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Babylon beherrscht Mittelmeer und Arabien.

AO. VI, 1 deckt die Geschichte des Mittelmeers in dieser Zeit, an zwei Jahrtausende vor den Anfängen griechischer Geschichte. Wo immer Sargon I. hingedrungen sein mag, ob er in Cypern war, das er unterwarf, oder ob er ein Alexander des Westens gewesen ist: in der neuen Hauptstadt sah man damals die Beutestücke und die Gefangenen der Mittelmeerwelt und dort wiederum blickte man damals nach dieser neuen Hauptstadt als nach der Beherrscherin, der materiellen und geistigen, der Welt, zu der man selbst gehörte. Man gehorchte einem Befehle und das war der von Babylon, man erkannte einen Gott als den an, der alle andern unterwarf, und das war wieder der neue Weltenherr, der in Babylon verehrt wurde. Man schrieb und empfing Schriftstücke, man mußte sein geistiges Leben modeln nach einer Schrift, Sprache und Lehre, und das war die der neuen Hauptstadt des neuen Herrn der Welt. Das war die Begründung der Weltstadtrolle Babylons. Rom hat länger gebraucht, um Rom zu werden. Auch das beweist wieder, daß es sich bei Babylon nur um die Verlegung der Hauptstadt, nicht aber um die erste Begründung einer Weltmachtstellung der ganzen Kultur handelt.

Die nächsten Angaben betreffen Ereignisse im Innern, Unter werfung von unbotmäßigen Fürsten oder Niederwerfung von Empörungen. Eine von allgemeiner und politischer Bedeutung ist erst wieder diejenige, welche die Unterwerfung von Suri, d. i. Mesopo tamien, wozu auch Assyrien gehört, meldet.

Dann kommen noch Angaben über die Regierung von Sargons I. Sohn Naram-Sin. Die eine betrifft die Eroberung eines in der Nähe Babylons gelegenen Staates, die andere, die durch anderweitige Angaben ergänzt wird, ist ein Gegenstück zu der von Sargons Zug über das Westmeer. Naram-Sin ist nach Magan gezogen und hat „Dilmun, Magan und Melucha“ unterworfen, wo „siebzehn Könige mit 30000 Mann“ ihm Widerstand leisteten. Dilmun ist das heutige Bahrein, die Insel und das dazu gehörige Küstengebiet im persischen Meere, Magan und Melucha ist Gesamtbezeichnung für Arabien. Der Erfolg der Unternehmungen ist, wie schon die Nachrichten darüber zeigen, groß gewesen. Bruchstücke davon sind sogar auf uns gekommen, eine nach ihrer Auffindung wieder verloren gegangene Vase trug die Aufschrift Naram-Sins und die Bezeichnung als „Beute aus Magan". Wenn man zu alledem nimmt, daß wenig später Gudea, der Fürst von Lagasch, Materialien zu seinen Bauten aus Magan und aus Melucha bezieht, so erscheint uns Arabien in dieser Zeit in einem Verhältnisse zu Babylonien, wie es später erst wieder

AO. VI, 1 Babylon, Mittelpunkt der vorderarabischen Kulturwelt.

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der Islam herbeigeführt hat. In wie weit die Völkerbewegungen beider so weit getrennter Zeitabschnitte diese gleichen Zustände begünstigt oder herbeigeführt haben, wissen wir noch nicht, aber wir sehen ja die Zustände der Naram-Sin-Zeit als den Beginn und die der Folgezeit als den Sieg - einer großen Einwanderung aus Arabien an, die eine Analogieerscheinung der „arabischen“ durch den Islam besiegelten bildet.1

Was uns hier an der Tatsache angeht, ist das Zeugnis für die Herrschaft Babyloniens und seiner neuen Hauptstadt mit ihrer Lehre auch über Arabien. Nie wieder hat der alte Orient eine solche Ausdehnung der babylonischen oder assyrischen Macht gesehen, wie sie das Reich bedeutete, als dessen Hauptstadt Babylon gegründet wurde. Unter Sanherib und Affarhaddon hat Assyrien gleiches versucht, aber keinen gleichen und vor allem keinen dauernden Erfolg gehabt. Die Gründung Babylons hat eine Ausdehnung baby= lonischer Macht und damit babylonischen Kultureinflusses auch nach dem Lande gesehen, welches wir als Heimat der Völker ansehen, deren Sprachen der vordere Orient gesprochen hat, und welches andererseits die Vermittlung mit zwei anderen Welten übernahm: mit der indisch-ostasiatischen und mit der afrikanischen. Hier zweigen sich zwei Wege ab, die in entgegengesetter Richtung führen, als der von der Geschichtsbetrachtung gewöhnlich allein verfolgte nach dem Mittelmeere und Europa.

Das ist der weltgeschichtliche Horizont des neubegründeten Babylon. Auch über Elam herrscht es, und wie weit dieses derselben alten Kultur angehörige Land nach dem innern Asien seinen Einfluß und seine Beziehungen ausdehnt, wissen wir nicht. Aber schwerlich weniger weit als die Beziehungen nach den anderen Richtungen reichen. Im Mittelmeere versteht und schreibt man babylonisch, Arabien gehorcht dem Herrn von Babylon. Es ist ein Bild wie in der Blütezeit des Kalifats, und nach dem Einflusse und der Verbreitung der islamischen Kultur muß man sich den der babylonischen dieser Zeit vorstellen. Es ist ein Bild, das freilich in stärkstem Gegensage steht zu dem, was man aus der bisherigen Betrachtung der Geschichte gewonnen hat. Wir müssen uns dieses Bild vorläufig noch nach wenigen Angaben entwerfen, nach Angaben, die aber ebenso deutlich sprechen wie der Fund eines menschlichen Knochens für das Vorhandensein des Menschen in der betreffenden geologischen Schicht.

Die Bedeutung des Kultes als Grundlage aller staatlichen

1) AD. I, 12 S. 12.

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Marduk als Gott von Babylon.

AC. VI, 1 Ordnung und aller wissenschaftlichen Lehre wirst die Frage nach dem Kulte der neuen Hauptstadt auf. Der Mittelpunkt der Kulturwelt gab auch dieser Welt den Gott, der alles menschliche Denken bestimmte. Wir haben noch kein bestimmtes Zeugnis dafür, daß schon Sargon Marduk als den Herrn der neuen Welt einsezte. Aber es ist nach dem Wesen der alten Religion nicht denkbar, daß der Gott einer Kultstätte gewechselt habe. Die nächste Eroberung, die wir feststellen können, findet Marduk bereits vor und erkennt ihn an. Die erste Dynastie von Babylon", von der wir sogleich zu sprechen haben, rechnet mit Marduk als einer vorgefundenen und anerkannten Größe. Wir können also ohne Bedenken annehmen, daß Marduk, der von nun an die Welt regierte, auf dessen Wesen alle Lehre zugeschnitten war, welche von Babylon ausstrahlte, auch von Anfang an der Gott der Gründung Sargons war.

Von dem Begründer des Reiches und der neuen Welthauptstadt haben wir eine nach der Art des alten Orients (vgl. S. 9) mythisch eingekleidete Legende über seine Geburt und sein Emporkommen. Es ist dieselbe Legende, welche von Kyros, Romulus, Moses erzählt wird,1 und die als die typische Legende des Begründers eines Reiches, einer Kulturepoche gelten kann. Sie ist ihrem mytho= logischen Sinne nach die Erzählung vom neugeborenen und zur Herrschaft aufwachsenden Sonnen- und Frühjahrsgotte. Das ist aber der Marduk von Babylon, der wesensgleich ist mit dem Osiris der Ägypter. Beider Kult und Lehre beherrscht von nun an die Welt statt der älteren reinen Gestirnreligion. Sargon aber wird durch diese Legende als die Verkörperung des Frühjahrsgottes hingestellt, dessen Sieg über die Welt die Begründung seines Reiches bildet.

Wir kennen die näheren Verhältnisse nicht, welche der neuen Hauptstadt ihre Bedeutung auch für die Zukunft sicherten, sahen aber (S. 10), daß wir bei der Beurteilung solcher Dinge noch mit andern Einflüssen zu rechnen haben, als den der modernen Welt geläufigen. Die Dynastie" Sargons hat vielleicht die Regierung seines Sohnes nicht überdauert, aber seine Gründung hat ihr Ansehen behauptet. Das muß also zum Teil auch andere Ursachen als die rein politischen gehabt haben.

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So viel wir bis jezt sehen können, wäre die Folgezeit dem Blühen der neuen Gründung nicht günstig gewesen, wenn diese nicht aus dem Wesen und den Bedürfnissen des damaligen Orients heraus

1) Weitere Beispiele s. A. Jeremias ATAO. S. 255 ff.

AO. VI, 1

Das südbabylonische Reich.

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erfolgt wäre. Bald nach Naram-Sin finden wir die südbabylonischen Herrscher von Ur und das Reich von „Sumer und Akkad“ im Orient herrschend. Das bedeutet (S. 6) eine Kulturepoche, die in einem gewissen Gegensaße zu der von Sargon begründeten steht, und andere, ältere, die „sumerischen“ Überlieferungen pflegte. Wenn troßdem Sargons Werk sie überdauerte, so war eben Babylons Gründung nicht nur der Ausfluß eines Herrscherwillens wie die Stadt seines gleichnamigen assyrischen Nachtreters (Dur-Scharrufin = Khorsabad), sondern ein Wurf wie die Gründung von Alexandria und Baghdad.

Mögen die südbabylonischen Herrscher auch anfangs, solange sie noch zu kämpfen hatten, im Gegensaze zu dem nordbabylonischen Reiche oder seinen Bestrebungen gestanden haben, so stellt sich doch das Verhältnis eines zur Anerkennung durchgedrungenen Herrschers stets sehr bald anders dar. Schon der zweite König der Dynastie von Ur, Dungi, pflegt zwar im Süden die alten Überlieferungen in Sprache und Titulatur, aber in Nordbabylonien tritt er in die Fußtapfen eines Sargon und Naram-Sin. Offenbar nach dem er die nordbabylonischen Ansprüche irgend wie erworben hatte, läßt Dungi in Nordbabylonien ebenso „semitische“ Inschriften sezen, wie ein Sargon, und führt denselben Titel wie Naram-Sin. Das heißt mit andern Worten, er erkennt die Berechtigung von deren Werk an und tritt ihre Nachfolge in legitimer Weise an. Babylon hatte die Probe bestanden, zum ersten Male hatte die Besiegte den Besieger sich unterworfen, wie es von nun an immer von neuem sich wiederholt bis auf Kyros hinab.

Babylon ist nicht wie Rom in einem Lande groß geworden, welchem es erst die Weltherrschaft erobert hat, sondern es mußte sich seine Stellung inmitten von alten Kultursizen erringen, die alle selbst die Ansprüche verfochten, welche sein Begründer ihm gewissermaßen in den Grundstein gelegt hatte. Immer wieder müssen wir dabei das geistige, das religiös-spekulative Moment betonen, welches in der Kulturentwicklung eine so große Rolle gespielt hat. Sargon bezeichnet sich noch als „König von Agade“, Naram-Sin nur als „König der vier Weltgegenden", ohne eine Stadt dabei zu nennen. Die füdbabylonischen Könige nennen sich nach ihrer Hauptstadt (Ur, Isin, Larsa) und außerdem mit dem Reichstitel (König von Sumer und Akkad, König der vier Weltgegenden). Die neue Hauptstadt Babylon begegnet dabei noch nicht als Sig eines Stadtkönigtums sie ist noch jung.

Es ist aber in der ganzen Denkweise des Orients begründet,

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Babylon als Kulturstadt anerkannt.

AO. VI, 1 daß eine Königswürde vom Besize einer Stadt abhängig ist, denn der Gott wohnt in der Stadt, welche das irdische Spiegelbild seines himmlischen Wohnsizes darstellt, und nur er kann den König berufen, der seine irdische Verkörperung ist (S. 9). Die Dynastie Sargons war von Agade in Nordbabylonien ausgegangen, einer Art Schwesterstadt des nahegelegenen Sippar mit seinem Sonnenkult. Bei der Spärlichkeit unserer Nachrichten können wir die innere Entwicklung während der Jahrhunderte, bis wir näheres von Babylon erfahren, nicht verfolgen. Daß aber die alten nordbabylonischen Kultstätten und die Size älterer Herrscher auch ihre Ansprüche verfochten haben werden, ist selbstverständlich. Wie die Dinge sich im einzelnen entwickelt haben, wissen wir noch nicht, es ist auch ziemlich unerheblich. Auf jeden Fall haben sie sich für Babylon günstig ge= staltet, denn nach den paar Jahrhunderten, während deren das Schwergewicht der Macht in Südbabylonien gelegen hatte, finden wir die Stadt als anerkannten Königssig und zwar nicht nur mit dem Anspruch, den ihm die Macht und der Schuß eines mächtigen Herrschers von außen verleiht, sondern als selbständige Stadt mit eigenem Königsrecht. In der Zwischenzeit hat es sich die Anerkennung errungen und steht gleichberechtigt neben den uralten Städten, sein Gott Marduk und dessen Tempel Sagil sind anerkannt neben denen, die uns am Anfange der Geschichte bereits als altberechtigt be= gegnen, und Marduk vermag einem Könige sein Recht und sein Amt zu geben. Es gibt ein Königreich, dessen König den Titel „König von Babylon“ führt, und dieser Titel ist fortan der erste unter allen des vorderasiatischen Kulturbereiches, der den älteren Reichstiteln vorangesetzt wird und bis in späteste Zeit sein Ansehen behauptet.

Das ist um so auffälliger, als die neue Machtverschiebung nach Nordbabylonien, welche der Vorherrschaft des Südens ein Ende machte, nicht durch eine von Babylon ausgegangene Dynastie erfolgt zu sein scheint. Sargon war von Agade, der alten Schwesterstadt von Sippar ausgegangen, und es scheint, als ob hier in Sippar diejenigen nordbabylonischen Könige einen Mittelpunkt ihrer Macht gehabt hätten, die allmählich immer mehr um sich griffen, bis sie ganz Babylonien und Vorderasien besaßen. Wenigstens spielt Sippar in ihrer Zeit eine große Rolle und sein Gott Schamasch erscheint noch als der älterberechtigte in Anrufungen gegenüber dem neuen Reichsgott Marduk.

In um so helleres Licht tritt die Bedeutung Babylons als Mittelpunkt der vorderasiatischen Kulturwelt, wenn es troßdem als

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