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17 Athyr. Ungünstig, ungünstig, ungünstig. Ankunft der obern und untern Großen in Abydos, wobei sie laut weinen. Große Wehklage der Isis und Nephthys um Das gute Wesen (Osiris), ihren Bruder, in Sais. Eine Klage, die man bis nach Abydos hört. Diese Worte spielen auf eine Episode der Osirismythe an. Nach einer bei dem griechischen Schriftsteller Plutarch erhaltenen Angabe wurde der Gott Osiris am 17. Athyr von seinem Bruder Set ermordet. Seine Schwestern Isis und Nephthys weilten damals in dem unterägyptischen Mittelpunkte des Osiriskultes, in der Stadt Sais, in der man die von den griechischen Reisenden mehrfach ge= schilderten jog. Osirismysterien feierte, d. h. in dramatischen Vorführungen Sterben und Auferstehen des Gottes darstellte. Auf die Kunde von dem Tode des Osiris brachen die Schwestern in Klagen aus, ihr Jammergeschrei war so groß, daß man es in dem oberägyptischen Hauptkultorte des Osiris, in Abydos vernahm. Dorthin begaben sich in diesem Augenblicke die Großen des Landes, um die Bestattung des Gottes zu vollziehen, denn hier lag das höchstangesehene Osirisgrab, welches den wichtigsten Teils des göttlichen Körpers, das Haupt, bergen sollte.

13 Mechir. Ungünstig, ungünstig, ungünstig. Gehe auf keine Weise an diesem Tage heraus. An diesem Tage ward das Auge der Göttin Sechet entseßlich, es erfüllte die Felder mit Verwüstung (?) an diesem Tage. Gehe an ihm nicht bei Sonnenaufgang heraus. Hier denkt man an eine bekannte ägyptische Mythe, derzufolge sich einst die Menschen gegen ihren König, den Sonnengott, verschworen. Um sie zu strafen, schickte dieser sein Auge, die Göttin Sechet, in der man eine Verkörperung der versengenden Sonnenglut sah; die Göttin richtete unter den Menschen ein so furchtbares Gemezel an, daß die Felder eines großen Teiles Ägyptens von Blut bedeckt waren. Wenn man auch im allgemeinen annahm, dieses Ereignis werde sich nicht wiederholen, so war man doch davon nicht vollkommen überzeugt. Man trug Amulette, welche die Sechet und das Sonnenauge nebeneinander zeigten, und hierdurch ihren Träger gegen eine etwaige Vernichtung sicher stellten. Unser Text rät, von ähnlichen Befürchtungen ausgehend, am Jahrestage des schrecklichen Ereignisses lieber nicht das Haus zu verlassen, vor allem nicht bei Sonnenaufgang, also in dem Augenblicke, in dem die Macht der Sonne zuerst in die Erscheinung trat.

Anschließend an die Gedankengänge, welche in dem ägyptischen Kalender ihren Ausdruck gefunden haben, entwickelte sich bei manchen

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Wundererscheinungen und Menschengeschick.

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Völkern eine weitere Vorstellung. Wenn sich am Himmel oder auf Erden ein wunderbares Naturereignis abspielte und ein historisches Ereignis dieses begleitete oder ihm folgte, dann sollte sich bei Wiedereintritt des gleichen Naturereignisses auch die gleiche Historische Begebenheit wieder einstellen. Brach demnach ein Krieg in dem Augenblicke aus, in dem die Planeten eine bestimmte Kon= stellation zeigten, so bedeutete die Wiederkehr der Konstellation Krieg. Wurde eine Mißgeburt entdeckt und starb gleichzeitig der König, so bedeutete ähnliche Mißgeburt wiederum das Ableben eines Herrschers. Man erkannte offenbar in der gegenseitigen Stellung der Gestirne ebenso wie in dem Auftreten von Wundererscheinungen mythologische Ereignisse, welche ihre Wirkung auf das menschliche Leben nach bestimmten Gesehen ausüben mußten. Hiervon ausgehend haben die babylonisch-assyrischen Stämme eifrig die Himmelserscheinungen und die gleichzeitigen irdischen Vorgänge verzeichnet, haben die Römer Jahr für Jahr die Wundererschei= nungen gesammelt, und sind die mittelalterlichen Chronisten ihrem Beispiele gefolgt.

In Ägypten haben sich Listen derartiger Dinge bisher nicht gefunden, aber mancherlei Andeutungen sprechen dafür, daß auch hier gleiche Ursachen gleiche Wirkungen hervorriefen. Eine Inschrift bringt ein schreckliches Aussehen des Himmels mit Unheil im ägyptischen Lande in Verbindung. In den erhalten gebliebenen Auszügen aus der am Anfange des 3. Jahrhunderts v. Chr. verfaßten Geschichte Ägyptens des Manetho und in ähnlichen Werken sind mehrfach Wundererscheinungen aufgeführt, für die sich vor allem die Volkssage interessierte. Der Nil sollte mehrere Tage von Honig geflossen sein, ein achtbeiniges Lamm habe sich gezeigt, und ähnliches mehr. Auch sonst brachte der Ägypter scheinbar zufällige Erscheinungen mit künftigen Ereignissen in Verbindung. Der um 1800 v. Chr. aus älteren Materialien zusammengestellte Papyrus Ebers erklärt, wenn ein Kind am Tage seiner Geburt ni sage, jo werde es leben, sage es aber mba, jo werde es sterben.

Es fonnte nicht ausbleiben, daß die Voraussagen, welche man solchen Begebenheiten entnahm, oder in den Kalendern vorfand, oder aus den Eigenschaften der Zeitregenten berechnete, bisweilen nicht eintrafen. Das lag aber nach der Überzeugung der Ägypter nicht etwa daran, daß die Prognose unrichtig gewesen wäre. crklärte sich vielmehr daraus, daß es einer widerstrebenden Macht gelungen war, das Gesez zu durchbrechen. Wie in der Menschen=

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Sorge für die Götter.

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welt der Mächtige sich über das Gesez stellen konnte, nicht nur um in bösem Sinne zu schaden, sondern auch um wohltätig dem Bedrängten zu nüßen und sein trübes Los zu mildern, so konnte es auch im Reiche der Götter geschehen. Die Gottheiten hatten, je nach ihrer Macht, gegebenenfalls das Vermögen, die althergebrachte Ordnung der Dinge in dieser Welt zu durchbrechen, um ihren Günstlingen ein widriges Geschick zu ersparen, ihren Feinden einen nicht vorherzusehenden Schaden zuzufügen. Sie konnten dies aus freier Entschließung tun, doch geschah dies verhältnismäßig selten, sie konnten aber auch, und das ist nach ägyptischer Anschauung die Regel, dazu gewungen werden. Dies geschah durch die magischen Formeln, welche den Grundstock der gesamten ägyptischen Religionsübung bildeten.

Der Verkehr zwischen Menschheit und Gottheit vollzog sich im Niltale zunächst auf materielle Weise. Der Mensch erbaute dem Gotte ein Haus, in dem er wohnen konnte, und stattete die Räume dieses Tempels mit allem dem aus, was ihm selbst das Leben reich machte, mit Geräten und Schmuck, mit Malerei und Statuen, mit Dienern und Vieh, bei einigen Tempeln sogar mit einem reich besezten Harem. Dann brachte er zu bestimmten Zeiten dem Gotte Speise und Trank, um ihn vor Hunger und Durst zu bewahren, Kleider, Weihrauch und Schminken, um ihm ein schönes Auftreten zu ge= statten usf. Nicht immer war der Gott der endgültige Empfänger der Gaben; häufig sollte er nur als Mittler dienen und das, was er erhielt, vollständig oder auch nur teilweise einem genau bezeichneten Toten überlassen. Für die Opfer, die ihm selbst galten, hatte sich der Gott erkenntlich zu zeigen und dem Menschen aus dem Schage seiner göttlichen Macht eine Gegengabe zukommen zu Lassen, Leben, Beständigkeit, Macht, Freude, Gesundheit, Sieg über Widersacher und anderes mehr. Erfüllte er diese moralische Verpflichtung nicht, so lief er Gefahr, daß ihm die Opfer entzogen wurden und er dadurch in peinliche Lage geriet. Denn dann war er gezwungen, sich den nötigen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu erwerben. Gelang ihm dies nicht, so mußte er ebenso verfahren, wie der Verstorbene in gleicher Lage, er mußte suchen, sich von besser Gestellten Nahrung zu rauben, wollte er nicht an den Toren der Ortschaften die Kehrichthaufen nach Eßbarem durchstöbern oder gar Kot essen und Harn trinken, um dem drohenden Hungertode zu entgehen.

Man muß bei der Beurteilung derartiger Anschauungen stets

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Töten und Bedrohen der Götter.

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im Auge behalten, daß für den alten Ägypter die Neubelebung nach dem Tode nicht ohne weiteres mit einem ewigen Leben zusammenfällt. Jederzeit konnte dieses zweite Leben ein jähes Ende finden; dem Gotte drohte wie dem lebenden Menschen von anderen Göttern oder Menschen der Tod, dem auferstandenen Verstorbenen der zweite Tod, der dann ein endgiltiges Ende des Daseins bedeutete.

Geradezu töten freilich konnte der Mensch den Gott nur in den Fällen, in denen sich die Gottheit in einer irdisch faßbaren Gestalt verkörpert hatte, deren der Mensch habhaft zu werden vermochte. So war es möglich die Form des Gottes Ptah, die sich in dem Apisstiere befand, umzubringen, indem man den Stier erschlug. In gleicher Weise konnte ein Osiris im Bock von Mendes den Tod finden, oder wurden die Gottheiten, welche in Steinen oder Geräten weilten, durch Zerbrechen und Vernichten ihrer Size aus dem diesseitigen Leben vertrieben. Allein, ein solcher Mord befreite den Menschen nicht völlig von der getöteten Gottheit. Diese erstand nunmehr, geradeso wie der sterbende Mensch, zu einem zweiten Dasein und mußte naturgemäß bestrebt sein, aus diesem heraus sich an dem Mörder zu rächen und diesen seinerseits zu vernichten. Bekannt ist in diesem Zusammenhange die Überlieferung, daß Kambyses sich an der gleichen Stelle die todbringende Wunde zufügte, an der er einst in Ägypten den Apisstier verlegte.

Das Töten der Götter war demnach ein gefährliches Unternehmen, vor dem die Ägypter im allgemeinen zurückgeschreckt sein werden. Vorsichtiger und dabei gleichen Erfolg versprechend war es, wenn je der auf Erden weilende Gott sich unfreundlich zeigte, oder der im Jenseits befindliche sich dem menschlichen Willen nicht fügen wollte, wenn man dann versuchte, die höheren Wesen durch Drohungen zu erschrecken. Man entzog ihnen auf kürzere oder längere Zeit die Opfergaben, sagte ihnen die Verehrung auf, griff auch zu schärferen Mitteln, entsprechend den Sitten zahlreicher anderer Völker, welche widerspenstige Gottheiten binden, schlagen, in das Wasser werfen, um sie zur Betätigung ihrer Macht zugunsten des augenblicklichen Verehrers und Bittenden zu veranlassen.

Um ihren Drohungen entsprechenden Nachdruck zu geben, erklärten die Beschwörenden gern, sie wären ein bestimmter Gott oder eine Göttin. Wenn ihr Wille nicht geschehe, dann würden sie auf Grund der ihnen innewohnenden göttlichen Kraft den widerstreben= den Dämon strafen, oder auch alle Götter, die nicht ihnen willfährig wären, vernichten. So gibt sich beispielsweise in einem Papyrus der

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Drohung mit Vernichtung der Welt.

AD. VI, 4 Zeit um 1100 v. Chr. eine Gebärende für die Göttin Isis aus und fordert die Götter auf, ihr bei ihrer Niederkunft behülflich zu sein. Wenn Ihr das nicht wollt, fährt sie dann etwa fort, „dann sollst Du vernichtet werden, Neunheit der Götter. Der Himmel soll nicht mehr bestehen. Die Erde soll nicht mehr bestehen. Die fünf das Jahr voll machenden Schalttage sollen nicht mehr bestehen. Es soll den Göttern, den Herrn von Heliopolis, nicht mehr geopfert werden. Schwachheit soll herrschen im Himmel des Südens, damit Unglück hervorgehe vom Himmel des Nordens. Weheruf soll aus dem Grabe erschallen, die Mittagssonne soll nicht länger leuchten, der Nil nicht mehr zur gewohnten Zeit sein Überschwemmungswasser senden. Nicht ich bin es, die spricht; nicht ich bin es, die die Worte wiederholt. Isis ist es, die spricht; Isis ist es, die die Worte wiederholt, damit Ihr ihr helft, ihren Sohn Horus, den Rächer seines Vaters, zu gebären.“

Diese Art, die Götter durch Drohungen zu erschrecken, ist im Niltale bis in die hellenistische Zeit hinein üblich geblieben. Gelegentlich erhoben sich auch hier Stimmen gegen eine derartige Niedrigschäzung der göttlichen Einsicht, die den Betrug in den Behauptungen der Redenden nicht erkennen sollte. Man spottete über die Magier, die Himmel und Erde zu zerstören drohten, und die doch keines wirklichen Erfolges sich rühmen konnten. Geändert hat solcher Spott an der Sache nichts, der Gebrauch ähnlicher Zauberformeln läßt sich bis in die Neuzeit hinein an zahlreichen Beispielen verfolgen.

Die oben besprochene Beschwörung wurzelt in der Art ihrer Verwertung bereits in dem zweiten, mehr ideellen Wege, auf dem sich der Verkehr zwischen den Menschen und den höhern Mächten vollzog. Nicht nur mittelst materiell faßbarer Gaben konnte man sich letzteren nahen. Man konnte sich auch der Rede bedienen, indem man Worte entweder nur aussprach, oder ihre Hersagung mit Gesten und Handlungen begleitete. Bei diesen Sprüchen lassen sich zwei große Klassen unterscheiden, die Hymnen an die Gottheiten und die magischen Formeln, wobei lettere, wenigstens in dem erhalten gebliebenen Materiale, bei weitem überwiegen.

Die Hymnen sind dazu bestimmt, ohne den Hintergedanken, in einer augenblicklichen Notlage Hülfe zu gewinnen, der Verehrung des Menschen gegenüber besonders genannten Gottheiten Ausdruck zu geben. Dabei bildeten sie gelegentlich die einmalige Äußerung der Empfindung des Einzelnen, der sie gedichtet hatte. Häufiger

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