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Entdeckung des geflügelten Löwen.

AO. V, 3 So konnte unter besseren Auspizien die Glanzperiode der assyrischen Ausgrabungen beginnen. Es lohnt auch heute noch reichlich der Mühe, die (nicht eben gewandt ins Deutsche übertragenen) Berichte Layards im Original zu lesen,1 in denen er mit dramatischer Lebendigkeit sein ganzes Wirken schildert.

Im Februar 1846 entdeckte er das älteste der in Nimrud vorhandenen Palastgebäude voll prachtvoll erhaltener, nicht vom Feuer beschädigter Skulpturen. In dem zuvor gefundenen Gebäude waren ersichtlich ältere Bildwerke als Baumaterial verwertet, denn verschiedene Reliefs standen auf dem Kopfe. Hier jedoch war alles wohlerhalten an seiner Stelle. Wie reich an spannenden Episoden diese Arbeiten waren, zeige folgende Beschreibung Layards:

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,,Eile,

An dem dieser Entdeckung folgenden Morgen ritt ich nach dem Lager des Scheikh Abd-er-Rahman und wollte eben nach dem Hügel zurückkehren, da sah ich zwei Araber seines Stammes, ihre Stuten zu äußerster Schnelligkeit antreibend, heransprengen. Als sie sich mir näherten, hielten sie an. o Bey", rief einer von ihnen aus ,eile zu den Grabenden hin, denn sie haben Nimrod selbst gefunden. Wallah! das ist ein Wunder, aber es ist wahr! Wir haben ihn mit unsern Augen gesehen! Es gibt nur einen Gott!" Und als beide in diesen frommen Ausruf eingestimmt hatten, galoppierten sie, ohne ein Wort weiter zu sagen, in der Richtung nach ihren Zelten fort. Als ich die Ruinen erreicht hatte, stieg ich in den neuen Einschnittsgraben hinab und fand die Arbeiter, die mich hatten kommen sehen, in der Nähe eines Haufens von Körben und Mänteln. Während Awad auf mich zukam und ein Geschenk zur Feier des Vorfalls verlangte, machten die Araber die Verkleidung, die sie eiligst errichtet hatten, ab und brachten so einen ungeheuren menschlichen Kopf zu Tage, der aus einem Stücke aus dem im Lande anzutreffenden Alabaster rundgehauen war. Nur den oberen Teil einer Figur, deren Rest noch in der Erde begraben lag, hatten sie blosgelegt. Ich sah sogleich, daß dieser Kopf einem geflügelten Löwen oder Stier angehören müsse, der den zu Chorsabad und Persepolis gefundenen ähnlich sei. Er war bewundernswürdig gut erhalten. Der Ausdruck war ruhig, aber majestätisch, und der Umriß der Gesichtszüge zeigte eine Freiheit und Kenntnis der Kunst, die man an Werken einer so frühen Periode wohl schwerlich erwartet haben dürfte. Die Kopfbedeckung hatte drei Hörner und war, unähnlich den bisher in Assyrien gefundenen menschenköpfigen Stieren, oben abgerundet und ohne Verzierung. Ich erstaunte gar nicht darüber, daß die Araber durch diese Erscheinung in Furcht und Schrecken gesezt worden waren. Es gehörte eben keine ausgedehnte Einbildungskraft dazu, um die seltsamsten Phantasien heraufzubeschwören. Dieser riesige Kopf, vom Alter gebleicht, so aus den Eingeweiden der Erde heraufsteigend, konnte wohl einem der entseßlichen Wesen angehören, welche in den Traditionen des Landes als langsam aus den unterirdischen Regionen heraufkommend und den Sterblichen erscheinend angegeben werden. Als einer der Arbeiter den ersten Blick auf das Ungeheuer getan, hatte er seinen Korb von

1) Siehe die Literaturangaben am Schluß.

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Neue Grabungen in Dujundjik.

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sich geworfen und war so schnell, als ihn seine Beine fortzubringen vermochten, geraden Wegs nach Mosul gelaufen. Diese Nachricht war mir höchst unangenehm, da ich die Folgen davon voraussah. Während ich die Entfernung

der noch an dem Bilde befindlichen Erde selbst beaufsichtigte und Befehl gab, die Ausgrabung fortzuseßen, hörte ich den Lärm ankommender Reiter, und augenblicklich erschien Abd-er-Rahman mit der Hälfte seines Stammes am Rande des Laufgrabens. Sobald nämlich die zwei Äraber die Zelte erreicht hatten, bestieg jederman seine Stute und ritt nach dem Hügel, um sich selbst über diese unbegreifliche Nachricht Gewißheit zu verschaffen. So wie sie den Kopf sahen, riefen sie alle zugleich aus: „Es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Prophet!" Es verging einige Zeit, bevor ich den Scheikh dazu zu bringen vermochte, in die Grube herabzusteigen und sich zu überzeugen, daß das Bild, welches er sehe, von Stein sei. „Das ist kein Werk von Menschenhänden“, rief er aus, „sondern von jenen ungläubigen Riesen, von welchen der Prophet, Friede sei mit ihm! gesagt hat: daß sie größer waren als die höchsten Dattelbäume; dies ist eines der Gößenbilder, welche Noah, Friede sei mit ihm! vor der Sündflut verfluchte." In dieser Meinung, die der Erfolg einer sorgfältigen Untersuchung war, stimmten alle Umstehenden mit überein.“ Layard schildert nun das zu Ehren der Entdeckung veranstaltete Fest, dann fährt er fort:

„Die von dem erschrockenen Araber nach Mosul gebrachte Nachricht von dem riesigen Kopfe hatte, wie zu erwarten war, einige Aufregung in der Stadt bewirkt. Er hatte vor der Brücke kaum mit Laufen eingehalten. Atemlos in die Bazars hineinrennend, hatte er Jedem, der ihm begegnete, erzählt, daß Nimrod erschienen sei. Die Neuigkeit gelangte bald zu den Ohren des Kadi's, welcher den Mufti und den Ulema zusammenberief, um über diesen unerwarteten Vorfall zu beraten. Ihre Deliberationen endeten mit einer Prozession zu dem Gouverneur, und mit einer förmlichen Protesstation von Seiten der Muselmänner der Stadt gegen Unternehmungen, die so geradezu gegen die Geseße des Korans verstießen. Der Kadi hatte keinen deutlichen Begriff davon, ob die Gebeine des gewaltigen Jägers oder nur sein Bild zu Tage gefördert worden sei; auch Ismail Pascha konnte sich nicht deutlich entsinnen, ob Nimrod ein echtgläubiger Prophet oder ein Ungläubiger gewesen. Ich erhielt daher eine etwas unverständliche Botschaft von Sr. Exzellenz, welche bewirken sollte, daß die Überreste ehrfurchtsvoll behandelt und nicht mehr gestört werden sollten; daß er ferner wünsche, ich solle mit den Ausgrabungen sogleich anhalten und mich mit ihm darüber besprechen.“

Troß dieses Zwischenfalles gelang es Layard, ganz in der Stille weiterzugraben und ein zweites Paar menschenköpfiger Flügellöwen aufzudecken, ganz verschieden von den bisher gefundenen. Bald danach langte auch der ersehnte Firman an, der ihm ungestörte Arbeit und Fortschaffung der Fundobjekte gestattete. Nun wurden auch die Grabungen angesichts der Stadt Mosul im Hügel Qujundjik wieder begonnen, ohne dabei die Fehler zu wiederholen, welche Botta's schlechte Erfolge an dieser Stelle bedingt hatten. In 20 Fuß Tiefe stieß Layard auf die ersten wirklichen

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Beginn der Ausgrabung Nineves.

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Reste eines Palastes der eigentlichen Stadt Nineve. Er konnte neun lange, schmale, vom Feuer arg mitgenommene Zimmer bloslegen. Nun erst war das alte Nineve wiederentdeckt. Welche Erfolge außer diesem größten und legten hatte der kühne Forscher zu verzeichnen! Nicht weniger als drei gewaltige assyrische Königspaläste hatte er in Nimrud aufgedeckt, nämlich den Palast des Assurnasirpal, erbaut auf den Grundmauern eines alten Palastes Salmanassars I., den Palast Salmanassars II., in dem der berühmte schwarze Obelisk gefunden ward, und den luxuriösen Südwestpalast Asarhaddons. Nicht das geringste seiner Verdienste war, daß Layard 1847, als die Geldmittel zu Ende gingen, auf höchst geschickte Weise den Transport der zahllosen Fundstücke von Mosul nach Basra und von da auf das Schiff bewerkstelligte. So schloß die ruhmreiche erste Expedition des vom Glücke wunderbar be= günstigten Forschers. Noch beschäftigt mit der Herausgabe des Werkes über seine Ausgrabungen, das eben die Presse verlassen sollte, erhielt er den ehrenvollen Auftrag, zum zweiten Male auf Kosten des British Museum nach Assyrien zu gehen. Von 1849 bis 1851 dauerte diese zweite Expedition, welche weit besser ausgerüstet war als die erste. Namentlich hatte Lahard vortreffliche Mitarbeiter gewonnen in der Person des Malers F. Cooper und des Arztes Dr. Sandwith. Als treuester Helfer aber be= währte sich der in Mosul stationierte englische Konsul Hormuzd Rassam, welcher schon während der ersten Campagne wertvolle Dienste geleistet hatte. Derselbe hatte auch während Layards Aufenthalt in Europa zum Schein auf dem Ruinenfelde weiterarbeiten lassen, um den englischen Forschern das Prioritätsrecht für die Ruinen Nineves festzuhalten. Die Grabungen wurden diesmal in Qujundjik und Nimrud zugleich aufgenommen. Der Erwähnung wert ist hier auch ein Zusammentreffen Layards mit dem späteren Entzifferer der babylonischen Keilschrift, Sir Henry Rawlinson, der nach 22jähriger Abwesenheit auf dem Heimwege nach England begriffen war. Arg mitgenommen von den Beschwerden des halbtropischen indischen Klimas, aus dem er kam, konnte er den Arbeiten auf dem Trümmerfelde nur eine kurze Beachtung schenken. In Qujundjik handelte es sich darum, den gegen Ende der ersten Erpedition aufgefundenen Palast Sanheribs weiter zu erschließen. Ohne Keilschrift lesen zu können, hatte Layard völlig richtig kombiniert, daß Sanherib Erbauer dieses Palastes war. Bis Ende 1850 währte es, ehe der ganze große Südwestpalast blosgelegt war. Auf

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Die Bibliothek des Sardanapal.

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kleineren Ausflügen stellte der Forscher fest, daß unter dem NebiJunus Paläste von Adad-Nirari, Sanherib und Asarhaddon verschüttet seien, deren genaue Untersuchung für spätere Zeit vorgesehen ward. In Kal'a Schergat entdeckte er die Fundamente des Tiglatpileser-Palastes und in ihnen das große Tonprisma Tiglatpilesers I. in mehreren Eremplaren. Es ist im Raume dieser kurzen, auch nicht einmal annähernd vollständigen Skizze unmöglich, die Fülle und Pracht der in Qujundjik gemachten Funde zu schildern, wir müssen auf Layards eigene lebensvolle Darstellung seiner Ausgrabungen verweisen. Die ganze vergessene und versunkene assyrische Welt stieg wieder aus langer Grabesnacht empor. Ohne die Stimme der Inschriften, die noch immer schwiegen, vernehmen zu können, erzählten doch die Hunderte von wunderschönen Reliefdarstellungen ihrem Entdecker von dem gesamten Leben und Treiben, von Sitten und Gewohnheiten, von Kunst und Gewerbe, von Krieg und Frieden im alten Assyrerreiche. Der wichtigste Fund von allen wurde in seiner ganzen Bedeutsamkeit freilich anfangs gar nicht gewürdigt. In zwei schmalen, von Assurbanipal, dem Erneuerer des alten Palastes, herrührenden Zimmern fand Layard den Fußboden stellenweise über Fußhöhe mit Tontäfelchen aller Formate bedeckt, welche alle dicht mit Keilschrift beschrieben waren. Er war, wie sich später herausstellte, auf die große Bibliothek gestoßen, welche der Prunk und Wissenschaft liebende König in seinem Palaste hatte anlegen lassen. Den andern Teil der Bibliothek sollte später Rassam im Nordpalaste von Qujundjik finden. Leider waren viele der Täfelchen zerbrochen. Was sich später als ihr Inhalt ergab, kann hier nicht ausführlich dargestellt werden; nur das sei gesagt, daß ein großer Teil dieser „K."-Sammlung (Kujundjik-Sammlung) des British Museum die philologischen Hilfsmittel der alten Assyrer zur Handhabung der Keilschrift und der sumerischen Sprache enthält und geradezu unschäzbare Dienste geleistet hat und fortgesezt noch leistet zur Wiedererlernung assyrischer und sumerischer Sprache und Keilschrift. Für die Entzifferung der babylonisch-assyrischen Keilschrift verweisen wir hier auf Heft 2 Jahrgang V dieser Sammlung. Die Ergebnisse von Layards Arbeiten in Nineve selbst waren also noch weit belangreicher als die Funde in Nimrud, der Stätte des biblischen Kelach (1. Mos. 10, 11), des assyrischen Kalchi. Sobald die Tontäfelchen nicht mehr stumme Zeugen waren, erschloß gerade der Qujundjik-Fund die ganze Geisteswelt der Assyrer. Allein eine große Überraschung sollte doch auch in Nimrud noch den Forschern

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Der erste Etagenturm. Rassam und Place.

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zu teil werden. Der große runde Ruinenhügel barg den ersten wiederentdeckten Etagenturm verbunden mit der ersten großen Tempelanlage aus der Zeit Assurnasirpals II. Wertvolle historische Inschriften wurden bei Bloslegung dieser Anlage gefunden. Nicht zu vergessen ist auch, daß der Nordwestpalast eine reichliche Ausbeute von Bronze- und Metallgefäßen einbrachte, zum Teil glänzende Beweise einer hochentwickelten Metalltechnik und Ziselierkunst. Am 28. April 1851 fand diese für ihren Leiter so ruhm- und erfolgreiche zweite Expedition ihr Ende. In zwei prächtigen Werken legte Layard der Öffentlichkeit Bericht über seine Arbeiten. Er kehrte nicht wieder auf den Schauplah seiner Triumphe zurück, aber er bewahrte stets der durch ihn mitbegründeten Assyriologie eine be= geisterte Zuneigung und suchte, als er 1877 Gesandter in Konstantinopel wurde, auf jegliche Weise die Forscher, besonders seinen alten Freund Rassam zu unterstügen.

Inzwischen waren, wie schon angedeutet, durch Rawlinson die Anfänge der Keilschriftlesung gemacht. Mit der größten Spannung folgte man darum in Europa den weiteren Arbeiten auf dem Ruinenfelde des alten Nineve, welche Hormuzd Rassam von 1852 bis 1854 unter der Generaldirektion von Sir Henry Rawlinson ganz in der Art Layards fortseßte. Er fand zunächst nur wenig Bedeutungsvolles, darunter als das Wertvollste zwei Duplikate der von Layard gefundenen Tiglatpileser-Prismen von Kala-Scherqat. In Nimrud war er etwas mehr vom Glück begünstigt; er entdeckte den Nebotempel Ezida und eine Anzahl Statuen mit dem Namen des Gottes Nebo. In Qujundjik dagegen blühten ihm keine neuen bedeutenden Erfolge. Rassam war mismutig, daß ihm das Finderglück nicht so hold war als seinem Freunde Layard. Ja, wenn er hätte im nördlichen Teile von Qujundjik graben dürfen! Aber dort wäre er einer französischen Expedition in die Arbeit geraten, welche unter dem geschickten Architekten Victor Place im Auftrage der französischen Regierung die Ausgrabungen Botta's wieder aufgenommen hatte. Rawlinson selbst hatte mit den Franzosen das beiderseitige Arbeitsgebiet vereinbart und abgegrenzt. Es hatte sich jedoch im Laufe der Jahre der Brauch herausgebildet, daß die Prioritätsrechte an ein Ruinenfeld stillschweigend demjenigen zuerkannt wurden, der dort die ersten Fundstücke zu Tage brachte. Da nun Place sein Hauptaugenmerk immer noch auf Chorfabad gerichtet hielt, war in der ihm zuge= wiesenen Nordhälfte von Qujundjik noch sehr wenig gearbeitet worden. Rassam kam dadurch auf den abenteuerlichen Gedanken, heimlich

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