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AO. VI, 4

Schmeichelei vor den Göttern.

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Gotte die Herrschaft über Himmel und Erde zu sichern. Dies geschah, als um 1450 v. Chr. Amenophis IV. den Sonnengott Aten zum Reichsgotte zu erheben trachtete. Nur wenige Jahre vermochte der Druck von oben dem Gotte diese Stellung zu bewahren, die anderen Götter und ihre Priesterkollegien wollten sich dem Machtspruche Pharao's nicht fügen, der religiöse Zwist führte zum politischen Niedergange des Staates. Mit dem Tode der unmittel= baren Verwandten Amenophis' IV. trat Aten wieder in den Hintergrund. Er hat es nicht vermocht, noch einmal Einfluß zu ge= winnen; weder für ihn noch für einen anderen Gott ist je im alten Ägypten ein ähnlicher Versuch erneut worden.

Mit dem Anspruche auf das Königstum ist es den Göttern im Niltale nicht anders ergangen, wie mit allen den anderen Ansprüchen auf Alleinberechtigung oder Alleinverdienst, die sie in den verschiedensten Zweigen göttlicher Tätigkeit gelegentlich geltend zu machen versuchten. Von den meisten der bedeutenden Götter Ägyptens ward beispielsweise behauptet, sie hätten die Welt erschaffen, ohne daß das Volk an diesen zahlreichen Schöpfern Anstoß nahm. In den meisten Fällen wird man, wenn von einem Gotte derartiges ausgesagt wird, darin nur eine schmeichlerische Redensart zu sehen haben. Der jeweilige Schreiber oder Sprecher glaubte sich durch solche Lobeserhebungen den Gott, dessen er ge= rade bedurfte, gewogen zu machen. Er verfuhr ihm gegenüber genau so, wie er es bei irdischen Beamten und Fürsten zu tun gewohnt war. Auch deren Gunst trachtete man im alten wie im heutigen Orient am liebsten durch die alleruntertänigste Schmeichelei zu gewinnen und war dabei im allgemeinen des Erfolges sicher. Wie weit man in solchem Falle gehen konnte, zeigt neben vielen anderen Beispielen ein in zwei Abschriften erhaltener Lobgesang auf den göttlich verehrten Pharao, der das eine Mal auf Merneptah, das andere Mal auf Seti II bezogen wird, auf zwei um 1300 v. Chr. lebende Fürsten, welche ebenso unbedeutend als Herrscher, wie als Persönlichkeiten waren. Da heißt es: Während Du in Deinem Palaste, dem Leben, Heil und Gesundheit sei, weilst, hörst Du die Worte aller Länder, denn Du hast Millionen von Ohren. Dein Auge leuchtet mehr als ein Stern des Himmels, Du verstehst es in die Sonnenscheibe zu sehen. Wenn man spricht und der sprechende Mund sich in einer Höhle befindet, so gelangt die Rede doch an Dein Ohr. Wenn eine Sache noch so verborgen ist, Dein Auge erblickt sie dennoch." Ob derartiges Lob dem Könige oder

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Große Götter.

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ob es dem Gotte galt, hat gleichen Wert. Man kann daraus keinerlei Schlüsse auf eine ehrliche Überzeugung des Sprechers, auf allgemeiner im Lande verbreitete Ansichten ziehen, es handelt sich nur um Ergebenheitsphrasen.

Wenn es demnach in Ägypten kein organisiertes allgemein gültiges Götterreich, keinen in weitern Kreisen dauernd anerkannten Götterkönig gab, so bleibt troßdem der Saz richtig, daß im Niltale alles der Gottheit unterstand. Nur handelt es sich nicht um einen Gott, sondern galten zahllose Götter als die herrschenden, Schicksal und Verhältnisse bestimmenden Herren. Zunächst kamen dabei die großen Götter in Betracht, deren Namen auch den Nichtägyptologen geläufig zu sein pflegen, Amon und Ptah, Osiris und Ra, der Widdergott Chnum der Kataraktengegend, die Kaßengöttin Bast von Bubastis, und viele andere mehr. Diese Gottheiten, denen meist größere Bereiche des Niltales zu eigen waren, hatten im allgemeinen nur für mächtige und reiche Leute tatsächliches Interesse. An sie wendete sich der Pharao, der selbst ein Götter= sohn war, mit seinen Anliegen, zu ihnen beteten die Nomarchen und hohen Beamten. Um sich um die breite Masse des eigentlichen Volkes zu kümmern, dazu hatten diese Gestalten ebensowenig Zeit, wie etwa Pharao und seine Großen Lust verspürten, sich mit ihrer Tätigkeit anders als ganz im allgemeinen Handwerkern und Ackerleuten zu widmen. Für die arbeitende Bevölkerung standen diese Götter zu hoch, sie mußte sich mit dem Schuge minder umfassender höherer Mächte begnügen. Der ägyptische Landmann flehte zu Amon von Theben oder zu Ptah von Memphis nur in höchster Verzweiflung, oder wenn es sich um besonders würdige und die Allgemeinheit berührende Wünsche handelte, wie um ein Gebet für die Wohlfahrt des Pharao und das Gelingen der königlichen Pläne.

In den Angelegenheiten, die ihn selbst angingen, für seine eigene Gesundheit, den Erfolg seiner Arbeit, den glücklichen Ausgang seiner Unternehmungen wagte der kleine Mann sich nicht an so erhabene Stelle zu wenden. Da rief er, und das Gleiche galt für den besser Gestellten, wenn es sich um die zahllojen kleinen Fragen des täglichen Lebens handelte, Gottheiten an, die ihm näher standen. Dies sind in erster Reihe die Hausgötter, welche teils in fleinen, fäfigartigen Kapellen in den einzelnen Häusern gehalten wurden, teils sich frei bewegten und nur von Zeit zu Zeit ihre Verehrer besuchten. Ihre Mehrzahl verkörperte sich in Schlangengestalt, doch kommen daneben nicht selten Sperber, Gänse, Widder

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Zeitgottheiten.

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und andere Geschöpfe der Tierwelt vor. Hieran schließen sich heilige Bäume, Pflanzen, deren Teile und Entwicklungsstadien, Steine, Geräte, Gebäude und Gebäudeteile, Symbole, vereinzelte Menschen, abstrakte Begriffe, die sich der Ägypter in mehr oder weniger menschlicher Gestalt vorstellt, wie Leben, Beständigkeit, Freude usw. Dann die einzelnen Phasen der Zeit: Jahr, Monat, Tag, Stunde bezw. bestimmte Monate und Stunden. Gerade diese lehteren Begriffe und Gottheiten besißen für das Verständnis der ägyptischen Magie besonderen Wert und erfordern daher hier einige kurze Bemerkungen.

Neben den Gottheiten Stunde, Monat, Jahr, welche diese Zeitabschnitte selbst darstellen, kennt der Ägypter für jede der 24 Stunden des Tages, für jeden der 30 Monatstage, jeden der 12 Monate, jede der drei von ihm angenommenen Jahreszeiten, besondere Sondergottheiten, deren Macht auf den durch sie verkörperten Zeitabschnitt beschränkt war. Es ist für die Beurteilung der ägyptischen Religionsentwicklung nicht uninteressant, daß man an der Hand der Denkmäler verfolgen kann, wie im Neuen Reiche, um 1400 v. Chr., der Versuch gemacht wurde, für die Monate diese Sondergötter abzuschaffen und die einzelnen Monate verschiedenen großen Gottheiten, wie Chunsu, Hathor, Thoth zu weihen. Es ging das Hand in Hand mit den damals im Kreise der ägyptischen Priesterschaft stark verbreiteten Bestrebungen, die Götterwelt dadurch zu vereinfachen, daß man die unbedeutenden Götter für Sonderformen, gelegentliche Verkörperungen, personifizierte Eigenschaften der großen Götter erklärte, um sie auf diesem Wege ihrer selbständigen Göttlichkeit zu berauben. Im allgemeinen sind diese Versuche an der konservativen Gesinnung des ägyptischen Volkes gescheitert, und auch bei den Monatsgöttern waren sie nicht von vollem Erfolge gekrönt. In den meisten koptischen Monatsbezeichnungen finden sich die Namen der alten Sondergötter verwertet, nur bei wenigen ist es gelungen, die Namen der großen Götter diesen späteren Monatsbezeichnungen aufzuzwingen.

Ob nur die Unterabteilungen des Jahres und nicht auch jedes Jahr einer besondern Gottheit geweiht waren, läßt sich bisher nicht erweisen. Vermutlich stehen aber die verschiedentlich erwähnten religiösen Jahreskreise mit den mit einander abwechselnden Jahresherrschaften göttlicher Wesen in Beziehung. Im allgemeinen denkt sich der Ägypter alle diese Gottheiten in menschlicher, mit Vorliebe in weiblicher Gestalt, daneben tragen einige Tierköpfe oder treten auch als vollständige Tiere auf, wie die Gottheiten der beiden

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Regenten der Zeit.

AO. VI, 4 heißesten Monate des Jahres, die man als Eber abbildete. Naturgemäß überträgt jede dieser Zeitgottheiten ihren Charakter auf die Zeit, der sie vorsteht. Kennt man demnach die jeweiligen Gottheiten und weiß, was sie hassen und lieben, so kann man daraus ohne weiteres theoretisch einen Rückschluß auf die Eigenart der be= treffenden Zeitperiode ziehen. Praktisch stellen sich sicheren Schlüssen jedoch Schwierigkeiten entgegen. Wie aus dem eben Ausgeführten hervorgeht, beanspruchen regelmäßig mehrere Gottheiten die Herrschaft über die einzelne Periode; die Gottheiten des Monats, des Tages und der Stunde müssen berücksichtigt werden. Ihr Charakter ist häufig ein verschiedener und man kann im einzelnen Falle nicht ohne weiteres mit Sicherheit entscheiden, wer von ihnen der stärkere sein wird. Und damit nicht genug! Auch die Gottheiten der Sterne, besonders der Planeten, welche in den einzelnen Zeitabschnitten sich zeigen, vor allem wenn sie in ihnen aufgehen, üben bestimmenden Einfluß auf ihre Zeit aus.

Ähnlichen Gedankengängen begegnet die Religionsforschung bei den verschiedensten Völkern. Auf ihnen beruht die Aufstellung der Horoskope, welche während des Altertums und Mittelalters eine große Rolle spielten und auch jezt noch nicht vergessen sind. Man bestrebte sich, aus den Regenten der Geburtsstunde das gesamte Lebensschicksal des Menschen im Voraus zu erschließen. Es ist in hohem Grade wahrscheinlich, daß derartige Versuche bereits im alten Ägypten gemacht worden sind. Einmal finden sich in Gräbern Tabellen von Sternaufgängen aufgezeichnet, welche an solcher Stelle nur religiöse Bedeutung haben können. Dann schreiben griechische und römische Schriftsteller ausdrücklich den Agyptern einen solchen Glauben zu. Sie erzählen, nach deren Annahme sei ein Mensch, der beim Aufgehen des Hundsternes geboren wurde, vor dem Ertrinken im Meere sicher gewesen. Es war das eine jener Prophe zeiungen, auf deren Eintreffen man sicher rechnen konnte. Die Ägypter waren kein feefahrendes Volk; es wäre daher sehr sonderbar gewesen, wenn gerade ein unter dem Hundstern geborener Mensch eine Seereise angetreten und auf ihr den Tod gefunden hätte.

Statt geradezu die Eigenschaften der Regenten zugrunde zu legen, hat man vielfach jedem derselben einen Zahlenwert zugeschrieben, und aus diesen Zahlen das menschliche Schicksal berechnet. Von solchen Systemen ausgehende Zahlentabellen, sogenannte „Sphären“, sind in mehreren Exemplaren aus dem hellenistischen Ägypten erhalten geblieben. Auch sie gehen vermutlich auf eine altägyptische Grundlage zurück.

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Schicksals-Kalender.

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Im großen und ganzen hat man im Niltale jedoch den Regenten der Zeit weniger eine Vorbedeutung für die Zukunft als Wichtigkeit für die Gegenwart zugeschrieben, die sich nach ihrer Eigenart zu richten hatte. Aber nicht nur nach dieser hatte sich alles zu gestalten. Selbst in der eigenen Zeit konnte die Zeitgott= heit nicht frei schalten und walten, wie es ihr um das Herz war. Sie war stets an gewisse Geseze gebunden, vor allem an den Grundcharakter, der der jeweiligen Zeitperiode von alters her anhaftete. Vor der Zeit, in welcher die Menschen auf der Erde die Hauptrolle spielten, hatten während ungeheuer langen Zeitläuften wesent= lich Götter auf ihr ihr Dasein verbracht. Sie hatten in dieser Zeit die verschiedensten Schicksale erlitten, hatten gejubelt und getrauert, waren erkrankt und gesundet, manche waren gestorben und auferstanden. Diese Ereignisse hatten an bestimmten Tagen stattgefunden und hatten fortan diesen Tagen für alle Zukunft ihren Stempel aufgedrückt, sie zu Glücks- oder Unglückstagen gemacht. Aus der Zeit um 1300 v. Chr. ist ein Papyrus erhalten geblieben, welcher für einen großen Teil des ägyptischen Jahres einen auf den eben geschilderten Gedankengängen aufbauenden Kalender enthält. Er führt hinter einander die Monatstage auf, bemerkt bei jedem, ob er günstig oder ungünstig sei, macht darauf aufmerksam, was der Mensch an ihm zu tun oder zu lassen habe, was dem an ihm Geborenen begegnen werde uff. Ferner gedenkt er in zahlreichen Fällen kurz der mythologischen Ereignisse, denen der Tag die aufgeführte Eigenschaft verdanke. Einige Beispiele werden am besten zeigen, in welcher Weise der Papyrus dieses Material verwertet hat:

4 Paophi. Bedrohlich, günstig, günstig (also von zweifelhafter Bedeutung). Gehe auf keinerlei Weise aus Deinem Hause an diesem Tage. Wer an diesem Tage geboren wird, stirbt an diesem Tage durch schwere Krankheit.

5 Paophi. Ungünstig, ungünstig, ungünstig. Gehe auf keinerlei Weise an diesem Tage aus Deinem Hause, nähere Dich keiner weiblichen Person. An diesem Tage bringt man vor dem Gotte Opfergaben dar. Befriedigt war an diesem Tage die Majestät des Gottes Month (der sich am Blutvergießen erfreuende Kriegsgott). Wer an diesem Tage geboren wird, wird durch Liebe sterben.

9 Paophi. Günstig, günstig, günstig. In Freude ist das Herz der Götter und Menschen, Gefällt ist der Feind des Sonnengottes Ra. Wer an diesem Tage geboren wird, stirbt an Altersschwäche.

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