AO. VII, 3 Hymnus an Sin. Ein Bäumchen, das man in seine Wasserrinne 11 nicht gepflanzt, 5 ausgerissen sind . . . ein Bäumchen, dessen Wurzeln Als ein Festhymnus, dazu bestimmt, an einem Feste des Mondgottes Sin rezitiert zu werden, darf wohl auch der bekannte schöne Hymnus an diesen Gott gelten1: Herr, Herrscher unter den Göttern, der im Himmel und auf Erden allein erhaben ist! 5 Vater, Nannars, Herr, Gott Anschar, Herrscher unter den Göttern, Mutterleib, der alles gebiert, barmherziger, gnädiger Vater, in dessen Hand das Leben des ganzen Herr, deine Gottheit ist wie der ferne Himmel, der erschaffen das Land, Tempel gegründet, Vater, Erzeuger der Götter und Menschen, Landes gehalten wird. wie das weite Meer voller Ehrfurcht; sie mit Namen benannt hat. 15 der Wohnsize aufschlagen ließ, Opfer einsette; der zum Königtum beruft, das Szepter verleiht, Gewaltiger Anführer, dessen tiefes Inneres hurtiger, dessen Knie nicht ermatten, der das Schicksal auf ferne Tage hinaus bestimmt. kein Gott durchschaut; der eröffnet den Weg der Götter, seiner Brüder. Der vom Grund des Himmels bis zur Höhe des Himmels glänzend dahinwandelt, der da öffnet die Tür des Himmels, Licht schafft allen Menschen; 20 Vater, Erzeuger von allem, der auf die Lebewesen blickt, auf. Herr, der die Entscheidung für Himmel und Erde fällt, der da hält Feuer und Wasser, der leitet die Lebewesen, bedacht ist. dessen Befehl Niemand [abändert;] welcher Gott käme dir gleich? 3 Kultstadt des Sin in SüdBezeichnung für den werfen die Igig1 sich auf das Antlig nieder; küssen die Anunnak2 den Boden. läßt es dein, dein Wort, wenn es auf Erden erschallt, Dein, dein Wort, wenn es droben wie der Sturmwind dahinfährt, Speise und Trank gedeihen; dein, dein Wort, wenn es auf die Erde sich niederläßt, so entsteht das Grün. Dein, dein Wort macht Stall und Hürde fett, breitet aus die Lebewesen; 30 dein, dein Wort läßt Wahrheit und Gerechtigkeit entstehen, so daß die Menschen die Wahrheit sprechen. Dein, dein Wort gleicht den fernen Himmeln, der verborgenen Unterwelt, die Niemand durchschaut; hast du dein, dein Wort, wer verstände es, wer käme ihm gleich? Herr, im Himmel an Herrschertum, auf Erden an Herrschaft unter den Göttern, deinen Brüdern, keinen Rivalen; König der Könige, erhabener, gegen dessen Befehl Niemand ankommt, dem an Göttlichkeit kein Gott gleicht. 35 Wo dein Auge gnädig [hinblickt, da wird das Gebet3] erhört; wo du deinen Arm gnädig [ausstreckst, da ergreift er den Gefallenen 3.] Herr, führst du im Himmel und auf Erden hinaus. Deinen Tempel blicke gnädig an, deine [Stadt] blicke gnädig an; E-gisch-schir-gal blicke gnädig an! 40 Ur blicke gnädig an, Deine geliebte Gemahlin, [die Göttin Aja], die gnädige, „Herr, ruhe!" rufe fie dir zu; der Held, [Schamasch 4, dein geliebter Sohn,] „Herr, ruhe!" rufe er dir zu! Die Jgig, „Herr, ruhe!“ mögen sie dir zurufen; die Anunnak, „Herr, ruhe!" mögen sie dir zurufen! (folgen noch einige weitere Götteranrufungen) Die Götter Himmels [und der Erde „Herr, ruhe!" mögen sie dir zurufen!] An dieser Stelle möge auch das Fragment eines Hymnus auf den Gewittergott Adad (Ramman) Play finden, worin die verderbenbringende Macht dieses Gottes in gewaltigen Worten zum Ausdruck kommt": zittern die Himmel vor ihm; Der Herr, wenn er zürnt, vor seinem Brüllen, vor seinem Donnern steigen die Götter des Himmels zum Himmel hinauf, geht die Sonne in des Himmels Grund hinein, in des Himmels Höhe. AO. VII, 3 Gebete bei Opfern. Beschwörungshymnen. 13 Des weiteren kommen von kultischen Hymnen und Gebeten solche in Betracht, bei denen ausdrücklich vermerkt ist, daß sie als Begleitworte bei Opfern und sonstigen Kulthandlungen rezitiert werden sollen. So besigen wir z. B. eine Sammlung von Gebeten, die der Wahrsagepriester bei den einzelnen Akten seines Rituals zu verrichten hatte. Darin u. a. ein Gebet1 beim Darbringen einer jungen Gazelle 2: Schamasch, Herr des Gerichts, Adad, Herr der Wahrsagung! Ich bringe euch, ich weihe euch ein reines Gazellenjunges, den Sprößling einer Gazelle, dessen Augen grau sind, Es gebar es seine Mutter in der Steppe, die Steppe breitete ihren guten Schatten über es. Es zog es groß die Steppe wie sein Vater, das Feld wie seine Mutter. Als es Adad, der tapfere, erblickte, da läßt er von den Enden der Erde Regen regnen; als dann Grün emporschoß, da ist reichlich Überfluß, sprießt Samen, hingeschüttet für das Getier. Kräuter frißt es auf dem Felde, trinkt Wasser aus den reinen Quellen . . . Ich weihe es euch; Schamasch und Adad, tretet herzu! In meinem Flehen, meinem Händeerheben, in allem, was ich tue, der Anfrage, die ich weihe, sei Richtigkeit! Die Hauptmasse der uns bekannt gewordenen babylonischen Kulthymnen gehört jedoch, wie schon oben hervorgehoben, speziell dem Beschwörungskult an. Troz dieses für unser heutiges Empfinden weniger erfreulichen Zusammenhanges finden sich übrigens gerade unter diesen Beschwörungshymnen viele der schönsten der babylonischen Götterhymnen. Der Beschwörungspriester hatte im offiziellen babylonischen Kultus bei den verschiedensten Gelegenheiten zu fungieren, um die bösen Geister zu bannen und die Hilfe der guten Götter herbeizuzaubern. So bei allerlei wichtigen Akten des öffentlichen und privaten Lebens, bei denen das Eingreifen der heilbringenden Macht der Götter und das Fernhalten der schädigenden Macht der bösen Geister besonders erwünscht erschien, z. B. bei der Einweihung eines neuerbauten oder restaurierten Tempels, der Weihe eines neuverfertigten Götterbildes, beim Regierungsantritt eines Königs, bei Leichenfeiern und Totenkult und ähnlichen wichtigen Gelegenheiten, wie auch bei einem Notstand des gesamten Landes. Hauptsächlich aber war es die Aufgabe des Beschwörungspriesters, durch seine Formeln die Entfernung von bösem Zauber und Bann, der auf einem Menschen lastete, zu bewirken, sowie Krankheiten zu 1 Die poetische Form ist hier und in ähnlichen Texten zwar äußerlich auf den Originaltafeln durch die Schreibung nicht an die Hand gegeben, läßt sich aber doch bis zu einem gewissen Grade, namentlich hinsichtlich des sog. Parallelismus der Versglieder, erkennen. Zimmern, Ritualt. Nr. 100. 2 14 Beschwörungshymnen an Schamasch. AO. VII, 3 heilen, als deren Ursachen gleichfalls vielfach Verzauberung und Bannung durch böse Dämonen oder durch in ihrem Dienste stehende böse Menschen, Heren und Herenmeister, angenommen wurde. Ohne an dieser Stelle auf die hierbei verwendeten, uns in großer Anzahl vorliegenden, eigentlichen Beschwörungsformeln eingehen zu können, deren Vorführung vielmehr einer besonderen Darstellung innerhalb dieser Sammlung vorbehalten bleiben müßte, sei hingegen eine Anzahl von Götterhymnen, die zu Beschwörungszwecken verwendet wurden, im folgenden mitgeteilt. So wird zum Zwecke der Entzauberung vom Beschwörungspriester oder, unter dessen Leitung, von dem zu Entzaubernden selbst mit Vorliebe der Sonnengott Schamasch angerufen; der Anfang dieser Beschwörungshymnen an Schamasch enthält dann stets zunächst einen Lobpreis auf diesen Gott, der besonders gerne als der Richter alles Bösen gefeiert wird. ginnt z. B.1: Schamasch, König Himmels und der Erde, Einer dieser Texte be Ordner des das droben und des das drunten; den Gebundenen zu lösen, steht [in deiner Hand! Schamasch, den Toten lebendig zu machen, Unbestechlicher Richter, Ordner der Menschen, hoher Sproß des Herrn des glänzenden Aufgangs2. Gewaltiger, herrlicher Sohn, Licht der Länder, Schöpfer von allem im Himmel und auf Erden, (Es folgt die Bitte des zu Entzaubernden um Befreiung von dem auf ihm lastenden Bann.) Schamasch, bist ja du! Ein anderer derartiger Beschwörungshymnus an Schamasch lautet in seinem Anfang, der eine Schilderung des am Morgen aufgehenden Sonnengottes enthält: Schamasch, wenn aus dem großen Berge du herauskommst, aus dem großen Berge, dem Berg der Quellhöhlung, wenn aus Dul-azag 4, woselbst die Geschicke bestimmt werden, da, wo Himmel und Erde zusammenstoßen, du herauskommst; du herauskommst, aus des Himmels Grunde du herausfommst; dann treten die großen Götter zum Gericht vor dich hin, auf dein großes Licht Sin. sind ihre Augen dir zu gerichtet. 1 Craig, Rel. II, 3; Gray, Samas IV. 3 V R 50; Gray, Samas XV ff. 5 2 d. H. des Mondgottes 4 Name einer kos mischen Örtlichkeit, eines heiligen Gemaches, im Innern des im Vorhergehenden genannten Weltberges. Schamasch, ein hoher Entscheider (?), der Richter von Himmel und Erde bist du! (Es folgt die Bitte des Beschwörungspriesters um Befreiung des Königs von einem auf diesem lastenden Bann.) Wieder ein anderer, von dem bis jezt überhaupt nur dieser Hymnische Eingang als Fragment vorliegt 1: Herr, Erleuchter des Dunkels, Öffner des [finstern?] Antlißes; barmherziger Gott, der du den Gebeugten aufrichtest, den Schwachen schüßest! Auf dein Licht harren die großen Götter, die Anunnak insgesamt schauen auf dein Antlig. Die Zungen übereinstimmend, Du ja bist das Licht der weiten Erde wie ein einziges Wesen, stellst du her, 5 blicken sie nach der Sonne Licht, (herrscht) Freude und Jauchzen. der Säume des fernsten Himmels, Panier bist ja du; es blicken auf dich mit Freuden die zahlreichen Menschen 10 Hier sei auch gleich noch ein schönes Gebet an den Sonnengott Schamasch angefügt, das an diesen bei Sonnenuntergang vom Beschwörungspriester bei Beendigung seiner kultischen Vornahmen gerichtet werden sollte 2: Schamasch, wenn in des Himmels Inneres Mögen die glänzenden Riegel des Himmels mögen die Türflügel des Himmels " du eintrittst: dich segnen! Gruß dir zurufen; laß deine Hoheit strahlen! 5 freudig dir darbringen, Möge Gerechtigkeit“, dein geliebter Bote, dich rechtleiten; über E-barra, deine Herrscherwohnstätte, Möge Aja, deine geliebte Gemahlin, |