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feine Meinung fagen und durch Unterdrückung sich Luft schaffen und Plaz machen will. Die Natur ist nicht auszutreiben. Er kann unmöglich in Schrif ten derjenige gelinde, nachgebende, lustige Gesellschafter sein, der er doch im Leben ist. Es ist freilich schlimm! Aber wir wollen uns seiner guten Seis ten bedienen, da er zu alt ist, als daß wir ihm seine schlimmen abgewöhnen könnten.“ Kurze Zeit darauf waren Ramler und Gleim gleichfalls vollständig entzweit, weil der Erstere sich gegen den Freund lieblose Kritiken erlaubte.

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Es ist zu begreifen, daß sich Lessing immer unbehaglicher in Berlin fand, um so mehr, da er mit peinlicher Ungeduld den Ausgang seines Leipziger Processes abwarten mußte. So lange ich," schreibt er an seinen Vater 3. April 1760, „noch von meiner Arbeit leben kann, und ziemlich gemächlich leben, habe ich nicht die geringste Lust, der Sklave eines Amts zu werden. Trägt man mir eines an, so will ich es annehmen; aber den geringsten Schritt nach einem zu thun, dazu bin ich, wo nicht eben zu gewissenhaft, doch viel zu commode und nachlässig.“ Bei Lessing kamen alle Entschlüsse schnell und unvorbereitet: Anfang Nov. 1760 ist er aus Berlin verschwunden, und als Secretär des General Tauenzien in Breslau*).

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Sie werden sich vielleicht über meinen Entschluß wundern," schreibt er von dort an Ramler, 6. Dec.: „Die Wahrheit zu gestehn, ich habe jeden Tag wenigstens eine Viertelstunde, wo ich mich selbst darüber wundere. Aber wollen Sie wissen, was ich alsdann zu mir sage? Narr! sage ich und schlage mich an die Stirn: wann wirst du anfangen, mit dir selbst zufrieden zu sein? Freilich ist es wahr, daß dich eigentlich nichts aus Berlin trieb; daß du die Freunde hier nicht findest, die du da verlassen; daß du wenig Zeit haben wirst zu studiren. Aber war nicht Alles dein freier Wille? warst du nicht Berlins satt? glaubtest du nicht, daß deine Freunde deiner satt sein mußten? daß es bald wieder einmal Zeit sei, mehr unter Menschen als unter Büchern zu leben? daß man nicht blos den Kopf, sondern, nach dem dreißigsten Jahr, auch den Beutel zu füllen bedacht sein müsse?.... Ihre Briefe werden ein Großes beitragen, daß ich mir wenigstens die Reue, die unnüßeste von allen unangenehmen Empfindungen, erspare." An Moses: „Ich reiste mit allem Bedacht aus Berlin, ohne von Ihnen Abschied zu nehmen, weil ich mich nicht der Gefahr aussehen wollte, die Thorheit meines

*) 3. Oct. 1760 war Berlin von den Russen geplündert worden. 11. Nov. zeigten die Berliner Zeitungen Ian, daß mehrere namhafte aus

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wahrheitswidrig

wärtige Gelehrte — darunter Lessing, Huber, Zimmermann

suchen in die Akademie aufgenommen wären.

auf ihr An

Entschlusses auf einmal in ihrem völligen Licht zu sehn. Die Reue wird ohnedem nicht ausbleiben."

Später werden die Klagen noch lauter: „Nein, das hätte ich mir nicht vorgestellt!" schreibt er 3. März 1761 an Moses; „aus diesem Ton klagen alle Narren. Ich hätte mir es vorstellen sollen und können, daß unbedeutende Beschäftigungen mehr ermüden müssen als das anstrengendste Studiren; daß in dem Cirkel, in welchen ich mich hineinzaubern lassen, erlogene Vergnügungen und Zerstreuungen über Zerstreuungen die stumpf gewordene Seele zerrütten würden; daß Ach bester Freund, 3hr Lessing ist verloren! In Jahr und Tag werden Sie ihn nicht mehr kennen. Er sich selbst nicht mehr. meine Zeit, meine Zeit, mein Alles was ich habe - fie so ich weiß nicht was für Absichten aufzuopfern! Hundertmal habe ich schon den Einfall gehabt, mich mit Gewalt aus dieser Verbindung zu reißen. Doch kann man einen unbesonnenen Streich mit dem andern wieder gut machen? Aber vielleicht habe ich heute nur so einen finstern Tag, an welchem fich mir nichts in seinem wahren Licht zeigt. Morgen schreibe ich Ihnen vielleicht heiterer."

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Wir verlieren ihn vorläufig aus den Augen.

Noch immer lastete der Krieg auf dem schwergeprüften Sachfen. 19. Juli 1760 wurde Dresden von den Preußen bombardirt: bei der Gelegenheit verlor Rabener seine ganze Habe, Kleider, Manuscripte: er ertrug das Elend mit gutem Humor; aber daß man einen Brief veröffentlichte, den er darüber geschrieben, machte ihm vielen Kummer. Auch Heyne trieb das Bombardement aus Dresden*; ebenso Weiße, der eben hingekommen war, sich um eine Kreissteuer-Einnehmerstelle zu bewerben: er hatte im Mai in Begleitung seines Grafen Paris verlassen, und sich nun von demselben getrennt. Gleich darauf fand er eine neue Stelle, als Gesellschafter beim Gr. Schulenburg in Burgscheidungen.

Gellert hatte sein hypochondrisches Dasein fortgesezt: „Alles um mich öde und leer; meine Nerven schwach und mein Magen kraftlos;" im Uebrigen genoß er hohe Achtung; sein nächster Freund und Anhänger Clodius erhielt auf seine Empfehlung eine Profeffur, alle Augenblicke kamen Geschenke

*) Er hatte sich seit 1756 in verschiedenen Hauslehrerstellen bewegt; nach dem Bombardement entfloh er nach Amsdorf, wo er troß seiner sehr prekären Lage 4. Juni 1761 eine arme Waise heirathete, Therese Weiß. Nach dem Tode Gesner's (4. Aug. 1761) wurde er, der bisher noch ganz unbekannte Philolog, durch Ruhnken Oct. 1762 nach Göttingen empfohlen, und erhielt die Vocation Febr. 1763.

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von unbekannten Gönnern an; der preußische Prinz Heinrich erwies ihm viele Auszeichnungen: endlich, 18. Dec. 1760, ließ ihn auch der König kommen). Es wird dem Könige," sagte er zum Major Quintus Jcilius, der ihn abholte, mit einem kranken Mann, der nicht reden kann, Aber er mußte gehorchen. „Warum haben wir

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nicht gedient sein.“

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nicht mehr gute Autoren?"

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Ew. Maj. sind einmal gegen die Deutschen „Nein, das kann ich nicht sagen.“ Wenigstens gegen

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eingenommen. die deutschen Schriftsteller. "Das ist wahr." Und überhaupt lassen sich verschiedene Ursachen angeben, warum die Deutschen noch nicht in aller Art guten Schriften sich hervorgethan haben. Da die Künste und Wissenschaften bei den Griechen blühten, führten die Römer noch Kriege. Vielleicht ist jetzt das kriegerische Säculum der Deutschen; vielleicht hat es ihnen auch noch an einem August gefehlt. — „Wie? Will Er denn einen August in ganz Deutschland haben?" Nicht eben das: ich wünschte nur, daß ein jeder Herr in seinem Lande die guten Genies ermunterte. 3st Er gar nicht von Dazu fehlt mir Gesundheit

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Sachsen weggekommen? Er sollte reisen!" und Vermögen.

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„Ia daran fehlt's immer den Gelehrten in Deutschland. Es sind wohl jezt böse Zeiten?“

Ja wohl, und wenn Ihro Majestät

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Deutschland den Frieden geben wollten Kann ich denn? Hat Er's denn nicht gehört? Es sind ja Drei gegen Einen." — Ich bekümmere mich mehr um die alte als um die neue Geschichte. „Hat Er denn auch wider den Stylum Curiae geschrieben?" Ach ja, Ihro Majestät. „Aber warum wird das nicht anders? Es ist was Verteufeltes. Sie bringen mir ganze Bogen, und ich verstehe nichts davon." Wenn es Ihro Majestät nicht ändern können, so kann ich's noch weniger. Schließlich mußte

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Gellert eine seiner Fabeln declamiren: er wählte den „klugen Maler aus Athen“, und erhielt den Beifall des Königs. C'est le plus raisonnable de tous les savans allemands! äußerte sich dieser bei Tisch. Auch Ernesti, Reiske u. A. ließ er kommen. Einige Tage später schrieb er an die Herzogin von Gotha:

Je suis ici dans le pays latin. J'ai, pour m'amuser, passé en revue tous les professeurs de cette université; j'en ai trouvé 3—4 remplis de mérite et de belles connaissances, entre autres un professeur du grec

*) Als Curiosität verdient angemerkt zu werden, daß um diese Zeit Moses in Berlin beinahe als Pasquillant wäre zur Rechenschaft gezogen worden, weil er sich erlaubt hatte, des Königs Gedichte zu recenfiren und darin die Schmeichelei zu wagen: „Ein Friedrich, der an der Unsterblichkeit zweifelt, ist eine bloße Chimäre, ein viereckiger Cirkel oder ein rundes Viereck."

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(Ernesti?) qui m'a semblé avoir plus de jugement et de goût qu'il n'est commun d'en rencontrer dans les savans de notre nation, j'en ai déterré un qui n'aurait pas échappé à Molière, s'il avait vécu de son temps. Cet homme admirable (offenbar Gottsched) m'a dit avec une gravité magistrale qu'il avait accouché de 60. vol. in-folio, et qu'il en avait publié deux tous les trois mois. Je lui dis: Mais, Monsieur, vous possédez donc la science universelle? Aussi fais-je, repartit-il. Mais, Monsieur, tous les trois mois deux volumes in-folio! Y pensezvous bien? Je n'aurais pas le temps de les écrire; et comment donc avez-vous pu les composer? Cela partait de là, me dit-il, mettant le doigt sur son front. Un de ses confrères charitables ajouta: Et du dictionnaire de Bayle, de Chambers, et de tous les dictionnaires que Monsieur a fondus ensemble. Oui, je les ai refondus ensemble, dit le savant mais je les ai rendus excéllents, car je les ai corrigés tous. Gottsched**) verlor im folgenden Jahr seine Freundin“ Adelgunde (26. Juni 1762, 49 J. alt): das Verhältniß scheint in der lezten Zeit lau geworden zu sein. Für Gellert begann Oct. 1760 ein Herzensverhältniß, das dem stillen Mann sehr werth war: eine Dlle. Lucius in Dresden (geb. 7. Dec. 1739) wandte sich brieflich an ihn, um über Tugend und ähnliche Dinge von ihm aufgeklärt zu werden: und in der That dauerte dieser Briefwechsel bis an Gellert's Tod: er hatte einmal vor, sie mit einem guten Freunde, einem Cantor, zu verheirathen, gab es aber bald als unschicklich wieder auf. Kurz vor seinem Ende sah er sie zum erstenmal: sie heirathete erft Oct. 1774, einen Pastor Schlegel bei Weißenfels. Diese Briefe mach ten dem würdigen Mann viel Freude, dagegen hatte er einmal den Kummer, daß ein wohlgesinnter Geistlicher aus Böhmen, von seinen Schriften erbaut, ihn aufforderte, katholisch zu werden, und daß er ihm erst weitläufig seine Gründe auseinanderseßen mußte.

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In Berlin wurde zwar der Abgang Lessing's von den Freunden schmerzlich empfunden, und er blieb das ideale Publicum, das sie bei ihren

*) Seit 1759 (unmittelbar nach seiner Ausgabe des Homer) Profeffor der Theologie. 1760 begann er die „Neue theologische Bibliothek“, nach dem Princip, die Bibel streng nach dem Wortlaut zu erklären, und sich weder durch eine äußere Autorität der Kirche, noch durch eigne Neigung, noch durch ein philosophisches System be stimmen zu lassen. Philologisch nüchtern in der Exegese, war er in seinen Ansichten orthodox, aber nachsichtig gegen Andersglaubende. 1761 erschien sein classisches Werk: Institutio interpretis.

**) 1760 gab er das „Handlexicon der schönen Wissenschaften und Künste“ heraus, wobei Batteux zu Grunde gelegt war.

Schriften vor Augen hatten: im Uebrigen aber ging Alles den alten Gang fort. Nicolai und Moses führten die Literaturbriefe auf eigne Hand wei ter: der Erstere heirathete 12. Dec. 1760, und erscheint seitdem als gemachter Mann. Moses sammelte seine philosophischen Schriften, mit einigen Zusägen, in denen die Natur der gemischten Empfindungen und die Einwirkung des Schönen auf das Gemüth untersucht wurde: er vertheidigte den Begriff der Vervollkommnung als die Quelle aller Moral. Sulzer schrieb französisch, für die Akademie, Untersuchungen über die Nüßlichkeit der dramatischen Dichtkunst, und arbeitete an seinem ästhetischen Wörterbuch, das aber erst 11 Jahre später fertig wurde. Ramler dichtete den „Tod Jesu“, der sich durch Graun's Composition noch heute erhalten hat, und andere Cantaten, die ihn auch mit dem Hof in Berührung brachten (Prinzessin Amalia com ponirte selbst); außerdem ließ er sich durch Gleim's Beispiel zu kriegerischen Oden verführen, in denen in Horazischer Art, mit Anrufung verschiedener Najaden und Hamadryaden, die Feinde Friedrich's mit Vorwürfen überhäuft wurden, daß sie den unbezwungnen Helden nicht in Ruhe ließen; troß aller Freude über die Siege überwog doch die Sehnsucht nach dem Frieden, namentlich da eine böswillige Bombe den frommen Dichter fast getroffen hätte, wenn ihn die Götter nicht schützten. Endlich erhielt der Berliner Parnaß, was ihm bisher gefehlt, eine Sappho.

Der Vater der Karschin, der Schenkwirth Dürrbach, lebte auf einer einsamen Meierei zwischen Züllichau und Krossen, nahe der niederschlesischen Grenze. Anna Louise, geboren 1. Dec. 1722, verlor ihn schon im sechsten Jahre, ein Großoheim nahm sie zu sich auf seine Landbesißung Tirschtiegel, wo das junge Mädchen Gelegenheit fand, sich in der Bibliothek zu thun zu machen, sehr zum Mißfallen ihrer Großmutter, die zu sagen pflegte: „ein Mädel muß nicht schreiben können, das führt sie nur zu Liebesbriefen, zu weiter nichts Gutem." Als sie gar anfing, Latein zu lernen, wurde es ihrer Mutter zu viel; sie nahm sie wieder zu sich. „Kein Cherub war es, der das wehrlose Kind aus ihrem Paradiese vertrieb; es war das verjährte Vorurtheil, das feindlich den Frauen jedem geistigen Ausschwung entgegenwirkte. In der Wüste des Lebens sollte das Weib nur Kameel und Dromedar sein, das ging, so lange es seine eigenste Bestimmung nicht kannte." Es war für sie eine Zeit großer Entbehrungen; der Wohlstand des Hauses ging zu Grunde und sie war zuweilen genöthigt, das Vieh zu hüten. Doch las sie nicht blos heimlich, sie versuchte sich auch eifrig in Versen.

Als sie 16 Jahr alt war, verheirathete man sie an einen jungen Tuchmacher Namens Hirsekorn. Er hatte auf eine Weitgift gerechnet, und war verdrießlich, darin getäuscht zu sein. Dazu kam noch ihre Unerfahrenheit in

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