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sich von althergebrachten Anschauungen leiten ließ. Die Tontafel und die Buchstabenschrift wo die eine erfunden worden ist und daß sie das Schreibmaterial aller vorderasiatischen Völker im 2. Jahrtausend beim Verkehr untereinander war, wissen wir, daß die andere älter und nicht phönizischen Ursprungs sein muß, war ebenfalls klar.

Die Zeit, wo diese Völkerschiebungen sich abspielten, reicht bereits bis in den Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. herab. Es

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Abb. 3. Wahrsagungs-Leber mit Einteilung und Orakeln.
(Brit. Museum. Cun. Texts VI.)

ist eine Zeit, wo Babylonien längst seine politische Rolle in Vorderasien ausgespielt hatte, und wo überhaupt keiner der vorderasiatischen Großstaaten eine überragende Bedeutung hatte. Für das ganze Kulturgebiet ist es eine Zeit der Zersplitterung und politischer Ohnmacht, welche darum andern Völkern und Rassen eine ungehinderte Ausbreitung gestattete'. Von einem Hinübergreifen der einzelnen Großmächte über das Meer kann deshalb nicht die Rede sein, im Gegenteil, sie wurden ja selbst in ihren eigenen Gebieten von den

1 AO. II, 12 S. 26. VI, 1 G. 32.

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Assyrien dringt seit 1100 zum Meere vor.

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AO. VII, 2

von Westen und Norden nachdrängenden Völkermassen angegriffen. So beschränkte sich Ägypten auf eine Zurückweisung, und als um 1100 Tiglat-Pileser als erster Assyrerkönig bis an die See vordrang 1, fuhr er in Arvad „auf das Meer hinaus“ — aber nicht „hinüber“ wie Sargon, und begnügte sich mit der Anerkennung seiner Ansprüche auf Nordpalästina und Syrien durch Ägypten. Kleinasien aber war eben um diese Zeit den einwandernden neuen Völkern verfallen, die es von nun an besigen und die deshalb jezt als „Hethiter“ erscheinen 2.

Von irgend welchen unmittelbaren Beziehungen Assyriens, das in der Folge die führende Stellung im Euphratgebiet einnimmt, zu überseeischen Gebieten ist daher keine Rede. Die Assyrer haben ebensowenig wie die Perser später eine Rolle auf dem Meere ge= spielt, und ihre Kriegsflotte wurde ihnen ebenso wie den Persern von den Phöniziern gestellt, deren Blütezeit jezt einsezt, wo ihnen die Vermittlung des Verkehrs zwischen den beiden Welten, die sich jezt zu scheiden beginnen, zufällt.

Beim ersten Erscheinen der Assyrer um 1100 an der phönizischen Küste scheinen sie sich mit einer Anerkennung ihrer Oberhoheit über Nordphönizien zufrieden gegeben zu haben, von langer Dauer war dieser erste Erfolg ohnehin nicht, er konnte also auch keine Folgen für unmittelbare Berührungen mit dem Westen haben. Auch als dann im 9. Jahrhundert ein erneutes und erfolgreicheres Vordringen stattfand, welches zur Anerkennung der assyrischen Oberhoheit durch alle Phönizierstaaten führte, hatten die Assyrerkönige, Assurnaßirpal, Salmanassar II. und Adad-nirari III., zu viel mit Niederwerfung des Widerstandes auf dem Festlande zu tun, als daß sie hätten weitere Ziele verfolgen können. Damaskus war das Bollwert, welches die fernerliegenden schüßte. Nach der Unterwerfung durch Adad-nirari III. folgte nochmals ein Rückgang der assyrischen Macht für fast ein halbes Jahrhundert, bis mit TiglatPileser III. die neue Zeit beginnt, welche Assyriens Großmachtstellung und seine unbestrittene Herrschaft über Syrien und die Küste gebracht hat. Diese hat ein Jahrhundert, bis zum Falle Ninives, gedauert.

Es ist bezeichnend, daß es zu keinem Widerstande der phönizischen Staaten gegen Assyrien gekommen ist, solange dieses im Hinterlande noch nicht unumstritten herrschte. Der Gegensaß der

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1 AO. II, 4o S. 18.

AO. II, 12 G. 26.

2 AO. I, 12 S. 24.

AO. VII, 2

Assur, Phönizier und Damaskus.

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Kleinstaaten unter einander macht sich hier geltend, mit dem Assyrien ebenso regiert hat, wie jedes große Reich des Altertums und auch des heutigen Orients. Der Gegensatz gegen Damaskus trieb die Phönizier Assyrien in die Arme und so lange Damaskus Widerstand leistete, suchten sie in Assur Anschluß. Das ist wohl zum Teil der Grund gewesen, warum Assyrien zunächst gar keine Veranlassung hatte, sich in Seeunternehmungen einzulassen, für die ihm auch die erforderlichen Eigenschaften fehlten. Die Phönizier stellten ihnen eine Flotte, wenn sie nötig war, und fanden ihre Rechnung bei den Bedingungen, welche der Anschluß an den herrschenden Großstaat dem Handel bot.

Das änderte sich erst, als nach der Aufhebung der Selbstverwaltung von Damaskus im Jahre 732 durch Tiglat-Pileser III. und gleichzeitiger Einverleibung des größten Teils von Nordpalästina in das unmittelbar assyrische Verwaltungsgebiet jede Besorgnis vor dem bisherigen Herrn von Syrien wegfiel, der bis zulezt Versuche gemacht hatte, seine Vorherrschaft zu behaupten oder zurückzugewinnen. Jezt kommt es fast unmittelbar zu Zwistigkeiten mit den Phöniziern, die bis dahin sich Assyrien so entgegen= kommend gezeigt hatten. Und zwar war es meist Tyrus, das seit ein paar Jahrhunderten die Vorherrschaft gegenüber Sidon geführt hatte, das mehrfach in offenen Krieg mit Assyrien geriet. Dieser hat mit Unterbrechungen von etwa 725 bis 668 v. Chr. gedauert. Die nordphönizischen Staaten, Byblos und Arvad, haben es dagegen nie zu einem Widerstand kommen lassen. Der Kampf endete mit dem völligen Verluste des gesamten Küstengebietes, das unter assyrische Provinzverwaltung gestellt wurde. Sidon wurde zerstört und als Stadt aufgehoben, nur Tyrus behielt seine Selbstverwaltung, die sich aber nur auf die damals bekanntlich auf einer Insel gelegene Stadt erstreckte1.

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Es ist in diesem Kriege mehrfach zu einer Belagerung und Einschließung von Tyrus gekommen, und es wird auch von Seekämpfen berichtet, die dabei zwischen den tyrischen Schiffen und denen der assyrischen Bundesgenossen“, wie es in römischer Ausdrucksweise heißen würde, geführt wurden. Man fragt sich, wie es möglich war und welchen Zweck es haben konnte, daß die Stadt, die auf ein winziges Inselgebiet im Umfang einer unserer kleinen mittelalterlichen Städte – beschränkt war, einen so erbitterten

1 AO. II, 42 6. 22-25.

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Die Thalassokratie.

AO. VII, 2 und schließlich erfolgreichen Kampf um ihre Selbstverwaltung führen konnte. Das wird nur begreiflich, wenn man sich die Bedeutung klar macht, welche für eine belagerte Seestadt, die noch dazu vom Festlande aus durch das Wasser geschüßt war, die freie Verfügung über die Zufuhr hatte. Sie war also uneinnehmbar für die Assyrer. Andererseits wäre der Widerstand gegenüber den Herren des Festlandes völlig sinnlos gewesen, wenn man nicht einen Rückhalt an den Staaten des Mittelmeeres gehabt hätte. Ein Handelsstaat, dessen ganzes Gebiet eine Insel von vielleicht einem Kilometer im Geviert umfaßte, hätte notgedrungen bei seinem Hinterlande Anschluß suchen müssen, wenn er nicht Interessen gehabt hätte, die ihn nach einer anderen Seite wiesen. Und diese andere Seite war für Tyrus die See.

Wir haben ein merkwürdiges und bisher gänzlich vernachlässigtes Verzeichnis bei Diodor und Hieronymus erhalten, welches eine Liste derjenigen Staaten gibt, die einmal die „Seeherrschaft“ ausgeübt haben, die sogenannte Thalassokratieliste. Sie ist, wie gewöhnlich, in ihren Zahlenangaben entstellt, aber von einem bestimmten Zeitpunkte an kann man feststellen, daß die als seebeherrschend genannten Staaten tatsächlich diejenigen sind, welche in der entsprechenden Zeit sich als die führenden im östlichen Mittelmeer nachweisen lassen. Der Sinn der Liste ist offenbar, nachzuweisen, welche Staaten vor der Begründung des attischen Seebundes um 480 mit dem Size auf Delos eine ähnliche Rolle gespielt haben, wie Athen sie damit übernahm. Daraus folgt dann aber, daß auch die ältere Zeit einen solchen Seebund gekannt hat und daß die griechischen Inseln und die sonstigen Staaten, welche Schifffahrt trieben, sich eine feste Organisation gegeben hatten, deren Fortsetzung der attische Seebund einfach darstellt.

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Dieser Seebund, dessen Siz d. h. Bundesheiligtum wir noch nicht sicher nachweisen können, zeigt die enge Verbindung des Orients mit den Inseln, denn in ihm wechseln orientalische Staaten als führend mit griechischen ab. Die Liste zählt auf: 10. Karer (= Lydien) –

1. Lyder und Maioner 92 Jahre

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Jahre

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AO. VII, 2 Die phrygische Seeherrschaft: Mita-Midas.

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Wenn man dabei von den ersten vier, unter denen die ersten drei durch die große angebliche Dauer der „Thalassokratie“, d. h. der Vorherrschaft, einen wenig vertrauenerweckenden Eindruck machen, absieht, so kann man von dem fünften Volke an, den Phrygern, feststellen, daß für die in Betracht kommende Zeit auch tatsächlich eine führende Stellung des betreffenden Volkes bezeugt ist, was deutlich daraus hervorgeht, daß die Überlieferung jedesmal da etwas von diesem Volke zu berichten weiß, während sie sonst schweigt.

Phrygien spielt in der griechischen Überlieferung einmal eine Rolle und das, was dort gesagt wird, wird jezt durch die orien= talische Geschichte bestätigt. Es ist überhaupt so ziemlich der Anfang der wirklichen Geschichte, welche in klassischer Überlieferung erhalten ist: Herodots Nachrichten beginnen mit der Herrschaft des Königs Midas von Phrygien. Diesen kennen wir aus den assyrischen Inschriften als Mita von Muski, den Nachfolger der einstigen Könige der Chatti, welcher Kleinasien beherrschte und die alten Ansprüche der Chatti auf Syrien wieder geltend zu machen suchte. Er griff Sargon in Kleinarmenien und Cilicien an, wurde aber zurückgeschlagen und vertrug sich schließlich mit Sargon, nachdem dieser durch die Einnahme von Babylon im Jahre 710 zum anerkannten Herrn Vorderasiens geworden war. In Babylon empfing Sargon die Gesandtschaft Mitas, welche ihm dessen Geschenke“ und die Anerkennung seiner Schuzhoheit überbrachte.

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Von demselben Midas weiß Herodot zu berichten, daß er Wertgegenstände dem Apollo gestiftet hätte, die dann schließlich nach Delphi gekommen sind. Der Sinn dieser Weihgegenstände kann nur sein, daß sie vom Führer der einstigen Thalassokratie dem Apollo des Bundesheiligtums gestiftet wurden, von wo sie jedenfalls später beim Anrücken der Perser nach Delphi gebracht worden sind. Demgemäß werden gleiche Stiftungen auch von den folgenden ausländischen Königen, welche für die Thalassokratie in Betracht kommen, jedesmal berichtet. Derselbe Midas also, der Kleinasien beherrschte, war auch das Oberhaupt der Inselstaaten und wurde als der Schußherr der Seefahrt treibenden Völker und ihres Bundes anerkannt.

Durch seine Gesandtschaft an Sargon, die ein paar Jahre nach 709 fällt, erkannte Midas aber Sargon als seinen Schußherrn an, und damit gingen alle seine Rechte als Oberherr an diesen über,

1 AD. I, 12 G. 26.

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