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Verlust Ägyptens; Äthiopien abhängig.

AO. VI, 2 bestehen. Noch mehr trat das bei seinem Nachfolger Tandamani (wie ihn die Assyrer nennen, Tementhes bei Griechen; Tinwat-Amon in Hieroglyphen geschrieben) zutage. Er fiel 668/7 nochmals in Ägypten ein, und eine lange Inschrift in Napata meldet, welch großartigen Erfolg der infolge eines glückverheißenden Traumes unternommene Zug hatte, wie Memphis besezt wurde, Fürsten Unterägyptens sich dort unterwarfen und ehrfuchtsvoll ein frommes Loblied der Macht Amons aus dem Mund des Königs anhörten. Die Kehrseite zeigen die assyrischen Berichte, nämlich daß assyrische Truppen den Äthiopen sehr bald zwangen, Ägypten zu räumen und nach Kiptip (einem Teil Nubiens?) zu fliehen. Als der schlaue Günstling der Assyrer, Psammetik von Sais, bald darauf die assyrische Herrschaft abschüttelte, regte sich auch wieder Tent-amen mit seinen Ansprüchen, nachdem aber Psammetik der Dodekarchie, d. h. dem bisherigen Vasallensystem, unbarmherzig ein Ende gemacht hatte, war es auch mit jenen Äthiopenansprüchen endgültig vorbei. Das Barbarenreich sank nicht nur zu seiner früheren Bedeutungslosigkeit herab, sondern sah fortab seine eigene Selbständigkeit bedroht.

Versuche der wiedererstarkten ägyptischen Regierung, ihm diese Selbständigkeit zu nehmen, kamen wohl bald. Die Inschrift, welche griechische Söldner eines Königs Psammetichos (I.?) am alten Tempel Ramses II. in Abusimbel eingruben, bezeugt, daß mindestens einmal ägyptische Heere bis gegen den 2. Katarakt vordrangen. Die Äthiopen behielten wohl die alte Grenze bei Shene bei, aber wahrscheinlich ist es, daß sie in eine gewisse politische Abhängigkeit von Ägypten gerieten. Auch als die Perser Ägypten eroberten, zwang ihr König Kambyses sofort die Äthiopen durch einen gewaltigen Zug zur Zahlung eines jährlichen Zinses und Stellung eines Heereskontingentes, wenn es der „König der Könige“ wünschen sollte.1 Die starke persische Besazung von Elephantine war demnach nicht nur Grenzwache, sondern sicherte wohl auch den Tribut der Barbaren.

Von dieser Abhängigkeit von den Herrschern Ägyptens scheinen die Athiopen auch in den nächsten 500 Jahren nur vorübergehend frei geworden zu sein. Sie machten manchmal jenen Herrschern etwas Mühe, und wenn die Ägypter gegen die fremden Herrscher rebellierten

1) Nur ungeschickt suchten die ägyptischen Priester dem wenig kritischen Herodot das zu verschleiern. Was sie ihm von dem großen Menschenverlust des persischen Heeres in dem unwirtlichen Land erzählten, daran mag ja etwas Wahres sein; daß die Könige von Persepolis aber mit vollem Recht die Äthiopen (Kuschija) im keilschriftlichen Verzeichnis ihrer Untertanen aufführten, steht fest.

AD. VI, 2 Abhängigkeit von Persern und Ptolemäern; Verfall.

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(jo z. B. unter Ptolemäus IV. und V.), hören wir von Unterstüßung durch die „Äthiopen“. Indessen durften solche Händel nicht immer dem König von Napata zum Vorwurf gemacht werden. Die halbwilden Stämme im Norden fragten ja für gewöhnlich nach ihrem Oberherrn nicht mehr, als daß sie ihm Tribut zahlten; eine so straffe königliche Verwaltung wie in Ägypten gab es dort nicht. Über die wandernden Wüstenstämme hatte der Äthiopenkönig erst recht wenig Kontrolle. Man vergleiche die Not, welche in unserer Zeit dem Scherif von Marokko die Entschädigungsansprüche, verursacht durch seine nominellen Untertanen, die räuberischen Rif-Be= wohner, machen. Da mußten denn die Herren Ägyptens sich selbst helfen, und die Ptolemäer haben deshalb die räuberischen „Blem= myer“ öfter bekriegt und Teile Nubiens zeitweilig selbst in ihre Verwaltung genommen. Wenn wir bedenken, wie sehr Nubien in seiner Armut wirtschaftlich von Ägypten abhängig war (S. 5) und was es bedeutete, wenn eine Grenzsperre namentlich dem Karawanenhandel mit dem Sudan ein Ende machte, so begreifen wir, daß eine kräftige Regierung Ägyptens auch ohne Heereszüge das Barbarenland leicht in einer gewissen Botmäßigkeit halten konnte. Von festem Tribut der Äthiopen unter den Ptolemäern werden uns gegewiß die Papyrusfunde noch einmal berichten; vgl. ihre huldigenden Gesandtschaften bei der Krönung Energetes II.

Hier ein Wort über die inneren Verhältnisse des Landes. Oberflächlich betrachtet, können die Denkmäler der Äthiopenkönige und ihre Tempelbauten den Irrtum, an eine Ägyptisierung Nubiens zu glauben (S. 14. 18), hervorrufen. Aber das bemerken wir leicht, daß es mit der Kunst auf diesen Denkmälern und mit der Grammatik in den Inschriften rasch abwärts geht, seitdem der Pharaonentraum des Tent-amen zerstoben ist. Nicht, daß das ägyptische Kolonistenelement ausstarb, wie man meinte; dasselbe kam wohl überhaupt kaum in Betracht. Die Äthiopen waren immer auf Ägypten für den Bezug von Künstlern und gebildeten Beamten angewiesen gewesen; nun aber konnte man dorther nur recht minderwertige Kräfte beziehen. Die Inschriften mancher Könige schon der Perserzeit sind im schlechtesten Ägyptisch und in unglaublicher Orthographie abgefaßt, dazu oft von illiteraten Steinmeßen so eingegraben, daß nur die dunkelhäutigen Untertanen solche Zeichen der Gelehrsamkeit bestaunen fonnten.1

1) Einige noch spätere Inschriften sind so schauderhaft, daß die Gelehrten streiten, ob sie überhaupt ägyptisch oder in der Landessprache abgefaßt sein sollen.

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Die Äthiopen Muster der Frömmigkeit. Priestermacht. AÐ. VI, 2

S. 4 ist schon erwähnt, daß die ägyptischen Priester den Ausländern Äthiopien als ein ganz ideales Land schilderten. Die Äthiopen seien das „älteste Volk“, sie zuerst hätten die Götter verehrt und Tempel und Kulte eingerichtet. Auch die ganze ägyptische Kultur stamme daher. Wunderbar, daß andere über sie hörten: sie wüßten in frommer Sitteneinfalt nicht, was Purpurkleider, Goldschmuck, Parfüm, Brot und Wein seien! Aber wegen ihrer Frömmig= keit seien sie jedenfalls die langlebigsten, schönsten und stärksten Menschen, die nur aus Nächstenliebe nicht auf Eroberungen auszögen, obwohl sie die ganze Welt leicht erobern könnten. Die Götter gewähren ihnen alles; Gold haben sie so viel, daß die Übeltäter mit Goldketten gebunden werden usw. So die griechischen Nachrichten um 500, aus denen man sehen kann, was priesterliche Darstellungsfunst vermag.

Die Gründe dieser Trugbilder liegen auf der Hand. Die Äthiopen waren wirklich das frömmste Volk nach ägyptischen Priesterbegriffen, die Bewahrer der guten alten Sitten. In der Befolgung der Reinheitsgeseze gingen sie weiter als die Ägypter, beispielsweise scheint ihnen (oder wenigstens ihren Königen) der Fischgenuß, den sich doch selbst die ägyptischen Priester nur zu gewissen Zeiten versagten, ein so arger Greuel wie der des Schweinefleisches gewesen zu sein. Vor allem aber hatte die Priesterschaft bei ihnen einen Einfluß wie in feinem anderen Land des Altertums. Die Hohenpriester von Napata besaßen schrankenlose Macht über den Herrscher, dem sie gewöhnlich durch Orakel jeden Schritt vorschrieben. Vor allem bestimmten sie die Königswahl. Diodor (3, 5) berichtet: „Die Priester wählen aus ihrer eigenen Zahl1 die Besten aus, von den Ausgewählten aber, wen der Gott, bei einem festlichen Umzug nach ihrer Sitte herumgetragen, sich nimmt2, diesen erkiest die Menge als König, fällt vor ihm nieder und ehrt ihn wie einen Gott". Ähnlich beschreibt auch der fromme israelitische Priester im 1. Buch Samuelis die Wahl des ersten Königs Israels durch das Los, unter der Aufsicht und Anleitung des gottbegeisterten Propheten, der dem Volk dabei vorhält, eigentlich brauche man gar keinen König, der Herr der Heerscharen solle sein Volk durch Vermittelung der inspirierten

1) Einzelne Prinzen mochten vor der Thronbesteignng Priester gewesen sein und der König hatte immer gewisse priesterliche Funktionen, aber die obige Behauptung ist übertrieben.

2) D. h. er bleibt plößlich vor ihm stehen. Die tragenden Priester handeln angeblich unter momentaner göttlicher Inspiration.

AO. VI, 2

Königswahl durch die Priester.

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Priester leiten. Das mag nur geistliche Phantasie sein, die zum Besten der gottlosen Gegenwart ein erbauliches Muster erfindet. In Napata aber bestand tatsächlich alles, so wie es uns Diodor be= schreibt. Eine Inschrift im Amonstempel am heiligen Berg" aufgestellt, erzählt uns, wie es bei der Einseßung des Königs Esperut(a) (ca. 600 v. Chr.) zuging.

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(Nach dem Tod des alten Königs waren alle Beamten in Sorge) und sprachen zum Heer: wohlan, wollen wir unseren Herrn krönen, (denn) wir sind wie Herden ohne Hirten. Da war das Heer in großem Kummer, sagend: unser Herr ist doch bei uns, ohne daß wir ihn kennen. O daß wir ihn wüßten und ihm dienen und ihm untertänig sein könnten, wie die zwei Länder dem Horus, dem Sohn der Isis dienten. . . .! (Diese Sorge wird durch lange fromme Betrachtungen über Gottes Gegenwart, Fürsorge und Macht gemildert. Schließlich sprechen alle einstimmig :) Wohlan! Gehen wir zu Amon vom Heiligen Berge. Nicht wollen wir etwas ohne ihn tun, denn nicht wert ist, was man ohne ihn tut. Wir wollen vor ihm anbeten, den Boden küssen, auf unserem Bauch liegend, und sagen vor ihm: wir sind zu dir gekommen, o Amon, daß du uns unseren Herrn gibst, uns am Leben zu erhalten, Tempel allen Göttern und Göttinnen von Ober- und Unterägypten zu bauen, den Gottesbesiz zu mehren. Nicht tun wir etwas ohne dich. Du bist es, der uns leitet usw. So sagten diese Soldaten insgesamt. Eine sehr schöne Rede war das wirklich, beim Sonnengott (?). Da kamen die Beamten Seiner Majestät samt den Vertrauten des Königshauses zum Amonstempel und trafen die Propheten und höheren Priester, stehend außerhalb des Tempels. Sie sprachen zu ihnen: geht, bringt diesen Gott Amen-Re, (wohnend) inmitten des „Heiligen Berges", damit er uns unseren Herrn zeige usw. Da traten die Propheten und höheren Priester in den Tempel und verrichteten ein Opfer auf seinem Altar. Dann traten die Beamten Sr. Majestät mit den Obersten des Königshauses in den Tempel und warfen sich vor dem Gott auf ihren Bauch (ihm ihren Wunsch vortragend). Da brachten sie die Königsbrüder vor den Gott, aber nicht erwählte er einen von ihnen. Sie brachten zum zweiten Mal den Königsbruder und Sohn N. N., da sprach der Gott Amen-Re, der Herr des Tempels „Thron der zwei Länder“: er ist der König, euer Herr, der euch am Leben erhalten wird, er ist es, der alle Tempel des Süd- und Nordlandes bauen und die Göttereinkünfte vermehren wird. Sein Vater ist mein Sohn, der Sonnensohn N. N.1, der Selige. Seine Mutter ist die Königsschwester und Mutter, die Herrin von Kosch, die Sonnentochter N. N., die ewiglebende. Ihre Mutter war die Königsschwester und -Mutter, die Gottesverehrerin2 des Amenra sonter von Theben, N. N., die Selige (werden noch 5 weibliche Ahnen aufgezählt. Das Heer nimmt die Wahl mit Jubel auf3; der Neuerwählte gibt den Priestern ein großes Fest mit reicher Gabe, darunter 140 Krüge Bier.)

1) Die Namen sind von hier ab alle ausgemeißelt.

2) D. h. sie war nominelle Priesterin und genoß dafür einen Teil der Tempeleinkünfte.

3) So weit die sogenannte „Stele der Jnthronisation", Mariette, Monuments Divers, pl. 9.

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Reaktion gegen den Priestereinfluß.

AD. VI, 2

Man sieht, der Gott beachtet hier noch die Legitimität, die den Interessen der Priesterschaft gerade nicht entgegensteht; als dadurch irgendwie gebunden erscheint er aber nicht. Freilich, so ganz idyllisch fromm geht es auch nicht immer zu. Der hier Gewählte wurde. später einmal als Tyrann von den Priestern oder dem nächsten König erklärt, denn auf der oben teilweise überseßten Steininschrift ist sein Name und der seiner Vorfahren ausgemeißelt. Der Gott hat dann wohl sein Orakel bereut und zurückgenommen. Der König Nestasen(n) (oder -senj) berichtet, daß er sich in Meroe, wo er Statthalter gewesen zu sein scheint, einfach selbst auf den Thron sezte. Er rief alle Königsbrüder zusammen und forderte sie auf: kommt (nach Napata!), sucht mit mir, bestimmt unseren Fürsten!" Sie lehnten aber angeblich ab: er sei der Würdigste und eine Wahl unnötige Formalität. In Napata wurde der Usurpator von der Priesterschaft allerdings bestätigt, mußte aber noch das Heer eines anderen Kronprätendenten nördlich von dieser Stadt besiegen. Manchmal mag also die Priesterschaft sich vor der weltlichen Macht unwillig gebeugt haben; viel öfter wird sie den ihr genehmen Kandidaten durchgesezt haben. Nach 500 v. Chr. mußte mit dem zunehmenden Verkommen von Reich und Kultur die Macht des Priestertums noch steigen. Was Diodor weiterhin (3,6; 177) erzählt, ist gar nicht so unglaublich. Die Priester hätten den ihnen nicht mehr genehmen Regenten einfach ein Orakel zugehen lassen: der König sei der Götterliebling nicht mehr und solle Selbstmord begehen. Diesem Götterwunsch habe sich der Scheinherrscher einfach gefügt. Das mag wirklich öfter vorgekommen sein, da die Priester gewöhnlich mächtiger waren als der König.

Die Griechen berichten von einem großen Umschwung unter der Herrschaft des 2. (lies wahrscheinlich 4.) Ptolemäus, also um 210 v. Chr. Der tatkräftige und griechisch gebildete König Ergamenes soll endlich einmal den Mut gewonnen haben, der Priesterherrschaft ein Ende zu machen. Er habe seine Soldaten gegen das goldene Heiligtum" (so nennen es auch die Inschriften) geführt, alle Priester abgeschlachtet und die Königsgewalt wirklich in seine Hände ge= nommen. Darum hat dieser kühne Mann sein Grabmal nicht im heiligen Napata gebaut1, sondern in der südlichen Hauptstadt Meroe (S. 20). Er wird nicht der erste gewesen sein, der die priesterliche Bevormundung abzuschütteln suchte, und auch nicht der lezte, denn

1) Allerdings scheinen zwei Könige desselben Namens auf den Denkmälern vorzukommen.

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