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wurde gerühmt: seine stilistischen Verbesserungen mit Aufmerksamkeit verfolgt: „man studirt in ihnen die feinsten Regeln der Kunst; denn was die Meister der Kunst zu beobachten für gut finden, das sind Regeln." Auch der freie Rhythmus der neuesten den, von Goethe später mit Glück nachgeahmt, und von Jean Paul Streckvers getauft, fand den Beifall des Kritikers, der sogar seine Anwendung im Trama empfahl.

Desto weniger fonnte sich Lessing mit dem Inhalt der neuen Oden einverstanden erklären. Sie machten nicht den Anspruch, als freie Dichtungen beurtheilt zu werden, sie verkündeten eine neue Form des religiösen Bewußtseins; und die prosaischen Mitarbeiter des „Nordischen Aufsehers“ geberdeten sich sogar als Seftirer. Neben Cramer und Meta trat unter denselben hauptsächlich Basedow hervor.

Basedow, geb. 11. Sept. 1723 zu Hamburg, war der Sohn eines dortigen Perückenmachers, der ihn erst für sein Gewerbe erziehn wollte und ihn unter so strenger Zucht hielt, daß der Knabe aus dem elterlichen Hause entfloh und bei einem Landphysikus im Holsteinischen in Dienste trat. Dieser schickte ihn nach Hamburg zurück (1741), wo er nun das Gymnasium besuchte und sich Reimarus' Gunst erwarb. Nach dem Wunsch seines strenggläubigen Baters sollte er Theologie studiren; schon als Gymnasiast predigte er auf einigen hamburgischen Dörfern. Von seinen Schuljahren pflegte er selbst zu jagen, er sei ein lustiger Bruder gewesen: er studirte unordentlich und strengte sich wenig an, da sein leichter Kopf ihm durchhalf. So kam er 1744 auf die Universität Leipzig, bereits mit dem Vorsatz, ein berühmter Mann zu werden. Der Collegien ward er bald müde, er las alles Mögliche durcheinander, auch die religiösen Streitschriften. Nach Vollendung seiner Studien (1746) bekleidete er eine Hofmeisterstelle im Holsteinischen; er wußte sich zur Fassungskraft der Kinder herabzulassen und ihnen das Lernen zum Spiel zu machen. Schon damals knüpfte er seinen Unterricht überall an das Nächste, Stube, Haus, Garten, Stall und Scheune. Die Gunst seines Principals verschaffte ihm 1753 eine Professur an der Ritterakademie zu Soroe in Seeland; aber seine Schriften, voll Polemik gegen die herrschende Orthodoxie, veranlaßten 1761 seine Versetzung nach Altona. Wenn er aber an dem Katechismus rüttelte, so war er desto eifriger, im Verein mit Cramer und Klopstock die sittliche Bedeutung der Religion zu verfechten. So hatte er namentlich die Behauptung aufgestellt, wahre Rechtschaffenheit sei ohne die Weihe der Religion nicht denkbar.

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Wissen Sie nicht," schreibt Leffing 2. Aug. 1759, „daß jest ein guter Christ ganz etwas Anderes zu sein anfängt, als er noch vor 30 3. war? Die Orthodoxie ist ein Gefpötte worden; man begnügt sich mit einer

lieblichen Quintessenz, die man aus dem Christenthum gezogen hat, und weicht allem Verdacht der Freidenkerei aus, wenn man von der Religion überhaupt nur sein enthusiastisch zu schwagen weiß."

3m vollen Einverständniß mit Klopstock hatte Cramer die falte me taphysische Form der Theologie getadelt, und hinzugefügt: „Die höchste Art über Gott zu denken ist, wenn die ganze Seele von dem, den sie denkt, so erfüllt ist, daß alle ihre übrigen Kräfte von der Anstrengung ihres Denkens in Bewegung gesezt sind;... wenn, wofern wir darauf kämen, das, was wir denken, durch Worte auszudrücken, die Sprache zu wenige und zu schwache Worte haben würde."

„Der Verfasser,“ erwidert Lessing, „nennt denken, was andere ehrliche Leute empfinden heißen. Seine höchste Art, über Gott zu denken, ist ein Stand der Empfindung, mit welchem nichts als undeutliche Vorstellungen verbunden sind, die den Namen des Denkens nicht verdienen. Bei der kalten Speculation geht die Seele von einem deutlichen Begriff zum andern fort; alle Empfindung, die damit verbunden, ist die Empfindung ihrer Anstrengung eine Empfindung, die ihr nur dadurch nicht ganz unangenehm ist, weil sie die Wirksamkeit ihrer Kräfte dabei fühlt. Die Speculation ist also das Mittel gar nicht, aus dem Gegenstand selbst Vergnügen zu schöpfen. Will ich das, so müssen alle deutlichen Begriffe, die ich mir durch die Specu lation von den verschiedenen Theilen meines Gegenstandes gemacht habe, in eine gewisse Entfernung zurückweichen, in welcher sie deutlich zu sein aufhören, und ich mich blos ihre gemeinschaftliche Beziehung auf das Ganze zu fassen bestrebe. Und das ist der Fall, wenn ich meine Gedanken von Gott in Empfindungen übergehn lasse. Die Sprache kann Alles ausdrücken, was wir deutlich denken; daß sie aber alle Nuancen der Empfindung solle ausdrücken können, ist ebenso unmöglich als unnöthig."

Diese Art der Religiosität hat aber ihre großen Bedenken. „Die Wahrheit läßt sich nicht so in dem Taumel unserer Empfindungen haschen! Mit wenig deutlichen Begriffen von Gott und den göttlichen Vollkommenheiten setzt sich der Schwärmer hin, überläßt sich ganz seinen Empfindungen, nimmt die Lebhaftigkeit derselben für Deutlichkeit der Begriffe, wagt es, fie in Worte zu fleiden, und wird ein Böhme, ein Pordage. Gene kalte metaphysische Art über Gott zu denken, von welcher der Verfasser so verächtlich urtheilt, muß der Probirstein aller unserer Empfindungen von Gott sein. Sie allein kann uns versichern, daß wir wahre, anständige Empfindungen von Gott haben; und der hißige Kopf, der sich nur bisweil.u darauf einläßt, um sich) durch die Neuheit aufzumuntern: von dem wollte ich wetten, daß er oft am unwürdigsten von Gott denkt, wenn er am erhabensten von ihm zu denken glaubt.“

Nach diesen Grundfäßen nimmt Leffing Klopstock's Ode über die Allgegenwart Gottes durch. „Wenn ich Ihnen sagen sollte, was ich von der Allgegenwart Gottes mehr gelernt, als ich vorher gewußt; welchen von meinen Vegriffen der Tichter aufgeklärt, in welcher Ueberzeugung er mich bestärkt; so weiß ich freilich nichts darauf zu antworten. Eigentlich ist das auch des Dichters Werk nicht. Genug, daß mich eine schöne, prächtige Tirade über die andere angenehm unterhalten hat, daß ich mir während des Lesens seine Begeisterung zu theilen geschienen habe: muß uns denn alles etwas zu denfen geben?"

Als nun Basedow in einer sehr groben Replik Klopstock's Gedankenreichthum zu retten versuchte, erwiderte Leffing (12. Juni 1760): „Wer heißt denn Herrn Klopstock philosophiren? So gewogen bin ich ihm freilich nicht, daß ich ihn gern philosophiren hörte. Und so wenig ich aus seiner Philofophie mache, ebensowenig mache ich aus seinen Liedern. Sie sind alle so roller Empfindung, daß man oft gar nichts dabei empfindet. Es kann wahr sein, daß er, als er sie machte, im Stande sehr lebhafter Empfindun gen gewesen ist, weil er aber blos diese seine Empfindungen auszudrücken suchte, und den Reichthum von deutlichen Gedanken und Vorstellungen, der die Empfindungen bei ihm veranlaßt, durch den er sich in das andächtige Feuer gesetzt hatte, verschwieg und uns nicht mittheilen wollte: so ist es unmöglich, daß sich seine Leser zu eben den Empfindungen, die er dabei gehabt, erheben können. Er hat die Leiter nach sich gezogen.“

Ohne Zweifel mußte Klopstock hier auch einigermaßen für die schlechte Gesellschaft büßen, in die er sich eingelassen hatte. Der „Nordische Aufseher" war eine moralische Wochenschrift ganz in der Art, wie sie vor 40 Jahren üblich gewesen, und Untersuchungen wie die, ob Henriette oder Clementine im Grandison den Vorzug verdiene? gehörten noch zu den geistreichsten der Sammlung. Nebenbei war er grob wie alles Mittelmäßige: Basedow nannte Leffing's Kritik hart, bitter, lieblos, unbesonnen; so lieblos und unbesonnen, daß man ohne Traurigkeit an ihre Existenz nicht denken könne; ein Phänomen, dessen Wirklichkeit man ohne einigen Beweis auf ein bloßes Wort nicht glauben würde." Er warf Lessing eine schamlose Dreiftigkeit" vor: er verleumde; er habe abscheuliche Absichten; er habe das schwärzeste Laster begangen; er habe einen unglücklichen Charakter; er verdiene den Abschied der Welt. Nun da!" schreibt Leffing, so einen Freund ha

ben Sie!"

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Friedfertig sollte Leffing's Stellung zu keiner Zeit sein; gleichzeitig mit Basedow fiel auch Bodmer über ihn her, und schalt ihn einen Spaßzmacher. „Der arme Capriccio!" antwortet Lessing, „hat der es nun

auch mit den Schweizern verdorben? Noch 1749 stand er bei ihnen in großem Ansehn: da war er der poetische Taumel; da war er der muntere Spürhund, der in einer schallenden Jagd, die das Hüfthorn bis in die abgelegensten dunkelsten Winkel der menschlichen Kenntnisse ertönen läßt, das seltsamste Wild aufjagt; da hatte er auch deutschen Dichtern die trefflichsten Dienste gethan: den einen hatte er in einer zärtlichen Elegie seine Liebe derjenigen erklären lassen, die ihm das Schicksal zu lieben auferlegt und ihm die Gegenliebe geordnet, die er aber noch nicht kannte, noch niemals gesehn hatte;" der andere war durch ihn in einer choriambischen Ode „bis in die Tiefen jener Philosophie gelangt, in welchen er sich mit seinen Freunden noch als Atome, die allererst aus der Hand der Natur kamen, erblickte, bevor sie noch geboren waren, doch sich nicht ganz unbewußt.“ „Und nun? welche Veränderung ist mit ihm vorgegangen? -Mit ihm keine, aber desto größere mit den Schweizern. Capriccio ist der Gefährte der Fröhlichkeit, und seit 1749 fanden die Schweizer für gut, mit der Fröhlichkeit und zugleich mit ihrem ganzen Gefolge zu brechen. Sie waren fromme Dichter geworden, und ihr poetisches Interesse schien ein ernstes, schwermüthiges System zu fordern. Sie hatten sich andächtige Patriarchen zu ihren Helden gewählt; sie glaubten sich in den Charakter ihrer Helden seßen zu müssen; sie wollten es die Welt wenigstens gern überreden, daß sie selbst in einer patriarchalischen Unschuld lebten; sie sagten also zu der Fröhlichkeit: was machst du? und zum Capriccio: du bist toll!"

Aber mitten in der Hiße des Gefechts gab Lessing nie ganz seine gelehrten Arbeiten auf: in diese Zeit fällt das „Leben des Sophokles", gewissermaßen eine Ergänzung des Bayle, auch zur Fortsetzung der „theatralischen Bibliothek" bestimmt: bemerkenswerth ist, mit welchem Eifer Lessing überall die Urtheile der Alten (z. B. im Vergleich der drei großen Tragiker) zu rechtfertigen sich bemüht. Wichtiger für den Augenblick war die Uebersetzung

des Diderot (Mai 1760).

Von Diderot's bürgerlichen Schauspielen erschien der Fils naturel 1757 (er hatte also auf Sara Sampson keinen Einfluß üben können), der Père de famille 1758, zugleich mit Grimm's Abhandlung über die dramatische Poesie. Der Einfluß der modernen Engländer, namentlich Richardson's, auf diese Stücke ist unverkennbar: es war ein rücksichtsloser Kampf gegen die bisherigen Typen der französischen Kunst, und also mittelbar gegen die Resultate der bisherigen socialen Entwickelung. Schon in diesem Sinn mußten sie Lessing willkommen sein, aber auch das Einzelne war ganz in seinem Sinn: die Verachtung prahlerischer Tugend und Großmuth; die rücksichtslose Ausmerzung alles Heroischen und Historischen, die Rückkehr zum

Schmidt, Julian, Geschichte des geistigen Lebens. II.

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Natürlichen und allgemein Menschlichen, wie nüchtern und alltäglich dieses auch zunächst aussehn mochte. Die Zeit der Renaissance und ihres Prunkstils war abgelaufen.

„Ich bin mir wohl bewußt," schrieb Lessing zwanzig Jahre später, „daß mein Geschmack ohne Diderot's Muster und Lehren eine ganz andere Richtung würde bekommen haben. Vielleicht eine eignere, aber schwerlich eine, mit der am Ende mein Verstand zufriedener gewesen wäre. Diderot scheint auf das deutsche Theater weit mehr Einfluß gehabt zu haben als auf das Theater seines eignen Volks. Auch war die Veränderung, die er auf diesem hervorbringen wollte, in der That schwerer zu bewirken. Die französischen Stücke, die auf unserm Theater gespielt wurden, stellten doch nur fremde Sitten dar: und fremde Sitten, in welchen wir weder die allgemeine menschliche Natur noch unsere besondre Volksnatur erkennen, sind bald verdrängt. Je mehr die Franzosen in ihren Stücken wirklich finden, was wir uns nur zu finden einbilden, desto hartnäckiger muß der Widerstand sein, den ihre alten Eindrücke jeder Bemühung, sie zu verwischen, entgegenseßen. Wir hingegen hatten es längst satt, nichts als einen alten Laffen im kurzen Mantel und einen jungen Geck in bebänderten Hosen unter einem Halbdußend alltäglicher Personen auf der Bühne herumtoben zu sehn; wir sehnten uns längst nach etwas Besserem, ohne zu wissen, wo dieses Bessere herkommen sollte: als der „Hausvater“ erschien. In ihm erkannte sogleich der rechtschaffene Mann, was ihm das Theater noch eins so theuer machen müsse. Auch der Schauspieler lernte von ihm. Der Hausvater" war weder französisch noch deutsch, er war blos menschlich. Er hatte nichts auszudrücken, als was jeder ausdrücken konnte, der es verstand und fühlte. Und daß jeder seine Rolle verstand und fühlte, dafür hatte Diderot gesorgt *)."

So gut sich in dem Berliner Kreise leben ließ, so mußte Lessing doch von Zeit zu Zeit empfinden, daß er wenig verstanden wurde. Die Berliner Freunde hatten eine entschiedene Neigung für Coterien, und wenn Leffing, der dazu gar keine Neigung hatte, einmal ihre Eigenliebe verlegte, so legte man das, wenn man gelinde urtheilen wollte, für eine Wunderlichkeit aus.

So schrieb Ramler 29. Dec. 1759 an Gleim: „Hier sagen einige meiner Freunde, daß Lessing, da er doch nicht dazu gepeitscht worden, den Batteux herunter zu machen, aus Liebe zu seinem Ueberseßer ihn wohl hätte verschonen können doch was geht mich's an. Ich weiß, daß Hr. Lessing

*) Diderot gab Dec. 1761 eine ausführliche Kritik der „Sara Sampson“, was bald darauf Grimm veranlaßte, des deutschen Dichters gleichfalls in Ehren zu ge denken. Die Kritik ist abgedruckt in Danzel's Lessing S. 473-476.

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