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geführt (der Eumenidenhain im „Dedipus in Kolonos" die Landschaft von Mykene im Eingang der Elektra sc.), während die Zimmer- und Vorsaalhandlung der französischen Tragödien nur schöne Worte, aber feine Localfarbe, keinen Hintergrund habe! Wie natürlich und folgerichtig sei dort die Entwicklung der Charaktere und Leidenschaften, wie einfach und doch grandiös die Contouren der Handlung, während hier auch in der Tragödie die französischen Romanverwirrungen herrschen, und über die herkömmlichen Liebesintriguen oft die Haltung der Charaktere ganz vergessen werde! So fein aber diese Andeutungen über die Alten sind, so wenig vermag noch Schlegel in den kolossalen Maßen Shakespeare's den Umriß der Schönheit zu finden. Den großen Briten jah er noch immer durch die franzö sische Brille an, und mochte er sie noch so sorgfältig pugen, er konnte nichts anders durch sie sehen, als was sie zeigte. Wohl buchstabirt er an seinen Werken herum, aber er vermag nicht aus den einzelnen Silben jenes magische Wort zusammenzufassen und mit eins auszusprechen, auf das sich die Geister seiner Dichtung wundersam regen und aus der Tiefe aufsteigen. In welche Rangordnung er seinen Genius stellt, dafür ist dies ein bedenkliches Zeichen, daß er eine ausführliche Vergleichung Shakespeare's mit — Andreas Gryphius versucht! Er ist freilich," so gesteht er naiv zu, „kein Shakespeare, aber er hat gewisse Mängel und Tugenden mit ihm gemein, und ist nicht unwürdig, mit ihm verglichen zu werden." Und nun wird aus Anlaß der

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Borck'schen Uebersehung des „Julius Cäsar“ eine Parallele dieser Tragödie mit „Leo dem Armenier“ von Gryphius durchgeführt, die nichts weiter ist, als ein kahles, unfruchtbares Schulerercitium, durch das für das innere Verständniß nicht das Geringste gewonnen wird.

Darf man deshalb unseren Autor für so beschränkt halten? Heutzutage werden ohne Unterlaß neue Feinheiten im Shakespeare erspäht; diese ästhetischen Entdeckungen sind wohlfeil geworden, wie Brombeeren." Ich dachte aber, wir haben nicht Ursache, uns auf unser Verständniß Shakespeare's so viel zu gute zu thun; von Lessing, von der Sturm- und Drangperiode an bis auf die Romantiker und die moderne Aesthetik hinab ist es langst zur Tradition, zum ästhetischen Dogma geworden, an seine Größe unbedingt zu glauben. Bei dieser Gläubigkeit bleibt es auch meistens; denn sonst wüßte ich nicht, wie daneben sich auch ein schwächlicher Zeitgeschmack geltend machen könnte, der mit dieser Bewunderung des großen Briten im schroffsten Widerderspruche steht . . .

Es fragt sich übrigens, was schlimmer ist: Shakespeare vom Princip des formellen Geschmacks aus zu schulmeistern, oder in ihn alle die fleinen, leeren, schalen Gesichtspunkte hinein zu interpretiren, die man aus dem seicht fließenden Bächlein der eigenen Zeit, der eigenen Bildung schöpft. Die Gottschedianer von heute (denn dieses Geschlecht stirbt nicht aus) schimpfen zwar nicht mehr auf Shakespeare, zucken zwar nicht mehr über ihn die

Achseln - aber, was schlimmer ist, sie machen ihn zu einem armseligen Gesellen ihres Gleichen. Erst wenn sie ihn in ihrer Erklärung verdreht und verfälscht haben, wenn sie den großen Spiegel des Lebens, den er aufgestellt, in Scherben geschlagen, und sich daraus fleine Taschenspiegel ihrer eigenen Schulweisheit zurecht gemacht haben - dann fühlen sie sich mit ihm in Uebereinstimmung, dann bewundern sie in ihm dasjenige, was sie in ihn selbst von dem Jhrigen hineinlegten und hineindeuteten. Diese moderne ästhetische Scholastik, diese Heuchelei des Geschmacks bleibe uns ferne! Treten wir lieber in den Dom der Shakespeare'schen Dichtung ohne Führer ein, lassen wir die fühnen Strebebögen dieser Wölbungen allein auf unsere Phantasie wirken, als daß wir uns von der schnarrenden Stimme eines unberufenen Küsters die Merkwürdigkeiten dieses Heiligthums einzeln erklären lassen.

Doch wozu diese Entrüstung, zu der ich mich gelegentlich binreißen ließ? Es giebt so wenig Zeiten, wo wirklich das Starke, das unverfälscht Große und Ewige im Menschen zu reiner Schägung, zu vollem Ausdruck gelangt und es wäre gewagt zu behaupten, daß wir eben in einer solchen Zeit leben. Nur Epochen der eben bezeichneten Art sind die Höhepunkte der poetischen Cultur; diese hat eigene Pulsschläge für sich, und hält feineswegs mit den Fortschritten der intellectuellen Bildung, der Erfindungen, der Aufklärung sc. gleichen Gang. Der Fortschritt in der Literatur ist kein allmäliges Aufsteigen von Stufe zu Stufe er beruht

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nicht auf demselben continuirlichen Gange wie die stetige, durch Generationen sich fortsegende Bienenarbeit der Wissenschaft er ist immer eine Revolution, ein plöglicher Durchbruch, ein großes Naturereigniß im Culturleben. Dann werden die conventionellen Modebegriffe beseitigt, dem eitlen Schulgeschwäg wird das Wort entzogen, damit der Genius allein spreche und die Mysterien des Menschlichen auf's Neue enthülle. Dann quillt es mächtig aus der Tiefe empor, dann rauschen mit einem Male die stockenden Quellen, dann offenbart sich das Innerste, tief Verschlossene in gewaltigen Accenten. Aber es währt nicht lange und das Verständniß für diese Prophetensprache geht wieder verloren. Ganze Jahrhunderte folgen, die in künstlichen Conventionen, in gemachten Anschauungen leben, die die Mode von den Kleidern und Umgangsformen bis zu den leisesten Bebungen ihres Gehirns beherrscht, und der Sinn für das Ursprüngliche, für das Großartig-Natürliche ist verflungen und verschollen gleich einer fremden, unverständlichen Sprache.

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Und die Zeit, von der wir jest sprechen, Dies halbschläfrige, halbwache Morgengrauen der deutschen Literatur vor dem hellen, scharfen Weckruf Lessings war sie nicht weiter, als jede andere, von der wahren Natur entfernt? Wenn damals auch nur eine Ahnung, ein Dämmerlicht des Verständnisses für echte Poesie in ein Gemüth fiel so wahr dies mehr werth, als heutzutage ein ganzes System der Aesthetik. Wie schwer war es damals, die Naturlaute eines starken Affectes, einer

mächtig erregten Stimmung in der Poesie zu verstehen! Die Dichtung war da nicht ein Waldquell, der mit reichen. Erguß aus geheimnißvoller Tiefe hervorbrach, sie war eine mit sauberen Steinplatten eingefaßte Fontaine in einem französischen Garten, die ihre Wasserstrahlen selbstgefällig in die Höhe trieb, um ab und zu die hohlen Messingkugeln wigiger Einfälle spielend in die Höhe zu werfen . . . Was Phantasie, Gemüth, Leidenschaft in der Poesie bedeute, das wußte man dazumal nicht; man sah in ihr nichts Anderes als lediglich eine ,,Belustigung des Verstandes und Wiges", — und wenn die Dichtung sich eine höhere Würde geben wollte, so mußte sie sich dieselbe von der Moral, von der Schulweisheit borgen.

In einer solchen Zeit darf man immer eine Erscheinung wie die J. E. Schlegel's mit tieferem Antheil begrüßen, und ich stehe nicht an, ihn als denjenigen. Schriftsteller zu bezeichnen, der mitten in der Gottsched'schen Schule vorbereitend auf Lessings große Gestalt hinweist. Der Frühlingsregung muß ein Thauwind vorangehn, der lösend über die starren Eisflächen hinweht; und ich glaube, daß wir in den mitgetheilten Stellen aus diesem vergessenen Autor einen Anbauch dieser Art gefühlt haben.

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