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AO. VI, 1

Babylon und Assyrien.

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Um 1400, bald nach der Tel-Amarna-Zeit hat der neu erstandene Nebenbuhler schon Gelegenheit, sich in die babylonischen Verhältnisse zu mischen. Zunächst freilich waren die Beziehungen beider Königshäuser friedlich. Der Emporkömmling verflicht sein Interesse mit dem des Nachbarn durch Heiraten, hilft ihm dann in der Not, um schließlich ihn zu beherrschen. Derselbe König von Assur, von dem wir Tel-Amarna-Briefe haben, Assur-nadin-achi, verheiratete eine Tochter mit dem Kassitenkönig von Babylon Karachardasch. Beide Länder versuchten also zunächst ihre beiderseitigen Interessen auszugleichen und nebeneinander zu bestehen.

Der Weg nach dem Westen führt von Babylon über Mesopotamien, wo Harran den nicht umgehbaren Knotenpunkt bildet. Der große Umweg ist notwendig, weil der gerade Weg westwärts durch die Steppe für Karawanen ungangbar ist, wegen Wassermangels wie wegen der Gefahr durch die Steppenbewohner, die stets sich nachschiebenden Scharen der Völkerkammer Arabien. Mesopotamien aber mußte naturgemäß an Assyrien fallen, das ja auch die Mitani von dort vertrieb, und somit beherrschte dieses den Weg zum Mittelmeere, wie umgekehrt Babylon den zum persischen. Nun hatte aber der Verkehr mit dem Osten damals bereits offenbar andere Wege gesucht, einerseits ging er über Arabien, andererseits wohl über Elam und Medien, sodaß das persische Meer als Verfehrsstraße nicht mehr die Bedeutung hatte, wie damals als Naram= Sin noch Bahrein beherrschte (S. 12) und babylonische Schiffe mit Magan und Melucha verkehrten. Das spricht sich auch in der Abschließung Babylons vom Meere, oder besser in dessen Verzicht auf dieses, durch Abtrennung des ,,Meerlandes“ (S. 22) aus. Das Mittelmeer hingegen mit seinen Häfen an der cilicischen und phönizischen Küste war nicht zu umgehen. So war Assyrien in der günstigeren Lage gegenüber Babylon, das ohne einen Weg nach dem Mittelmeere vom Weltverkehr abgeschlossen und Assur gegenüber in die zweite Stellung geschoben war. Es war daher ein Versuch der alten Welthauptstadt, wenigstens eine gleiche Stellung neben der Nebenbuhlerin zu erhalten, wenn der Sohn jenes Karachardasch, der Enkel des Assyrerkönigs, Kadaschman-charbe, den Versuch machte, einen Weg nach dem Mittelmeere durch Anlage von Brunnen und die Sicherung der Straßen durch Wachtposten mitten durch die Steppe hindurch zu eröffnen.1 Das Gelingen des Planes hätte

1) AO. II, 12 S. 16.

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Assyrien gewinnt die

AO. VI, 1 natürlich bei der gewaltigen Abkürzung des Weges ihm ein Übergewicht über Assyrien gegeben.

Allein Babylon und Babylonien hatte einen Gegensaß der Bevölkerung, der die babylonische Politik des Kassiten zuschanden machte. Das Königshaus war längst babylonisch und mit dem Lande verwachsen, und ebenso die vornehmen Häuser der ehemaligen Eroberer. Wie stets bei solchen Eroberungen bleibt aber ein Überschuß der neuen Bevölkerung, der bei der Beuteverteilung zu kurz kommt oder den Anschluß an die neuen Kulturverhältnisse nicht findet. Die in die Bahnen der altbabylonischen Kultur einlenkende Politik des Herrscherhauses geriet in Zwiespalt mit dem noch nicht babylonischen Teile der kassitischen Bevölkerung, und diese erhob sich zu einem Aufstande, in welchem der König Kadaschman-charbe ermordet und ein Kassit auf den Thron gesetzt wurde.

Das war eine willkommene Gelegenheit für Assyrien, wo noch immer der alte Assur-nadin-achi regierte, um als Rächer und Helfer einzugreifen und zugleich mit dem Danke der Nebenbuhlerin deren Unterwürfigkeit einzuheimsen. Ein assyrisches Heer beseitigte den Führer des Kassitentums und sezte den Sohn des Ermordeten und Urenkel des Assyrerkönigs, ein unmündiges Kind, Kurigalzu, auf den Thron. Damit war Babylon ein König gegeben, der eine babylonische d. h. im Sinne der alten Kultur gehaltene Politik verfolgen mußte, das fremde, barbarische Kassitentum war gebrochen. Andererseits war die Nebenbuhlerschaft Babylons beseitigt, es stand unter dem Schuße Assyriens und mußte auf Pläne wie den von Kadaschman-charbe verfolgten verzichten. Es verlautet nie wieder etwas von dessen Brunnen und seiner Straße bis auf den heutigen Tag.

Selbstverständlich hat die alte Welthauptstadt sich nicht ohne weiteres darein gefunden, sich mit der Anerkennung als nur geistiger Mittelpunkt zu begnügen. So lange es seine selbständige Verwaltung und die Quellen der Macht in seiner wirtschaftlichen Bedeutung besaß, hat es stets darum gerungen und ist durch den Zwang der Verhältnisse, durch die Bedürfnisse des Handels darauf gedrängt worden, immer wieder nach der Vorherrschaft zu streben, und es ist am Ende noch einmal Sieger geblieben.

Zunächst beginnen Kämpfe um die Zurückeroberung des verloren gegangenen Einflusses. Das wichtigste Kampfobjekt ist dabei Mesopotamien, die Frage steht, ob Assur oder Babylon der Vasall sein soll. Bezeichnend ist dabei aber, daß der alten Welthauptstadt

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Vorherrschaft; Elam.

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stets auch beim assyrischen Sieger ihr altes Stadtrecht anerkannt wird. Bis auf die Fälle in späterer Zeit, die besonders zu be= sprechen sind, macht kein assyrischer König den Versuch, die Berechtigung der Selbständigkeit Babylons zu bestreiten. Marduk, der Weltenregent, muß seinen eigenen Stellvertreter auf Erden an der Stelle haben, wo er wohnt, daran wird nicht gerüttelt. Und da verlangt wird, daß die babylonische Königskrone die erste ist, daß der König zur Erledigung seiner Obliegenheiten zum mindesten alljährlich beim Feste Marduks, dem Neujahrsfeste, anwesend ist, um den feierlichen Umzug, den „Auszug" des Gottes zu leiten, so verzichtet man lieber auf die Königswürde, als mit alten Rechten zu brechen. Man vergleiche wieder das Rom des Mittelalters. Das ist eine Ursache unendlicher und immer wiederholter Schwierigkeiten gewesen, aber immer wieder hat Assyrien das alte Königsund Gottesrecht anerkannt. Der Kampf der deutschen Kaiser mit Rom ist die schlagendste Parallele, welche die Weltgeschichte zu dem Kampfe der Assyrerkönige mit und um Babylon zeigt.

Die einstige Beherrscherin des vordern Orients und die anerkannte geistige Führerin war also politisch seit der Mitte der Kassitenzeit in die zweite Stelle verwiesen und mußte sich der aufstrebenden Nachbarmacht mehr und mehr unterordnen. In seinen Bemühungen um die Wiedererringung der alten Stellung hat Babylon_naturgemäß die Hilfe gesucht, wo es sie finden konnte. So ist es der gegebene Mittelpunkt aller gegen Assyrien gerichteten Unternehmungen gewesen und hat stets auf solche gerechnet, um sich ihrer zu bedienen.

Außer Assyrien hatte es noch einen neuen Nachbarn erhalten, dessen Gebiet sich vom babylonischen Einflusse wenigstens politisch losgerissen hatte. Elam, einst eine babylonische Provinz (S. 13), ist jezt ein selbständiger mächtiger Staat mit eigner und verschiedenartiger Bevölkerung.1 Babylon und Babylonien gegenüber nimmt es eine ähnliche Stellung ein wie Assyrien selbst, dieses ist ihm als Mutterland und Hauptstadt der Kultur das nächstliegende Ziel seiner Eroberungen. Auch Elams Könige streben danach, die Schußherrschaft über Babylonien auszuüben und die Politik des reichen Landes ihren Zwecken dienstbar zu machen. So steht Babylon von jezt an zwischen diesen beiden militärisch kräftigen Staaten2 und ist

1) AO. II, 12 S. 35.
2) AO. II, 12 S. 17.

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Assyriens Vorherrschaft über Babylon.

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ihren Schußbestrebungen preisgegeben. Eine eigene Politik kann es nur verfolgen, indem es zwischen den beiden hin- und herpendelt und beide gegeneinander auszuspielen sucht. Nach innen hat das natürlich zur Folge, daß bei den selbstverständlichen Parteiungen sich eine bildet, welche zu Assyrien, eine andere, welche zu Elam hinneigt. Die Überschwemmung Babyloniens mit chaldäischen Stämmen hat dann noch einen weiteren Faktor in die Politik eingestellt. Die Entwicklung der Dinge, das durchschnittliche Übergewicht Assyriens und dessen Gegensatz gegen die Chaldäer brachte es mit sich, daß diese oft als Bundesgenossen Elams erscheinen, oft aber auch ihre Fürsten sich auf den Thron Babylons schwingen.1

Zunächst kam es schon während der langen Regierung Kurigalzus (S. 28) zu mehrfachen Kämpfen mit Assyrien. Im ganzen scheint dieses unter dreien seiner Könige erfolgreich gewesen zu sein, und Babylon mußte immer mehr von seinen Gebieten abtreten. Unter dem erfolgreichen Salmanassar I. (S. 26) erreichte Assyrien wohl einen offenen Weg zum Mittelmeere, und damit war es in die Stellung getreten, welche Babylon einst inne gehabt hatte und die es nach dem Rechte seines Gottes verlangen mußte. Die Regierung von Salmanassars Nachfolger, Tukulti-Ninib I., brachte daher die erstmalige tatsächliche Ausdehnung assyrischer Oberhoheit über ganz Babylonien. Der Assyrerkönig wurde zum König von Sumer und Akkad, für Babylon selbst aber begnügte er sich mit der Ausübung einer Schuzhoheit. Der Form nach blieb der Staat Marduks unabhängig, sein König ein Bruder, nicht ein Diener seines Beschüßers. In der Sache war Babylon nun zum ersten Male ein abhängiges Stadtkönigtum, wie viele im Bereiche der assyrischen Macht und wie einst viele seinen Königen unterstanden hatten. Es war noch immer ein Kassitenkönig, den Tukulti-Ninib abseßte, und auch der von ihm eingesezte und unter seinem Schuße 6 Jahre regierende König wird von der Königsliste zur selben Dynastie gerechnet.

Die Zustände erfuhren eine plögliche Änderung durch den raschen Zusammensturz der assyrischen Macht infolge des Aufstandes gegen Tukulti-Ninib. Das Erworbene ging mit einem Schlage verloren und Babylon war seinen einen Schußherrn los, um dem andern in die Hände zu fallen. In wie fern man sich mit dessen Hilfe

1) AO. II, 12 S. 17. I, 12 S. 11.

2) AO. II, 1o C. 25.

Ende der Kassitenzeit, Pasche-Dynastie.

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AO. VI, 1 etwa „befreit“ hatte, ist vorläufig noch nicht klar, aber unter dem gerade so lange wie Tukulti-Ninibs Schuß dauerte regierenden König Adad-schum-iddin meldet eine Chronik auch einen Einfall der Elamiten unter Kitin-hutrutasch, durch den das Land schwer verheert wurde. Man wird anzunehmen haben, daß der nächste König Adadschum-ussur, der die lange Regierungsdauer von 30 Jahren hatte, von ihm eingesezt wurde und so lange ungestört regieren konnte, weil Assyrien ohnmächtig war, und er den Schuß des sonst gefährlichen Elam genoß.

Die folgende Zeit der Ohnmacht Assyriens bedeutete für Babylon selbstverständlich einen neuen Aufschwung, denn nach dem Westen hin konnte es sich im Einverständnis mit Elam befestigen. So werden wir die natürlichen Bestrebungen um Herstellung des Einflusses nach dieser Seite hin vorauszusehen haben. Die Wiederer starkung führte aber zweifellos auch zu dem Verlangen den elamitischen Schutz los zu werden, und so haben wir am Schlusse dieser Zeit wieder eine Verheerung des Landes durch die Elamiter. Es muß zu einer Eroberung der Stadt Babylon gekommen sein, denn zum zweiten Male (vgl. S. 24) haben wir den Fall einer Wegführung der Mardukstatue d. H. der völligen Aufhebung der staatlichen Selbständigkeit der Stadt. Die Nachrichten über die Zeit melden zudem von einer furchtbaren Verwüstung des ganzen Landes. Das war das Ende der Kassitendynastie, die jezt längst ihr Volkstum auf gegeben und babylonisch geworden war. Von jezt an hat dieser Gegensatz im Volksleben nicht mehr bestanden, dagegen machen sich nun als ein anderes neues Bevölkerungselement immer mehr die Chaldäer bemerkbar.

Die Königsliste, welche unser Führer für die Geschichte Babylons ist, läßt ohne Lücke auf die kassitische Dynastie eine solche von elf Königen folgen, der sie 72 Jahre zu geben scheint (11. Jahrhundert) und die sie „Dynastie Pasche" nennt. Unter welchen Umständen sich die Neuordnung der Verhältnisse vollzog, wissen wir nicht, wir können nicht viel mehr als Königsnamen in einer hier vorhandenen Lücke ergänzen. Auf jeden Fall wird man sich vorzustellen haben, daß die Verwüstung des Landes durch Elam den jezt vordringenden Chaldäern und Suti1 günstige Gelegenheit bot, um festen Fuß zu fassen, und daß sie überall Einfluß gewonnen haben werden. In wie weit die Begründung einer Dynastie d. h. die Neuorgani

1) AO. I, 1o S. 11.

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