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Schade, daß die Versart noch toller ist wie die meinige!

Nun glaube ich, daß die Deutschen noch was Rechtes in den schönen Wissenschaften mit der Zeit liefern werden; solche Poesie und Hoheit des Geistes war ich mir von keinem Deutschen vermuthen."

Wir haben Kleist zulezt in Berlin gesehn, im Kreise von Ramler Sulzer u. f. w. (Bd. 1, S. 595, 602); er war mittlerweile Capitän geworden. Die Lectüre Thomson's hatte ihn angeregt, den Frühling zu befingen; nach dem Vorbild der Frühlings- Ode von Uz hatte er den Hexameter mit einer Vorschlagssylbe gewählt: ein Versmaß, das für den Rhythmus der deutschen Sprache bequemer lag als das echte der Griechen, aber in seiner gleitenden Bewegung den kräftigen Vau verlor. Im Inhalt sprach sich etwas von der Stimmung des unbeschäftigten Militärs in Friedenszeiten aus, wie in Kleist's frühern Elegien; z. B. die Sehnsucht nach Nuhe, nach dem Lande, der heftige Abschen gegen den Krieg, der sich sehr verlor, als es wirklich zum Kriege kam. Auch hat man mit Recht angemerkt, daß es dem Gedicht an einer größern Bewegung fehlt. Aber die einzelnen Schilderungen sind zum Theil doch sehr schön - so das Treiben der von Liebeslust ergriffenen Stiere und wenn man die Landlust (so hieß das Gedicht ursprünglich) als die Geschichte eines Frühlingstags auffaßt, so fehlt auch die Bewegung nicht ganz. Auf alle Fälle hatte Lessing Unrecht, diesem Gedicht, das einen außerordentlichen Fortschritt gegen Brockes ausdrückt, die erste Stelle in Kleist's Werken zu bestreiten.

Kleist ließ die Landlust in wenig Exemplaren abziehn; Ramler, dem er sie mittheilte, nahm in seiner Art so starke Verbesserungen vor, daß der Dichter sein Werk gar nicht wieder erkannte. Es blieb zuletzt bei der alten Form.

Die Verbindung Klopstock's mit Bodmer war inzwischen immer enger geworden. 10. Aug. 1748 dankt er dem schweizer Kritiker in einem lateinischen Brief nicht blos für sein Lob, sondern auch für den Einflußz, den er unbewußt auf ihn ausgeübt. „Ich war ein junger Mensch, der seinen Homer und Virgil las, und sich schon über die Sachsen im Stillen ärgerte, als mir Ihre kritischen Schriften in die Hände fielen. Ich las, oder vielmehr ich verschlang sie, und wenn mir zur Rechten Homer und Virgil lag, so hatte ich jene zur Linken, um sie immer nachschlagen zu können. Und als Milton mir in die Hände fiel, loderte das Feuer, das Homer in mir entzündet, zur Flamme auf, und hob meine Seele, um den Himmel zu befingen. Wie oft habe ich das Bild des epischen Dichters, das Sie aufgestellt, betrachtet und weinend angestaunt, wie Cäsar das Bild Alexanders. — Doch Sie können noch Größeres für mich thun. Der Messias ist kaum an

gefangen, und es fehlt mir an Muße. Und da ich von sehr gebrechlichem Körper bin, und wie ich vermuthen kann, mein Leben nicht hoch bringen. werde, so ist meine Hoffnung, den Messias vollenden zu können, sehr klein. Mein Vaterland kümmert sich nicht um mich.“ Er bittet ihn, sich um ein Jahrgehalt zu verwenden. Ich möchte mein Glück nicht Fürsten, ich möchte es Bodmer zu danken haben.“ „Und nun führe ich Sie noch in das innere Heiligthum meiner Angelegenheiten. Ich liebe das zärtlichste und heiligste Mädchen auf's zärtlichste und heiligste. Sie hat sich noch nie gegen mich erklärt und wird sich auch schwerlich gegen mich erklären können, weil unser Stand sehr verschieden ist. Aber ohne sie kann ich durchaus nicht glücklich sein. Ich beschwöre Sie demnach bei dem Schatten Milton's und Ihres seligen Knaben, bei Ihrem großen Geiste beschwör' ich Sie, machen Sie mich glücklich, mein Bodmer, wenn es Ihnen möglich ist.“ „Ich weiß nicht,“ fährt er 27. Sept. fort, ob derjenige, dessen Schicksal soviel Schmerz ordnet, hier keine Glückseligkeit für mich sieht, wo ich soviel Glückseligkeit sehe, oder ob er vorhersieht, daß ich die Freuden der ersten Umarmung auszuhalten noch nicht fähig sein würde, und daß er mich also erst ruhiger werden lassen will. Soviel weiß ich, daß ich auf seinen ewigen Tafeln nicht den leisesten Zug finden kann, und daß ich derjenigen, die ich so unaussprechlich liebe, die allermeiste Glückseligkeit, auch wenn sie mich nicht wiederliebt, aus vollem Herzen wünsche."

Bodmer's Bedeutung liegt nicht in dem Gegensaß seiner Regeln zu den Regeln Gottsched's; nicht in der Abweichung des Geschmacks, nicht in dem Werthverhältniß der poetischen Stilübungen, sie liegt auch nicht einmal in dem bessern Verständniß dessen, worauf es eigentlich ankam. Auch ein feiner Kenner des Schönen ohne schöpferische Kraft wird schlechte Gedichte machen, aber nimmermehr solche Dramen und Epopöen, wie sie Bodmer zustande gebracht hat. Die wahre Bedeutung Bodmer's liegt darin, daß er, aus der Wolffischen Schule hervorgegangen, den Begriff eines Dichters, wie ihn Klopstock aus seiner eignen Seele gebildet hatte. nicht blos anerkannte, sondern steigerte und für ihn Propaganda machte. Das war Bodmer's That, nicht seine Bekämpfung Gottscheds, der auch ohne ihn gefallen wäre, wie jeder Schulmeister, der seine erwachsenen Zöglinge noch im ABC festhalten will.

Bodmer bot dem künftigen Sänger des Messias nicht blos eine Zuflucht an, er wollte auch für seine Liebe sorgen. Er schickte ihm den folgenden Brief, um ihn Fanny zu übergeben:

„Ich kenne Sie nicht weiter, als daß ich weiß, daß der Poet des Mesfias Sie zur Vertrauten und Richterin seines Werks gemacht hat. Dies ist genug, mir einen untrüglichen Begriff von Ihren Tugenden zu machen. Die

geringste Sache kann mir nicht gleichgültig sein, welche den Messias angeht; wie sollte mir gleichgültig sein, was für eine Person der Dichter zu seiner irdischen Muse bei dem Werk der Erlösung gewählt hat. Ein ehrfurchtsvoller Schauer überfällt mich, wenn ich gedenke, was für eine herrliche Rolle das Schicksal, Mademoiselle, Ihnen zugedacht hat. Sie sollen den Poeten mit den zärtlichsten Empfindungen von himmlischer Unschuld, Sanftmuth und Liebe beseelen; Sie sollen ihm einen Geschmack der Freundschaft mittheilen, die macht, daß die ewigen Seelen von himmlischer Freundschaft erzittern; Sie sollen seine Seele mit großen Gedanken erfüllen, jedes Glück zu verachten, daß nur irdisch ist. Das Alles sollen Sie thun, damit sein Herz in den Vorstellungen der himmlischen Personen nicht erschöpft werde! Das ist das himmlische Vorrecht der Tugend, daß sie die Herzen der Jüng linge durch süße Blicke, durch kleine Gunstbezeugungen zu erhabenen Unternehmungen geschickter macht. Dadurch bekommen Sie an dem Werk der Erlösung Antheil. Die Nachwelt wird den Messias nie lesen, ohne mit dem zweiten Gedanken auf Sie zu fallen, und dieser Gedanke wird allemal ein Segen sein. Wenn ich die Nachwelt sage, was für eine Menge von Geschlechtern verstehe ich, die auf einander folgen werden! Ganze Nationen, die ihre Lust am Messias finden, und neben der Luft göttliche Gedanken und Empfindungen darin lernen werden, welche sie mit dem Mittler vereinigen und zu dem versöhnten Gott erheben; Nationen wer den Ihnen dann nicht das Gedicht allein, sondern die Seligkeit mit danken, welche sie durch das Gedicht gefunden haben.“ (Natürlich: die ewige Selig= teit!) Welche Last von Glückseligkeit ist daran gelegen, daß der Poet das große Vorhaben vollende! Wie kostbar ist sein Leben Welten, die noch nicht geboren sind! Was für eine Verantwortung liegt auf denen, die ihn durch unnütige Geschäfte, durch widrige Sorgen, durch stumme Wehmuth in seinem Umgang mit der himmlischen Muse stören, die das göttliche Gedicht dadurch in seinem Wachsthum verzögern. Wenn das Werk der Erlösung durch den Poeten nicht zu Ende gebracht würde, so würde es bei mir einen Kummer verursachen, als wenn etwa Satan seine finstere Entschließung gelungen wäre, den Messias zu tödten und die Erlösung des Menschengeschlechts zu hintertreiben."

So schrieb nicht ein unbärtiger Knabe, sondern ein Mann von 50 Jahren. Uns kommt der Brief lächerlich vor: für jene Zeit war er die Ankündigung einer neuen Culturperiode. Der Liebende dachte über den Erfolg jenes Gefühlsausbruchs kühler als sein Vertrauter:

„Klopstod," schreibt Bodmer Ende des Jahrs, ist ein sonderbarer Liebhaber: er hat nicht das Herz gehabt, meinen Brief an seine Geliebte der

selben zuzustellen, obgleich ihr Bruder, der sein Bertrauter ist, es ihm gerathen. Er schreibt Oden an sie, die ein Seraph einem Seraph schreiben dürfte: hernach hat er das Herz nicht, sie ihr zu übergeben. Er muß von einem melancholischen Temperament sein, so traurig schreibt er." „Würde dieser göttliche Poet nicht durch seine göttliche Geliebte daheim behalten, so wollte ich ihn in mein Haus nehmen, daß er seinen Messias bei mir in der stillsten Ruhe vollendete."

Die öffentliche Anerkennung des Gedichts schritt nur langsam vor. Noch 1748 zeigte es Haller in der Göttinger Gelehrten Zeitung an: „Uns ist diese neue Art von deutschen Versen gar nicht anstößig, obgleich Andre sein mögen, denen die vielen Dactylen hüpfend und die Spondeen holpricht vorkommen. Wir lassen uns dadurch gar nicht hindern, eine ungemein nachdrückliche, poetische und erhabene Kraft in den Ausdrücken zu finden, die wir in unsrer Sprache noch selten so Viltonisch bemerkt haben"*). Die erste ausführliche Kritik gab 1749 G. F. Meier in Halle, Baumgarten's Schüler (Bd. 1, S. 605); sie war weder sehr eingehend noch sehr warm, aber sie machte es doch den Gottschedianern unmöglich, die neue Erscheinung todtzuschweigen. Eine Reihe von

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*) In der Vorrede zur Ausgabe seiner Gedichte von 1768 sagt er: „Die Dichter, die nach uns auf den deutschen Parnaß traten, gingen in dem neuen Schwung ihres Vortrags unendlich weiter. Sie entsetzten den Neim seiner so lange ungestörten Herrschaft, und führten dabei das römische und griechische Sylbenmaß ein. Da aber die Trochäen und Dactylen im Deutschen fast unmöglich den Wohlklang der Alten erlangen konnten, da der Spondeus im deutschen Vers faft unerträglich ist, da die vielen E. und die gehäuften Consonanten die J. O. A. und U. der Alten und die fließende Abwechse. lung mit Selbstlautern nicht ersetzen können, so wurde der Urheber der deutschen Herameter genöthigt, dieser sich allzusehr der reimlosen Nede nähernden Art zu dichten durch andere Mittel den über die Prosa sich erhebenden Anstand der Poesie zu geben. Man führte ucue, zusammengesetzte emphatische Wörter ein; man gab selbst der Sprache eine neue Wortfügung, die mit den alten Sprachen näher übereinkommt. Glückliche Dichter wagten sich an die neue Art zu dichten und gaben ihr, wie alle großzen Beispiele thun, einen Vorzug und den Beifall des größten Theils der deutschen Nation." Er läßt das gelten, behauptet aber für sich das Recht der alten Form. 1771 schreibt er in der Gött. Gel. Z.: „Freilich sehn wir lieber Klopstock's Werke sich vervielfältigen, als die weiche Herzen der Jugend noch mehr erweichenden Werke der sogenannten Anakreonten. Freilich verehren wir Klopstock's Liebe zur Tugend und zu Gott. Ist schon unser Geschmack an die neuen Wendungen noch nicht gewöhnt, womit er die Sprache bereichert hat; finden wir noch immer, hin und wieder sei man gegen Gott vertraulicher als es feine unendliche Größe zulassen sollte, so hindern uns diese eingeschränkten Gefühle nicht, das Große in Klopstock's Geist zu empfinden, so wenig wir uns an die neuen Sylbenmaße gewöhnen, so wenig wir die Harmonie in vielen derselben fühlen, so sehen wir nicht auf dieses uns fremde Aeußerliche, das durch schwache Nachahmer so oft mißbraucht worden ist: wir sehen auf das Herz, auf die edlen Gesinnungen und auf die athmenden Ausdrücke des Dichters.“

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Beurtheilungen folgte: zuerst und am glühendsten von Bodmer an der Spite der Neuen kritischen Briefe*), er verkündete gläubig die „Annäherung eines goldenen Zeitalters der deutschen Poesie". - Dann schrieb sein Freund, Pfarrer Heß von Altstetten, „zufällige Gedanken“ über den Messias. So überschwenglich er ihn lobte, so machte er doch einige Ausstellungen. „Mir gefällt nicht, daß mein Dichter so gar viel auf das Weinen hält. In der That, er weint nicht nur selbst bei allen Anlässen, in der Freude und im Leid, sondern er läßt auch Alles weinen, was ihm vorkommt: Gott, Engel, Menschen, Teufel u. f. w. Alles muß ihm weinen, und dieses so oft, daß in seinem Werk des Weinens kein Ende ist, daß keine einzige zärtliche Empfindung ohne Weinen ausgedrückt wird.“ Endlich schrieb Pfarrer Waser in Winterthur, ein satirischer Kopf und großer Verehrer des Lucian, den er übersetzte, „Briefe zweier Landpfarrer über den Messias“. Es ist klar, daß der Autor sagen muß, er halte dasjenige, was er zur Historie der Erlösung hinzugeflicht habe, entweder für wahr oder für unwahr. Im ersten Fall ist er ein böser Schwärmer: hat er denn ein Gesicht oder einen Traum gehabt, darin sich Gott der Herr ihm offenbart hätte? Zwar thut er zu Anfang seines Buchs ein kurzes Gebet an den h. Geist, und bittet ihn, er wolle seine Dichtkunst, die er gleichsam als ein wirkliches Wesen, wie eine heidnische Göttin vorstellt, ausrüsten mit jener tiefsinnigen einsamen Weisheit, „mit der du (jagt er), forschender Geist! die Tiefen Gottes durchschauest; also werd' ich durch sie Licht und Offenbarungen sehen." Und dann fährt er so getrost zu, als wenn er erhört worden wäre. Aber er wird doch wohl denken, daß ihm kein vernünftiger Mensch auf sein bloßes Wort glauben wird. Ist es aber nur Dichterei und von ihm so ersonnen, damit die Historie des Evangeliums desto lieblicher und angenehmer zu lesen sei, wie darf er so gottlos und frech sein, sein eignes elendes Hirngespinnst ohne einiges Zeichen der Unterscheidung dem Christenvolk vorzulegen; aus dem, was er ersinnt, und aus dem, was er von der h. Schrift beibehalten, einen unbe

*) Hier Einiges vom Inhalt derselben: „Von der Stärke des poetischen Naturells, und was S. gedacht, als er zum erstenmal Milton's Paradies gelesen - Von der moralischen Sinnesart und der Tugend, die einem Poeten nöthig sind Von der Nutzbarkeit des poetischen Schönen im gemeinen Leben Moralische und physikalische Ursachen des schnellen Wachsthums der Poesie im 13. J. Von dem Werth des Dante'schen dreifachen Gedichts Empfindungen eines Blindgebornen; freundschaftliche Briefe an Sipha (beides in Herametern) Daß die hoffnungsvolle Liebe einen Gefallen am Geistreichen habe Empfehlung der platonischen Liebe" Gleichzeitig

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gab Bodmer den Wernike heraus, um gleichsam sein eignes Werk durch historische Borgänger zu legalisiren. Die Briese verrathen doch eine sehr ausgedehnte Lectüre in allen Zweigen der schönen Literatur.

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