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Kolonisationsversuche der Pharaonen.

AD. VI, 2 Ebenholz, Elefantenzähne, Pantherfelle, Sklaven und Vieh. Ganz wie es heute die Neger am Weißen Nil tun, waren die langen Hörner der Ochsen künstlich in Windungen gezogen; dazu kamen allerlei phantastische Aufsäge als Zierat. Als geschmackvolle Huldigung hat man es am ägyptischen Hof jedenfalls empfunden, daß einige jener Rinder die Hörnerspißen zu Händen geformt haben; ein auf die Stirn gesezter (oder gemalter?) Negerkopf vervollständigt dann das Bild eines Äthiopen, der vor dem Herrscher Ägyptens anbetend die Hände emporhebt. Interessant ist, daß einige Proben von Kunstfleiß vorkommen: aus Ebenholz geschnigte Sessel und Goldschmiedsarbeiten. Der Goldtribut wird nicht nur in Beuteln, Ringen und Ziegeln dargebracht, sondern verarbeitet zu den Pharao huldigenden Negerfiguren, ja zu ganzen Miniaturlandschaften, alles nicht ohne Geschick, aber doch in einem recht barbarischen Geschmack. Dabei kommt auch der Stolz einiger Stämme auf ihre hellere Hautfarbe und die Verachtung ihrer schwärzeren Nachbarn zum Ausdruck. 1

Über die Tiefe des Kultureinflusses Ägyptens in Nubien darf man sich auch später keinen Täuschungen hingeben. In der 19. Dynastie hat man es wohl noch in direktere Verwaltung genommen (obwohl der Titel des Vizekönigs stets fortbestand) und es zu kolonisieren versucht. Namentlich Ramses II. spricht von neu angelegten Städten im Lande Kosch; ob in diesen viele ägyptische Ansiedler sich niederließen außer den Soldaten und Beamten, dürfen wir allerdings bezweifeln. Wenn wir die Kultur und den Wohlstand Nubiens nach den damals errichteten Tempelbauten bemessen wollten, so müßten wir es freilich für vollständig ägyptisiert, also hochzivilisiert, reich und blühend halten. Es entstanden nämlich eine ganze Reihe schöner Heiligtümer, darunter z. B. der riesige Felsentempel von Abu-Simbel, eines der großartigsten Bauwerke, das die ägyptische Kunst je geschaffen hat. Diese Heiligtümer waren meistens den mitgebrachten Göttern der Ägypter und dem regierenden göttlichen König, dem Sonnensohn und Tempel- oder auch Stadtgründer, gewidmet; das alte einheimische Pantheon der Unterworfenen fam in ihnen selten zum Ausdruck. So verschwand die alte einheimische

1) Leider läßt sich aus den Bildern niemals festlegen, welche Stämme zu den Roten und Braunen gehörten; die thebanischen Künstler gruppieren die verschiedenen Schattierungen der Barbaren nur, um durch Abwechselung eine hübsche Farbenwirkung zu erzielen, nicht um Material für ethnologische Studien zu liefern.

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Die Goldminen der nubischen Wüste.

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Götterwelt vollständig aus der späteren Religion der Äthiopen; die Pracht der fremden Tempel, ihr Zeremoniell, ihre gebildete Priesterschaft drückten die alten Fetische der Schwarzen, soweit diese nicht schon früher Anerkennung durch ägyptische Tempelbauten gefunden hatten, zu obskuren, tempellosen Bauerngöttern herab, die höchstens im niederen Volk kümmerlich fortvegetieren mochten. Aber damit wurden die Barbaren noch nicht zu Ägyptern und Zivilisierten. Ob das Land damals viel besser angebaut war als jezt, ist eine offene Frage. Jene prächtigen Tempel wurden doch schwerlich allein aus den Mitteln der Provinz errichtet; die Pharaonen werden bei ihren Kolonisationsversuchen wohl große Zuschüsse aus den Mitteln Ägyptens genommen haben.

Nach wie vor blieben die Gold- und Edelsteinminen in den östlichen Wüstenbergen die Hauptsache beim Besiz Nubiens. Sie gehörten allerdings eigentlich nicht recht zu dem oben festgestellten Begriff des Landes, denn sie lagen alle mehrere Tagereisen vom Fluß in der Steinwüste. Die harte Arbeit in diesen trostlosen, glühenden Gegenden ist so aufreibend, daß die Ägypter die Eingeborenen nicht dauernd zum Goldwaschen (S. 10) dorthin treiben fonnten. So deportierte man aus Ägypten Verbrecher dorthin, denen man meist vorher Nase und Ohren abgeschnitten hatte1, und die erwarten mußten, in kurzer Zeit der Hize und der schweren Arbeit zu erliegen. Agatharchides (bei Diodor, 3, 11) hat uns eine gräßliche Beschreibung des Elendes der Strafgefangenen hinterlassen, die noch in ptolemäischer Zeit in diesen königlichen Bergwerken die goldhaltigen Steine gruben, schleppten, zermahlten und wuschen. Nach den erhaltenen Ruinen müssen Tausende dort an der Gewinnung des Goldes gearbeitet haben, das nach der Vorstellung der asiatischen Fürsten, wie sie die Amarnabriefe so häufig ausdrücken, in Ägypten so gewöhnlich war wie Staub. schon am Gold überhaupt ein Fluch hängen soll, - welche Flüche hängen an den herrlichen Goldsachen, die einst Hals und Arme ägyptischer Königinnen schmückten und heutzutage im Museum von Kairo das Entzücken jedes Beschauers erregen! Unter größeren Schwierigkeiten dürfte Gold höchstens in den australischen Minen gewonnen worden sein. Die ägyptische Regierung ließ zwar Zisternen für das im Winter spärlich fallende Regenwasser anlegen und versuchte an manchen Stellen, tiefe Brunnen zu bohren. Am Weg

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1) Vgl. Spiegelberg, Studien und Materialien zum Rechtswesen, S. 75.

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Äthiopien Besiß Ägyptens bis 1100 v. Chr.

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nach den größten Minen drangen freilich die Arbeiter des Königs Sethos (Setoj) I. ohne Resultat 120 Ellen tief in den Felsen ein. Ramses II. will dagegen kraft seiner göttlichen Weisheit an einem anderen Plaz schon bei 12 Ellen Tiefe Wasser gefunden haben.

Von der Verwaltung und Entwickelung des eigentlichen Nubiens erfahren wir wenig. Es war ein verhältnismäßig sicherer Besig der Pharaonen. Daß man die Inschriften über Kriege gegen die „elenden Fürsten" der Schwarzen etwas kritisch aufnehmen muß, ist schon S. 11 gezeigt. Die Sklavenjagden am Blauen oder Weißen Nil, aus denen die Hofpoeten oder Tempelschreiber jederzeit große und ruhmreiche Kriege über gottverhaßte Verächter des königlichen Namens machen konnten, berührten die Verhältnisse der Provinz nördlich von Napata gewiß gar nicht. Die ständigen Plagereien durch die räuberischen Wüstenstämme fielen mehr auf die Schultern des nubischen Bauern als auf die des Vizekönigs, der wohl nicht zu oft seine Truppen hinter dem Diebsgesindel drein schickte, um „die Furcht vor Seiner Majestät in ihre Bäuche zu tun“. Wenn er es aber einmal tat, so schickte er gewiß so großartige Siegesberichte an den Hof, dartuend, wie nun „der Respekt vor dem Herrn beider Länder bis ans Ende der Welt dringe", daß Pharao es nötig fand, die „glorreichen Taten, die der starke Arm des Königs erfochten hatte", zum Besten der Nachwelt in Stein meißeln zu lassen. Also hinter den Berichten von großen Siegen" braucht nicht viel zu stecken. Dazwischen mögen wohl die ansässigen Nubier selbst einmal rebelliert haben. Die Steuern lasteten ja auf dem direkt von den Beamten Pharaos beschüßten" Bauern und der Tribut auf dem Vasallenfürsten gerade schwer genug und wurden unerschwingbar in schlechten Zeitläuften. Wie nun der arme nubische Bauer des 19. Jahrhunderts durch das Plus an Mut und Männlichkeit, das ihn vor dem ägyptischen Fellachen auszeichnete, und durch die Verzweiflung manchmal getrieben wurde, seinen Leib und sein bißchen Habe gegen die Nilpferdpeitsche und die gierigen Hände der Büttel des Pascha, Bey und Agha, zu verteidigen, so dürfen wir uns auch die alte Zeit als nicht frei von gewaltsamen Steuereintreibungen und daraus entspringenden Revolten denken. Aber wie die Arnauten des Pascha mit ihren guten Flinten doch immer zuletzt die armen halbnackten Teufel zu Paaren trieben, so wird auch die gut bewaffnete und organisierte Söldnermacht des „Königssohnes von Kosch", nötigenfalls die des Pharao selbst, immer

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Äthiopien als unabhängiges Königsreich.

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schließlich den Sieg davongetragen haben. Es genügt also hier, zu wiederholen, daß von 1600-1100 v. Chr. die ägyptische Herrschaft fortbestand, wenn auch die Rechnungen des Finanzministeriums im Posten Äthiopien manchmal Lücken aufweisen mochten.

Bald nach 1100 kam aber der große Umschwung, der aus Nubien ein unabhängiges Reich machte und aus dem Statthalter einen König. Über die genaue Zeit und die Umstände sind wir nicht unterrichtet, wissen aber, daß keine nationale Bewegung damit verbunden war, daß vielmehr der Umschwung aus Ägypten kam, nicht in Äthiopien selbst entsprang. Die 21. (tanitische) Dynastie hatte die selbstherrlichen Versuche der Hohenpriester von Theben unterdrückt, die Militärmacht, d. h. die libyschen Generäle, hatten den Versuch, aus Ägypten eine Art Kirchenstaat zu machen, vereitelt. Da scheint sich nun ein Mitglied des priesterlichen Herrscherhauses nach Äthiopien zurückgezogen zu haben, oder der damals regierende, wahrscheinlich jener priesterlichen Familie irgendwie verwandte Prinz von Äthiopien" weigerte sich, die Herrschaft des unrechtmäßigen“ Herrschers aus dem Norden anzuerkennen, und nahm selbst den Königstitel an. So ungefähr muß es zugegangen sein, weil gewisse Eigennamen jene hohepriesterliche und die neue königliche Familie verbinden. Kein Äthiopien für die Äthiopier“, feine nationale Reaktion der nubischen Rasse und Sprache gegen die Ägypter, sondern eine Loslösung von der Zentralregierung, genau wie die des Türken Mohammed Ali von der Regierung in Stambul mit Hilfe der türkischen Beamten und Truppen seiner Provinz. Genau so beim Abfall Äthiopiens durch und für Ägypter. Die schwarze misera contribuens plebs hatte damit nichts zu tun, obwohl sie, als einmal die Tatsache des neuen Reiches bestand, zu diesem hielt.

Wie wenig der neue König sich auf nationale Ideen stüßte, beweist, daß er sich noch lange nicht König von Äthiopien" nannte. Seine Titel waren die des Pharao: König von Ober- und Unterägypten usw. Er betrachtete sich also als den rechtmäßigen König von Ägypten, dem nur widerrechtlich von Rebellen sein Besig vorenthalten wurde, so daß er in der Provinzialstadt Napata wohnen mußte, anstatt in Theben. Darum hatte auch das neue Königreich Äthiopien keinen eigenen Nationalgott; der zum Reichsgott durch die thebanischen Dynastien erhobene Amon von Theben (namentlich später in Widdergestalt oder widderköpfig verehrt) steht an der Spize des Pantheons. Dieser Gott hatte zuvor in der Provinzial

Der alte Orient. VI, 2.

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Die fremde Dynastie der Bevölkerung assimiliert. AD. VI, 2

hauptstadt seinen offiziellen Kult gehabt, wo der Vizekönig wie die Vasallenfürsten stets im Tempel ihre Loyalität dem Reichsgott und der Statue Pharaos anbetend bezeugen konnten. Jezt lag hier ein fertiger offizieller Kult für das neugegründete Reich vor. Dieser Amon vom heiligen Berge" konnte aber natürlich von den Priestern nicht als depossedierter Götterkönig ohne rechten Tempel bezeichnet werden das hätte seiner Verehrung Abbruch getan. Nur daß Theben und der große Reichstempel Thron der beiden Länder" in Karnak eigentlich ihm gehören sollte, das sprach die Priesterschaft bei jeder Gelegenheit aus.

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Wie nun aber der Gott aus Selbsterhaltungstrieb nicht als Depossedierter erscheinen durfte, so mußten auch allmählich König und Staat mit dem Boden verwachsen. Die beim Abfall von Ägypten wirkenden ägyptischen Beamten waren ja nur wenige, und in den Städten saß höchstens ein schwaches Element ägyptischer Sprache und Nationalität (S. 11). Gegen gänzliche Vernegerung und Verblödung der Beamten und Priester schüßte wohl Zuzug aus Ägypten, dessen man ständig bedurfte. Aber während die oben als Parallele angeführte Regierung Mohammed ‘Alis das sie stüßende Soldatenmaterial zu einem großen Teil aus dem Stammland des Herrschers bezog und daraus dann immer wieder neue Beamtenfräfte schuf, ging das im alten Äthiopien nicht an. Die Soldaten mußten Eingeborene sein, und die Offiziere der Schwarzen blieben naturgemäß nicht immer in schüchterner Abhängigkeit von dem Schreibrohr der schlauen, aber feigen Agypter; ihre Unentbehrlichkeit trieb sie von selbst in die Höhe. Wir können den Vorgang, wie das Königshaus so sein ägyptisches Blut verlor, nicht leicht auf den Denkmälern verfolgen, denn da erscheint der Herrscher ja in Wort und Bild immer als reinster Ägypter und echtester Nachkomme der alten Pharaonen. Aber die Eigennamen1 der Könige sind mindestens schon im 8. Jahrhundert v. Chr. nicht mehr ägyp= tisch, und auch die Bilder verraten später manchmal unwillkürlich, daß der angebliche Vollblutägypter auf dem „Thron des Gottes Horus" wollhaarig und dicklippig war. Allmählich bürgert sich auch die Bezeichnung „König des Negerlandes“ neben den alten Pharaonentitularen ein, und so bekommt denn die alte Fiktion von dem allein echten Ägypterkönig in Napata manchen Riß. Gänzlich

1) Natürlich nicht der offizielle Name, den jeder König bei seiner Thronbesteigung annahm. Dieser Name wird dem eines alten berühmten Pharao ganz oder teilweise nachgebildet, aber nicht der Vorname.

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