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Nemo rapiet oves meas ex manibus meis. Niemand wird meine Schäflein mir aus den Händen reissen.

Und dies Alles ist gefasset in das Wort Immanuel, Gott bei uns und mit uns. Erstlich bezeuget dieses Wort, dass dieser Heiland Gott sei. Zum Andern, dass er bei uns und mit uns sei, das ist, dass uns nun Gott gnädig sei und wolle uns gewisslich wiederum Gerechtigkeit und ewiges Leben geben, dass er bei uns sei und bewahre und erhalte uns, wie er selbst spricht: Ich bin alle Zeit bei euch. Und Moses spricht zu ihm Exod. 33. So du nicht für uns mitziehen willst, so lass uns nicht ausziehen. Da spricht er, er wolle mitziehen.

Und stimmen klar zusammen alle Verheissungen. Die erste : Des Weibes Same wird der Schlange den Kopf zertreten. Das ist, dieser Sohn Gottes, aus Maria, der Jungfrau, geboren, wird den Teufel strafen und den Schaden, den der Teufel gethan hat, heilen und dem Teufel seine Macht nehmen, wird uns erledigen von Sünden, Tode und ewiger Strafe, wird uns wiedergeben Gnade, Gerechtigkeit und ewige Seligkeit.

Dies sagt auch der Spruch Jakob's: Wann der Siloh, das ist, des Weibes Sohn, kommt, zu Dem wird das menschliche Geschlecht Zuflucht haben. Und in Esaia: Der Sohn ist uns gegeben, und er ist genannt Gott und Vater des ewigen Lebens. Solcher Sprüche etliche solltet ihr diese Tage wohl betrachten, euch zu erinnern und zu glauben und zum Gebet vermahnen.

Folget nun

der dritte Artikel.

Ja, sprichst du, es sind hohe, grosse Gaben. Wie kann aber ich armer und sündiger Mensch diese überschwänglichen Gaben erlangen? Was sind wir elenden Menschen anders, denn wie arme Würmlein? Wie können wir Gottes Kinder und Erben ewiger Seligkeit werden? Antwort. Eben darum ist diese hohe und göttliche Person, die fern über alle Engel ist, dieser Herr aus Maria der Jungfrau geboren, dieweil ich und du und wir Alle arme, elende Würmlein sind, und dieweil wir unwürdig und sündig sind, ist er gesandt als der Versühner und Erlöser, und will uns Gott gewisslich um dieses Herrn Jesu Christi willen annehmen, Sünde vergeben und selig machen. Und ist Gottes ernstliches, unwandelbares Gebot, dass wir Alle Solches glauben und diesen Sohn annehmen, wie der ewige Vater mit seiner Stimme vom Himmel befohlen: Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich herzliche Wonne und Freude habe; Diesen sollt ihr hören! Item im 5. Buche Mosis am 18. Cap. spricht er: Wer ihn nicht hören will, Den will ich vertilgen. Item, im andern Psalm: Küsset den Sohn, dass er nicht zürne, und ihr vertilget. werdet. Selig sind Alle, die auf ihn vertrauen.

Nun lehret uns dieser Heiland Jesus Christus, der Sohn Gottes, der aus der göttlichen Majestät feierlichem Rath diesen Befehl gebracht und eröffnet, dass wir schuldig sind, ihn zu hören, und dass wir seine Gaben gewisslich erlangen durch Glauben und Vertrauen auf ihn und

nicht von wegen eigener Werke und Verdienste. Das sollst du festiglich glauben, dass du Vergebung der Sünden gewisslich hast und vor Gott gerecht, das ist, Gott gefällig bist, so du auf den Sohn Gottes, Jesum Christum, vertrauest und herzlich glaubest, dass dich Gott um seines Sohnes willen annimmt, dir deine Sünde vergiebt, und nicht von wegen deiner Werke. Unser Verdienst kann Gottes Zorn nicht versühnen. Dieser Sohn Gottes ist der Versühner und nimmt dich an, wie er die armen ersten Menschen, Adam und Heva, ohne alles Verdienst aus Gnaden angenommen, und wie er den elenden Mörder am Kreuz und also andere arme Sünder angenommen hat.

Diese Lehre höret ihr täglich und soll alle Zeit in euren Herzen leuchten, dass ihr in aller Anrufung diesen Heiland anschauet und Glauben erwecket und wisset, dass euch Gott annimmt, ob ihr gleich kein Verdienst habt und arme, schwache Würmlein seid. Dass aber dieser Glaube in euren Herzen sein und bleiben könne, so müsset ihr Dieses auch wissen, wie ihr alle Zeit unterrichtet werdet, dass wir nicht in Sünden wider das Gewissen bleiben sollen. Denn ihr wisset, dass Gott diesen Eid geschworen hat: So wahr ich lebe, will ich nicht, dass der Sünder sterbe, sondern, dass er bekehret werde und das Leben habe. Dieser Eid begreift beide Stücke: Bekehrung und Vergebung der Sünden. Gott bestätigt mit seinem Eide, dass er dir deine Sünde vergeben will; doch ist in diesem Eide Dieses mitgefasset, dass du dich belehren sollst, das ist, dass du nicht in Sünden wider das Gewissen beharren sollst. Und hat St. Paulus diese Regel allen Menschen fürgestellt: Milita bonam militiam, habens fidem et bonam conscientiam, dieses ist die löbliche Ritterschaft, darin du bleiben sollst, nämlich Glauben und gutes Gewissen behalten. Diesen kurzen Spruch wollet in eure Herzen schreiben als eine ewige Regel des ganzen christlichen Lebens, und sollt wissen, dass der Papst und die Mönche unrecht lehren, die da sagen, dass die Menschen Vergebung erlangen von wegen eigener Verdienste, und dieweil man nicht weiss, wann man Verdienst genug hat, so soll man alle Zeit in Zweifel bleiben. Diese päpstliche Lehre ist eine Vertilgung des heiligen Evangelii, die man ernstlich fliehen und verfluchen soll, und lästert das Blut und Verdienst unseres Herrn und Heilands Jesu Christi. Darum sollst du dagegen den ernstlichen, unwandelbaren Befehl Gottes wissen, dass du wahrhaftiglich glauben sollst, dass dir um des Herrn Christi willen deine Sünden vergeben sind, nicht von wegen deiner Verdienste, und sollst du durch diesen Glauben Trost und Freude fühlen und fröhlich Gott anrufen und wissen, dass dieser Hohepriester, der Sohn Gottes, vor dem Vater stehet und dein Seufzen und Gebet dem ewigen Vater vorträgt.

Dieses sei kurz geredet von den drei Artikeln. Nachdem ihr nun die Lehre gehört habt, so soll darauf Danksagung und herzlich Gebet folgen, und wiewohl kein Mensch im Himmel oder auf Erden für solche grosse Gnade und Wunderwerk genugsam danken kann, so soll dennoch

das Herz niederfallen vor Gott, in Betrachtung dieser grossen Gnaden, dass die göttliche Person menschliche Natur angenommen, uns zu erlösen, und soll ein Fünklein Dankbarkeit haben und fühlen, und soll der Mund mit allen Heiligen im Himmel und auf Erden danksagen :

Allmächtiger, wahrhaftiger Gott, Vater unseres Heilands Jesu Christi, Schöpfer Himmels und der Erde und des menschlichen Geschlechts und anderer Creaturen, sammt Deinem lieben Sohne Jesu Christo und heiligem Geiste, wir danken Dir herzlich, dass Du uns Deinen Sohn Jesum Christum, geboren aus der Jungfrau Maria, aus wunderbarlichem Rathe und grosser Barmherzigkeit gesandt hast und zum Versühner und Mittler für uns verordnet und willst uns um seinetwillen gnädiglich annehmen. Wir bitten Dich auch um Deines lieben Sohnes willen, Du wollest uns gnädig sein, Dir eine ewige Kirche unter uns sammeln und uns regiren und bewahren. Auch danken wir mit Herzen Dir, o Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, aus der Jungfrau Maria geboren, dass Du aus grosser Barmherzigkeit und Liebe gegen das arme menschliche Geschlecht unser Fürbitter und Versühner worden bist und hast Dich gnädiglich geoffenbaret im menschlichen Geschlecht und giebst uns Dein Evangelium und sammelst Dir eine ewige Kirche. Wir bitten Dich herzlich, Du wollest unser Immanuel sein, wollest für uns Deinen ewigen Vater bitten und Dir für und für eine ewige Kirche unter uns sammeln und uns mit Deinem heiligen Geiste regiren und wollest bei uns alle Zeit sein und uns gnädiglich bewahren. Amen.

Wir glauben auch herzlich, dass Du, ewiger Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist, Schöpfer Himmels und der Erden, unser Seufzen und Gebet wahrhaftiglich erhörst um des Herrn Christi willen, wie er befohlen hat: Bittet, so werdet ihr empfahen, um was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, Das wird er euch geben. Du wollest auch den Glauben und das herzliche Sehnen und Bitten in uns stärken. Amen.

Beste, Kanzelredner.

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Anhang. Aus Melanchthon's Postille.

Philipp Melanchthon (richtiger Melanthon) durfte von uns unter den «bedeutendsten Kanzelrednern der lutherschen Kirche» nicht aufgeführt werden. Zum Studiren und Lehren der Theologie vermochte ihn Luther zu bewegen, als er sich nach den schönen Wissenschaften zurücksehnte, zum Predigen vor dem Volke nicht. Schon während seines Wartburger Exils wünschte er Melanchthon für die Kanzel zu gewinnen, «obgleich er nicht gesalbt und geschoren sei und obendrein ein Ehemann; denn er sei wahrlich ein Bischof und treibe den Bischof.» Aber vom Grundtriebe seiner Seele gehindert, folgte Melanchthon nicht. Mit Recht hielt er das Predigen für Mehr, als eine Kunst; «wäre Predigen eine Kunst»>< sagte er «so könnte ich sie auch. Er selbst erklärte in einem Briefe an Brentz 1536: «Ich kann nicht predigen» (corpus reformatorum III, p. 169), und schlug in Braunschweig, nachdem er zwei unstudirte Prediger examinirt, unter Thränen an seine Brust mit den Worten: Me miserum, qui calamo scribens ita possum concionari, ut non vererer conspectum totius imperii romani, in suggestu autem, quod ipsis est facillimum, pauculis audientibus verbum facere non possum. O ich armer Mensch, der ich in der Feder so fertig worden, dass ich mich nicht scheuen wollte, vor dem ganzen römischen Reiche aufzutreten, auf der Kanzel aber, welches ihnen ein Leichtes ist, nicht ein Wort vor wenigen Zuhörern machen kann (Rehtmeyer, Braunschw. Kirchengeschichte, Th. 3. S. 180). Freilich müssen dergleichen Aussprüche aus dem Gesichtspunkte seiner Bescheidenheit und seines Wahlspruches «Nil sum» betrachtet werden; doch hat die ihnen zum Grunde liegende Überzeugung seine Bildung zum Kanzelredner verhindert. Auch stellte sich in reformatorischen Kreisen je länger, desto mehr seine nur in anderen Bahnen heimische Thätigkeit fest. «Philippus» sagt Luther «ist enger gespannt, denn ich, ille pugnat et docet, ich bin mehr ein Rhetoricus oder Wäscher» (Tischr.). Nichtsdestoweniger ist Melanchthon von grosser Bedeutung in der Geschichte der Homiletik, theils durch seine Theorieen (vergl. seine dissertatio de officiis concionatoris und formula de arte concionandi), theils durch seine unter dem Namen Postille erschienenen Vorträge über die evangelischen Perikopen. Von der Entstehung derselben erzählt Pezel: «Als die Universität nach dem deutschen (d. i. schmalkaldischen) Kriege wiederhergestellt war, fing, weil viele Ungarn die

deutschen Predigten in den Kirchen nicht verstehen konnten, Philipp Melanchthon, der als trefflicher Mann wahrlich ein gemeinsames Gut war, zu ihren Gunsten in seinem Hause an, die Evangelien an Sonn- und Festtagen zu erklären. Da bald durch den Zulauf Anderer die Frequenz vermehrt war, verlegte er diese Vorlesungen oder kleinen Predigten, in denen er in vertrauter Rede die Hauptstücke der Texte auszulegen pflegte, in einen öffentlichen Hörsal. Wie er nämlich in dem Jugendunterrichte sehr geübt und mit einer Fülle vielfacher Gelehrsamkeit ausgerüstet war, so richtete er seine Erklärungen ganz nach der Fassungskraft der gegenwärtigen Zuhörer ein, von denen die Mehrzahl Jünglinge, viele sogar noch Knaben waren, und pflegte sowohl Grammatisches und Historisches, als auch Katechetisches und Dogmatisches mit einander zu verbinden, damit die Vorlesung für Alle nicht bloss nützlich, sondern auch anziehend und angenehm würde. Es werden sich Diejenigen, welche vom Jahre 1549 bis zu seinem seligen Abschiede aus diesem Leben, welcher 1560 erfolgte, erinnern, dass kaum irgend eine andere Vorlesung besuchter gewesen, als diese. Obgleich er aber Nichts zu dictiren pflegte, da er ganz frei redete, damit das Gesagte leichter gefasst würde und. er innerhalb der bestimmten Stunde desto mehr vollenden könnte, so fehlte es doch nicht an Solchen, welche, ausgerüstet mit der Schnelligkeit der Hand, wovon der Dichter sagt: Currant verba licet, manus est velocior illis, das Meiste von seinem vertrauten mündlichen Vortrage auffingen und zu Papiere brachten, ja Einige waren so ämsig dabei, dass sie nicht einmal Nebensachen wegliessen. Solcher Trieb, solcher Eifer herrschte damals im Hören des besten Lehrers und in der Aufnahme der heiligen Mahnungen, durch welche man das Urtheil zu bilden und Frömmigkeit und Gelehrsamkeit zu mehren glaubte» (Vorr. zur postilla Melanthoniana).

Von der Postille Melanchthon's liegen hauptsächlich zwei Bearbeitungen vor. Die erste erschien bereits 1549 in deutscher Sprache unter dem Titel: Postill Philipp Melanthon's über die Evangelia. Verteutscht durch M. Johannem Pollicarium, Prediger zu Weissenfels. Nürnberg, 3 Thle in 8. Die zweite, lateinische, führt den Titel: Postilla Melanthoniana, hoc est, lectionum evangelicarum quae more recepto et usitato in plerisque ecclesiis christianis diebus dominicis et festis proponuntur explicationes piae et eruditae Philippi Melanthonis, totius quondam Germaniae praeceptoris, in unum quasi corpus collectae a Christophoro Pezelio. Hannov. 1594 (Neue Ausg. Neustadii 1602). 4 Thle in 8. Beide Postillen sind dem Inhalte nach verschieden, wie schon daraus erklärlich ist, dass die erste nur die allerfrühesten Vorträge (von 1548) benutzen konnte, während der zweiten mehre Jahrgänge der Reden von 1549-60 zum Grunde liegen. Die Methode ist in beiden wesentlich dieselbe. Sie besteht in der Zerlegung der Textgedanken in einzelne Artikel, welche durch eine Proposition nicht verbunden sind. Diese Predigtweise ist, wie aus den bisher mitgetheilten Reden hervorgeht, im Reformationszeitalter sehr gebräuchlich. Dass sie sich gerade bei Melanchthon findet, kann als Hauptbeweisgrund gegen die Annahme einer synthetisch predigenden melanchthonschen Schule geltend gemacht werden. Unterschieden in Hinsicht auf die Methode sind die Postillen von Pollicarius und Pezel vorzüglich dadurch, dass jener unmittelbar nach dem Textabdrucke die Lehrartikel folgen lässt, während dieser zuvor eine Einleitung giebt, welche in der Regel eine Worterklärung (explicatio grammatica vocabulorum) enthält und nicht selten die

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