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Hauptfehler der Aufklärungstendenz des Jahrhunderts treten an diesem classischen Werke gleichfalls zum Vorschein. Dahin gehört vorzugsweise das Bestreben, das Leben der Geschichte auf einige, im Grunde genommen nicht sehr inhaltsreiche Abstractionen zurückzuführen. Es lag dies schon einmal in der Richtung der Zeit: die farbige Mannigfaltigkeit der Wirklichkeit, alles Besondere und Eigenartige, das sich aus der Verschiedenbeit der Nationalitäten und ihrer Entwicklung erklärt, wurde nicht näher beachtet, es wurde unter das Winkelmaß einer generalisirenden Auffassung gebracht, und ganz einfach gesagt: Dies ist nach den allgemeinen Gesichtspuncten des Verstandes daran gut und brauchbar, dies aber nicht. Man war schon einmal gewohnt, Alles und Jedes mit der einförmigen, weißen Tünche des „allgemein Menschlichen, der reinen Humanität" anzustreichen. Alle bistorisch entwickelten Formen der Existenz, die nur culturgeschichtlich aufgefaßt werden sollten, wurden schematisirt, und durch das Zurückführen auf eine Handvoll von Kategorien ihres reichen lebendigen Inbalts beraubt. So verfuhr man mit den positiven Religionen, mit dem positiven Recht, dem lebendigen Staat und der lebendigen und naturwüchsigen Kunst und Poesie. Man construirte sich eine allgemein-giltige Naturreligion, ebenso ein Naturrecht, einen Naturstaat, eine natürliche Poetik und Kunstregel; aber wenn man näher darauf eingegangen wäre, hätte man finden müssen, daß die Natur überall von dem Mannigfaltigen, nicht von dem Einförmigen ausgeht, und das legtere erst ganz zulegt

durch die Anatomie des Begriffs aufgefunden wird. In der Kunst und Poesie hat Lessing die kahle Gleichförmigkeit der Abstraction schon siegreich bekämpft aber in der Theologie ist er darin noch zum Theil befangen geblieben.

Die deutsche Aufklärung stellte sich wie die Engländer Tindal, Morgan, Chubb auf den Standpunct der rational faith, d. i. des Denkglaubens. Legteren galt das Christenthum, wenn man es von der Nachwirkung jüdischer Localideen oder von späterem Priesterzusag entkleide, als die reine Natur- oder Vernunftreligion; daran dachten sie freilich nicht, daß diese äußere Erscheinungsform des Christenthums der historische Leib sei, in welchem es lebt, in dem sich seine Seele entwickelt hat, nicht aber ein Gewand, das ohne Beeinträchtigung seines Wesens ihm angelegt worden sei und das man ihm ebenso wieder ausziehen könne. Wie die englischen Deisten im Christenthum den Kern der reinen Vernunftreligion fanden, so batte man ihn auch im Judenthum, im Islam u. s. f. entdecken können; man brauchte eben nur von allem Geschichtlichen, Bestimmten darin zu abstrahiren, man brauchte blos einen Destillationsproceß mit den positiven Religionen vorzunehmen, durch den man den localen oder historischen Beige= schmack derselben entfernte — und dann kam man immer wieder auf das farb- und geschmacklose Wasser der sogenannten Naturreligion. Diese Consequenz spricht auch Nathan der Weise" ausdrücklich aus ja sie ist sogar sein wesentlicher Inhalt. Was enthält

aber jene Naturreligion? Nichts als einige einfache moralische Säge, gewisse unantastbare Vorschriften der Nächstenliebe, der duldenden Humanität sc., die man im Christenthum, aber ebenso im Buddhismus oder in der Religion des Confucius findet.

Also zwischen den vernünftigen Genossen der verschiedenen Culte ist eine solche Verständigung möglich, wie sie im Nathan so schön zur Darstellung gebracht ist. Oder genauer gesagt: zwischen denjenigen, bei denen das moralische Gewissen über die Religionsansicht, das sittliche Gefühl über den dogmatischen Eifer prävalirt. Der Engländer Tindal sagt, man müsse nothwendig annehmen, daß vom Anfang an nur Eine wahre Religion gewesen, nämlich jene, durch welche alle Menschen erkennen fönnen, was ihre Pflicht sei. Denn was sei die wahre Religion Anderes, als die stete Neigung des Gemüthes, Gutes zu thun, um Gott zu gefallen, indem wir uns seinen Absichten ge= mäß verhalten. Ganz ähnlich verweist Nathan vom Dogma zur Ethik in dem Schluß der berühmten Parabel: Wohlan!

Es eif're Jeder seiner unbestochenen
Von Vorurtheilen freien Liebe nach!

Es ftrebe von euch Jeder um die Wette,

Die Kraft des Steins in seinem Ring an Tag
Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmuth,
Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohlthun,
Mit innigster Ergebenheit in Gott

Zu Hilf'! Und wenn sich dann der Steine Kräfte

Bei euern Kindes-Kindes-Kindern äußern :

So lad' ich über tausend, tausend Jahre
Sie wiederum vor diesen Stuhl.

Der Zweck, der Nugen des Glaubens sollte also die Moralität sein. Die Parabeln Christi und die äsopischen Fabeln hatten, wie man es damals auffaßte, dieselbe Tendenz: die allbekannten Grundsäge der Moral zu lehren und einzuschärfen. Was man damals von der Dichtkunst verlangte, forderte man noch weit nachdrücklicher von der Religion nämlich den didaktischen Nugen. Freilich erzeugt eine jede Religion eine bestimmte sittliche Anschauung aber diese

wächst von selbst aus den Lebenssäften der ersteren, wie die Frucht am Baum. Damals wollte man jedoch die Palme der Religion ebenso an dem Spalier einer nüchternen Moral ziehen, wie den Lorbeer der Poesie.

Seien wir aber troßdem gegen das Jahrhundert des nivellirenden Rationalismus nicht undankbar. Die Aufklärung war faltes, ernüchterndes Wasser - aber dieses spülte die Blutflecken des Fanatismus von den Blättern der Geschichte hinweg. Wenn sie auch den Reichthum der Natur und des concreten Lebens verkannte, sie hat uns an die innere Einbeit des Menschengeschlechtes erinnert, sie hat das freie Bewußtsein des Individuums in sich selbst befestigt und begründet, und bei diesem unendlichen Gewinn lassen sich die Jrrthümer, die nebenbei unterliefen, leicht in Kauf nebmen, um so mehr, da sie nachträglich ohne Schwierigfeit corrigirt werden konnten.

Vollends in Deutschland verdient der hohe sitt= liche Ernst unsere Bewunderung, mit welchem hier die Befreiung des Verstandes aus den Fesseln der Tra

dition auftrat. In England nimmt sie sehr bald bei Bolingbroke, bei Chesterfield den Charakter weltmännischer Blasirtheit an, in Frankreich verzieht sie sich bei Voltaire und den Encyklopädisten zur höhnischen Grimasse einer kalten Ironie in Deutschland bleibt die Aufklärung eine Herzenssache und behält die volle Wärme der Ueberzeugung, des Gefühls. Und dafür sind die Werke, mit denen Lessing sein thätiges, inhaltsvolles Leben beschloß, der bedeutendste Beweis.

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Wenden wir dem Gemüthszustande Lessing's, der Stimmung desselben einige Beachtung zu, in der er mit jenen legten, eigenthümlich-wunderbaren Productionen sich beschäftigte. Er war tief vereinsamt; was ihm vor Allem werth gewesen, war dahin seine Gattin war todt, an deren Seite er nach einem langen unstätten Leben wenige Jahre häuslichen Glückes verkostete. Er wollte es auch so gut haben, wie andere Menschen aber dies Glück war ihm nicht auf lange gegönnt! Nun ist er sich ganz allein überlassen. Wie oft wünscht er, in seinen alten isolirten Zustand zurücktreten zu können, nichts zu sein, nichts zu wollen, nichts zu thun, als was der gegenwärtige Augenblick mit sich bringt! Aber er hat schon einmal eine tiefere Befriedigung des Gemüths kennen gelernt, und kann dies nicht mehr vergessen. Von der Welt in hypochondrischer Abkehr sich verschließend, arbeitet er fortan Tag für Tag in dem Sterbezimmer seiner Frau. Vor ihm sigt leise spinnend sein Kägchen auf seinem Studiertischesonst tiefe Stille umher nur der Geist der lieben

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