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mir auf's höchste eine heroische Schwachheit, die ich recht gern entbehre." Wie arg ist diese Stelle mißverstanden! Die Philisterei der Leipziger hatte Lessing zu einem Preußen gemacht, der Hochmuth der Berliner nöthigte ihn, den Sachsen hervorzukehren: das echte Vaterland hat er nie verläugnet. Was er hier Liebe des Vaterlands" nennt, bezeichnet man jetzt als Particularismus. — Nebenbei war Leffing gerade damals im Begriff, im „Philotas" jene heroische Schwachheit“ über Gebühr zu preisen.

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Der kritischen Thätigkeit konnte er doch nicht lange entsagen. Wenn er an der „Bibliothek" sich nicht betheiligte, so hatte er doch die Urtheile derselben mit Aufmerksamkeit verfolgt, und regelmäßig gefunden, daß sich das alles viel gründlicher sagen ließ. Nun ging die Bibliothek in andere Hände über. Als Nicolai gerade im Begriff war, zu seiner weitern Ausbildung nach England zu gehn, starb sein älterer Bruder, und er mußte nothgedrungen die Buchhandlung übernehmen. Im Drang der Geschäfte konnte er die Redaction vorerst nicht fortführen, er reiste also Oct. 1758 nach Leipzig, und bewog Weiße, dieselbe zu übernehmen: sich selbst und Moses bot er als Mitarbeiter an; außerdem gewann Weiße Hagedorn, Winckelmann u. A., so daß die schönen Künste in der Bibliothek reichlicher vertreten waren. Dem Naturell ihres neuen Herausgebers gemäß nahm sie nun einen friedfertigen Charakter an: Grund genug für Lessing, das kritische Messer selbst in die Hand zu nehmen.

Jan. 1759 erschien in Berlin das erste Heft der „Briefe, die neueste Literatur betreffend", an einen blessirten Offizier gerichtet *). „Die zwei gefährlichen Jahre, die Sie der Ehre, dem Könige und dem Vaterland aufopfern müssen, sind reich genug an Wundern, nur nicht an gelehrten Wundern gewesen. Gegen hundert Namen, die alle erst in diesem Kriege als Namen verdienstvoller Helden bekannt geworden; gegen tausend kühne Thaten, an welchen Sie Theil hatten: kann ich Ihnen nicht ein einziges neues Genie nennen, kann ich Ihnen nur sehr wenig Werke schon bekannter Verfasser anführen, die mit jenen Thaten der Nachwelt aufbewahrt zu werden verdienten. Es gilt dies von uns Deutschen vor allen Andern. Zwar hat der Krieg seine blutigste Bühne unter uns aufgeschlagen, und es ist eine alte Klage, daß das allzunahe Geräusch der Waffen die Musen verscheucht. Verscheucht es sie nun aus einem

*) Gleich zu Anfang wurde ein Project zu einem ewigen Frieden besprochen. „Der Mann meint es so böse nicht. Sein Haupteinfall ist dieser: ein allgemeines Tribunal zu errichten, dessen Ausspruch sich alle europäische Staaten gefallen ließen. . . Wenn sich nun aber Halsstarrige finden, wie da? O, Hr. v. P. hat militärische Execution. Hat er die? Nun wohl, so hat er Krieg, und Sie sollen Zeit genug avanciren."

Lande, wo sie nicht recht viele, recht feurige Freunde haben, wo sie ohnedem nicht die beste Aufnahme erhielten, so können sie auf eine sehr lange Zeit verscheucht bleiben. Der Friede wird ohne sie wiederkommen: ein trauriger Friede, von dem einzigen melancholischen Vergnügen begleitet, über verlorene Güter zu weinen. Ich rufe Ihre Blicke aus dieser finstern Aussicht zurück lieber will ich Sie mit dem füßen Traum unterhalten, daß in unfern gesitteten Zeiten der Krieg nichts als ein blutiger Proceß unter unab hängigen Häuptern ist, der alle übrigen Stände ungestört läßt, und auf die Wissenschaften weiter keinen Einfluß hat, als daß er neue Xenophons, neue Polybe erweckt."“

Ein Inventarium des bisher Geleisteten zu geben, ist der ausgesprochene Zweck der Literaturbriefe (deren Autorschaft beiläufig Lessing lange abläugnete); insofern hat man sie mit Recht als den Abschluß der alten Periode bezeichnet. Das Resultat ist kein glänzendes: Lessing geht von dem bestimmten Gefühl aus, einen Augiasstall anskehren zu müssen. Unwissenheit, Halbheit, Trivialität, Unsinn sind die Feinde, mit denen er zu kämpfen hat: in dem Aufsuchen des corpus vile, an dem er seine Sonde übt, spielt oft der Zufall seine Rolle: bramarbasirende Schreihälse und Bielschreiber wählt er am liebsten*); wenn sie ihn durch Angriffe reizen, desto besser! am eifrigsten aber fällt er über sie her, wenn sie sich durch schlechte Uebersetzungen an der deutschen Sprache oder an den Alten verfündigen. Denn überwiegend philologisch ist die ganze Kritik, und nicht selten glaubt man sich im Bademecum zu befinden. In der That war die Zeit ganz dazu angethan, zunächst das Organ des Denkens und Empfindens zu reinigen, die Sprache: das Denken und Empfinden. selbst kam später.

Wo Lessing nicht durch Prätensionen gereizt wird, geht er im Ganzen sehr glimpflich zu Werke: so in Bezug auf die leichte Gattung, mit der er selber begonnen hatte. Es war noch immer die Modegattung. Gleim's

*) Unter diesen nimmt Dusch den breitesten Raum ein, der an Schreibfertigkeit in allen landüblichen Manieren Wieland und Zachariä bedeutend überbietet. Geb. 12. Febr. 1725 in Celle, studirte er in Göttingen und wurde 1756 Professor in Altona. Er schrieb 1749 ein Schäferspiel, die unschuldigen Diebe; 1751 ein komisches Heldengedicht: das Toupé; ferner die malerische Beschreibung eines Landguts, Tolkschuby, nach Opitz und Kleist; 1752 ein Lehrgedicht in 8 Ges., die Wissenschaften; 1754 moralische Gedichte und Oden; 1756 ein Lehrgedicht vom Gebrauch der Vernunft; daneben eine Berathschlagung höllischer Geister im Klopstock'schen Stil; ein komisches Epos in 9 Bch., der Schoßhund; 1757 ein Gedicht in 12 Bch., der Tempel der Liebe; Schilderungen aus dem Reich der Natur und der Sittenlehre durch alle Monate des Jahres; 1758 übersetzte er Pope; 1759 Moralische Briefe zur Bildung des Menschen u. s. w. Wir werden ihn später in andern Sphären wiederfinden.

Romanzen, Berliner und Leipziger Stadtgeschichten im Bänkelsängerton, waren 1756 erschienen; April 1758 kamen Weiße's „scherzhafte Lieder“ heraus, noch ganz in der Art von Chr. Weise, damals sehr gern componirt und gesungen („O Muse, die du dich in Scherzen und jugendlichen Spielen übst“; „Wie sanft, wie ruhig fühl ich hier des Lebens Freuden ohne Sorgen"; „Meine Mutter fand im Hain mich mit Lindor ganz allein"; „Ja Vetter, ja ich fall' euch bei, daß Lieb' und Thorheit einerlei“; „Sie effen nicht? Sie trinken nicht? und todtenblaß ist Ihr Gesicht?“ „Ich habe Chloen im Bade gesehn! wie reizend war sie nicht, wie schön!“ „Ohne Lieb' und ohne Wein, was wär' unser Leben?" „Du forderst ew'ge Lieb' und Treu? ich soll sie dir, o Doris, schwören?“ „Dein schmachtend Auge scheint zu sagen, daß du nicht unempfindlich bist“; „Lieber Daphnis, dein Begehren, dich zu lieben, geh' ich ein"; 3ch nenne dich, ohn' es zu wissen, im Traume glaub' ich, dich zu küssen“; „Willkommen, Nacht! wie sehnsuchtsvoll schmacht' ich nach deinen Finsternissen!" U. s. w.): Leffing fand doch, daß dem Freunde die Verse etwas zu leicht flossen. Gleichzeitig gaben Ramler und Krause in Berlin eine Liedersammlung heraus, mit Melodien von Graun, Quang u. A. Am meisten Aufsehn machten die von Weiße veröffentlichten „Tändeleien“ v. Gerstenberg's, der damals (geb. 3. Jan. 1737 zu Tondern in Schleswig) in Jena studirte. Sie wurden auch von Lessing weit über Verdienst angepriesen, denn eigentlich waren diese kleinen, halb poetischen, halb prosaischen Bilderchen von Faunen, Nymphen, Amoretten, Schäfern und Schäferinnen (von Geßner's Idyllen unterschieden sie sich nur durch die Abwesenheit aller Sentimentalität) eine mittelmäßige Nachahmung des Französischen: nur die zierliche Ausführung zeichnete sie aus. Wenn aber Lessing's zu große Nachsicht faum gerechtfertigt werden kann, so entschädigt er den Leser reichlich durch die humoristische Schlußwendung: solche Züge merkt man gern bei Leffing an. Gerstenberg läßt nämlich die Untreue der Mädchen dadurch bestraft werden, daß ihnen Bärte wachsen: „Ach nicht doch!" sezt Lessing hinzu, sie müssen keinen Bart haben, die holden Mädchen! fie mögen uns treu sein oder nicht!"

Wenn Lessing die Nymphen im Reifrock und die galanten Marquis im Schäfercostüm duldete, so zeigte er seinen Sinn für echte Poesie, indem er gleichzeitig die lithauischen Dainos mit großer Wärme empfahl: soviel uns bekannt, die erste laute Anerkennung dieser echten Volksdichtung.

Die zweite Modegattung war bisher die Fabel gewesen (vgl. Bd. 1, S. 506), noch neuerdings durch Lichtwer (Jan. 1758) der später eine heftige Fehde gegen Ramler erhob, als dieser ohne sein Wissen eine verbesserte Ausgabe veranstaltete - (darunter: die seltsamen Menschen; Thier

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und Menschen schliefen feste" u. s. m.)*) und Gleim, der die Fabel mehr von der neckischen Seite auffaßte („Ich bin nur eine Zeitvertreiberin, die Kinder hören mich nur gern"), und gern im Ton einer muntern, etwas schnippischen Grisette sprach („Grillchen, nein! doch tanze nun!"), aber gerade darum großen Anklang fand. Auch von Kleist ist eine Fabel, „der gelähmte Kranich“, die aber schon stark über den herkömmlichen Ton hinausgeht, und darauf hindeutet, daß das naive Interesse an dieser Gattung im Absterben war; es ist schon der Uebergang zu Goethe's Adler und Taube". - Gleich zeitig gab Bodmer den „Edelstein" heraus, als dessen Verfasser später durch Lessing Bonarius ermittelt wurde.

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Lessing war mit der ganzen Richtung, welche die Fabel bereits in der mittelalterlichen Thierpoesie und später durch die Franzosen genommen, unzufrieden. Sein Absehn war damals durchweg auf Simplification gerichtet, und die Fabeln, die er Juli 1757 schrieb, hielten sich streng an das Aesopische Vorbild. So gescheut diese Fabeln aussehn, so wird man nicht viel Poetisches in ihnen finden; sie waren eigentlich nur die Vorarbeit für die Drei Bücher von der Fabel", die er Oct. 1759 veröffentlichte. Sie enthielten eine Geschichte der Fabel und eine kritische Geschichte der Theorie der Fabel, die zwar auf ein unrichtiges Ziel auslief, aber auf dem Wege die wichtigsten Gedanken über die Kunst im Allgemeinen berührte. Gegen Breitinger war ihm der Kampf leicht: daß die Thiere nicht um des Wunderbaren willen eingeführt werden, sondern weil sie typische Charaktere ausdrücken, hat er gründlich nachgewiesen; gegen das Resultat seiner Forschung aber: „Wenn wir einen allgemeinen moralischen Satz auf einen besondern Fall zurückführen, diesem besondern Fall die Wirklichkeit ertheilen (weil man in einem wirklichen Fall mehr Beweggründe und deutlicher unterscheiden kann, als in einem möglichen), und eine Geschichte daraus dichten, in welcher man den allgemeinen Saß anschauend erkennt, so heißt diese Erdichtung eine Fabel;": gegen die Einseitigkeit dieser Theorie mußte die deutsche Bildung sich empören, sobald ihr der Reineke wieder in Fleisch und Blut übergegangen war**).

*) Gleichzeitig schrieb er ein großes Lehrgedicht: „Das Recht der Vernunft", nach Wolffischen Principien und unter dem Beirath Gottsched's, zu dem er noch immer hielt, weil dieser die erste Ausgabe seiner Fabeln (1748) zu Ehren gebracht hatte. Lichtwer (geb. 30. Jan. 1719 zu Wurzen) war seit 1749 in Halberstadt, wo er aber mit Gleim wenig verkehrte; 1752 Regierungsrath.

**) Schon April 1760 schreibt ein Königsberger Kritiker, Hamann: „Wenn Leffing den Lafontaine tadelt, so greift er, ohne es zu wissen, seiner eignen Grundsätze Anwendung an. Lafontaine ist deshalb so plauderhaft, weil er die Individualität der Handlung zur Intuition bringt, und nicht, wie Lessing, ein Miniaturmaler, sondern ein Erzähler im rechten Verftande ist."

Nicht das Unwichtigste in dieser Abhandlung war die erste Feststellung des Begriffs Handlung", dem Lessing eifrig nachging, weil er in ihm den Kanon aller Poesie suchte: „Eine Handlung nenne ich eine Folge von Veränderungen, die zusammen ein Ganzes ausmachen. Diese Einheit des Ganzen beruht auf der Uebereinstimmung aller Theile zu einem Endzweck.“ Diese Untersuchungen leiten uns wieder auf das dramatische Gebiet.

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„Niemand wird läugnen," äußerte die Bibliothek der schönen Wissenschaften, „daß die deutsche Schaubühne einen großen Theil ihrer ersten Verbesserung dem H. Prof. Gottsched zu danken habe." - „Ich bin dieser Niemand," schreibt Lessing 16. Febr. 1759, „ich läugne es geradezu. Es wäre zu wünschen, daß sich Hr. Gottsched niemals mit dem Theater vermengt. hätte."Freilich muß er zugestehn, daß Gottsched die deutsche Bühne im Zustand der ärgsten Verwilderung antraf: auch war er nicht der Erste, der es einsah, er war nur der Erste, der sich Kräfte genug zutraute, ihm abzuhelfen. Er verstand ein wenig Französisch und fing an zu übersetzen; er ermunterte Alles, was reimen und Oui Monsieur verstehen konnte, gleichfalls zu übersetzen, er legte seinen Fluch auf das Extemporiren; er ließ den Harlequin feierlich vom Theater vertreiben, was selbst die größte Harlequinade war, die jemals gespielt worden; kurz, er wollte nicht sowohl unser altes Theater verbessern, als der Schöpfer eines ganz neuen sein. Und was für eines neuen? eines französirenden; ohne zu untersuchen, ob dies französirende Theater der deutschen Denkungsart angemessen sei. Er hätte aus unsern alten dramatischen Stücken, welche er vertrieb, hinlänglich merken können, daß wir mehr in den Geschmack der Engländer als der Franzosen einschlagen; daß wir in unsern Trauerspielen mehr sehn und denken wollen, als uns das furchtsame französische Trauerspiel zu sehn und zu denken giebt; daß das Große, das Schreckliche, das Melancholische besser auf uns wirkt, als das Artige, das Zärtliche, das Verliebte; daß uns die zu große Einfalt mehr ermüde als die zu große Verwickelung u. f. w. Er hätte auf dieser Spur bleiben sollen, und sie würde ihn geraden Wegs auf das englische Theater geführt haben. - Wenn man die Meisterstücke des Shakespeare mit einigen. bescheidenen Veränderungen unsern Deutschen übersetzt hätte, es wäre von bessern Folgen gewesen, als daß man sie mit Corneille und Racine bekannt gemacht hat. Erstlich würde das Volk an Shakespeare weit mehr Geschmack gefunden, und zweitens würde er ganz andere Köpfe unter uns erweckt haben. Denn ein Genie kann nur von einem Genie entzündet werden, und am leichtesten von so einem, das Alles blos der Natur zu danken zu haben scheint, und durch die mühsamen Vollkommenheiten der Kunst nicht abschreckt. Auch nach den Mustern der Alten die Sache zu entscheiden, ist Shakespeare

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