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Magie und Zauberei im alten Ägypten

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Dr. Alfred Wiedemann

Professor an der Universität Bonn

Leipzig

J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung

Der Alte Orient.

Gemeinverständliche Darstellungen

herausgegeben von der

Corderasiatischen Gesellschaft.

6. Jahrgang, Heft 4.

Wegen der vielfach erweiterten Neudrucke empfiehlt es sich, fortab nach Jahrgang, Heft und Seitenzahl zu zitieren und eine zweite oder weitere Auflage mit hochstehender Ziffer anzudeuten, also z. B.: AD. IV, 2a S. Alter Orient, 4. Jahrg., 2. Heft, 2. Aufl. Seite

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Die Entdeckungen der lezten Zeit haben gezeigt, daß die Unterhaltungsliteratur der alten Ägypter weit umfangreicher war, als man noch vor wenigen Jahrzehnten angenommen hatte. Das Volk an den Ufern des Nils hatte sich, wie die von ihm überkommenen Papyri lehren, von früher Vorzeit an ebenso gut an Liedern, Märchen und Sagen ergözt, wie irgend ein anderes Volk des Orients oder Occidents1. Aber, von der ungeheuren Menge der auf Stein und Papyrus aus Altägypten erhaltenen Aufzeichnungen bildet doch die Unterhaltungsliteratur nur einen sehr unbedeutenden Bruchteil. Selbst, wenn man zu diesem alles das hinzurechnete, was im weitesten Sinne des Wortes der historischen Literatur oder den weltlichen Wissenschaften angehört, so bliebe es immer noch verschwindend wenig im Vergleiche zu dem Raume, der der Religion oder, genauer ausgedrückt, der Magie gewidmet ist.

Nach der Anschauung, welche während der ganzen Dauer der ägyptischen Kultur die herrschende blieb, unterstand alles in dieser wie in der jenseitigen Welt der Gottheit. Dies geschah jedoch nicht in dem Sinne, daß ein Gott nach eigenem Gutdünken und freiem Ermessen die von ihm in das Leben gerufene Welt beherrschte. Solche monotheistische Vorstellungen, wie sie der Islam, das Judentum, das Christentum in mehr oder weniger bewußter Klarheit entwickelten, lagen dem alten Ägypter stets fern. Bei ihm hat auch die Lehre nicht allgemein durchzudringen und die Herrschaft zu gewinnen vermocht, welche die Schulbuchmythologie den Griechen und Römern zuzuschreiben pflegt, daß der Olymp annähernd nach Art einer irdischen Monarchie geordnet gewesen sei. An der Spize stehe ein Götterkönig, umgeben von seiner Familie und anderen Gottheiten, welche im allgemeinen als seine Diener und Beamte tätig waren. Wenn sie gelegentlich einmal versuchten, gegen den Obergott Widerstand zu leisten, so würden sie regelmäßig bald unterworfen und müßten sich seiner überlegenen Macht und Einsicht beugen.

Am Nile tauchten nur verhältnismäßig selten derartige Gedanken im Kreise einzelner Priesterschulen auf. Es geschah das vor

1) Vgl. A. Wiedemann, Die Unterhaltungsliteratur der alten Ägypter (Jahrgang III, Heft 4 des „Alten Orients").

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Götterfönige.

AO. VI, 4 allem in den Zeiten, in denen sich das Pharaonentum im Lande zu einer straffen Autokratie entwickelte, wie in der Blüteperiode des Reiches zwischen 1600 und 1200 v. Chr. Da der Ägypter, so gut wie fast alle Völker der Erde annahm, die Götter lebten in ihrem Reiche etwa so wie die Menschen auf Erden, so projizierte er damals die augenblicklichen irdischen Verhältnisse auf das Jenseits und ließ auch dort den einen oder anderen Gott als unumschränkten König der Götter sein Szepter schwingen. Dann „wedeln", wie ein Papyrus aus dem ausgehenden zweiten Jahrtausend v. Chr. jagt, die Götter wie Hunde zu seinen Füßen, wenn sie Seine Majestät erkennen als ihren Herrn, als den Herrn der Furcht, den Fürsten der Tapferkeit, den Großen der Geister." Aber, wie auf Erden die absolute Monarchie in Ägypten stets nur kurze Zeit ein ungestörtes Dasein zu führen vermochte, um bald den Selbstständigkeitsgelüsten der Großen des Reiches zum Opfer zu fallen, so erging es auch diesen Götterkönigen. Bald machten ihnen andere Götter die Macht streitig und traten gelegentlich an ihre Stelle, um freilich nach kurzer Frist ihrerseits gleichfalls zu Falle zu kommen. Doch wenn es nicht gleich zum äußersten kam, selbst während der Zeit ihrer höchsten Blüte war die Macht eines derartigen Obergottes nicht unbestritten.

Man kann diese Entwicklung am besten bei dem Gotte Amon von Theben verfolgen, da für diesen ein ungemein reiches Inschriftenmaterial, vor allem an den Wänden seines großen Tempels zu Karnak, der Forschung vorliegt. Diesen Amon haben die Pharaonen der 18. bis 21. Dynastie, während des größten Teiles des zweiten Jahrtausends v. Chr., als Obergott verehrt, als den Schöpfer der Welt, der Götter und aller Wejen gepriesen. Aber, darum hat in der gleichen Zeitperiode beispielsweise der Gott Ptah von Memphis nicht auf seine göttlichen Ansprüche verzichtet. Auch er nennt sich König der Götter, und sein Einfluß war groß genug, um dieselben Pharaonen, welche dem Amon in so hohem Maße huldigten, zu zwingen, dem memphitischen Gotte neben dem großen Amon-Tempel in Karnak ein besonderes, reich ausgestattetes Heiligtum zu errichten. In derselben Lage wie Ptah befand sich eine lange Reihe anderer Götter, Osiris von Abydos, Month von Hermonthis, Ra von Heliopolis, sie alle traten mit mehr oder weniger Glück mit Amon in Wettbewerb. Nur einmal, während der dreitausendjährigen Dauer der ägyptischen Geschichte, ist der Versuch gemacht worden, mit Hilfe der Staatsgewalt einem bestimmten

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