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turgie" durchgekämpft hatte, so ließ er auch zum ersten Male den natürlichen Herzschlag deutschen Gefühls von der Bühne herab in seinen Stücken vernehmen. In der Minna von Barnhelm," der Emilia Galotti," dem,,Nathan," stand nun mit einem Male statt der mechanisch nachgebildeten französischen Muster eine selbstständige, durch die Kritik geläuterte Kunstform für das deutsche Drama da, eine Kunstform von solcher Mustergiltigkeit und Reinheit, wie man sie vollends jenem Zeitalter gegenüber nicht genug bewundern kann.

So männlich - kräftig, so energisch gehalten das Lessing'sche Drama ist — es steht doch nur mit einem Fuße in der unmittelbaren Wirklichkeit; in seinem innersten Wesen liegt bereits jener abstracte idealistische Charafter, der fortan das bleibende Gepräge des classischen Drama's der Deutschen bestimmt. Freilich ist der Lessing'sche Idealismus von strenger, beinahe nüchterner Art; er ist überwiegend moralisirender Natur. Dadurch hängt er auch mit seinen Vorgängern und Zeitgenossen zusammen. Die Scheidemünze der in klingende Sentenzen ausgeprägten Moral, welche die Cronegk's, die Elias Schlegel sc. mit vollen Händen in's Publicum auswarfen, ist hier eingeschmolzen, und ihr flüssiges Metall mit der Charakteristik in einen Guß gebracht. Aber moralisirt wird bei Lessing auch, nur nicht in einzelnen eingestreuten Moralien, sondern in Gesinnungen und Handlungen, die für sich selbst sprechen. In der „Emilia Galotti,“ herrscht der doctrinäre Tugendbegriff; er ist die leitende Macht, welche Emilie und ihren Vater bestimmt; die ängstliche Strenge einer sich selbst

beobachtenden, für sich selbst fürchtenden Tugend führt die Katastrophe herbei. In der Minna von Barnhelm" bringt der Held einem ebenso firengen, edlen Eigensinn eines imaginären Pflichtgefühls beinahe sein Lebensglück zum Opfer. Je weiter im „Nathan" die alle confessionellen Gegensäge ausgleichende Toleranz Lessing's auf religiösem Gebiete reicht, desto ernster wird die Moral, der Pflichtenstandpunkt bei ihm genommen; seine Helden sind durchaus Idealisten des moralischen Princip's: Emilia, Odoardo Galotti, Appiani, Tellheim, der Tempelherr, der Derwisch im Nathan. Der Moralist bringt bei Lessing reichlich an Strenge ein, was der Theologe bei ihm nachgiebt. Wenn der weise, der versprochene Richter der Zukunft, an den Nathan appellirt, für den reinen Deismus entschieden haben. wird, dann wird statt des entzweienden Dogma's die Religion der Pflicht und Moral die Welt beherrschen und einigen dies ist das legte Wort, das Nathan gleichsam auf den Lippen schwebt.

Die Form des Drama's, die Lessing gefunden, war für den stärkeren, intensiveren Andrang des Gefühls, der sich in der nun folgenden Literaturbewegung regte, doch noch zu knapp und gemessen; auch war sie für die leştere viel zu geflärt und gefühlt in dem Element des Verstandes und der Reflerion. Auf das Drama der moralischen Gesinnung - so können wir vor allem das Lessing’sche nennen folgte in der Sturmund Drangperiode die Emancipation der individuellen Empfindung; man versuchte es nun auch, diesen in höheren Wegen dahin brausenden Strom

der Stimmungen, der Leidenschaften gleichfalls in das dramatische Bett zu leiten. Dieses mußte tiefer gegraben, die frühere Kunstform daher für's Erste aufgege= ben werden. Vorläufig wurde die Berechtigung des Gäh. rungsprocesses selbst ungescheut ausgesprochen. Klinger sagte es offen, als er sich später über die Tendenz seiner eigenen, wildgenialen dramatischen Erzeugnisse äußerte, „daß die Deutschen durch die Verzerrung gehen müßten, bis sie sagen könnten, so und nicht anders behagt's dem deutschen Sinn. Gewiß seien die kalten, beschränkten Regeln des französischen Theaters mit sei ner Declamation dem thätigeren (?), rauheren und stärkeren Geist der Deutschen nicht genug; aber ebenso gewiß sei er nicht muthwillig, launig und besonder ge= nug, um's allgemein mit dem englischen Humor und seinen Sprüngen zu halten. Also wäre das wilde Thun bisher doch nichts Anderes, als eine Form zu suchen, die uns behage! Machten wir eine Nation aus, so hätten wir die Form gewiß vorgefunden!... Warum aber soll unser Theater auf französische Form gemodelt sein, da wir Deutsche sind, und der Galanteriefram, wovon Racine's Helden strogen, unserem Charakter so fremd ist? Warum auf englische, da wir so fern von der sprudelnden Laune dieser Insulaner sind? Ein Charakter voll Geradheit, Biederkeit, Muth, Beharrlichkeit, Starrsinn greift ins Herz des deutschen Volkes, da es nicht weiß, wohin es die galanten Griechen und Römer der Franzosen, und die übertriebenen Caricaturen des neueren englischen Theaters sehen soll".

Troß dieser Verwahrung gegen das Aparte und Fremdartige des englischen Wesens blieb aber Shakespeare doch die höchste Autorität der Sturm- und Dranggenossen. Sie sahen ihn geradezu als einen Geistesverwandten aus früherer Zeit an, und glaubten sich als die wahren Apostel des Evangeliums der Poesie zu ihm gesellen zu dürfen, weil sie ihr leidenschaftliches Gefühlsübermaß ohne weiters für trogende Kraft, ihr unruhiges Schäumen und Drängen für die Gewähr der echten Originalität hielten. Besonders, wenn etwas recht formlos war, wenn einmal recht verwegen über die Schnur gehauen wurde, dann war es sofort Shakespearisch. Der junge Göthe gehörte durch seinen „Gög von Berlichingen" ganz dieser gegen die Regel stürmenden Richtung im Drama an, ja er war geradezu tonangebend für dieselbe. Das Stück wurde 1774 in Berlin aufgeführt. Man kann denken, welchen Eindruck dasselbe auf Friedrich den Großen bei seiner ganz französischen Bildung gemacht haben muß; er hat sich auch stark genug in seiner Schrift,,De la littérature Allemande" dagegen ausgesprochen. Nur diese Ehre that er dem Gög doch an, daß er ihn wenigstens in einem Athem mit Shakespeare's Dramen - verwarf, und ihn eine imitation détestable de ces mauvaises pièces anglaises etc. nannte. Göthe hat später, als ihm selbst das Herz nicht mehr so warm für seine Jugendproducte schlug, das verwerfende Urtheil des großen Königs ruhig genug hingenommen. „Wenn der König," so sagt er,,,meines Stücks in Unehren erwähnt, so ist das mir nichts Befremdendes; ein Vielgewalti

ger, der Menschen zu Tausenden mit eisernem Scepter führt, muß das Product eines freien und ungezogenen Knaben unerträglich finden. Auch dünkt mich, das Ausschließende ziemt sich für Große und Vornehme."

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So toll und absurd sich damals der Most gebärdete, es gab zulegt doch einen reinen, trefflichen Wein. Nicht minder ungestüm und tumultuarisch, als bei den Sturm- und Dranggenossen, ging bei dem jungen SchilIer die Gährung in der ersten Periode seines literarischen Schaffens vor sich, da er die Räuber," "Fiesco," „Kabale und Liebe" schrieb. Göthe, damals schon selbst ein Großer und Vornehmer" in der Literatur, sprach sich ablehnend genug über die wilde, aber hinreißende Schöpfung der Räuber" aus, die mit seiner bereits befestigten, reineren Kunstanschauung so grell contrastirte, und wie ein rauschendes Wildwasser Alles wegzuschwemmen drohte, was er inzwischen im Sinne einer edleren Bildung zu pflanzen und zu begründen bemüht war. Nachdem er aus Italien zurückgekehrt war, Sinn und Geist mit der hohen, stillen Schönheit des Alterthums und der italienischen Kunst angefüllt hatte, drangen ihm die Pfiffe aus den böhmischen Wäldern, die Signalschüsse der Räuber, die von allen Bühnen knallten, gar verlegend in das Dhr. Der Dichter der „Iphigenia" und des Tasso" konnte vorläufig nicht mit dem Dichter des Carl Moor, ja kaum noch mit dem des „Don Carlos“ sympathisiren. Aber bald verständigten sich die beiden Dichter. Schiller holte rasch die Reife Göthe's ein; er beschleunigte seinen Läuterungsproceß durch jene ernste Arbeit an sich selbst, die seinem künstlerischen Streben eis

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