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Der Alte Orient.

Gemeinverständliche Darstellungen

herausgegeben von der

Corderafiatischen Gesellschaft.

6. Jahrgang, Heft 3.

Wegen der vielfach erweiterten Neudrucke empfiehlt es sich, fortab nach
Jahrgang, Heft und Seitenzahl zu zitieren und eine zweite oder weitere Auf-
lage mit hochstehender Ziffer anzudeuten, also z. B.: AO. IV, 22 S. .
Alter Orient, 4. Jahrg., 2. Heft, 2. Aufl. Seite

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Am 20. Ab des Jahres 705 bestieg Senacherib (Sanherib1) als Nachfolger Sargons II. den Thron der Könige von Assyrien.

Nie, weder vorher noch nachher, ist einem assyrischen Könige eine ähnliche Machtfülle beim Regierungsantritt in den Schoß ge= fallen. Unter Sargon war dem assyrischen Reiche eine Periode höchsten Glanzes, ungeheurer Machtstellung erblüht. Am Ende seiner Regierung war Sargon unbestrittener Herr in Babylonien; im Westen hatten die assyrischen Waffen auf der ganzen Linie Ruhe geschaffen: von Gurgum bis Gaza waren die Aufständischen oder Widerstrebenden bezwungen, ihre Gebiete der assyrischen Verwaltung unterstellt worden; der Norden war pazifiziert: von Chilakku und Kue bis zum Wansee war die Anerkennung der assyrischen Herrschaft gesichert; vom Süden schickte der König von Dilmun Tribut und auch die Scheichs bis tief ins Innere Arabiens hinein hatten sich der Übermacht des assyrischen Eroberers gebeugt Assyrien ist kaum jemals imponierender dagestanden. Freilich, die unendlich vielartigen Glieder an diesem Riesenleibe organisch miteinander zu verbinden, war es damals schon nicht mehr imstande. Jeder Wechsel auf dem Thron hatte das Reich in seinen Grundfesten erschüttert, war ein Signal zur Auflehnung für die Unterworfenen in allen seinen Teilen. Der neue König fand kaum Zeit, sich ausrufen zu laffen, von einer Seite des Reiches an die andere rief ihn die Notwendigkeit, den Bestand seines Erbes zu sichern und zu erhalten.

Entscheidend für die politische Entwicklung war in jedem Falle die Stellung des neuen Königs zu Babylonien. Babylonien hat bis auf Alexander den Großen nie aufgehört das Orakel zu sein für die Lösung aller Weltmachtsfragen im alten Vorderasien.

Für die Begründung einzelner vom Herkömmlichen abweichenden Aufstellungen verweise ich auf eine von mir vorbereitete wissenschaftliche Ausgabe der Inschriften Senacheribs.

1) Für den Titel ist aus praktischen Gründen die bisher verbreitetere Schreibweise beibehalten worden.

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Einleitung.

AO. VI, 3 Praktische Politik im Dienst der eigenen Größe, zielbewußt expansiv, hatte Babylonien zur Zeit der Sargoniden längst aufgehört sich zu betätigen. Mit dem faktischen Anspruch auf „Weltherrschaft" war es für Babylonien vorbei seit der Eroberung durch die Kassiten, wenn es sich auch hin und wieder zu Episoden größerer Machtentfaltung emporgeschwungen hat. Die Größe Babels beruhte seit dem Verfall seiner äußeren Machtmittel in seiner Tradition als Hüterin der von der Gottheit rührenden höchsten irdischen Gewalt. Niemand konnte hoffen, legitimer Herr der Welt zu werden, ohne daß er aus den Händen Marduk-Bels die Herrschaft entgegen= genommen hätte. Wie das päpstliche Rom den Anspruch, den Herrn der Welt zu bestätigen, nie aufgegeben hat, auch als längst kein imperium Romanum mehr existierte, so hat auch Babel es sich nie nehmen lassen, die Weltherrschaft, die nach unwandelbarem göttlichem Gesetz ihm zukam, dem zu übertragen, der sich ihm gefügig zeigte, und sie dem moralisch abzuerkennen, der sich damit be= gnügte, die Herrschaft nach dem Recht des Stärkeren faktisch auszuüben.

Die Selbständigkeit des babylonischen Königtums mußte unter allen Umständen, wenn auch nur in der Fiktion, respektiert werden. Tiglat Pileser III., Salmanassar IV., Assurbanipal ließen es sich nicht nehmen, die babylonische Königswürde selber zu bekleiden. Das war eine Politik, die die Selbständigkeit Babyloniens auch nicht scheinbar gelten lassen wollte. Die Hierarchie fand den Ausweg, diese Herrscher unter besonderen Namen in der Liste der Könige von Babel zu führen, die Chronik erkennt ihnen nur den Titel „König von Sumer-Akkad“ zu. Die der Hierarchie freundlich gesinnten Assyrer Sargon und Assarhaddon begnügten sich mit dem Titel eines „Statthalters" in Babylonien, was zur Folge hatte, daß die Hierarchie keinen Anstoß daran nahm, sie ihrerseits als legitime Könige von Babel anzuerkennen. Senacherib gar, der erbittertste Feind der babylonischen Prärogative, wurde für die Zeit, wo er selber die Herrschaft in Babylonien ausübte, in der Liste vollständig ignoriert, seine Jahre werden als „königslose" be= zeichnet.

Babylon begnügte sich freilich nicht mit dieser an sich ziemlich belanglosen Demonstration, es hat vielmehr allen, die seine Tradition nicht anerkennen wollten, durch Intriguen das Leben sauer gemacht und mit allen konspiriert, die aus einer Schwächung des Assyrerkönigs Nußen ziehen konnten. Es rief die Elamiter ins

AD. VI, 3

Verhältnis zu Sargon.

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Land, und an allen Aufständen hat es irgend welchen Anteil gehabt.

Senacherib war von allen assyrischen Königen der erbittertste Feind der Hierarchie, er ist auch vor dem radikalsten Bruch nicht zurückgeschreckt. Durch die Zerstörung Babels hoffte er für alle Zeiten das moralische Übergewicht der Tradition zu vernichten, den ewigen Störenfried vollständig auszuschalten. Aber nur für die Dauer seiner Regierung ist es ihm gelungen und schließlich hat er diese Bestrebungen mit dem Leben bezahlen müssen.

Neben dem Kampf gegen Babylonien ist es vor allem der Zug gegen Jerusalem, der der Persönlichkeit Senacheribs von jeher mehr als der irgend eines anderen assyrischen Königs das Interesse weitester Kreise gesichert hat. Die Urkunden, die vor der Wiedererweckung der keilinschriftlichen Zeugnisse, Nachrichten von dem Zweistromland vermittelte, die Bibel und die späteren griechischen Autoren, haben daher gerade von diesem Könige weit mehr überliefert als von anderen, die ihn an persönlicher Bedeutung weit überragen. Von diesem Zug hat Senacherib bei Lebzeiten nur Unehre gehabt, es war ein mißglücktes Unternehmen, für ihn nicht bedeutender als die zahlreichen Episoden seiner anderen Feldzüge. Aber das Interesse für die Geschichte Israels hat die Kunde von diesem Unternehmen in die weitesten Kreise getragen und damit dem Namen Senacheribs eine Popularität verschafft, wie sie außerdem nur noch Nebukadnezar zu teil geworden ist.

Senacherib war der Nachfolger Sargons. Daß er auch sein Sohn gewesen ist, wissen wir zwar mit voller Sicherheit aus späteren Quellen, er selbst aber verschweigt seine persönlichen Beziehungen zu seinem Vorgänger, von einer Ausnahme abgesehen, wo er von seinem Vater spricht, ohne ihn beim Namen zu nennen, mit einer auffallenden Grundsäglichkeit. Die assyrischen Könige legen ebenso wie die babylonischen einen besonderen Wert darauf, immer wieder zu betonen, daß ihre Herrschaft legitim ist, daß sie schon durch ihr Verhältnis zu ihren Vorgängern zur Herrschaft „berufen" sind. Senacherib vermeidet jede derartige Motivierung ebenso wie Sargon. Von diesem freilich wissen wir, daß er ein Usurpator gewesen, der sich ohne gesetzlichen Anspruch des Thrones bemächtigt hat. Dieser Grund fällt bei Senacherib weg. Man hat vermutet, daß er bei der Ermordung Sargons die Hand mit in Spiele hatte, das läßt sich aber nicht beweisen. Eine ausreichende

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Feldzug gegen Merodachbaladan.

AO. VI, 3 Erklärung liegt vielleicht in der bewußten Gegensäglichkeit zu den von Sargon beobachteten Grundsägen, mit der er seine Regierung führte, er mag die Absicht gehabt haben, durch die völlige Ignorierung seiner Vorgänger auch äußerlich zu dokumentieren, daß mit seinem Regierungsantritt eine neue Ära anheben sollte, ein Königtum, das auf die Legitimierung durch die babylonische Hierarchie grundsäglich verzichtet und sich ausschließlich unter den Schuß Assurs stellt.

Noch zu Lebzeiten Sargons stand Senacherib mitten im politischen Leben als Statthalter von Amid, wo er die Aufgabe hatte, die allzeit unruhigen Bergvölker Armeniens, die Urartu, in Schach zu halten und als er dann nach Sargons gewaltsamem Tode zur Herrschaft berufen war, führten ihn die äußeren Ereignisse seines Lebens von Schlachtfeld zu Schlachtfeld; seine Geschichte ist mit Blut geschrieben.

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Senacherib wurde beim Antritt seiner Regierung König sowohl in Assyrien als auch in Babylonien. Berosus will wissen, daß er in der ersten Zeit die Regierung in Babel seinem Bruder übertrug; diese Nachricht läßt sich nicht kontrollieren. Die bald eintretenden Verwirrungen in Babylonien scheinen ihm aber Recht zu geben. Er selbst schweigt sich über die beiden ersten Jahre seiner Regierung vollständig aus. Wir wissen aber aus anderen Quellen, daß diese Zeit keineswegs geschichtlos" gewesen ist. Die babylonische Chronik, die leider an den einschlägigen Stellen nur unvollständig erhalten ist, scheint ausführlich von Kämpfen zu erzählen, die die erste Regierungszeit Senacheribs in Babylonien ausgefüllt haben. Im Zusammenhang mit diesen Kämpfen stehen die Umwälzungen, die in Babylonien im Jahre 703 den Marduk-zakirschum für einen Monat auf den Thron brachten und den alten Feind des Sargonidenhauses, den Merodachbaladan, ins Land riefen, der alsbald des Thrones sich bemächtigte. Diese Umwälzungen zeigen zur Genüge, daß auch in der ersten Zeit Senacheribs mancherlei vorging, das erzählenswert gewesen wäre und wenn Senacherib selbst von diesen Ereignissen völlig schweigt, so beweist das nur, daß ihr Verlauf nicht derart war, daß er sich dessen hätte rühmen können. Für ihn beginnt die Geschichte" erst da, wo sich das Blatt zu seinen Gunsten wendet, wo es ihm gelingt, den Merodachbaladan wieder aus dem Lande zu jagen.

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Gegen Merodachbaladan richtet sich denn auch das erste Unternehmen, dessen er in seinen offiziellen Aufzeichnungen Erwähnung tut. Merodachbaladan war ein chaldäischer Fürst des „Meerlandes“,

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