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ehrung als ein gefährliches_Reizmittel zu fortschreitender Entsittlichung der Völker gewirkt haben. Daneben steigerte sich mit der Sündenlust und dem Sündenschmutz auch die Finsternis des Aberglaubens, der alle Leibes- und Seelennöte durch Zauberei mit Heilwurz und anderem Kraut zu stillen sich rühmt; der dabei überall Gespenster sieht; der in jeder Nacht voll Angst ist, den vor dem Tode graut, der den Menschen ohne Hoffnung dahinsinken läßt!.

Nebukadnezar, der hohe mächtige König von Babylon, war trok aller seiner Macht und Hoheit doch in den Händen seiner Priesterschaft. Er läßt sie schreiben 1):

„Seit Marduk, der große Herr, mich zur Herrschaft des Landes erhoben, beuge ich mich ehrfurchtsvoll vor dem Gott, der mich geschaffen hat. Seine reichen Einfünfte vermehrte ich gegen früher und gab für jeden Tag einen fetten Ochsen, fische, Vögel, fumu oder Knoblauch, pilu, den Schmuck der Wiesen, Honig, Rahm, Milch, gutes Oel, Kurunnu-Wein, Wein von den Gebirgen Izalla, Trimmu, Simmini, Hilbuni, Aranabani, Suhi, Bitkubati, Bitati spendete ich wie Flußwasser ohne Zahl auf den Tisch Marduks und der Zirbanit.“

Wie im ganzen Morgenland wurde der Wein auch in Babylonien und Assyrien aufbewahrt. Daher heißt es einmal: 4 nakrimanu ana kirinu silkata u sikari d. i. vier Lederschläuche zum Einfassen von Rüben (P) und Wein. Davon spendete der fromme König seiner Priesterschar mit vollen Händen, daß sie wie der reiche Mann im Evangelium herrlich und in freuden leben konnten, und namentlich der Keller gut gefüllt war.

Auch Nabuaplaiddin, König von Babylon, opferte dem Samas fette Stiere, Schafe, Korn, Honig, Wein, Ysop und bestimmte, was den Priestern an Opferteilen und Gewändern zufallen sollte. Und wer solche Bestimmungen verändert oder aufhebt, der wird verflucht bei Samas, Ai und Bunene, den Herrn der Entscheidungen 2).

Das Hauptopfer, mit dem die Götter verehrt und ihr Zorn geftillt würde, war und blieb, wie wir schon oben vernommen haben, das Schlachten von reinen Tieren, vorzüglich Haustieren; doch werden auch Gazellen als Opfertiere erwähnt. Weihrauch und Trankopfer fehlten nicht. Besonders große Opfer wurden dargebracht, wenn der Rat der Götter, demütig erbeten und von den Priestern in Orakeln kundgetan, glücklichen Erfolg gebracht hatte. Dann empfingen die Götter den ihnen gebührenden Dankeslohn nicht nur in Lob und Preis der Sieger mit zugehörigen reichen Opfern, sondern auch in Errichtung von Tempeln und Altären.

Es war aber das ganze Leben eines jeden Babyloniers oder Uffyrers ohne Unterschied des Alters, Geschlechts oder des Standes von der Geburt bis zum Grabe durch religiöse Sitte oder Gesetze also bestimmt, daß

1) K. B. III, b, 33.
2) K. B. III, S. 183.

diese beiden Völker nicht anders als durch Würdigung ihrer Religion und Religionsübung verstanden werden können. Jeder Tag des Jahres war einem oder mehreren Göttern geweiht; und an jedem Tag mußte, wie wir hörten, der König von Assyrien eigenhändig als Oberpriester das Opfer bringen.

Auch ist diesen Völkern das Gefühl für recht und unrecht durchaus nicht abzusprechen. Sie wissen, was gut und böse ist; aber die Weckung und Stärkung des sittlichen Gefühles und das wirkliche Halten der Gebote mußte in demselben Verhältnis abnehmen, wie sie sich von dem lebendigen Gott entfernten. Daher hört man noch aus einigen Sagen der Götter heraus, daß diese, wenn sonst auch ganz menschlich dargestellt, doch noch über Gottlose zürnen und Gericht halten, die Guten aber belohnen. Wie das gemeint ist, bleibt nicht im Dunkeln. Wer sich schwer verfehlt hat, wer etwa die Grabesruhe eines Toten gestört oder seinen Leichnam nicht beerdigt hat, der steht unter dem fluch, er wird von Tempel und Palast ausgeschlossen 1), kann also weder vor die Götter, noch vor den König ein Anliegen vorbringen.

Bisweilen scheint es, als sei das Sündenbewußtsein bei diesen Völkern ausgeprägter als bei andern Heiden gewesen, sodaß nicht nur Verfehlungen im Dienst der Götter, sondern auch innere Mängel und schlechte Handlungen gegen die Götter, den König und die Volksgenossen erkannt und gerügt wurden. Solchen Schein erwecken die Beschwörungstafeln 2) aus der sog. Surpu-serie. Surpu aber bedeutet Verbrennung. Da liest man:

Hat er Vater und Sohn entzweit, hat er Mutter und Tochter entzweit, hat er Schwiegermutter und Schwiegertochter entzweit, hat er Bruder und Bruder entzweit, hat er Freund und Freund entzweit; hat er einen Gefangenen nicht freigelassen, einen Gebundenen nicht gelöst; ist's Gewalttat gegen das Oberhaupt, Haß gegen den älteren Bruder; hat er Vater und Mutter verachtet; die ältere Schwester beleidigt, der jüngeren Schwester gegeben, der älteren verweigert; zu nein ja, zu ja nein gesagt; unlauteres gesprochen, frevelhaftes gesprochen; falsche Wage gebraucht, falches Geld (?) genommen, einen rechtmäßigen Sohn enterbt, einen unrechtmäßigen eingesetzt, falsche Grenze gezogen, Grenze, Werke und Gebiet verrückt? Hat er feines Nächsten (tappu) Haus betreten, seines Nächsten Weib sich genaht, seines Nächsten Blut vergossen, seines Nächsten Kleid geraubt? Hat er einen Mann nicht aus seiner Gewalt gelaffen, einen braven Mann aus seiner familie getrieben, eine wohlvereinte Sippe gesprengt, gegen einen Vorgesetzten sich erhoben? War er mit dem Herzen aufrichtig, mit dem Munde falsch? Mit dem Mund voller ja, mit dem Herzen voller nein? Ist's wegen Ungerechtigkeit, auf die er sann, um Gerechte zu vertreiben, zu vernichten, zu freveln, zu rauben, rauben zu lassen, mit bösen sich zu befaffen? Ist sein Mund unflätig, widerspenstig seine Lippen? Hat er unsauberes gelehrt, ungeziemendes unterwiesen? Hat er mit Zauberei und Hererei sich befaßt? Hat er mit Herz und Mund versprochen, aber nicht gehalten? Durch ein Geschenk (etwa ein fehlerhaftes Opfertier, wie heute etwa einige Namenchristen unwerte Münzen oder Rechenpfennige opfern) den Namen seines Gottes mißachtet? Etwas

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geweiht, aber zurückbehalten; etwas geschenkt, aber es gegessen? Gelöst werde, wodurch er auch immer gebannt ist. Ob er solches, das für seine Stadt ein Greuel, gegessen; ein Gerede über seine Stadt ausgesprengt, den Ruf seiner Stadt schlecht gemacht; ob er mit einem Gebannten Gemeinschaft gehabt, in seinem Bett geschlafen, auf seinem Stuhl gesessen, aus seinem Becher getrunken?“

Das ist ein Beichtspiegel, der denen der römischen Priester würdig zur Seite stehen kann. Kaspari 1) nennt ihn einen Lasterkatalog" und macht die treffende Bemerkung, daß bei den Babyloniern und Affyrern das Verhältnis zwischen Göttern und Menschen als ein Rechtsverhältnis gedacht worden sei. Damit aber wird auf eine ethische Betrachtung der Sünde verzichtet.

Wenn die Beschwörung dazu dient, daß der Mensch Frieden erlange, so ist wohl ein Zusammenhang zwischen den sog. Bußpsalmen und den Beschwörungstafeln zu erkennen. Während diese Tafeln die normierende Vorschrift für den handelnden Priester darstellen, so bestimmen jene Lieder die Rede des Sünders vor seinem Gott. Jene enthalten das Mittel, einen Gott zu versöhnen; die Klage sucht, fordert die Versöhnung. Die Schwierigkeit aber der Lage des fündigen Menschen bleibt immer dieselbe: Welchen Gott hat er beleidigt? Welche Sünde hat ihn in das Unglück gestürzt? für beide Fragen ist in Babylonien und Affyrien der Mensch lediglich auf den Priester angewiesen, ja gänzlich in des Priesters Hand gegeben. Der Priester sucht und findet den Dämon, der die Krankheit in den Leib gebracht hat, und gibt das Mittel an, ihn wieder zu verdrängen, alles auf gut Glück. Wollen Gebet und alle symbolische Handlungen, die wir noch kennen lernen werden, nicht helfen, so hat der Priester immer noch den Ausweg oder die Ausrede, die Ursache des Mißlingens in besonders schweren Vergehungen des Gebannten oder einem Ungehorsam des Sünders gegen die priesterlichen Vorschriften zu entdecken.

Doch enthält die Surpuserie, aus der vorhin eine Art Beichtzettel mitgeteilt wurde, auch mehrere treffende Verbote, wie diese: falsches Geld (?) oder Gewicht zu gebrauchen, des Nächsten Weib zu beleidigen, Pflanzen aus dem Feld auszureißen, des Nächsten Kanal zu verstopfen oder zu beschmutzen. Aber schon diese Zusammenstellung von ethischen Geboten mit Polizeibestimmungen zeigt deutlich, daß die Sittlichkeit des Babyloniers oder Assyriers ihre besondre Art hat. Es kommt aber diese Zusammenstellung häufig vor; denn es ruhet der Bann (mamitu) auf einem Menschen, der jemandem durch Bestechung zu seinem Recht verholfen hat, der Pflanzen aus einem Feld ausgeriffen, Rohr im Dickicht abgeschnitten hat; der für einen Tag um eine Rinne gebeten wurde und die Bitte abgeschlagen hat; der für einen Tag um einen Wasserbehälter gebeten wurde und es abgeschlagen hat; der des Nächsten Kanal verstopft hat, statt den Gegnern oder Anliegern zu willfahrn und ihnen

1) U. a. O. S. 25.

Vorflut zu schaffen; der ihnen Feind geblieben, der einen Fluß verunreinigt oder in einen Fluß gespieen hat 1).

Aus alledem dürfen wir erkennen, daß der Mann aus Tarsus den Standpunkt der Heiden nicht nur wohl versteht, sondern auch gerecht abwägt und treffend beschreibt, wenn er sagt, die Werke des Gesetzes seien in ihren Herzen geschrieben, daneben aber zeuge ihr Gewissen mit den Gedanken, die sich unter einander verklagen oder entschuldigen 2). Sie bitten wohl, es werde zerbrochen die Tafel meiner Sünden"; und bei der Lösung des Bannes erklärt der Priester, die Tafeln seiner Sünden, seiner Uebertretungen, seiner Missetaten, der Bannsprüche und Verwünschungen werden in's Wasser geworfen". Wenn aber das Zerbrechen einer Schuldurkunde gleich einer Quittung war, so müssen wir die obige Bitte und des Priesters Erklärung auf d i e Vergebung der Sünden beziehen, wie sie in Babylonien begehrt und erteilt wurde, nicht aber, wie sie von Christen begehrt wird. Dabei aber wollen wir nicht vergessen, daß der Bann gleicherweise auf dem Menschen ruht, der seines Bruders Blut vergossen hat, wie auf dem, der in den Fluß gespieen hat, damit wir nicht etwa mit E. Schrader 3) überschätzen das tief empfundene Sündenbewußtsein und die Innigkeit der Religiosität" oder gar zugeben eine enge Verwandtschaft" der sog. affyrischen Bußpsalmen mit den Gefängen des biblischen Psalmbuches; denn diese Ueberschätzungen beruhen auf der falschen Voraussehung, als ob jede Religiosität gleichwertig sei, einerlei ob sie gegenüber dem Einen lebendigen Gott oder gegenüber den toten erdichteten Gözen zur Erweisung kommt, ob sie echt und wahrhaftig oder innerlich hohl und leer ist.

Die häufigsten Verfehlungen bleiben die Uebertretungen der Vorschriften, die den Gottesdienst betreffen, Ungehorsam gegen priesterliche Gebote, Unterlassung von Geboten, von Opfern an den Tempel, von Gaben an den Priester. Doch vermeint man einen tiefer denkenden und fühlenden Geist aus den Vorschriften zu vernehmen, die A. Jeremias mitteilt *):

„Zu deinem Gott sollst du ein Herz der (Ehrfurcht) haben Das ist es, was der Gottheit zukommt. Beten, flehen, Niederwerfung des Angesichts sollst du ihm. frühmorgens darbringen und überschüssig sollst du es (über Tag) machen. Bei deinem Lernen sich auf die Tafel. Gottesfurcht gebiert Gnade, Opfer verwahrt das Leben, und Gebet (tilgt) die Sünde. Dem, der die Götter fürchtet, entgeht nicht (der Lohn). Wer die Anunaki fürchtet, verlängert (sein Leben). Gegen Freund und Genoffen rede nichts (schlechtes). Niedriges rede nicht, Freundlichkeit (verweise). Wenn du versprichst, so gib (auch, was du du versprochen hast)."

Daß hier die Erwähnung einer Tafel, von der man lernen soll, besonders wichtig sei, kann ich trotz der bez. Behauptung von A. Jere

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mias nicht finden, es sei denn, daß diese Tafel eine Art Beichtspiegel enthalten habe. Daneben ist daran zu erinnern, daß alle Schüler von Tafeln lernen mußten, auf die sie selbst oder ihre Lehrer die Lektion aufgezeichnet hatten. Man schrieb auf Tafeln in Schulen und im täglichen Verkehr. Lieber hätte uns A. Jeremias etwas von dem Bann sagen sollen: wen er traf, wer ihn aussprach, was für folgen er hatte, wie er gelöst werden konnte 1)P

Am meisten Aufschluß über das innere Leben des Babyloniers sollte man billig von den Gebeten oder Klagliedern erwarten, denen man mit unrecht den Namen „Bußpsalm" beigelegt hat, um auch hier eine Parallele mit der hl. Schrift zu gewinnen. Man sollte diesen Vergleich nicht allein wegen des gänzlich verschiedenen Inhalts, sondern auch wegen des Namens aufgeben. Diese babylonisch-assyrischen Lieder sind und heißen gar nicht Bußpsalmen, sondern sigu d. i. Heulen, ersebkumal oder Klaglied, takkaltu oder Trauergesang. Von Reu und Leid über die gegen Gott und seine heiligen Gebote begangene Sünde ist nirgends in ihnen die Rede, und dieses verstehn wir heute doch unter Buße.

Cénormant hält dafür, daß diese Klaglieder erst nach der Zeit entstanden seien, als die Nordsemiten bereits in Babylonien eingewandert waren. Andre Gelehrte halten sie für älter. Es leiden aber diese Klaglieder außer andern Gebrechen an dem Hauptfehler aller heidnischen Gebete, den der Herr seinen Jüngern zur Warnung vorhält 2): „Sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen." Dies Urteil zu begründen, möge eine Anzahl von solchen Gebeten oder Liedern hier folgen.

Was meinem Gott ein Greuel, das habe ich unwiffentlich gegessen. Was meiner Göttin ein Abscheu, darauf habe ich unwissentlich getreten. Herr, meiner Sünden sind viel, groß sind meine Missetaten. O mein Gott, meiner Sünden sind viel, groß sind meine Missetaten. Bekannter unbekannter Gott, meiner Sünden sind viel, groß sind meine Missetaten. Bekannte unbekannte Göttin, meiner Sünden find viel, groß sind meine Missetaten. Die Sünde, die ich begangen, kenne ich nicht. Das Vergehn, das ich verübt, kenne ich nicht. Den Greuel (tabu), den ich gegessen, kenne ich nicht. Das Abscheuliche, darauf ich getreten, kenne ich nicht. Der Herr hat im Zorn seines Herzens mich feindlich getroffen. Die Göttin hat wider mich gezürnt, mich einem Kranken gleich gemacht. Der bekannte unbekannte Gott hat mich bedrängt, die bekannte unbekannte Göttin hat mir Schmerz angetan. Ich suchte nach Hilfe, aber niemand faßte mich bei der Hand. Ich weinte, aber niemand kam an meine Seite. Ich stoße Schreie aus, aber niemand hört auf mich. Ich_bin voll Schmerz, überwältigt blicke ich nicht auf. Zu meinem barmherzigen Gott wende ich mich und flehe laut. Die Füße meiner Göttin küsse ich, rühre sie an 3).“

Wenn je die Finsternis und Troftlosigkeit des Heidentums, auch des gebildeten, einen beredten Ausdruck gefunden hat, so ist er in diesem Klagelied enthalten. Die Sünde ist bekannt und unbekannt, der Gott und

1) Wer einen Gebannten nur berührte, galt für unrein.

2) Matth. 6, 7.

3) Nach Urquhart und U. Jeremias, A. T. O., S. 107.

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