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AD. VI, 4

Hymnen an die Gottheit.

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waren sie dazu bestimmt, mehrfach Verwendung zu finden und im Verlaufe der kultischen Handlungen oder der Zaubervollziehung regelmäßig von neuem vorgetragen zu werden. Sie sind in poetischer Form abgefaßt, zeigen also Alliterationen, strophische Anordnung, Parallelismus der Glieder. Diese treten aber nicht gesehmäßig ausgestaltet in strenger Gebundenheit auf, sondern werden nur ge= legentlich angewendet, um der Form des Ganzen höheren Schwung zu verleihen.

Inhaltlich bestehen die Hymnen aus einem Lobe der Gottheit, welches aus bereits erörterten Gründen äußerst schmeichlerisch ge= halten zu sein pflegt. Der jeweils angerufene Gott wird für den einzigen Gott erklärt, dem alle anderen höhern Mächte untertan sind, er hat Himmel und Erde in das Dasein gerufen und erhält sie, er sorgt für Speise und Trank und ist Geber und Erhalter alles Schönen und Guten. Häufig finden diese Gedanken einen für das moderne Gefühl sehr trivialen Ausdruck, wie Trivialität in der ägyptischen Literatur überhaupt auffallend stark verbreitet ist. Daneben finden sich aber bisweilen ansprechendere Ausführungen. Manche Säße, vor allem in den an die Sonne gerichteten Anrufungen, können sich mit Ehren den Erzeugnissen der assyrischbabylonischen Dichtkunst zur Seite stellen. Andere brauchen nicht einmal den Vergleich mit Versen der hebräischen Psalmen zu scheuen. An den Stellen, an denen die Psalmen Naturvorgänge schildern, berühren sich gelegentlich die ägyptischen Hymnen mit ihnen nicht nur in der sinnigen Auffassung des Naturlebens, sondern sogar im Wortlaute.

Als Beispiel, in welcher Weise sich ein solcher Hymnus aufbaut, möge hier die Wiedergabe eines Lobliedes auf den Sonnengott Ra, wenn er untergeht am westlichen Horizonte des Himmels" folgen, also eine Anrufung an die Nachtsonne, welche dem Verstorbenen im Jenseits leuchten soll. Der Text bedeckt einen aus der Zeit um 1300 v. Chr. stammenden Inschriftstein des Berliner Museums und wird einem Schreiber des Kredenztisches des königlichen Harems Pa-nehsi (Pakemsi) in den Mund gelegt:

„Begrüßung sei Dir Ra, wenn Du untergehst, Schöpfer der Menschen, Dir Tum (der Gott insbesondere der Abendsonne), Horus an beiden Horizonten (Gott der Morgen und der Abendsonne)! Einziger Gott, der da lebt von der Wahrheit, Schöpfer des Bestehenden, Bildner des Vorhandenen an Tieren und Menschen, welches hervorging aus Deinen Augen, (nach einer Legende schuf

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Hymnus an den Sonnengott.

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der Gott die Menschen, besonders die Ägypter, durch seine Tränen). Herr des Himmels, Herr der Erde, Bildner derer, die unten sind, und derer, die oben sind. Herr des Alls, zeugender Stier unter der Neunheit der Götter. König des Oberhimmels, Herr der Götter, Fürst, Oberster der Neunheit der Götter, göttlicher Gott, der sich selbst bildete, Angehöriger der Neunheit der Götter, der da ward von Anbeginn an. Preis sei Dir, Bildner der Götter, Tum, der Du werden läßt die Wissenden (d. H. die Kenner der magischen Formeln, die höheren Klassen der Menschen). Herr der Süße, Großer der Liebe. Wenn er aufgeht, dann leben alle Geschöpfe."

„Ich gebe Dir Lobpreisungen am Abend, befriedigt bin ich, wenn Du untergehst im Leben (häufige Umschreibung für das Reich der neubelebten Todten). Das Herz der Sekti-Barke ist voll Freude, die Madet-Barke ist voll Lobpreisungen (es sind das die beiden Barken, in denen der Sonnengott den himmlischen Ozean befährt). Sie befahren für Dich das himmlische Gewässer in Frieden, Deine Schiffsmannschaft jubelt. Niedergeworfen ist durch Dein Schlangendiadem Dein schlangengestaltiger Feind (Apophis), abgewendet wurde in schönem Frieden das Herannahen der Apophis-Schlange. Dein Herz freut sich am Horizonte des Westens. Dort herrschst Du als ein schöner Gott, ein Herr der Ewigkeit, ein Herrscher der Unterwelt. Du läßt die, welche dort weilen, Deinen Glanz fassen; die, welche in den Löchern ihrer Höhlen (in der Tiefe der Unterwelt) weilen, sehen Deine Schönheiten. Ihre Arme preisen Deine Persönlichkeit. Die Bewohner des Westlandes (des Todtenreiches) sind im Jubel. Wenn Du Dich ihm näherst, leuchtest Du ihnen. Das Herz der Herren der Unterwelt wird süß, wenn Du erleuchtest das Westland. Ihre Augen wenden sich, um Dich zu sehen, ihr Herz ist außer sich vor Freude, wenn sie Deinen Körper hoch über sich sehen. Kein Gott gebar seine Glieder, Du gebarst sie Alle. Du erstrahlst, Du verscheuchst ihre Traurigkeit. Du gehst unter um ihre Glieder zu erfreuen. Sie lobpreisen, wenn Du Dich ihnen nahst, sie ergreifen (um mitzufahren) die Spize Deines Schiffes. Täglich gehst Du unter am Horizonte des schönen Westlandes als Ra.“

„Lasse meine Seele in ihrem Kreise weilen, es leuchte Dein Glanz über meinen Gliedern. Ich erblicke die Sonnenscheibe angesichts dieser vollkommenen Verklärten des Westlandes, welche da sizen vor dem guten Wesen (eine Form des Gottes Osiris), welche verrichten alle Fürsorge für die Person des Schreibers des Kredenztisches des königlichen Harems Pa-nehsi.“

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Magische Formeln und Bewegungen.

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Weit wichtiger als solche Hymnen, welche die Gottheit nur im allgemeinen wohlwollend stimmen sollten, erschienen für den Menschen die magischen Formeln, welche den Zweck verfolgten, die Gottheit zu zwingen, im gegebenen Falle den Willen des Magiers zu erfüllen. Dabei war ihre Aussprache vielfach von bestimmten Bewegungen begleitet. Die Bilder an den Tempelwänden, welche den König vor der Gottheit vorführen, zeigen, daß er bei der Aussprache der festgesezten Worte vorgeschriebene Haltungen annehmen mußte. Bei der Zeremonie am Sarge des Verstorbenen vor der Grabestür, durch welche dem Toten die Auferstehung verschafft werden sollte, sprachen die Priester nicht nur stets wiederkehrende Formeln und Gebete, sondern führten auch festgeregelte Bewegungen aus. Im großen und ganzen enthalten die Denkmäler jedoch nur vereinzelte Nachrichten über diese Handlungen. Wie in anderen Ländern, so galt auch im Niltale die Magie als eine mächtige Kunst, deren genauere Kenntnis man nicht in weitere Kreise dringen. lassen wollte. Wenn man auch die Formeln, deren Zahl eine sehr große war, aufzeichnen mußte, um nichts von ihnen verloren gehen zu lassen, so wird doch die Art ihrer Anwendung als ein Geheimnis gegolten haben, welches sich nur durch mündliche Überliefe= rung, durch Unterweisung von Lehrer zu Schüler fortzupflanzen hatte. Für die Verwertung der Formeln war aber gerade die Geste von wesentlicher Bedeutung, ihre Nichtveröffentlichung durch Inschriften und Papyri wahrte das Geheimnis der Zaubererzunft.

In diesem Zusammenhange muß eine Tatsache besonders betont werden. Es findet sich nirgends in der ägyptischen Überlieferung eine Stelle, welche darauf gedeutet werden dürfte, als hätten bereits im Altertume am Nile die Lehren des sog. tierischen Magnetismus eine Rolle gespielt. Dies ist oft behauptet worden und hat auch in dem grundlegenden Werke für die Entwicklung dieser Lehre, in der Geschichte der Magie von Ennemoser Aufnahme gefunden; die Ansicht kann infolgedessen nicht ohne weiteres übergangen werden. Als Beweis für seine Annahme hat Ennemoser zwei Darstellungen angeführt, deren erste aus einer Kammer des Tempels von Denderah stammt, während die zweite von einem Sarge der Spätzeit des Ägyptertums herrührt.

Allein, bei dem erstgenannten Relief wird nicht, wie er zu bemerken glaubte, eine kranke lethargische Person vorgeführt, wie sie von einer Gottheit mit Hilfe des Magnetismus geheilt wird. In dem Tempel wird vielmehr in einer Reihe von Szenen die Auf

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Zauberstäbe.

AO. VI, 4 erstehung des Gottes Osiris geschildert und gezeigt, in welcher Weise derselbe im Jenseits durch die Zauberformeln einer Reihe ihm verwandter Gottheiten das neue Leben gewann. Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten Bilde. Auf diesem erblickt man den Gott Anubis, wie er die Hände auf einen menschengestaltigen Sarg legt, in dem sich eine Leiche befindet, nicht etwa, wie Ennemoser meinte, einen als Anubis verkleideten Mann, der einen Kranken berührt. Den Sinn des Bildes erläutert das Kapitel 151 des Todtenbuches, nach dessen Angaben sich die Szene nach der Beisezung in der Grabkammer abspielte. In dieser fanden sich verschiedene Gottheiten persönlich ein, um bei der Auferweckung des Verstorbenen mitzuwirken. Isis und Nephthys, mehrere Seelenformen des Toten, Dienerstatuetten, Totengenien, Amulette sprechen ihre Formeln. Die Hauptaufgabe liegt Anubis ob, der neben dem Sarge stehend die Hände auf diesen legt und sagt: „Dein linkes Auge ist im Schuße der Sekti-Barke, Dein rechtes Auge ist im Schuße der Madet-Barke (vgl. oben S. 16), Deine Augenbrauen sind im Schuße des Anubis, Deine Finger sind im Schuße des Thoth, Deine Haare sind im Schuße des Ptah-Sokaris. Sie (die genannten Gottheiten) bereiten für Dich einen schönen Weg, sie schlagen für Dich die Genossen des Gottes Set (d. h. die bösen Dämonen)“. Eine Auferstehung vom Tode soll also hier gewährt werden, nicht eine Heilung von Krankheit. Nicht Magnetismus wird dabei angewendet, sondern Magie, deren auch der Gott be. darf, will er seinem Willen den nötigen Nachdruck verschaffen.

Zur Ausübung seiner Tätigkeit brauchte der Magier außer dem Hersagen der Formeln und den Gesten bisweilen der Hülfe verschiedenartiger Gegenstände, wie der Zauberstäbe und der Amulette. Erstere hatten bisweilen die Gestalt von Schlangen, falls nicht bei dieser Gelegenheit wirkliche Schlangen verwendet wurden. Auf einen derartigen Gebrauch deutet wenigstens die Schilderung hin, welche das zweite Buch Mosis von dem Kampfe der Führer des israelitischen Volkes mit den ägyptischen Zauberern vor Pharao entwirft. Dem entsprechend erscheinen in den Darstellungen mehrfach Dämonen, deren Zauberkraft dem Sonnengotte zu Hülfe kommen soll, mit einem Schlangenszepter bewaffnet. Eine zweite Form des Zauberstabes, die besonders bei der symbolischen Wiederbelebung des Toten Dienste tut, war die eines an der Spize umgebogenen Metallstabes oder eines Ochsenschenkels. Endlich haben sich zahlreiche Nachbildungen von Wurfhölzern in Holz und Knochen gefunden,

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Der Gott Chunsu.

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welche mit den Bildern von Dämonen bedeckt waren und ähnlichen Zwecken dienten.

Nüglich und nötig waren ferner die zahlreichen Amulette, welche, wenn man bei ihrer Verwertung die richtigen Worte sprach, Beständigkeit, Leben, Frische, Werden und andere Dinge verschafften. Dieselben besaßen nicht nur Wert für das jenseitige Leben als Beigaben für die Leiche, worauf ihre häufige Erwähnung in Totenterten hinweist, sie konnten auch im Diesseits Nuzen stiften. Das geht aus manchen Andeutungen der Terte hervor und wird auch in einer für die alten magischen Vorstellungen wichtigen Heilungsgeschichte ausdrücklich erwähnt.

Innerhalb der Umwallung des großen Amon-Heiligtums zu Karnak erhebt sich ein ausgedehnter Tempel, der von den Königen der 20. und 21. Dynastie, zwischen 1200 und 1000 v. Chr., dem Gotte Chunsu, dem Sohne des Amon, geweiht wurde. Chunsu galt hier u. a. als Mondgott, und war daneben, wie manche ägyp= tische Mondgötter, Heilgott. Sein gewöhnlicher Beiname „der schön Ruhende“ ward meist so aufgefaßt, daß er in dem Tempel in Ruhe weilte. Um ihn troßdem seine Macht auch nach außen hin betätigen lassen zu können, betonte man neben ihm eine zweite Form des gleichen Gottes, die man als „Chunsu, den Ausführer der Pläne“ bezeichnete. Diese lettere Gestaltung findet sich bereits in alten Inschriften erwähnt, in späterer Zeit gewann sie als in Krankheiten helfende Gottheit hohe Bedeutung. Es ist noch der Granitsockel eines Denkmals erhalten geblieben, welches der König Ptolemäus Philadelphus nach Errettung aus lebensgefährlicher Krankheit dem „Chunju, dem Ausführer der Pläne in Theben, dem großen Gotte, dem Besieger der Bösen" weihte.

Bei der steigenden Wichtigkeit dieser Gottesform war es für ägyptische Begriffe selbstverständlich, daß sie eine eigene Behausung erhalten mußte. Dieser Tempel erhob sich unmittelbar neben dem großen Chunsuheiligtum. Leider ist er jegt völlig von der Erde verschwunden und ist es daher unmöglich, die Zeit seiner Erbauung festzustellen. Man weiß nur, daß noch die Ptolemäer und die römischen Kaiser an ihm baulich tätig waren. In seinem Umkreise wurden, ähnlich wie dies in Griechenland bei dem AsklepiosHeiligtum zu Epidauros geschah, Inschriften aufgestellt, welche von wunderbaren Heilungen erzählten, die dem Gotte gelungen waren. Und, wieder wie in Griechenland, so suchte man auch in Ägypten den Ruhm des Gottes dadurch zu erhöhen, daß man die unwahr

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