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obgleich dieser die Alten Corneille kommt ihnen in

ein weit größerer tragischer Dichter als Corneille, sehr wohl und jener fast gar nicht gekannt hat. der mechanischen Einrichtung und Shakespeare in dem Wesentlichen näher. Ter Engländer erreicht den Zweck der Tragödie fast immer, so sonderbare und ihm eigne Wege er auch wählt, und der Franzose erreicht ihn fast niemals, ob er gleich die gebahnten Wege der Alten betritt. Nach dem Oedipus des Sophokles muß in der Welt kein Stück mehr Gewalt über unsre Leidenschaften haben, als Othello, König Lear, Hamlet u. s. w.“

Hier also beginnt jener Cultus des britischen Dichters, der uns rascher gefördert hat als alle Theorien. Lessing's entschiedenes Wort gab den Ausschlag; Spuren aber finden sich schon früher. In den „Briefen“ (1755) hatte Nicolai bemerkt, daß Shakespeare, ein Mann ohne Kenntniß der Regeln, ohne Gelehrsamkeit, ohne Ordnung, der Mannigfaltigkeit und Stärke seiner Charaktere den größten Theil seines Ruhmes zu danken habe; er hatte die Gottschedianer wegen ihrer Geringschätzung der englischen Stücke bitter getadelt: „Es ist wahr, ihre Wildheit, ihre Unregelmäßigkeit, ihr übel geordneter Dialog ist nicht nachzuahmen; aber die Regeln sind dasjenige, was ein Deutscher am ersten weiß, und mit einer mäßigen Kenntniß derselben sind diese Fehler sehr leicht zu vermeiden." „Ein himmlisches Feuer," hatte gleichzeitig Zimmermann geschrieben (Leben Haller's, 1755), „leuchtet aus Shakespeare's Werken hervor, der war geboren ein Dichter zu sein; die englische Nation seht ihn mehrentheils über alle Sterbliche hinauf; allein der Mangel des wahren Geschmacks und der Regeln des Trauerspiels verstellt seine Schönheiten und macht sie einem Strohfeuer ähnlich, das eine große Flamme auswirft, die uns wohl erleuchtet aber keine Wärme zurückläßt.“ Und an denselben schrieb Wieland, April 1758: „Ich liebe diesen außerordentlichen Menschen mit all seinen Fehlern. Er ist fast einzig darin, die Menschen, die Sitten, die Leidenschaften nach der Natur zu malen; er hat das köstliche Talent, die Natur zu verschönern, ohne daß sie ihre Verhältnisse verlöre. Seine Fruchtbarkeit ist unerschöpflich. Er scheint nie etwas Anderes studirt zu haben als die Natur; ist bald der Michel Angelo, bald der Correggio der Dichter. Wo fände man mehr fühne und doch richtige Entwürfe, mehr neue, schöne, erhabene, treffende Gedanken, mehr lebendige, glückliche, beseelte Ausdrücke als bei diesem unvergleichlichen Genie? Zum Geier mit dem, der einem Genie von solchem Range Regelmäßigkeit wünscht, und der vor seinen Schönheiten die Augen zuschließt, oder keine Augen dafür hat, blos weil es nicht die sind, welche das kläglichste Stück von Pradon in weit höherem Grade besitzt als der Cid.“

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Es ist eigen, wie wenig gerade damals Leffing's dramatische Versuche

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vom Studium Shakespeare's verrathen. Bom Fragment des Faust (Febr. 1759) ist wenig zu sagen; was die Freunde davon erzählen, macht uns wenig auf die Fortsetzung begierig. Der gleichzeitige „Seneca“ seines Freundes Kleist, den er damals sehr gelten ließ. ist eine erstaunlich kurze und doch äußerst langweilige Schablone, und sein eigner Philotas" (März 1759) ist nicht viel besser. Es ist, als ob es ihm damals lediglich auf Simplification der Fabel ankam. Und darin leistet der Philotas allerdings das Unglaubliche. Es kommt keine unnöthige Figur, keine unnöthige Rede darin vor, wenn man nicht das ganze Stück nach Lessing's eigner Theorie unnöthig neunen will. Denn von Erregung von Mitleid ist keine Rede, höchstens wird die Bewunderung geweckt. Der junge Prinz, der, in die Gefangenschaft des Feindes gerathen, sich selber umbringt, um nicht gegen den gleichfalls gefangenen feindlichen Prinzen ausgewechselt zu werden, und so seinem Vater die Gelegenheit zu entziehn, den Frieden zu dictiren: das ist ein potenzirter Codrus. Soust hatte Lessing gegen solche „beroische Schwachheit“ geeifert, aber der siebenjährige Krieg hatte gewirkt: alle seine damaligen Entwürfe hatten einen heroischen Stoff: Brutus, Codrus, Kleounis der Messenier, Spartacus. Das Bedürfniß der Vereinfachung machte sich allgemein geltend, man war der französischen Prunkreden müde. Hamann lobte den Philotas sehr, auch Gleim, der aber die profaische Form bedenklich fand, und es eilig versificirte (April 1759): nachher wurde er doch zweifelhaft, wie Lessing seine Verbesserungen aufnehmen würde, und schickte ihm zur Besänftigung ein Fäßchen Rheinwein. Lessing verstand Spaß in solchen Dingen, er förderte den versificirten Philotas selbst zum Druck.

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Einen andern Weg schlug Weiße*) ein. Seine „Beiträge zum deutschen Theater", Bd. 1, enthielten die beiden Trauerspiele Eduard 3. und Richard 3., das Lustspiel die Poeten nach der Mode" und die Operette „der Dorfbarbier“. Greuel genug kamen in jenen Tragödien vor. In der ersten (in Alexandrinern) hat Königin Isabella aus Liebe zu ihrem Buhlen Mortimer ihren Gemahl auf eine greuliche Weise umbringen lassen; sie sprengt aus, er sei natürlichen Todes gestorben, und will ihren Sohn zum Morde der Edelsten des Landes verführen: doch kommt ihre Unthat an's Licht, und fie stößt zuletzt verzweifelnd ihren Buhlen von sich. Was Richard 3. für

*) Gleich nach Beendigung der Beiträge, Nov. 1759, reiste er mit seinen Zöglingen nach Paris, wo er eifrig das Theater besuchte, für seine „Bibliothek“, die freilich während seiner Abwesenheit stockte. Mitarbeiter unter den dortigen Künstlern gewaun (Wille), ûnd durch Huber's Vermittelung die Bekanntschaft mehrerer berühmter Männer machte, z. B. Rousseau's. Er blieb bis zum Mai 1760 daselbst.

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ein Bösewicht ist, kann man sich ohnehin denken; doch concentriren sich im Stück seine Unthaten auf den Mord der Prinzen, worauf sofort sein Sturz erfolgt. Es ist interessant, wie Weiße sich selbst über sein Schaffen ausspricht: Die Geschichte zog ihn nur dann an, wenn interessante Begebenheiten sich allmälig entwickelten, und er die Personen, welche daran Theil hatten, in voller Thätigkeit erblickte; noch mehr, wenn der Ausgang eines Unterneh mens ganz anders aussiel, als sich bei den Tugenden oder Lastern und bei den Anstrengungen der handelnden Personen erwarten ließ; wenn Umstände, welche unter einer höhern als des Menschen Gewalt stehn, einen Kampf zwischen der Kraft des Menschen und des Schicksals verursachten. Wo die Geschichte Begebenheiten nicht auf diese Weise erzählte, da half seine Einbildungskraft nach, und es stand ohne Mühe der Stoff zu einer Tragödie vor seiner Seele. War dieser aufgefaßt, so bildete er sich so lebendig aus, und die wirksamen Kräfte, welche die Katastrophe herbeiführten, waren ihm so gegenwärtig, daß er sich zur Darstellung gedrungen fühlte. Unbeschreiblich leicht floß ihm dabei der Dialog, er mochte in gereimten Alexandrinern oder reimfreien Jamben, in gebundner oder ungebundner Rede niedergeschrieben werden." „Er scherzte mehrmals in Briefen darüber, daß, wenn die Helden in seinen Trauerspielen über einen Entschluß oder eine Begebenheit raisonniren sollten, sie sich mit ihren Gedanken ebenso brouillirten als er selbst.“ -Sein Sohn sezt hinzu: „da seine Einbildungskraft bei weitem stärker als seine Kraft zu abstrahiren und zu schließen war, so arbeitete er mehr nach Vorbildern als nach Grundsätzen. Die Empfindungen und Leidenschaften, welche am wenigsten in seinem Charakter lagen, und welche ihn nur durch Anstrengung der Einbildungskraft in Bewegung setzten, konnte er weit lebhafter darstellen als die, welche ihm eigen waren. Mit dem größten Feuer schildert er die Gefühle der Kühnheit und Tapferkeit, welche er nicht aus Erfahrung kannte. Und mit welcher Lebendigkeit sind in den Tragödien die wilden Leidenschaften der Ehrbegierde und Herrschsucht, der Nachgier und Wollust, des Uebermuths und der Mordlust dargestellt!"

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Ein unglückliches Schicksal," schreibt Weiße in der Vorrede zu den „Beiträgen“, „hat bisher über der deutschen Schaubühne gewaltet. Einige dieser Lieblinge der Musen sind in der Morgenröthe ihres Wizes verblüht; andere lassen, wir wissen nicht aus was für unglücklichen Ursachen, die Jahre des Genies vorüberfliehn, bis sie die Geschäfte des Lebens überhäufen."

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Sind es wirkliche Genies," sagt Leffing bei der Anzeige dieser Tra gödien in den Literaturbriefen, „so verspreche ich mir von ihrer Verzögerung mehr Gutes als Schlimmes. Die Jahre der Jugend sind die Jahre nicht, von welchen wir tragische Meisterstücke erwarten dürfen. Alles was auch der

beste Kopf in dieser Gattung unter dem 30. 3. (Leffing war eben 31 J. alt geworden) leisten kann, sind Versuche. Je mehr man versucht, je mehr verdirbt man sich oft. Man fange nicht eher an zu arbeiten, als bis man seiner Sache gewiß ist, d. h. wenn man die Natur und die Alten genugsam studirt hat." „Wie gut ist es einem Tragiker, wenn er das wilde Feuer, die jugendliche Fertigkeit verloren hat, die so oft Genie heißen und es so selten sind."

Die Bühne des Franzosen ist doch wenigstens das Vergnügen einer großen Hauptstadt, da in den Hauptstädten des Deutschen die Bude der Spott des Pöbels ist. Der Franzose kann sich doch rühmen, einen prächtigen Hof, die größten und würdigsten Männer des Reichs, die feine Welt zu unterhalten, da der Deutsche sehr zufrieden sein muß, wenn ihm ein Paar Dußend ehrliche Privatleute, die sich schüchtern nach der Bude geschlichen, zuhören wollen.

Was sollten auch die Großen bei unsern Schauspielern suchen? Leute ohne Erziehung, ohne Welt, ohne Talente; ein Meister Schneider, ein Ding, das noch vor ein Paar Monaten Wäschermädchen war u. f. w. Was können die Großen in solchen Leuten erblicken, das ihnen im Geringsten ähnlich wäre ?"

An den Versuchen seines alten Freundes ließ Lessing nicht viel Gutes. „Die Dekonomie ist die gewöhnliche der französischen Trauerspiele, an welcher wenig auszusehen, aber felten auch viel zu rühmen ist. —. Der Anfang zeigt, wie edel die Sprache unsers Dichters sein könnte, wenn er sich überall die gehörige Mühe gegeben hätte. Er hat sich leider ein wenig zu oft vernach lässigt, und dadurch selbst seinen Charakteren und Situationen den größten Schaden gethan.“ Nicht vortheilhafter sprach er sich zehn Jahre später in der Dramaturgie aus.

Ein merkwürdiges Beispiel für die überwiegende Neigung jener Periode, die Dichtung auf das knappste Maß einzuschränken, ist Kleist's Heldengedicht „Cissides und Perses", das Sept. 1758 vollendet, Mai 1759 in den Literaturbriefen besprochen wurde es sieht fast wie eine Geschichtstabelle aus. Zugleich ist es aber merkwürdig für Kleist: die elegische Stimmung, die Sehnsucht nach Ruhe, ist ganz verschwunden und hat einem kriegerischen Feuer Plat gemacht; die Begeisterung für Friedrich überträgt sich auf die Generale Alexander des Großen, und gegen alles Herkommen werden die griechischen Republikaner als elende Wichte dargestellt. — In der unglücklichen Schlacht bei Kunersdorf, 12. Aug. 1759, wurde Kleist schwer verwundet, und starb 24. Aug. in Frankfurt a. D. in den Armen des Prof. Nicolai, erst 44 Jahr alt. Lessing war tief ergriffen: „Meine Traurigkeit ist eine sehr wilde Traurigkeit. Ich verlange zwar nicht, daß die Kugeln einen andern Weg

nehmen sollen, weil ein ehrlicher Mann dasteht. Aber ich verlange, daß der ehrliche Mann Sehen Sie, manchmal verleitet mich der Schmerz, auf den Mann selbst zu zürnen, den er angeht. Warum ging er nicht? Er hat sterben wollen! Bergeben Sie mir, wenn ich ihm zu viel thue. Ich weiß nicht, gegen wen ich rasen soll.“

Wenige Tage nach der Schlacht hatte Gleim Gelegenheit, der Schwester Friedrich des Großen, der Markgräfin von Baireuth, seinen Grenadier vorzulejen; Friedrich selbst nahm keine Notiz davon.

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Es ist noch nachzuholen, wie die Literaturbriefe über die größern Erscheinungen, über Wieland und Klopstock urtheilten. Wieland's merkwürdigen Bildungsgang zeichnen am besten die Briefe an Zimmermann. Aus dem Jahr 1756 merken wir folgende Fragmente an:

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„Ich bin auf die Erklärung der Phänomene in der materiellen Welt nicht sehr neugierig.... Ich wünschte, daß man den Leib nie für etwas Anderes als das Sensorium und Instrument der Seele anfähe, ohne das Gewebe der Fibern allzusehr mit derselben zu verflechten.... Wohl läßt sich aus der Physiologie Vieles in der Psychologie erklären: man muß nur nie so reden, als ob der Leib etwas in der Seele, per influxum physicum gleichsam, erfchaffe, ein sehr gemeiner Fehler, der mir nicht um metaphysischer, sondern um moralischer Gründe willen mißfällt.“ „Ich liebe mehr die Aussichten in ein anderes als in dieses Leben. Ich bin hier nur par devoir, nicht par inclination."Glauben Sie mir, daß mein Herz mit all seinen Fehlern doch noch das Beste von mir ist. Was Sie mein Genie heißen, sind sehr reizbare Fibern und eine daraus entspringende Lebhaftigkeit der Empfindung und Imagination, Activität, Kühnheit, Neigung zum Wunderbaren, zum Ausschweifenden und dergleichen Zeug. Sie sind schon nahe am Hafen, weil Sie die science du coeur so hoch schätzen." ,,Vermuthlich kennen Sie die wahren Mystiker nicht aus ihren Schriften; ohne Zweifel halten Sie dieselben mit dem großen Haufen für Phantasten und Fanatiker; aber ich kann Ihnen beweisen, daß der unfehlbare Weg, zum höchsten Grad der Glückseligkeit in dieser Welt zu gelangen, der Mysticismus ist, welcher ohne eine gänzliche Berläugnung aller irdischen Dinge nicht bestehn kann, und daher ziemlich nahe mit dem Eremitenleben zusammenhängt." Es bezog sich das auf Zimmermann's Buch über die Einsamkeit, gegen welches schon damals Obereit') einen Angriff vorbereitete.

*) 3. H. Obereit, geb. 2. Dec. 1725 zu Arlon, seit 1732 in Lindau am Bodensee erzogen, Oct. 1743 Wundarzt in St. Gallen, dann auf der Wanderschaft unter

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