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AO. VII, 2 Vorgriechische Beziehungen des Orients zum Mm.

den Inseln und in Kleinasien Fuß gefaßt hatte, mit andern Worten also vor der Einwanderung der Griechen, haben die altorientalischen Kulturen bestanden, haben am Euphrat und Nil Staaten und Völker ihre Geschichte gehabt und Nachrichten davon hinterlassen. Sie haben über ihre engeren Grenzen hinausgegriffen und wenn wir je etwas über die ältesten, vorgeschichtlichen Zeiten jener Länder zu erfahren hoffen dürfen, so werden wir zunächst den geschichtlich und zeitlich fest bestimmbaren Anhalt von dort aus erwarten, wo wir während der Vorzeit dieser Länder bereits eine Geschichte haben.

Wenn man die Geschichte der Menschheit nicht nur in ihren Einzelheiten betrachtet, sondern die großen Bewegungen ins Auge faßt, wenn man die größeren Begriffe als Erscheinungseinheiten nimmt und den Lauf der Ereignisse von einer Höhe betrachtet, von wo aus die Völker und Staaten als Ganzes, die Erdteile oder Zeitalter als Einheiten erscheinen, so sieht man, daß wie im Leben der einzelnen Person, so auch in dem der Völker und dann weiter der Völkergruppen, sich gewisse Erscheinungen wiederholen. Der Mensch ist bis zu einem gewissen Grade von den Lebensbedingungen abhängig, welche die Erde, sein Land, ihm bietet, und wird in seinen Handlungen dadurch bestimmt. Der Kampf ums Dasein ruft regelmäßig wiederkehrende Erscheinungen hervor und spielt eine wichtige Rolle als Ursache geschichtlicher Erscheinungen.

Innerhalb der Urzeit der Völker entstehen dadurch die Wanderungen, bei festorganisierten Kulturstaaten die Eroberungen. Die Kultur und ihre jeweiligen Höhegrade ändern viel an den Lebensbedingungen der Menschheit, aber gewisse Grundbedingungen bleiben doch immer bestehen. So wiederholen sich auch bestimmte Erscheinungen immer wieder in ihren Grundzügen. Die Einzelheiten, die Völker und Personen sind verschieden, die Grunderscheinungen kehren wieder. Völkermassen strömen aus den weniger günstige Bedingungen bietenden Ländern in die reicheren Kulturgebiete, sie werden deren Herren und erobern nun von dort aus als Kulturvolf ihre alten Länder, bis in erneutem Gegendruck neue Ströme sie überschwemmen und die abgelebte Schicht bedecken, um dasselbe Schicksal zu vollziehen.

. Soweit wir bis jezt sehen können, kommen wir durch geschichtliche Quellen aus dem Euphrat- und Niltale nicht wesentlich höher als etwa in die Zeit um 3000 v. Chr. Da seßen unsere Quellen ein, da beginnt also für uns die Geschichte, die in Worten überlieferte Nachricht über Geschehnisse des Völkerlebens. Das Völker

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Die älteste geschichtliche Zeit eine Blütezeit.

AD. VII, 2

leben kann aber auch ohne Schreibwesen recht ansehnliche Entwicklungsformen erreichen und wir wissen nicht, wir haben keine Vorstellung, welche anderen Hilfsmittel der Menschengeist sonst noch entwickelt hatte. Die Urgeschichte ist noch ein Kapitel der Entwicklung der Menschheit, das keine Schlüsse über diese Frage zuläßt, als den einen, daß die Vorstellungen der schreibwütigen Kulturwelt, die um 3000 v. Chr. begann und noch andauert, eben die einer Entwicklungsform sind, aber nicht der einzig möglichen.

Der Zufall hat es gefügt, daß gerade aus der ältesten Zeit, die wir kennen, Nachrichten und Denkmäler erhalten sind, welche in vollem Widerspruche zu dem stehen, was man auf Grund der alten Anschauung sich vorstellen würde. Sie stehen in so starkem Gegensaze zu einer Auffassung, welche in jenen ältesten jezt geschichtlich gewordenen Zeiten unwillkürlich auch die Anfänge der Kultur suchte, daß man, solange sie vereinzelt waren, nur eine Erklärung haben konnte: diese Denkmäler seien spätere Nachahmungen, die ursprünglich nur in späteren Erwähnungen erhaltenen Urkunden seien mythischen, nicht geschichtlichen Inhaltes.

Die Entdeckung zahlreicher Denkmäler dieser Zeit und von Urkunden, deren Gleichzeitigkeit nicht mehr bezweifelt werden konnte, änderte das Urteil und man mußte nun eben die gegenteilige Folgerung ziehen, zu der der Mensch sich so schwer entschließt: daß unsere Gesamtanschauung einer Abänderung bedürftig ist. Freilich besigen wir auch Denkmäler sehr ursprünglicher und roher Art aus der ältesten babylonischen Zeit, es unterliegt jedoch andererseits keinem Zweifel, daß in den gleichen Zeitraum eine hohe Blüte der Kultur und Kunst fällt. Wie sich die babylonische Entwicklung dazu stellt, ist eine Frage, über die man noch nicht klar sehen kann, diese geht uns hier aber auch nichts an; sondern nur die andere Seite der Sache, daß wir von Beziehungen des ältesten Babylonien zu den Ländern erfahren, die damals und noch für zwei Jahrtausende in völligem Dunkel liegen.

Es ist jezt eine der bestbezeugten Tatsachen der Weltgeschichte, daß gerade in jener Zeit das damalige Reich von Babylonien eine Machtausdehnung besessen hat, wie es seitdem nicht wieder der Fall gewesen ist, auch nicht in den Zeiten der Assyrerherrschaft, die sonst als Machtblüte Vorderasiens erscheint. Daraus folgt mit Naturnotwendigkeit eine Beeinflussung ganz Vorderasiens vom babylonischen Kulturmittelpunkte aus, die man nicht nach den bisherigen

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AO. VII, 2 Die Eroberungen Sargons von Agade. Anschauungen von grauem Altertum und ursprünglichen Zuständen der Barbarei, sondern nach den Tatsachen selbst beurteilen muß.

Wir kennen nicht die näheren Vorbedingungen, aus denen heraus das Reich Sargons von Agade1 entstand, aber wir haben die gleichzeitigen Nachrichten über die Eroberungen dieses Herrschers und seines Sohnes. Unter diesen befindet sich auch die Angabe über seinen Eroberungszug nach Ländern jenseits des „Meeres des Westens“, welche vor allem dazu angetan war, früher, als diese Nachrichten noch nicht durch gleichzeitige Urkunden bestätigt waren, in ihnen legendenhafte oder unmittelbar mythische Übertragungen zu sehen. Jezt, wo wir Urkunden haben, die nach ebensolchen Ereignissen datiert sind, wie sie hier angegeben sind, kann an ihrer Geschichtlichkeit nicht mehr gezweifelt werden.

Es heißt darin: „Sargon, der (unter dem und dem Vorzeichen) [nach dem Gestade des Meeres?] hinaufzog, einen Gegner, der ihm Widerstand geleistet hätte, nicht fand, seinen Schrecken über das Gestade des Meeres ausgoß?], das Meer des Westens überschritt, drei Jahre im Westen [verweilte, das Land] eroberte, es einigte, seine Bildsäulen im Westen [aufste]lte, ihre Gefangenen in Menge über das Meer führte."

Eine andere Nachricht einer ähnlichen Urkunde sagt: „er warf das Meer nieder und wendete sich gegen Gutium (den Norden, Armenien), er warf Gutium nieder und wendete sich gegen Elam, er warf Elam nieder und In der Folge wird dann der Eroberungszug Naram-Sins, des Sohnes Sargons, gegen Arabien berichtet, also auch die Niederwerfung des „Meeres“ war von ihm erzählt, die Eroberungen seines Vaters sind deshalb nicht ein vereinzeltes Abenteuer ohne dauernde Folgen gewesen. Es ist auch schon durch den Zusammenhang ausgeschlossen, in dem sie erzählt werden, denn ebenso wie in der zweiten Angabe, wird in der ersten von einer Eroberung des ganzen damaligen vorderen Orients berichtet mit einziger Ausnahme von Ägypten und Kleinasien, den beiden Ländern, die damals und später der Siz eigener Kulturen und darum wohl von gleichberechtigten Kulturstaaten gewesen sind.

Diese Angaben sind für einen Zeitraum von 2000 Jahren die einzigen, die uns unmittelbare Beziehungen Babyloniens zum Mittelmeere bezeugen, sie sind auch für 1 Jahrtausende die

1 j. AO. VI, 1 S. 7 ff.
2 AO. VI, 1 S. 12.

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Sargon von Agade im Mittelmeere.

AO. VII, 2 einzigen, welche wir überhaupt haben, denn erst gegen Ende des 2. Jahrtausends erfahren wir aus ägyptischen Quellen einiges.

Ihre Vereinzeltheit darf uns nicht hindern, das aus ihnen zu entnehmen, was darin steht, und das ist viel, wenn man die Worte nach ihrem Inhalt und nicht nach ihrer Zahl abschäßt.

Zunächst ist man geneigt das Land, dem die Eroberungen galten, in der Nähe zu suchen. Das einzige überseeische Gebiet, welches in späterer Zeit unter der Herrschaft der Euphratstaaten gestanden hat, ist Cypern gewesen, das seit Sargon (dem Assyrer) den Assyrerkönigen tributpflichtig war. Die Insel liegt der syrischen Küste so nahe und ist in späterer Zeit, wo wir klar sehen, so eng mit Phönizien verbunden, daß sie gegenüber dem Herrn der phönizischen Küstenpläge und das waren die Assyrerkönige seit dem 8. Jahrhundert eine freundschaftliche Stellung suchen mußte. Aber die politischen Verhältnisse der damaligen Zeit sind Folgen des Daseins der Phönizier, in der Zeit, von der wir hier sprechen, ist alles das, dessen Dasein uns später als selbstverständlich erschien, ohne das wir uns jene Länder nicht denken können, noch nicht vorhanden. Es gab noch keine Phönizier in Tyrus, Sidon und Byblos, wie es noch keine Griechen auf den Inseln des Mittelmeeres gab.

So sind wir nicht genötigt nur an Cypern zu denken, und der Wortlaut der Nachricht zwingt doch wohl auch, ein weiteres Feld für die Eroberungen Sargons von Agade anzunehmen. Denn die Unterwerfung der cyprischen Könige unter assyrische Oberhoheit war nicht viel mehr als eine Anerkennung von deren Herrschaft über die Küste und die wichtigsten Handelspläge, zu denen man freien Zutritt haben mußte. Zu einer kriegerischen Unternehmung der Assyrer ist es nie gekommen. Hier aber ist der Eroberer drei Jahre lang über See gewesen, das ist mehr als ein bloßer Abstecher nach Cypern hinüber. Es war auch deutlich von größeren Gebieten gesprochen, welche unterworfen und unter eine einheitliche Verwaltung gestellt wurden denn das besagt der betreffende Ausdruck. Wir können nicht wissen, wo wir zu suchen haben, aber nach Cypern gibt es keine nähere Stufe mehr als Kreta, die Inseln von Rhodos an und schließlich das griechische Festland. Sobald eines von diesen betreten war, war überhaupt dem Fortgang der Unternehmungen kaum noch eine Grenze gejezt.

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Eine Vermutung zur näheren Bestimmung des eroberten Gebietes würde ins Ungewisse führen, die allgemeine kulturgeschichtliche Würdigung der ganzen Sachlage beruht auch nicht auf einer solchen

Sargons und Naram-Sins Denkmäler.

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AO. VII, 2 Festlegung im einzelnen. Es wäre vielleicht für die Ortsgeschichte eine Merkwürdigkeit zu wissen, daß des alten Babylonierkönigs Fuß sie betreten hat, die allgemeine kulturgeschichtliche Bedeutung ist davon unabhängig. Denn ob ein Plaz damals bestand und babylonische Krieger in seinen Mauern sah, ist unerheblich, das eine besagt die Nachricht auch so, daß man damals von Babylonien aus das kennen lernte, was Kultur heißt. Nicht eines, sondern mehrere seiner Siegesdenkmäler hat Sargon nach der Angabe dort errichtet. Ob es die ersten waren, welche jene

Länder sahen, in denen später griechisches Können seine Kunstwerke schuf, wissen wir nicht, es werden wohl die ersten gewesen sein, welche den Anspruch darauf machen konnten, als wirkliche d. h. beschriebene Denkmäler zu gelten.

Wir haben solche Denkmäler jener Zeit. Sargon und Naram-Sin haben auch Mesopotamien und nördlichere Länder unterworfen. Nahe bei Amid am oberen Tigris ist eine Siegesstele Naram-Sins gefunden worden und bei den Ausgrabungen in Susa ist ebenfalls eine solche wieder zu Tage gekommen, die wohl ursprünglich einem Siege in elamitischem Gebiete gegolten hatte, und dann später von einem Elamiterkönig nach Susa gebracht worden war. Diese können uns also als Proben der Denkmäler gelten, wie sie damals „der Westen" zu sehen bekam und wie sie dort noch lange angestaunt worden sein mögen von einer Bevölkerung, welche nach der kam, die ihre Geseze von Babylon empfing, von neuen Einwanderern in jenem Gebiete, denen der große Geistesmittelpunkt am Euphrat wieder in weite Ferne gerückt war.

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Abb. 1. Stegesstele Naram-Sins.

Es sind zugleich die wichtigsten Denkmäler babylonischer Kunst, die wir aus jenen alten Zeiten haben. Sie zeigen uns, genau wie es bei der ägyptischen Kunst der Fall ist, die künstlerische Auffassung auf Wegen, welche die spätere Zeit in beiden Kulturgebieten verlassen hat. Während später eine feste Form der Darstellung herrscht,

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