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AO. VII, 2

Kimmerier; Assyrien und Lydien.

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nichts aus besondern Nachrichten über die entfernter liegenden Teile des Mittelmeergebietes erfahren, so ist doch selbstverständlich, daß diese Politik, welche das Ostbecken umfaßte, sich auch im Westbecken bemerkbar gemacht haben muß. Wieder muß man sich dabei der Etrusker erinnern!

Die Übernahme der Seeherrschaft durch Ägypten widersprach den assyrischen Ansprüchen, Assur und Babylon hatten ja vorher der Form nach noch darüber verfügt und ein solcher Anspruch wurde selbstverständlich nicht aus freien Stücken aufgegeben, sondern konnte nur durch Vertrag, d. h. nach einem Kriege, erworben werden. Auch die Entwicklung dieser Frage liegt klar vor uns: Ägypten befand sich der Form nach im Aufstand gegen Assyrien. Es war um 670 von Affarhaddon erobert worden und damit unter assyrische Herrschaft gekommen, welche durch einige zwanzig Gaukönige ausgeübt wurde. Diese assyrische Herrlichkeit hat nicht lange gedauert, wohl kaum mehr als zehn Jahre, dann wurden die Assyrer mit Hilfe „karischer und ionischer“ Söldner von Psammetich, dem Vater Nechos, vertrieben. Das berichtet Herodot, und im Einklang damit stehen die assyrischen Nachrichten selbst, welche in ihrer Weise die Ergänzung geben, indem sie zeigen, wie diese Dinge von Assyrien aus sich darstellten.

Um das Jahr 665 wurde Kleinasien von den indogermanischen Scharen überflutet, welche unter dem Namen der Kimmerier be= kannt geworden sind. Sie sollen bereits früher dem Reiche der Phryger ein Ende gemacht haben, und Midas soll den Tod im Kampfe mit ihnen gefunden haben. Infolgedessen war die erste Macht in Kleinasien Lydien, wo damals Gyges regierte. Von den Kimmeriern bedrängt, erinnerte dieser als Nachfolger der Rechte eines Midas sich an dessen altes Verhältnis zu Assyrien, und trat in ein gleiches Schußverhältnis zu Assurbanipal, Sargons Urenkel. Aber die Vorteile assyrischer Bundesgenossenschaft scheinen gering gewesen zu sein, von einer tatsächlichen Betätigung meldet Assurbanipal selbst nichts. So war das ägyptische Gold Psammetichs wirksamer als Assurbanipals Gebet, das dieser als alleinige gewährte Hilfe anführt, und Gyges ging ein Bündnis mit Ägypten ein, als dieses sich gegen Assyrien erhob. Die „karischen" Söldner, von denen Herodot meldet, sind die Hilfstruppen, welche Gyges geschickt hat. Mit ihrer Hilfe gelang es dem „assyrischen Vasallen“ Psammetich die Assyrer aus dem Lande zu jagen.

Psammetichs Nachfolger war Necho und er hat die Politik

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Necho und Assyrien; Babylon; Milet in Naukratis. AO. VII, 2 seines Vaters erfolgreich weiter fortgesezt, indem er die Stärke seines Staates dort suchte, von wo seinem Vater die Hilfe gekommen war: in der Benutzung der Hilfsmittel, welche die Seeherrschaft gewährte.

Mittlerweile waren die Dinge in Asien ihren Weg gegangen, Assyrien stand seinem Falle nahe, die Meder belagerten Ninive; dort scheint das Geld für die Söldner nicht vorhanden gewesen zu sein, welche die neuen Völkermassen hätten zurückweisen können, die jezt für Assyrien das waren, was die Kimmerier für Lydien gewesen waren. Damit war für Ägypten der Zeitpunkt gekommen, wo es seine alten Rechte hervorsuchen konnte. Hatten doch die Pharaonen einst Syrien bis an den Euphrat besessen. So benußte jezt Necho, der „Rebell“, die Gelegenheit, um Syrien zu beseßen. Wie einst Assarhaddon und Assurbanipal ihre Seemacht, d. h. die der phönizischen und kyprischen Staaten, bei ihren Zügen gegen Ägypten aufgeboten hatten, so berichtet Herodot ausdrücklich, daß Necho zur See nach Palästina gegangen sei. Daneben wohl freilich auch zu Lande, auf jeden Fall tritt uns hier wieder die Bedeutung der Seeherrschaft entgegen.

Solange Ninive stand, dauerte Nechos Glück, nach dessen Fall trieben ihn die nach der Teilung der Beute zu Herren Syriens gewordenen Chaldäer unter Führung des Kronprinzen von Babylon, Nebukadnezar, mühelos nach Ägypten zurück. Das wird auch das Ende der Vormachtstellung Ägyptens im Seebunde gewesen sein, diese ging nun an Milet über. Wenn diese sie 18 Jahre ausübten und Necho sie um das Jahr 605 verlor, so haben sie sie also bis etwas nach 590 besessen. Die „Gründung“ von Naukratis beweist, daß sie ihre Stellung in Ägypten, als dem für den Durchgangshandel zwischen der Welt des Ostens und des Westens wichtigsten Lande, auszunüßen verstanden. Die Art und die Mittel, mit denen sie das taten, treten gerade bei dieser Gründung hervor. Wenn ein Schiff gezwungen war, an einem andern Orte zu landen, so durfte es seine Ladung nicht löschen, sondern mußte nach Naufratis fahren. Ein Monopol dieser Art ist natürlich nur möglich da durchzusehen, wo man Herr ist; man kann hieran ermessen, daß die Thalassokratie keine bloße Form war, sondern eine Herrschaft, wie sie in gleich scharfer Form eben nur der Orient mit seinen väterlichen Gepflogenheiten kennt.

Wenn man diese Zustände einmal auf ihre weiteren Zusammenhänge hin ansieht, so tritt ohne weiteres die Gleichartigkeit der Erscheinungen mit denen der geschichtlich besser bekannten Zeit hervor.

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Babylon als Herr Vorderasiens.

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Ein bis zwei Jahrhunderte später zeitigt der Widerstand gegen Persien genau entsprechende politische Verhältnisse, nur daß da der Schwerpunkt von Kleinasien schon ganz nach Griechenland verschoben ist. Ägypten aber, das sich, von Kambyses unterworfen, wieder gegen Persien erhebt, bedient sich dazu griechischer Söldner und der Hilfe jezt schon der Nachfolger des attischen Seebundes, der Spartaner. Auch Phönizien nimmt wie zu Affarhaddons Zeiten in einem Aufstande Sidons gegen Artaxerxes Ochos daran teil. Das Mittelalter zeigt dann, als nach dem großen Sturme des Islam dessen Reich sich wieder in seine Einzelteile auflöst, ebenfalls dieselben Erscheinungen. Das, was wir als Kämpfe der Kreuzfahrer ansehen, und der Kampf Venedigs gegen die Türkenherrschaft, spielt sich immer wieder in denselben Grenzen ab und dreht sich um die gleichen Ziele. Wir waren uns darüber klar geworden, daß wir auch die Vorzeit des Mittelmeeres, die für Babylon und Ägypten keine Vorzeit, sondern eine längst geschichtliche ist, nach dieser Analogie uns veranschaulichen müssen (S. 7).

Mit dem Falle Ninives war der Schwerpunkt der vorder= asiatischen Macht wieder verschoben worden: nach babylonischer Anschauung war das alte Ideal wiederhergestellt, Babylon war wieder in seine Rechte eingesezt worden. Aber es hatte das nicht aus eigener Kraft erreicht, sondern nur mit Hilfe der Meder, mit diesen teilte es sich in die Herrschaft über Asien, beide waren Großstaaten, welche gegenseitig ihr Interessengebiet abgegrenzt hatten und als gleichberechtigt neben einander traten. Zwei Welten, die altorientalische und die neuindogermanische, hatten zum ersten Male versucht neben einander zu leben: es hat nicht lange gedauert, bis die indogermanischen Kräfte diese errichteten Dämme durchbrachen und das Perserreich ganz Asien sich unterwarf.

Die Ansprüche und Rechte Assyriens, welche Syrien und das südliche Mittelmeer betrafen, waren durch die Teilung auf Babylon übergegangen, Nebukadnezar war also der Rechtsnachfolger eines Sargon und Assurbanipal geworden. Ägypten war danach im Aufruhr gegen ihn, und über den Seebund hatte auch er ein Oberhoheitsrecht, dessen Nichtarterkennung der Form nach Aufruhr war. Gegenüber Ägypten hat er sein Recht mehrfach durchzusehen versucht, wobei der Aufrührer es nicht an Gegenvorstößen fehlen ließ. Necho freilich hat es nicht mehr vermocht etwas zu unternehmen, daß er es aber an Wühlereien nicht fehlen ließ, weiß man aus der Geschichte Judas, das bei seinen verschiedenen Aufständen stets auf

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Babylon und Ägypten im 6. Jahrhundert.

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Ägypten rechnete. Nechos Nachfolger Hophra hat dann dasselbe Spiel weiter getrieben, ebenfalls ohne imstande zu sein, etwas zu unternehmen. Jerusalem fiel, ohne die erwartete Hilfe zu erhalten, im Jahre 586.

Erst unter Amasis, Hophras Nachfolger, tritt Ägypten wieder kräftiger auf und wieder spielen die Söldner und der Seebund eine Rolle dabei. Unter ihm ist es deshalb auch zum Kriege mit Nebukadnezar gekommen. Wir sind darüber nur durch ein Bruchstück einer Mitteilung Nebukadnezars unterrichtet, worin es heißt, daß er in seinem 37. Regierungsjahre (587 v. Chr.) gegen den König von Ägypten gezogen sei, von dessen Namen noch die beiden Schriftzeichen.... -a-su erhalten sind, sodaß an der Ergänzung zu [Am]asu == Amasis (Ahmes) kein Zweifel sein kann. Ob es dabei zu einem Einfall in Ägypten gekommen ist, geht aus den erhaltenen Resten nicht hervor, aber dafür wird ein Bundesgenosse der Ägypter genannt, den wir jest genauer bestimmen fönnen. Er wird als König des Landes Puthu-javan bezeichnet, von seinem Namen ist nur das Ende erhalten, er ging auf -fu-u aus. Der Landesname ist sonst nicht bekannt, sein zweiter Bestandteil weist aber in griechische Gegenden. Daß wir einen der uns geläufigen Namen darin finden können, ist nicht anzunehmen, die verschiedenen Völker hatten meist verschiedene Namen für die Orte und Länder. Aber das eine ist gesagt, daß es sich um ein Gebiet „fern inmitten des Meeres", d. h. um eine Insel, handelte.

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Wenn wir unserer Thalassokratieliste weiter folgen, so ist in damaliger Zeit die Herrschaft von Milet schon vorbei gewesen und an seine Stelle bereits Lesbos getreten. Für diese Zeit weiß denn auch richtig die Überlieferung von dort eine außergewöhnliche Blütezeit zu berichten unter der Herrschaft des Pittakos, des „Tyrannen" von Mitylene, des einen der sieben Weisen". Sein Name paßt zu dem, was in Nebukadnezars Tontafel erhalten ist: denn das dort erhaltene .... -ku würde dem entsprechen, was im Griechischen als.... kos erscheint. Es ist allgemein bekannt, daß Polykrates von Samos in freundschaftlichen Beziehungen zu Amasis gestanden hat, der „Ring des Polykrates“ spielt zwischen beiden. Das war in Amasis' (584—526) leßter Regierungszeit, während Nebukadnezars Feldzug in seine erste fällt. Nach der „Seeherrschaft“ von Lesbos folgt die der Phokäer und darauf die von Samos, genau in der Zeit, die dem lezten Teile von Amasis' Regierung entspricht. Was es also mit der „Freundschaft“ der beiden auf sich hatte, wissen wir

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Lesbos (Pittakos), Samos.

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jezt: es ist die Seeherrschaft, die damals Polykrates gehörte, wie fie vorher Pittakos geführt hatte.

Eine jüngst bekannt gewordene Inschrift Nebukadnezars bestätigt das. Er zählt alle Fürsten auf, welche ihm einen Beitrag zum Bau des großen Stufenturmes von Babylon1 sandten. Zu diesen gehören auch „der König ferner Gebiete inmitten des Westmeeres". Also auch Pittakos hatte nach Herstellung freundlicher Beziehungen seinen Beitrag gesandt, wie das Sitte war. Er hatte damit zugleich ausgedrückt, was einst die Könige von Cypern ausdrückten, als sie ihre Gesandtschaft an Sargon schickten: daß er bereit sei, seine Rechte sich von Babylon aus übertragen zu lassen. Nebukadnezar bezeichnet ihn deshalb auch als seinen Lehensträger.

Ob das vor oder nach dem Zuge gegen Ägypten geschehen ist, wissen wir nicht, es ist auch unerheblich für uns, so lange es sich nur darum handelt, im allgemeinen die Beziehungen festzustellen, welche die älteste Mittelmeerkultur mit Babylon verknüpfte. Wie die verschiedenen Gegensäße unter den Griechen Rückhalt bei den Mächten des Ostens suchten, ist aus der griechischen Geschichte bekannt, wo Athener und Spartaner ihre Kriege mit persischer Unterstüßung führten und genau mit den jeweiligen Strömungen am persischen Hofe rechneten. Verunglückte Politiker wie Themistokles und Alkibiades suchten ihre Zuflucht bei persischen Satrapen oder am Hofe selbst, Pausanias hatte geplant, sich zu einer Art König von Griechenland mit persischer Hilfe zu machen und Themistokles ist lange ein kleinasiatischer Tyrann" in einem ihm zu Lehen gegebenen Gebiete gewesen.

Dieselbe Rolle hat Nebukadnezars Hof in der älteren Zeit gespielt. Pittakos hatte sich dadurch zum Herrn von Lesbos gemacht, daß er die Herrschaft des Adels, d. H. der Geschlechter, brach, wie es allgemein der Fall bei der Errichtung einer „Tyrannis" gewesen ist. Zu denjenigen, welche er dabei „vertrieb“, d. h. also zur unterlegenen Partei, gehörten auch die Dichterin Sappho, der Dichter Alkaios und dessen Bruder Antimenidas. Alkaios hat in einem Gedicht, aus dem uns eine Stelle erhalten ist, seinen Bruder verherrlicht, der das Brot der Verbannung als echter Refugié gegessen hatte, indem er sich an den Hof des Königs von Babylon begab und dort Kriegsdienste nahm. Also genau wie in der Zeit der athenischen und spartanischen „Hegemonie“-Kämpfe und bei Partei

1 AO. V, 4 S. 22.

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