ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

nen so entschieden sittlichen Charakter verleiht, aber leider auch so manches lebensvolle Element seiner Jugendpoesie gewaltsam ausschied. Die Idee der ästhetischen Erziehung der Nation durch die Ideale der Kunst vereinigte die Beiden dauernd zu gemeinsamem Zusammenwirken. Die Kunstform Lessing's, durch die Sturm- und Drangperiode in Stücke geschlagen, wurde nun durch eine andere, höhere erseßt, die zwar dem wirklichen deutschen Leben noch viel ferner stand, aber dafür den reinsten Gehalt menschlicher Bildung in sich faßte. Es kamen die schönen Tage von Weimar und Jena, der bedeutendste Abschnitt der deutschen Literatur.

Weimar war für die deutsche Poesie kein königlicher Sig; es war für sie nur eine Zufluchtsstätte, ein Asyl. Sowie Leto, die Mutter Apolls, lange umber irrte, bis sie einen Ort fand, wo sie die Gottheiten des Lichtes zur Welt bringen konnte, so auch die deutsche Muse, ehe sie dem Talente die göttlichen Kinder gebar. Früher schien bald da, bald dort sich ein Mittelpunkt des deutschen Literaturlebens bilden zu wollen; zuerst in Leipzig durch Gottsched, dann durch die Bremer Bei träger, hierauf in Berlin durch Lessing, Mendelssohn und Nicolai in der Periode der „Literaturbriefe", in Hamburg durch den Aufschwung des neuen Theaters und die kritische Thätigkeit Leffing's, in Frankfurt durch die magische Anziehungskraft, welche die Persönlichkeit des jungen Göthe ausübte; zulegt ward aber doch dem kleinen Weimar diese Ehre zu Theil. Wie die Dinge stan= den, konnten die deutschen Literaturbestrebungen außer Leipzig nur etwa in einer der freien Reichsstädte oder

einem der wenigen Kleinstaaten, die für eine edlere geistige Richtung empfänglich waren, einen natürlichen Vereinigungspunkt finden. In Preußen war der Einfluß des großen Königs, der auch in literarischen Dingen rasch absprach, und mit dem Urtheil eben so schneidend durchhieb, wie mit seinem Degen, bei seiner erclusiv französischen Bildung zu niederdrückend; dort fast unmittelbar unter den Augen Voltaire's, der von Sanssouci aus mit sarcastischer Ueberhebung auf die deutschen Literaturversuche blicken mochte, konnte sich der Geist der nationalen Dichtung nicht zu freiem Schwunge und zu ungehemmtem Selbstgefühl erheben. Auch unter Friedrichs des Großen Nachfolger, Friedrich Wilhelm II., war die Situation nicht günstig; das von dem pietistischen Wöllner veranlaßte Religionsedict, welches dem Rationalismus so entschieden entgegentrat, war eine bedenkliche Reminiscenz an den Hauptpastor Göge, den Lessing in seinen theologischen Streitschriften siegend bekämpft hatte. Wien und München lagen damals außer der eigentlichen Strömung des geistigen Lebens in Deutschland, so rührig sich auch namentlich in Wien die Federn schon damals bewegten. In Württemberg blickte auf jede freiere Regung des literarischen Strebens der Hohenasperg drohend herab; und die Jugend Schillers ist Beweis genug dafür, daß der Staat des Herzogs Carl ein Gefängniß des Geistes war, aus dem nur schleunige Flucht retten konnte. So kam es denn endlich, daß durch die Magnete, die von dem gebilde teren und liberaleren Weimar aus wirkten, allmälig alle bedeutenderen Kräfte angezogen wurden; Wieland

lebte dort bereits in behaglicher Stellung, und als das Gestirn Göthe's dort aufging, folgten Herder, Schiller bald nach, auch Voß blieb einige Zeit und in Jena bereitete sich, während der große, einsame Denker, Imanuel Kant, in Königsberg alterte, die neue speculative Bewegung durch Fichte, Schelling, Hegel viel verheißend vor. Dort also, in demselben Lande und unfern der Wartburg, wo Luther sein Reformationswerk reif gedacht hatte, sollten auch die verspäteten dichterischen Blüthen und Gedankenfrüchte des protestantischen Geistes in der Poesie und in der Philosophie sich entfalten und zeitigen.

Unter diesen Umständen mußte allerdings die weitere Entwicklung der Literatur, insbesondere der dramatischen, einen eigenen Weg nehmen. Ein kleiner gebildeter, feiner empfindender Kreis trat an die Stelle des großen Publicums: an der momentan wirkenden, populären Kraft, die sich aus ihren Jugendwerken ergoß, büßten Göthe und Schiller unter diesem Einflusse wohl vieles ein, aber sie gewannen an größerer Freiheit und Unabhängigkeit des Kunstprincips. Wohl fehlte ihnen nun die lebhafte Berührung mit der Gesellschaft, mit dem wogenden, drängenden Leben der verschiedenen Stände und Menschenclassen; es fehlte ihnen jener Verkehr mit dem Ganzen des Volkes, der gleich das Schifflein des Dichters steigen macht, es mit vollen Segeln dahingehen läßt, und man sollte es wenigstens glauben - namentlich dem Dramatiker ganz unentbehrlich ist. Bei einer günstigeren Entwickelung der nationalen Eristenz kann man sich gar nicht denken, daß das

[ocr errors]

Bedeutende in der Poesie aus einer solchen isolirten Position der Dichter hervorgehen solle. Wie aber damals die gesellschaftlichen und politischen Zustände Deutschlands geartet waren, fonnte dies eben als kein großer Verlust gelten. Eine imposante, großartige Concentration der nationalen Kräfte in einer bedeutenden Stadt gab es nirgends; weder Berlin, noch weniger aber Wien konnten das deutsche Leben als solches abspiegeln und repräsentiren. In den Reichsstädten waren die Formen der Eristenz meist verengt, verdumpft, philisterhaft, an den übrigen größern oder kleinern Hofhaltungen richtete man sich ein Klein-Versailles ein, caricirte die französische Frivolität ins Plumpe und Cynische, und schmiedete Antichambre-Intriguen und Hofränke. Von diesen verkrüppelten und entarteten Formen des deutschen Lebens mußte sich die höhere Richtung der Poesie abwenden und ihre Darstellung jenem Naturalismus überlassen, der sich nicht viel darum fümmert, ob er bei dem, was er erfaßt, auch saubere Hände behält. Will man aus der Literatur erfahren, wie das deutsche Leben damals wirklich beschaffen war, in welcher Flachheit und Versumpfung es sich befand, in welchen engen und trivialen Interessen es sich bewegte, so braucht man nur die Stücke von Schröder, Iffland, Kogebue zu lesen. Wohl den bedeutenderen Geistern der Literatur, und wohl auch uns, daß sie von dieser Wirklichkeit, an der sie sich nicht befruchten, und die sie nicht veredeln konnten, in heilsamer Isolirung sich abwandten. Durch sich selbst gebildet, traten sie dann als die wahren Bildner des Volkes hervor, und schenkten ihm

gleichsam aus dem Privatvermögen ihres Geistes die hohen Ideale reiner Menschlichkeit. Homer war der verkörperte Genius seines Zeitalters, Shakespeare war bei seiner ungemeinen Größe doch nur das individuelle Organ der aufgesammelten Kraft seiner Epoche, die in ihm zum höchsten Ausdruck gelangte Göthe und Schiller haben durch die persönlichen Errungenschaften ihres Geistes, zu denen die Nation fast nichts beigetragen, die ganze Nation gehoben und gebildet. Gleich dem aufgeklärten Despoten des 18. Jahrhunderts, die ihre wohlthätigen Reformen mit Gewalt einführten, nöthigten die Fürsten der deutschen Literatur ihr höheres Kunstprincip dem deutschen Volke auf, bis dieses in ihm den Geist erkannte, von dem es, allerdings ohne seine eigene Schuld, abgefallen war, und in begeisterter Einstimmung sich um die Standbilder seiner Dichter sammelte. Beide, Göthe und Schiller, wirkten jeder in seiner Weise ästhetisch erziehend auf die Nation ein: jener, indem er ihr das dichterische Bild seines eigenen, individuellen Entwicklunggangs in Wilhelm Meifter, in Faust u. s. w. in verklärter Form entgegenhielt, dieser, indem er durch die Macht allgemeiner Ideen und Anschauungen, durch die bewegende Gewalt bedeutender historischer Stoffe auf sie zu wirken suchte. Die ästhetische Confession, die sie mit einander theilten, war aber der unbedingte Glaube an das griechische Ideal, welches beide so ganz in die Tiefe ihres schaffenden Geistes aufnahmen. Göthe's Faust stieg in die Unterwelt hinab, um den Schatten der Helena heraufzuholen, Schillers Muse führte die Götter von Griechenland auf

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »