Königs bezeichnet werde, der in Nr. 1 am Anfang genannt war. „Völlig überzeugt, fährt er fort, daß hier zwei Könige aus der Dynastie der Achäme= niden gesucht werden müßten .. fing ich an die Reihe der Könige durchzugehen, und zu untersuchen, welche Namen den Charakteren der Inschriften sich am leichtesten anschmiegten. Cyrus und Cambyses fonnten es nicht sein, weil die beiden Namen der Inschriften feinen gleichen Anfangsbuchstaben hatten; es konnte überhaupt weder ein Cyrus noch ein Artaxerxes sein, weil der erste Name im Verhältnis zu den Charakteren zu kurz, und der zweite zu lang war. Es blieben mir also nur die Namen des Darius (= X) und Xerxes (= N. N.) übrig, und sie fügten sich in die Charaktere so leicht, daß ich in die richtige Wahl derselben feinen Zweifel leßen konnte. Dazu kam, daß in der Inschrift des AD. V, 2 Grotefends Entzifferungs-Bersuch. 11 Sohnes (Abb. 2) dem Vater gleichfalls der Königstitel beigelegt war, aber nicht so in der Inschrift des Vaters (Abb. 1)." Zergliedert man nämlich die lektere, so ergibt sich folgender Inhalt: X, der König, der große (?), der König der Könige, der König des Y == Wort 8) Sohn (= Abb. 2 Nr. 8), der Achämenide (?) Die Titulatur des Königs ist also hier etwas umfassender. Das wichtigste ist aber, daß, wie die Wiederkehr desjenigen Wortes zeigt, das „Sohn“ beder ten muß, auch hier ein Vater und zwar der des Königs X genannt war, aber ohne daß ihm der Titel „König“ beigegeben war. War nun der König X= Darius, dann mußte Y = Darius, dann mußte Y = Hystaspes, dessen Vater, sein, der aber ist tatsächlich nicht König gewesen. So ergab, wie Grotefend mit Recht betont, auch der rein äußerliche Befund, daß seine Annahmen richtig waren. Nun kam es darauf an, um die Buchstabenwerte richtig zu bestimmen, nach Möglichfeit die ursprüngliche, altpersische Form der Namen Hystaspes, Darius, Xerres zu finden. Denn es war anzunehmen, daß diese uns durch die Griechen überlieferten Namensformen ungenau waren. Mehr Vertrauen dagegen durfte man den im alten Testament und in der „Zend"-Sprache fich findenden Formen der drei Königsnamen entgegenbringen. So wählte er denn diese und gelangte durch Einseßung derselben zur Feststellung der Werte von 13 Buchstaben, von denen nur 4 unrichtig bestimmt waren, weil er die altpersischen Namensformen nicht genau getroffen hatte. Von größtem Interesse aber war es für ihn zu erfahren, wie das Wort, in dem er „König“ vermutete, von den Verfassern der Inschriften ausgesprochen worden war, weil er daraus ersehen konnte, in welcher Sprache die Inschriften abgefaßt waren. Da nun glücklicherweise alle Buchstaben dieses Wortes bis auf einen in den drei Eigennamen vorkamen, so konnte er dieses jeßt lesen. Die Einseßung der Zeichenwerte ergab das Wort „khscheh ..“ und ein Lexikon der „Zend“sprache belehrte ihn, daß „khsche-i-o“ in dieser Sprache so viel als „König“ bedeutete. Damit hatte er die Gewißheit gewonnen, daß die Sprache der ersten Schriftart und damit der alten Perser das „Zend" gewesen sei. Daß indessen beide Sprachen nicht gleich, sondern nur miteinander verwandt sind, konnte er nicht sehen, weil das Studium der „Zend“sprache damals erst in seinen Anfängen stand. Der persische Titel „König“ heißt, richtig gelesen: khschajathija. Die beiden Inschriften lauten in Überseßung, wie sie jeßt fest= |