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Die Kosmologie erklärt den Kreislauf aller Dinge.

AO. VIII, 1

der der Entsprechung der Erscheinungen. Es ist alles Kreislauf, wie ein Kreis ein Abbild des andern, so ist auch jeder größere Vorgang im Weltall ein Abbild von vielen Parallelerscheinungen. Sonne, Mond und die Planeten vollziehen jedes seinen Kreislauf, in dessen Beschreibung sie die gleichen Punkte des Himmels berühren, und die „Präzession“ der Tagesgleichenpunkte wie das Wandern der Schnittpunkte von Mond- und Sonnenlaufbahn, (Drachenkopf und Drachenschwanz) sind ebensolche Kreisläufe, welche Zyklen oder Epochen, Äonen" bilden.

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Die Planeten sind die „Dolmetscher" des göttlichen Waltens, diejenigen, welche die Beschlüsse der Götter über das, was auf Erden und im ganzen Weltall geschehen soll, verkünden, anzeigen1. Das tun sie durch ihre Bewegung, durch die Stellung, welche sie dabei zu den einzelnen Zeichen des Tierkreises und zu einander einnehmen. Wie die Vokale innerhalb der Konsonanten eines Alphabets durch verschiedene Zusammenstellung die Worte und damit die Rede ergeben, so auch die Planeten. Die alles umfassende Symbolik orientalischer Weltanschauung hat denn auch ihre wissenschaftliche Sprachlehre, wie schon die Namen der Buchstaben des Alphabets und ihre Anwendung zeigen, auf diese, all ihrem Denken gemeinsame Grundlage gestellt. So spiegelt dieser Kreislauf alles wieder, was im Weltall geschieht. Er gibt Auskunft über die Geburt und das Schicksal jedes Lebewesens, über den Ausgang aller Untersuchungen, vom Großen bis zum Kleinen, er führt aber auch zur Berechnung der großen und größten Ereignisse des Weltenraumes. Da jeder Kreis ein Abbild des andern ist und alles sich im Kreise bewegt und entwickelt, so wird von den unmittelbar beobachtbaren Kreisläufen auf die größeren geschlossen und werden Berechnungen darüber angestellt. Denn das Entstehen und Vergehen der Lebewesen, wie das Sichtbarwerden und Verschwinden der Gestirne zeigen, daß nichts ewig ist, daß dasselbe von unsrer Erde gilt, die, weil geworden, auch vergehen muß, und daß einen Ursprung und ein Ende auch das große Weltall haben muß, in welchem unsre Erde besteht. Die Betrachtungen darüber und die Erklärungsversuche dieser himmlischen Erscheinungswelt nennt man Kosmologie. Wie die Erde, näherer und fernerer Sternhimmel und Weltenraum

1) A. III, 2/3 6. 27.

2) Die babylonische Sprachwissenschaft kennt 12 Grundlaute, welche den 12 Tierkreiszeichen entsprechen, das Buchstabenalphabet (das fälschlich sogenannte phönizische) zeigt eine den Mondstationen entsprechende Anordnung.

AO. VIII, 1 Der Mythus ist die populäre Darstellung der Kosmologie. 5

die gleichen Erscheinungen des Kreislaufs zeigen, so werden auch ihre Schicksale in der Gestalt des in seinen Grundzügen immer wieder gleichen Mythus dem Verständnis des einfachen Vorstellungsvermögens näher gebracht. Mythus und Kosmologie gehen ineinander über wie der nähere und weitere Raum des Alls, sie sind konzentrische Kreise. Nur daß, was der Mythus im engeren Sinne darstellt, unmittelbar Geschautes, aus den Sternen Abge= lesenes ist. Während der Mythus in diesem engeren Sinne die poetische Darstellung der Gestirnbeobachtung, der Astronomie mit ihrer praktischen, astrologischen Nuganwendung ist, stellt die Kosmologie das dar, was wir als eine wissenschaftliche Hypothese bezeichnen würden.

Die wandelnden Gestirne nehmen denselben Lauf durch den Tierkreis, ihre Erscheinungen und Wirkungen werden daher als gleichartig oder sich entsprechend angesehen. Nicht der Stern an sich, sondern die Stellung am Himmel d. h. am Tierkreise verleiht ihm seine Kraft, seine göttliche, kosmische Wirksamkeit. Es kommt für die Wirksamkeit von Sonne (Winter, Sommer, Nacht, Tag) und Mond (unsichtbar und Vollmond) darauf an, wo und wie sie stehen, und ebenso ist die Kraft und Wirksamkeit der übrigen Planeten durch ihre Stellung d. h. den jeweiligen Punkt ihres Kreislaufs bedingt1. Jeder kommt so in die gleichen Stellungen und Phasen d. h. er übt gegebenenfalls die gleiche Kraft aus, spielt dieselbe Rolle. Deshalb wird auch von jedem in den Grundzügen derselbe Mythus erzählt. Nur eine feste Grundstellung verteilt den Himmelsfreis und weist jedem seine ihm eigentümliche Stellung an, welche gewissermaßen den Ausgangspunkt oder das Gleichgewicht, die Ruhe des Alls, darstellt.

Zwei Gestirne drängen sich jeder Beobachtung auf, indem ihre Beziehungen zu allem, was das Menschenleben beeinflußt, auch ohne besonderes Nachforschen dem Bewußtsein klar werden: Mond und Sonne. Der bloße Wechsel von Tag und Nacht und der Jahreszeiten zwingt mit seiner Regelung der Erzeugung und Beschaffung der gewöhnlichsten Lebensbedürfnisse auch den aller wissenschaftlichen Beobachtung noch fernstehenden Menschen zur Beachtung des Sonnenlaufs und lehrt ihm die regelmäßige Wiederkehr der Erscheinungen. Weniger aufdringlich ist die Bedeutung des Mondes, dafür ist er aber leichter zu beobachten. Im heißeren Klima wird er auch leichter 2) ebenda S. 34.

1) AD. II, 2/32 G. 11.

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Sonne und Mond in Kalender und Mythologie. AO. VIII, 1

als bei uns zum Lichtspender, bei dessen Scheine manches getan wird, was der heiße Sonnenbrand zur Qual macht, und es ist anzunehmen, daß beim Naturmenschen ursprünglich seine Beeinflussung des physischen Lebens noch größer gewesen ist als beim modernen Kulturmenschen, der sie gleichwohl noch empfindet1. Mond und Sonne sind es daher, von welchen alle Gestirnbeobachtung zunächst ausgeht und auf die sie vor allem zurückweist, soweit es sich um unmittelbar praktische Zwecke handelt. Der Ausgleich des Umlaufs der beiden ist das Jahr, dessen Festlegung für die Regelung aller Beschaffung der Nahrungsmittel von Bedeutung ist; die Bestimmung des Jahres, der Kalender, ist der praktische Zweck der Gestirnbeobachtung, ohne welche auch ein einfaches Gesellschaftsleben nicht möglich ist. Denn dazu gehört Zeitrechnung und diese sezt die Bestimmung des Laufes der beiden Hauptgestirne voraus.

Der Kreislauf der beiden ist deshalb die Grundlage aller Himmelsbeobachtung und soweit diese zu einer wissenschaftlichen Systematisierung und deren volkstümlicher Darstellung im Gewande des Mythus führt, spielen beide die erste Rolle. Überall stehen Mond und Sonne im Vordergrunde der mythischen Darstellungen, und auf die Erscheinungen der beiden werden auch die der andern Himmelskörper zurückgeführt, nach ihnen erklärt, nach den Geseßen aufgefaßt und beurteilt, welche aus dem Umlaufe der beiden und ihrem gegenseitigen Verhältnisse abgeleitet sind. Soweit nicht Einzelheiten der übrigen Gestirne der Planeten wie der Firsterne in Betracht kommen, kann man im allgemeinen sagen, daß die wichtigsten und grundlegenden Gedanken des Mythus in ihrer unendlichen Verschiedenheit der Einkleidung doch immer wieder den einen Gedanken des Verhältnisses der beiden zueinander zur Darstellung bringen. Sie sind die beiden großen" Gestirne des biblischen Schöpfungsberichtes, und in dieser Rolle begegnen sie überall und drängen sich als solche jeder Beobachtung auf. Die babylonische Weltanschauung hat neben sie als drittes noch die Venus gestellt und diese begegnet darum in einer gleichen Rolle und Bedeutung ebenfalls in den meisten Mythologien und Kalendern. Der Grund dafür steht noch nicht fest und man kann, wo der Mythus nicht unmittelbar Bezug darauf nimmt, sie beiseite lassen, wenn man sich die Grundgedanken der Mythologie klar machen will. Auch bei ihr kommt es auf denselben Gedanken hin1) vgl. A. IV, 2o C. 30. 2) A. III, 2/32 . 21. 27. 40.61. Zur Betonung der Venus bei den Mexikanern: ebenda S. 4. 20.

AD. VIII, 1 Ausgleich von Sonnen- und Mondumlauf. `

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aus, daß sie einen Lauf und damit Schicksale hat, welche mit denen der beiden andern übereinstimmen, ihnen entsprechen". Ob sie aber wie bei einer Teilung von 3 großen" + 4 Planeten oder von 2 „großen“ + 5 Planeten1 in die eine oder andre Gruppe gestellt wird, ist für diesen Zweck unerheblich.

Die Erscheinungen, welche Mond und Sonne bei ihrem Umlaufe zeigen, sind in der Hauptsache, wenn wir, wie auch unsre eigene Zeitrechnung tut, die Stellung der Wintersonnenwende d. h. den Jahresanfang beim tiefsten Standpunkt der Sonne, voraussehen, die folgenden: Mond und Sonne treffen zusammen d. h. der Mond ist unsichtbar an der am tiefsten d. h. am weitesten südlich gelegenen Stelle desjenigen Himmelsstreifens, den beide in ihrem Umlaufe bestreichen. Der Mond läuft schneller als die Sonne, er überholt sie in jedem Tage um etwa 13 Grad. Er wird als (zunehmende) Sichel sichtbar, nachdem er sich wieder genügend von ihr entfernt hat, so daß sein Licht nicht mehr durch das der Sonne verschlungen wird (denn je näher er an ihr steht, um so mehr ist er nur am Tage über dem Horizont, also ebenso wie die am Tage über uns stehenden Sterne, unsichtbar). Er entfernt sich immer mehr und sein Licht nimmt zu bis er ihr gegenübersteht: das ist die Hälfte seines Umlaufs und er ist dann voll; er steht dann in Opposition zur Sonne, zur Zeit der Wintersonnenwende, also an dem entgegengesezten Punkte des Kreislaufs, dort wo die Sonne zur Zeit der Sommersonnenwende steht, am nördlichsten oder höchsten. Von nun an nähert er sich wieder der Sonne und nimmt ab, bis er wieder unsichtbar wird d. h. in ihr verschwindet. Er hat damit seinen Lauf einmal vollendet.

Das wiederholt sich zwölfmal im Jahr d. h. zwölfmal ehe die Sonne ihren Lauf einmal vollendet. Der Weg der beiden Zeiger der Uhr in ihrer verschiedenen Geschwindigkeit gewährt dasselbe Bild, nur daß nicht, wie in diesem Falle, die Umläufe sich völlig decken, sondern daß ein Unterschied von ungefähr 11-12 Tagen bleibt. Dieser gleicht sich in größeren Zeiträumen d. h. in mehreren Jahren aus, und es ist Aufgabe der verschiedenen Kalenderabrechnungen, sich für eine oder die andre Art des Ausgleichs d. h. der Herstellung der Harmonie zwischen den beiden Umlaufszeiten zu entscheiden. Jahresrechnung heißt also in der Hauptsache Ausgleich von Mond- und Sonnenumlauf.

1) ebenda S. 22. 38.

8 Sonneu.Mond an den Wendepunkten. Vollmond u. Schwarzmond. AO. VIII, 1

Die Sonne ist während des einmaligen Umlaufs des Mondes (Monat) nicht stehen geblieben, sondern hat ihren Weg mit ungefähr 1/12 der Mondgeschwindigkeit fortgesetzt. Wenn der Mond sie wieder einholt, also wieder in ihr verschwindet, um zum zweiten Male seinen Lauf zu vollführen, so ist sie also um 1/12 ihrer Laufbahn weitergerückt. Das Zusammentreffen findet also an einer etwas höher, mehr nach dem Norden zu gelegenen Stelle des Himmels statt.

Wenn sich das zum sechsten Male wiederholt, so steht die Sonne auf dem höchsten Punkt ihrer Laufbahn, also am nördlichsten; der Mond bei ihrem Zusammentreffen also ebenda, als Vollmond ihr gegenüber d. h. dort, wo sie bei der Wintersonnenwende stand, also am südlichsten oder tiefsten, wie sie jetzt dort steht, wo der Vollmond damals stand.

Das ist die Sommersonnenwende. Von nun an wiederholt sich dasselbe Schauspiel, nur daß die Sonne dabei wieder tiefer am Himmel herabsteigt, wieder sechsmal bis zur Wintersonnenwende.

Der Mond hat dabei zwölfmal dieselben Erscheinungen gezeigt: er ist aus dem ihn unsichtbar machenden Lichte der Sonne herausgetreten, hat zugenommen bis zu seiner vollen Beleuchtung und dann wieder abgenommen. Die Erscheinung ist so, als ob ein schwarzer Schatten oder eine schwarze Scheibe sich vor die helle des Mondes schiebt oder sich von ihr entfernt. Dieser Vorgang fällt zusammen mit der Entfernung oder Annäherung an die Sonne; je näher an dieser, um so mehr ist er verfinstert. Wenn man eine allgemeine symbolische Einkleidung für den Vorgang wählt, so kann also entweder in naiver Anschauung davon gesprochen werden, daß zwei Monde, ein heller und ein schwarzer, sich aneinander vorbeischieben. Dann entsteht der Mythus vom bösen oder schwarzen Bruder, der den roten oder lichten tötet. Eine astronomisch schon etwas klarer blickende Anschauung weiß aber, daß das Licht wie die Verdunkelung von der Sonne ausgeht. Allgemeiner, „wissenschaftlicher" gesprochen, ist dann der schwarze Bruder dieselbe göttliche Macht oder Kraft, welche auch in der Sonne wirkt, d. h. der Schwarzmond ist die Sonne, oder die Sonne ist der böse Bruder, welcher den lichten Mond tötet.

Diese Auffassung löst die Vorstellung schon von dem rein körperlich Geschauten ab und faßt den Vorgang in einem vergeistigten Zusammenhange, indem sie das Spiel von göttlichen Ge

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