der bedientenhaften und spießbürgerlichen Gesinnung jes ner Zeit und dem aufgestelzten Römerpathos des Stüdes? Ich glaube kaum. So wurden denn auf der deutschen Bühne die Figuren dieser Tragödie erst vollends zu leblosen Marionetten, die Rhetorik derselben zu bedeutungsleeren Phrasen, das Ganze zu einem rein formalen, unbeschreiblich frostigen Schulstück. Uebrigens war die Perrücke des englischen Staatssecretairs unserem Rector noch nicht stattlich genug; er fand, daß die Locken derselben etwas in Unordnung gerathen waren. Sie mußte noch einmal zurück zum französischen Friseur, ehe er sich sie selbst aufsegte. Gottsched untersuchte die Einrichtung des Addisonschen Cato nach den theatralischen Regeln und fand, daß derselbe, obgleich nach französischem Geschmacke geschrieben, doch bei Weitem nicht so regelmäßig sei, als die Tragödien der Franzosen selbst. Für's Erste hat Addison, was auch Voltaire in der Widmung seiner Zaïre tadelnd bemerkt, ganz willkürlich zwei Liebschaften eingeflochten, die mit der Haupthandlung in durchaus keinem organischen Zusammenhang stehen; es ist dies die Liebesgeschichte zwischen Lucia und den beiden Söhnen Cato's, dann jene zwischen Juba, Sempronius und Cato's Tochter Porcia. Ferner beachtete Addison nicht die Regel der ununterbrochenen Scenenverbindung: endlich fand Gottiched mit Grund darin einen Uebelstand, daß der sterbende Cato, dieser strenge Verfechter der Freiheit, der doch ganz andere Dinge im Kopfe hatte, hier noch zulegt ein paar Heirathen bestätigen muß. Diese Mängel des englischen Originals bewogen ihn - statt zu einer Uebersegung, zu einer Umarbeitung des= selben: denn er wollte auf der deutschen Schaubühne nicht gerne ein neues Muster aufführen lassen, das den Feinden aller Regeln einen neuen Vorwand geben könnte, zu sagen, daß ein Stück auch ohne dieselben schön sein könne." Als Correctiv des Addison'schen Cato's brauchte er nun den von Deschamps. Diesem entlehnte er die Zwischenfabel von Pharnaces und Arsene, und sezte sie an die Stelle der obenerwähnten Liebeshändel, weil sie sich dem Gange der Haupthandlung natürlicher einfüge, und doch auch dem Zwecke ausreichend entspreche, ei= nige Verwicklung in das sonst so einfache Sujet zu bringen. Arsene, eine verloren geglaubte Tochter Cato's, die anfangs als Fürstin der Parther auftritt, und erst später ihre Herkunft erfährt die Intrigue des Bösewichts Pharnaces, der durch Verbrechen Arsenens Besig erzwingen will endlich der edel gelös'te Conflict zwischen Liebe und Tochterpflicht, als Arsene Căsarn, den sie liebt, um ihres Vaters willen feierlich entsagt - dies gab Verwicklungsscenen, die sich nach Gottsched's Ansicht mit dem heroischen Ernst des Grundstoffes besser vertrügen, als die allzu romanhaften Einschiebungen bei Addison. In der Katastrophe hielt sich dagegen Gottsched wieder an das englische Stück; weil Deschamps diesen großen Mann nicht als einen Weltweisen, sondern als einen Verzweifelnden sterben lasse, und im Schlusse seiner Tragödie ebensowohl gegen die Wahrheit der Geschichte, wie gegen den philosophischen Charakter Cato's verstoße. Wie wir also sehen, ging Gottsched bei der eklektischen Zusammenfügung der Sce nen seines Stücks mit großer Ueberlegung zu Werke: das Resultat davon konnte aber doch kein anderes sein, als ein rein mechanisches, seelenloses Aggregat. Gerade die Rechnenkunft der Reflerion ist es, die in der Poesie sich stets verrechnet und nie das richtige Facit herausbringt. Folgendes Fragment mag genügen, Ton und Haltung des Ganzen zu charakterisiren. Es ist ein Staatsgespräch. Cäsar kommt selbst zur Unterredung nach Utica, und stellt dem Cato sehr annehmbare Anträge. Dieser bedient ihn darauf, ganz nach dem Sage: im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist," mit der ganzen Wucht gesinnungstüchtiger Grobheit. Cäsar verliert gleichwohl nicht die Geduld, und sucht sich mit vieler Mäßigung zu rechtfertigen, während Cato mit polterndem Ungestüm weiterschilt. Cäsar. Nun Cato, endlich ist der Wunsch mir eingetroffen, Komm, schleuß ihn selbst mit mir, und mach' der Noth ein Ende, Cato. Wie frech und unverschämt trägst du mir solches an? Regiert ein einzig Haupt das große Rom allein: Cäsar. Was hab' ich denn gethan? . . . Die Meere waren mir kein Hinderniß im Siegen, Und doch versaget mir der ungerechte Rath, Weil mich Pompejus haßt, ein schlechtes Consulat? Mein eig❜nes Blut erkämpft, des Staates höchstes Amt, Cato. Aus Rachgier, Cäsar, ward das Schwert von dir gezücket! Warum behältst du noch die oberste Gewalt ? Cato rückt nun dem Cäsar all' die innere Selbstzerfleischung des Staates, die Greuel der Parteiwuth vor, wie sie seine Herrschsucht heraufbeschworen. Dar auf erwiedert Cäsar: dieses Unheil sei weit eher die Schuld der starren Republikaner! Denn warum widersezen sich diese in unfruchtbarem Eigensinn der Gunst des Schicksals, das ihn gerade an die Spige des Staates gehoben? Rom und Italien durch seine Herrschaft zu beglücken, das sei ja seines Strebens höchstes Ziel! Cato fällt ihm ins Wort: Verderben willst du fie! das zeigt der Lauf der Sachen! Die manchen Bürger drückt, verschwendrisch aufgehoben: Die Wuth versteckt sich nur in einer Wohlthat Schein : Cäsar überrascht nun den tugendhaften Polterer durch eine Probe seltener Großmuth. Der verätherische Pharnaces hat in Cäsars Lager zwei Boten gesandt, mit der Nachricht, er sei bereit, Cato zu ermorden und seinen Kopf dem Cäsar zu senden. Dieser aber läßt sie festnehmen, und schickt sie gefesselt dem Cato zur Bestrafung zurück. Einen Augenblick imponirt dies dem. unwirschen Patron doch gleich darauf fängt er wieder an zu zanken und zu schelten. Pharnaces wolle nur ihm, Cäsar aber Rom und der Freiheit an's Leben u. s. f. Ich dächte, es ist genug. Wie wir sehen, liegt der Schulstaub fingerdick auf dieser Scene, und es wäre nicht gut, weiter daran zu rühren. Gottsched hat in seinem sterbenden Cato das Kunststück ausgeführt, wie man blos nach der Wissenschaft |