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AD. VI, 2 Stellung der Königinmutter. Staatseinkünfte. Kulturberfall. 29

einen nachhaltigen Umschwung der Verhältnisse können wir seit seiner Regierung nicht erkennen. Der einfältig gläubige Konservatismus der frommen Bevölkerung ließ immer wieder eine Reaktion zu.

Eigentümlich ist, daß das Mutterrecht der Südsemiten und Hamiten als Legitimitätsprinzip zum Ausdruck kommt. Oben sahen wir, wie in der „Inthronisationsstele" der Stammbaum der Mutter sorgfältig aufgeführt wird, nicht der des Vaters. Das ist kein Zufall, nicht aus geringerer Legitimität des Vaters zu erklären. Die Mutter des Königs ist sogar stets Mitregentin, und sie (so die zwei Kandake genannten Königinnen der Römerzeit) hat oft die Zügel der Regierung tatsächlich mehr in den Händen als ihr Sohn, obwohl es zweifelhaft ist, ob je ein Weib ganz allein, ohne einen nominellen König, regiert hat.

Gelegenheit zu Kriegstaten bot sich den Königen im Norden wenig wegen der mächtigeren Nachbarn; in der Wüste gegen das Rote Meer zu war von den Nomadenstämmen nicht viel Beute zu holen. Aber die Negerstämme den Blauen und Weißen Nil hinauf konnte man leicht ebenso ausplündern und durch Sklavenjagden dezimieren, wie es früher die ägyptischen Statthalter getan hatten, weil den Wilden die staatliche Organisation zur Abwehr fehlte. Der nach 500 v. Chr. regierende König Nastosenn (s. o.) berichtet von einem Kriegszug, der 209,659 Rinder, 505,349 Schafe und Ziegen, 2236 Menschen, 322 Doppeldrachmen Gold lieferte; ein andermal brachte er 203,216 Rinder und 603,107 Stück anderes Vieh heim usw. Mit solchen „Einnahmequellen“ konnte er leicht an den Perserkönig einen hübschen Tribut zahlen und den Tempeln. reiche Geschenke machen. Die von Ferlini erfolgreich geöffnete Grabpyramide einer Königin lieferte reichen Goldschmuck, der freilich durchgängig die Hand ägyptischer Künstler verrät (jezt im Berliner und Münchner Museum). Die altägyptischen Mustern nachgebildeten Grabpyramiden der Könige sehen aber alle recht dürftig aus, wenn man sie mit den ägyptischen Königsgräbern vergleicht. Daß die Skulpturen an Gräbern und Tempeln noch mehr von ihren altägyptischen Vorbildern abfallen, ist S. 25 schon gesagt. Echt barbarisch ist der Stolz, mit dem die unförmliche Dicke der Königinnen und Königsmütter von den Bildhauern wohlgefällig hervorgehoben wird. In der römischen Zeit sehen die Künstler sich auch über die hergebrachte Forderung, altägyptische Tracht auf den Bildern darzustellen, mehr weg und bringen bei den nilpferdartig dicken weiblichen Majestäten riesig lange Fingernägel, Tätowierung des Gesichtes usw. zur An

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Fremde Kultureinflüsse in der Spätzeit.

AO. VI, 2 schauung. Kurzum, die ägyptische Tünche fällt immer mehr ab und zeigt uns ein echtes Barbarenland.1

Von fremden Kultureinflüssen wäre dieses Land freilich noch immer genügend erreicht worden. Noch rühmen sich ägyptische Priester und Schreiber inschriftlich, Beamte des Königs des Negerlandes" gewesen zu sein. In der Apostelgeschichte (8, 27) lesen wir von einem „äthiopischen Mann, einem Eunuchen (was nur Hofbeamter heißen wird) und hohen Beamten der Kandake, einer Königin der Äthiopen, der über ihre ganze Schazkammer gesezt war und kam nach Jerusalem, um anzubeten". Das war kein schwarzer Proselyt, sondern ein (ägyptischer?) Jude, der die Geschäftsgewandheit seines Stammes in den Dienst der Nubierin gestellt hatte. Über griechische Einflüsse vgl. S. 28. Auf fremde Anregungen geht es offenbar auch zurück, daß mindestens seit dem Anfang der Ptolemäerzeit in Äthiopien neben den für den Kult und die Staatsinschriften gebrauchten Hieroglyphen (die natürlich nur wenigen fremden Schreibern verständlich waren) eine einfache Kursivschrift von etwa 30 Zeichen für die Landessprache im Gebrauch war.2 4:113111 13 Swyję :155243:4 w 113:14 011 5 & 333

:14 ~// // 332:150/1.2W

Grabinschrift eines Königs von seiner Pyramide in Napata.

In römischer Zeit finden wir sogar im äußersten Süden (wo es keine ältere ägyptische Überlieferung für die Lokalgottheiten gab) mehrköpfige Götterbilder, die sich unzweifelhaft an indische Göttertypen anlehnen; indische Seefahrer übten damals einen eher stärkeren Einfluß an der ganzen Ostküste Afrikas aus als heutzutage und

1) Die von Diodor (3, 7) erzählte Sitte, daß der ganze Hof eine Verstümmelung oder einen Körperfehler des Königs loyal nachmachen und sich 3. B. um ein Glied berauben müsse, könnte schließlich auch auf einem wirklichen Vorkommnis beruhen. In Afrika ist dergleichen schon denkbar.

2) Bis jezt sind die in dieser meroitischen Schrift abgefaßten Inschriften nicht entziffert, und so können wir nicht sicher sagen, ob die Ähnlichkeit mancher Zeichen, die Fähigkeit der Ligatur und der aus zwei Punkten bestehende Worttrenner, sowie die Richtung nach links, mit Recht eine Ableitung des Systems von einem der südarabischen Alphabete vermuten lassen. Andernfalls müßte man an eine sehr freie Entwicklung aus der sogenannten „demotischen“ Kurzschrift der Spätägypter zunächst denken.

AD. VI, 2 Krieg mit den Römern; Auflösung des Reiches.

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Ausläufer dieses Einflusses mochten sogar das Niltal erreichen. Aber alle diese Einflüsse änderten nicht viel am Charakter des Staates und an der Anspruchslosigkeit und Einfalt seiner Bevölkerung.

Das Sinken und Ende des Reiches beschleunigt die Übernahme der Herrschaft über Ägypten durch die Römer. C. Cornelius Gallus, der erste Statthalter Ägyptens, berichtet stolz, daß er in Philae die Gesandten der Äthiopen empfing, den König derselben in ein „Schußverhältnis" zu Rom stellte (das offenbar wohl schon vorher zu den Königen von Alexandria bestanden hatte, vgl. S. 25) und über den Triafontaschoenus, d. h. Unternubien (bis Hierasykaminos?), einen eingeborenen Herrscher sezte. Gewiß war der Äthiopenkönig namentlich mit der lezteren Einschränkung seiner Macht unzufrieden. Im Jahr 23 v. Chr. provozierte die einäugige Königinmutter Kandake einen Krieg mit Rom, in Überschäzung ihrer Macht. Die paar hundert römischen Soldaten, welche die Grenzwache bei Syene bildeten, wurden zwar niedergemacht, aber die Rache der Römer kam bald. Vor den Reihen der schwergerüsteten Legionssoldaten zerstoben die halbnackten Barbarenhaufen, und schließlich wurde Napata eingenommen und zerstört. Damit war die Macht des alten Reiches gebrochen. Neros Spione berichteten, daß sie die altheilige Hauptstadt in Trümmer fanden; man scheint wohl noch später etwas an den verfallenden Tempeln herumgebessert zu haben, aber der Untergang der Stadt war besiegelt. Das Schlimmste war, daß die Autorität des Königs von Meroe den Todesstoß erhalten hatte; wir hören fortan nur von den kleinen Häuptlingen der Nobaden (d. h. Nuba) und Blemmyer, nicht weil diese Völker, wie man ge= meint hat, an Stelle der „zivilisierten Äthiopen" eingewandert waren (vgl. dagegen S. 6; 19), sondern weil der Partikularismus der Einzelstämme nun freien Lauf hatte. Eine Einigung des Reiches gelang den Königen von Meroe nicht mehr, vor allem wohl, weil die römische Politik sie schlau hintertrieb. In Meroe und den be= nachbarten Städten Naga und Soba erhielt sich noch lange ein verkümmernder, immer mehr die frühere Zivilisationstünche verlierender Rest des alten Reiches; möglicherweise war das spätere christliche Königreich von Alua noch auf dessen Rechtstitel gegründet. Aber die dunkle Geschichte dieser verschollenen Reste kann hier so wenig untersucht werden, wie die der kleinen Plagereien, welche die unabhängigen Stämme im Norden den Römern oft machten. Interessant ist nur, daß diese Stämme viel länger als die Ägypter selbst an den altheidnischen Religionsformen festhielten, so daß die

32 Blemmyer und Nobaden. Die abessynischen „Äthiopen“. AO. VI, 2

oströmischen Kaiser den Isistempel in Philae noch für die Nubier und Blemmyer offen lassen mußten, als längst jeder heidnische Tempel in Ägypten geschlossen war. Die altägyptische Kultur war freilich bei ihnen längst abgestorben; die größeren Häuptlinge der Nubier hielten sich bestenfalls einen griechischen Schreiber. Erst das spät angenommene und um so zäher gegen die Mosleme lange verteidigte Christentum hob die Kultur des Landes wieder etwas.

Sicherlich hat mehr als ein Leser die außerordentlich weitreichende Verwechselung Äthiopiens und Abessyniens im Kopfe und fragt, wo hier die Könige von Arum 2c. bleiben. Diese unselige Verwechselung ist daraus entstanden, daß die semitischen Eroberer Abessyniens von griechisch-ägyptischen Seefahrern die Unterscheidung zwischen den zivilisierten Äthiopen und den partikularistischen, weniger geachteten, Nubiern oder Nobaden zu einer Zeit aufgriffen, wo das Reich von Meroe noch in leidlicher Achtung stand. Darum nannten sie ihr Reich Itejopeja und die anderssprachigen Abessynier Noba.1 Diese Namensübertragung ist so gebräuchlich geworden, daß bei dem Ausdruck äthiopische Sprache“ jezt wohl selten jemand an die eigentlichen schwarzen Niltaläthiopen denkt. Leider sind, wie gesagt, diese dadurch so mit den semitischen Herren des Hochlandes von Axum zusammengemengt worden, daß selbst Gelehrte die Arumiten am Nil herrschen und wohnen, die Ägypter als Herren von „Äthiopien“ am Tzana-See streifen x. lassen. Dem gegenüber ist festzustellen, daß beide Äthiopen" nichts miteinander geographisch, politisch oder ethnographisch zu tun haben. Die Ägypter sind nie, weder vom Blauen Nil noch vom Roten Meer aus, in die abessynischen Hochländer vorgedrungen, ebensowenig die Könige von Napata, und umgekehrt hat schwerlich einer der arumitischen Äthiopen"-Könige je meroitisches Gebiet erobernd betreten.

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1) Daß dieser lettere Ausdruck in der großen Inschrift von Arum (Rüppel II, Bent IV) nicht wörtlich (ethnographisch) zu verstehen ist, zeigen die Personennamen. Die Noba, wie die „roten Noba“ und Kasu waren Hamitenstämme (Agau), dazu stimmen auch die Size dieser Stämme, welche man ungerechtfertigterweise in die Gegend von Meroe hat verlegen wollen. Noba bedeutet einfach: Unzivilisierte, Barbaren.

Sanherib

König von Assyrien 705–681

Eine Skizze

von

Dr. Otto Weber

Leipzig

J. E. Hinrichs'sche Buchhandlung

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