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einem höhern Grade zu rühren, aufopfern.

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Derjenige würde mich falsch beurtheilen, der von mir glaubte, daß ich die Art zu denken der Christen bei der Anbetung in ein bloßes Werk des Genie und der Kunst verwandeln wollte. Ich bin soweit davon entfernt, daß ich jeden Dichter, der es nicht von ganzem Herzen mit der Religion meint, wenn er auch gleich jene Eigenschaften in hohem Grade befäße, für sehr unfähig halte, heilige Gedichte zu machen: er wird nachahmen; er wird denen, die ebensowenig wirkliche Christen sind, als er selbst, glücklich nachgeahmt zu haben scheinen; allein derjenige Christ, der diesen großen Namen verdient, wird ihn an gewissen, oft kleinen Zügen erkennen. Die Anlage des Kirchenlieds muß niemals eine Abhandlung von einer Lehre der Religion sein. Wenn man sie in Prosa übersetzte, würde man sich von diesem Fehler, der vielleicht durch den poetischen Ausdruck verborgen war, mit Gewißheit überzeugen können. Sie sollen die Thaten Jesu besingen. Die Werke Gottes sind auch einer ihrer vornehmsten Gegenstände. Klage über unser Elend sollte nicht so oft ihr Inhalt als Dank sein. Vor Allem müssen sie das Herz bewegen. Fast alle Menschen sind mehr zur Empfindung als zum tiefsinnigen Nachdenken gemacht. Auch ist die wahre Anbetung mehr Herz als Betrachtung. Jede Art zu dichten hat ihren eignen Ton, der ihr angemessen ist. Unser Kirchenlied ist der Ausdruck der Empfindungen des neuen Testaments, besonders derjenigen, die den Versöhner der Gottheit angehn. Die Christen des ersten Testaments, selbst diejenigen, die Gott seiner Eingebung würdigte, wußten nicht soviel von dem Innersten der Religion, der Erlösung, als die Christen des neuen Testaments davon wissen. Sie sahen sie nur von fern und wie im Schatten. Sie hatten die himmlische Salbung nicht in dem Grade als die Apostel und Märtyrer empfangen. Daher ist die erste und zweite Offenbarung auch bis auf die Art zu denken und den Ausdruck verschieden. „Ich werde sein, der ich sein werde!“ ist der Hauptton des ersten Testaments. Er erfüllt uns mit Ehrfurcht und Erstaunen. Das neue Testament thut dies zwar auch; aber Gott hat sich zus gleich ganz zu uns heruntergelassen. Unsere Anbetung wird oft Entzückung. „Das Lamm, das erwürgt ist, ist würdig zu nehmen Preis und Ehre!" Ueberhaupt sind beide Offenbarungen die Muster des heiligen Dichters. Aber dennoch sollte der Hauptton der letzten der herrschende bei ihm sein. Derjenige wird ihn nicht verfehlen, der sich mit vorzüglichster Sorgfalt bestrebt, diejenigen heiligen Leidenschaften und Gedanken auszudrücken, die aus der Liebe Gottes und unserer Brüder, als soviel Zweige aus einem Stamm entstehn. Es ist ferner, ihn zu erreichen, schlechterdings nothwendig, daß der Dichter von der jenigen Art über die Religion zu denken und sie auszudrücken, die in einigen unferer eingeführten Lieder herrscht, sich sorgfältig entferne. Es ist sonderbar,

daß Männer, denen ich ihre Frömmigkeit gar nicht absprechen will, und die so oft die Offenbarung lasen, dieses Muster der erhabensten, der würdigsten, der sanftesten und der angemessensten Schreibart, daß diese Männer die Kühnheit gehabt haben, so klein und so platt von Gott zu denken. Sie können sich damit gar nicht entschuldigen, daß sie sich zu den Meisten haben herunterlassen wollen. Die Meisten haben mehr gefunden Verstand, mehr natürliches Gefühl von dem, was wahr, gut und rührend ist, und selbst mehr_Empfindung von der Religion, als diejenigen, welche die Offenbarung so entweiht haben, wohl denken."

Klopstod ging also auf das entgegengesetzte Ziel aus als Gellert: dieser strebte nach Popularität, jener nach Würde; er äußerte sich demgemäß sehr unzufrieden mit dem gegenwärtigen protestantischen Gottesdienst, in dem die Predigt fast ausschließlich das Interesse in Anspruch nimmt; er verlangte Weihe der Anbetung durch Instrumentalmusik, Liturgie u. s. w.: kurz jene gelinde Annäherung an katholische Formen, die später in der Kirche wirklich durchgeführt wurde. Sein Erfolg war viel geringer als Gellert's: von den 50 Kirchenliedern, die er dichtete, haben nur ein Paar den Weg in's Gesangbuch gefunden, während Gellert eine Zeit lang die alten Kirchenlieder fast ganz verdrängte. Klopstock's Lieder sind durchaus würdig, sie sprechen eine edle Gesinnung aus und sind nebenbei vollkommen rechtgläubig: der Kampf gegen die Spötter wird unermüdlich fortgesetzt. Aber sie sind ganz unkirchlich, sie sprechen nicht im Ton der Gemeinde, sondern im Ton des Propheten; sie sind doch mehr gedacht und gefühlt, und eine echt religiöse Stimmung merkt heraus, daß der Dichter sich den Schwung, den er für nothwendig hält und der Gemeinde zumuthet, erst künstlich hat geben müssen: bei den alten Liederdichtern kam er aus dem Gemüth. Auch hier war das Bedürfniß nach Religion stärker als der echte religiöse Inhalt. Nicht ohne Interesse sind ferner seine Verbesserungen alter Kirchenlieder. Das Bedürfniß war unbestreitbar: „wir sind oft mitten in unsrer Andacht durch Gedanken und Ausdrücke unterbrochen worden, die nichts weniger als der Religion und selbst derjenigen Vorstellungen würdig waren, welche diese Lieder in bessern Stellen in uns hervorgebracht hatten. Wenn man mir einwirft, daß Gott auf's Herz, und nicht auf die Art zu denken und zu empfinden, noch weniger auf Worte sehe, so gebe ich das zwar zu, aber ich behaupte zugleich, daß die Art zu denken und sich auszudrücken, die in einem Liede herrscht, das wir jest fingen, auf den Zustand unsers Herzens diese Zeit über einen großen Einfluß habe. Man sage mir nicht, daß man darüber weg sei, sich auf diese Art unterbrechen zu lassen. Warum wird uns denn jede schwache Zeile in Gedichten unerträglich, die, so moralisch sie auch sein mögen, doch viel

kleinere Gegenstände als die Religion haben? Ueberdies ist zu der wahren anhaltenden Andacht noch viel mehr nothwendig, als nur in derselben nicht

Der Christ kann nach

Wie groß ist es, mit

unterbrochen zu werden. Ein Lied ist ein Gebet. guten Handlungen nichts Größeres thun als beten. Gott reden und sollen wir nicht alle unsere Kräfte anstrengen, es nur einigermaßen würdig zu thun?" — Die Absicht war gut, und vergleichen wir jede einzelne Stelle des verbesserten Liedes mit dem Grundtext, so erscheint sie uns reiner, poetischer, würdiger: aber es ist Klopstock nicht gelungen, was er sich selbst als nothwendige Aufgabe stellte, in dem ursprünglichen Ton zu dichten; es sind zwei Töne, die gegen einander streiten, und so den Eindruck einer künstlichen, ja gezwungenen Zusammenstellung hervorbringen.

„Was sagen Sie zu Klopstock's geistlichen Liedern?" schreibt Lef= fing an Gleim. „Wenn Sie schlecht davon urtheilen, werde ich an Ihrem Christenthum zweifeln; und urtheilen Sie gut davon, an Ihrem Geschmack. Was wollen Sie lieber?"

Noch ehe Klopstock an die Ausarbeitung der Kirchenlieder ging, hatte er fünf neue Gefänge des Messias in rascher Arbeit vollendet. Sie enthalten den eigentlich biblischen Inhalt, von der Gefangennehmung Jesu bis zu seinem Tode am Kreuz. Aber die Erzählung ist Klopstock's Sache nicht darin ist er fast bis zur Undeutlichkeit summarisch, und sucht sich entweder durch mitunter ziemlich ungeschickte*) Gleichnisse zu helfen, theils durch feierliche Chorgefänge Eloa's und anderer Engel und Seelen. Mitunter tönt zum Posaunenklang die Stimme des Erzengels kräftig genug: „Feiert! Es flamm' Anbetung der große, der Sabbath des Bundes, von den Sonnen zum Thron des Richters! Die Stund' ist gekommen! Feiert! Die Stunde der Nacht ist gekommen! Sie führen das Opfer!“ — eine Stelle, die Nicolai und Moses zu construiren vergebens sich abmühten, bis Lessing ihnen das Verständniß eröffnete. -Aber zuletzt werden die Chöre, die doch nur staunen, sehr eintönig, und die Art, wie die Sänger von ihrem Chorführer in Golgatha placirt werden, hat sogar ein wenig vom Ballet: „Auf niederhangender Wolke sammeln sie sich; bedecken die breiten Rücken der Verge oder schweben über der Ceder und gehen voll Tiefsinn auf den wallenden Wipfeln; er selbst (der Chorführer) steht über des Tempels Höhen“ u. s. w. - Diese zahllose Dienerschaft, seines Winks gewärtig, sieht Jesus, und doch ruft er aus: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ Ist das wohl denk

*) Ein Beispiel. Die Wache entkleidet Jesus: „So entblättert der Sturmwind in der durftenden Wüste, wokin kein lebender Quell rinnt, einen einsamen Baum, des Wanderers heißes Verlangen."

bar? Zudem kann er nur mit äußerster Mühe seine Allmacht verstecken. Als man ihn fängt: „mit göttlicher Ruh', als wenn er dem Wurme zu sterben, oder dem kommenden Meer, vor ihm zu schweigen geböte, sprach er zur Schaar: Ich bin's! Sie ergriff des Sohnes Allmacht, und sie sanken betäubt von seiner Stimme danieder." Und bei seinem Verhör: „Alle Hoheit, sogar die Hoheit des sterblichen Weisen legte er ab, und war nur ruhig, als säh' er den Abfall einer Quelle vor sich, und dächte nur sanfte Gedanken nach erhabnern an Gott, die Augenblicke zu ruhen. Wenige leise Züge nur behielt er von seinem göttlichen Ernst: doch konnte sie kein Engel nicht haben, rang er danach; allein auch nur ein Engel vermochte dieser Göttlichkeit Mienen und ihren Geist zu bemerken." — Was ist das Alles für eine Komödie! Und es liegt doch immer nur darin das Geständniß, daß der Dichter seinem Gegenstand nicht gerecht werden kann. „Immer weiter komm' ich auf meinem furchtbaren Wege, immer näher zum Tode des Sohns. Ach wär's nicht der Liebe Tod, den sie starb vom Anbeginne der Welt, so erläg' ich unter der Last der Betrachtung! Auf beiden Seiten ist Abgrund: da zur linken, ich soll nicht zu kühn den Göttlichen fingen hier zur rechten, ich soll ihn mit fei'rlicher Würdigkeit singen! Und ich bin Staub! O du, deß Blut auf Golgatha strömte, dessen Allgegenwart mich von allen Seiten umringt hat, du erforschest meine Gedanken! du siehest es Alles, was ich denke, vorher, du Naher! ja selber kein Wort ist mir auf der Zunge, das du nicht wüßtest. Mein Gott, mein Versöhner! leite mich, mein Versöhner, und wenn ich strauchle, vergieb mir's!" Als ob die Messiade für Gott geschrieben wäre, und nicht für die Menschen! Gar zuleht, als Gott selbst in der Maske eines Zürnenden mit allen Schrecken des Rächers gegen seinen Sohn anrückt, — „und die Himmel bedeckten ihr Angesicht vor dem Geheimniß“ da denkt man unwillkürlich an Reimarus, wie er seine Schußschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes schreibt, und empfindet seine Nothwendigkeit. — Einige anmuthige Episoden heben sich artig aus diesem verwaschenen Engelund Seelengewimmel hervor, z. B. das Gespräch der Römerin Porcia mit Maria. Auch Abbadonna erscheint wieder, den theilnehmenden Leser an seine Noth und, seine Buße zu erinnern. Der Tod des Verräthers Judas schmeckt stark nach den alten Festv.chtsmysterien.

Die zehn ersten Gefänge des Messias erschienen in einer stattlichen Ausgabe 1755 hinzugefügt waren die Abhandlungen von der Nachahmung des griechischen Sylbenmaßes im Deutschen und von der heiligen Poesie. Als der lezte Endzweck der höhern Poesie und zugleich das wahre Kennzeichen ihres Werths gilt die moralische Schönheit: dieje allein verdient es, daß sie unsere ganze Seele in Bewegung sett. Schon Homer sei, abgesehen von

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den ihm überlieferten Göttergeschichten, moralisch: wenn aber die Offenbarung unsere Führerin wird, so steigen wir von einem Hügel auf ein Gebirge. „Der Vorzug der Künste vor den Wissenschaften liegt darin, daß sie geeigneter sind, die Menschen moralisch zu machen: sie erniedrigen sich und sind nicht mehr schön, wenn ihnen die moralische Schönheit fehlt. Der Dichter schildert das Leiden nur dann wirksam, wenn er selbst gelitten hat. Das Wesen der Poesie besteht darin, daß sie mit Hülfe der Sprache eine Anzahl von Gegenständen, die wir kennen oder deren Dasein wir vermuthen, von einer Seite zeigt, welche die vornehmsten Kräfte unserer Seele in einem so hohen Grade beschäftigt, daß eine auf die andere wirkt, und dadurch die ganze Seele in Bewegung sett.“

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Seitdem stockte der Messias mehrere Jahre, und auch die allgemeine Aufmerksamkeit wendete sich zunächst andern Gegenständen zu.

„Der Geschmack war ohne Zweifel ganz und gar fremd unter dem nordischen Himmel zu der Zeit, da die beiden Künste, deren große Lehrer die Griechen sind, wenig Verehrer fanden; zu der Zeit, da die verchrungswürdigsten Stücke des Correggio im königlichen Stall zu Stockholm vor die Fenster, zur Bedeckung derselben, gehängt waren. Und man muß gestehn, daß die Regierung des großen August der eigentliche glückliche Zeitpunkt ist, in welchem die Künste als eine fremde Colonie in Sachsen eingeführt wurden. Unter seinem Nachfolger, dem deutschen Titus, sind dieselben diesem Lande eigen geworden, und durch sie wird der gute Geschmack allgemein. Es ist ein ewiges Denkmal der Größe dieses Monarchen, daß zu Bildung des guten Geschmacks die größten Schäße aus Stalien, und was sonst Vollkommenes in der Malerei in andern Ländern hervorgebracht worden, vor den Augen aller Welt aufgestellt sind. Sein Eifer, die Künste zu verewigen, hat endlich nicht geruht, bis wahrhaft untrügliche Werke griechischer Meister den Künstlern zur Nachahmung sind gegeben worden. Die reinsten Quellen der Kunst sind geöffnet; glücklich ist, wer sie findet und schmeckt. Diese Quellen suchen, heißt nach Athen reisen, und Dresden wird nunmehr Athen für die Künstler."

So schrieb im Frühling 1755 Winckelmann im Eingang zu den „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst". Das Lob, das er Dresden zollt, war vollkommen gerechtfertigt: es ist dies die Periode, in welcher diese schöne Stadt der Mittelpunkt des künstlerischen Lebens für Deutschland wird. 1722 beginnt die Sammlung der herrlichen Gemäldegalerie, 1728 der Ankauf der Antiken: eine neue

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