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Einleitung.

Die Bildung nimmt in Deutschland einen durchaus andern Verlauf als in Frankreich, Spanien oder England. In diesen Ländern zicht ein starkes Königthum, gestüßt auf einen kriegerischen aber allmälig dem Hofdienst unterworfenen Adel, alle lebendigen Kräfte des Volks an sich die Wissenschaft wird von Staatswegen geordnet, die Künste, Poesie, Theater, Malerei arbeiten für den Hof, der Geschmack des Hofes ist entscheidend für den Geschmack der Nation, außerhalb seiner Lebensinteressen giebt es keine andern im Volf, er ist das ideale Publicum zugleich und der Gegenstand aller Kunst. Die Bildung wird in Uniform gesteckt, aber sie gewinnt auch einen reichen Inhalt, und die Schöpfungen jener Periode geben der Nachwelt das Bild eines großen historischen Niederschlags. Als das Bedürfniß der Freiheit erwacht, übernimmt der frondirende Adel die Führung, und er ist es auch, durch den die hervorragenden Köpfe des Bürgerstandes in die nationale Bewegung hineingezogen

werden.

Im Einzelnen weicht freilich die Geschichte der drei Nationen sehr von einander ab. In Spanien hat sich mit dem Zeitalter des Murillo und Calderon die nationale Kraft vorläufig ganz ausgegeben. Es ist kein Bürgerthum vorhanden, das an die Stelle des verkommenen Adels zu treten vermöchte. Dagegen ist der Bürgerstand in England nie ganz unterdrückt gewesen; durch den Protestantismus angeregt, macht er sich selbst unter dem glänzenden Hof Elisabeth's geltend, und als die liederliche Hofpoesie der Restauration eintritt, hat er bereits eine große Geschichte und ein starkes Selbstgefühl. Aber seine Bildung und sein Geschmack ist im Ganzen doch durch Elisabeth und selbst die Stuarts erzogen worden.

In Deutschland dagegen war die Fürstengewalt nach dem großen Kriege zu einer Mischung von Rohheit und Ohnmacht herabgesunken, die sie dem Schmidt, Julian, Geschichte des geistigen Lebens. II.

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nationalen Leben völlig entfremdete. Die Träger dieses Lebens waren die Facultäten und Consistorien gewesen, bis der Bürgerstand in Masse sich erhob, um eine eigene Sitte, einen eigenen Geschmack, ein eigenes Denkgesetz sich zu gewinnen. Männer der verschiedensten Richtung, Spener, Thomasius, Wolff und Gottsched, hatten unbewußt nach dem nämlichen Ziel hingearbeitet. Zuerst hatten sie das gemeine Gefühl und den gemeinen Verstand von dem Joch der Facultäten und Consistorien zu befreien gesucht; aber schnell hatten sie, wie es beim Bürgerthum überhaupt zu geschehen pflegt, die conservative Seite hervorgekehrt, sie hatten ihre Ueberzeugungen nach Regel und System festgestellt, sich der Facultäten bemächtigt und die Nation in Schule genommen. Der gebildete Mittelstand war in der That zu einer Art gleichförmiger Bildung gelangt, die nur den Fehler hatte, unendlich arm und nüchtern zu sein. Die Höfe kümmerten sich um diese Bildung gar nicht, sie blieben ihren ausländischen Vergnügungen und Interessen getren, und die Gefahr, die der aufkeimenden Literatur drohte, daß der neue König von Preußen sich ihrer annehmen und ihren naturgemäßen Gang stören würde, ging schnell vorüber: Friedrich war bereits zu alt, um noch deutsch zu lernen, er bezog seine literarischen Bedürfnisse ausschließlich aus Frankreich.

So war denn die deutsche Bildung mit ihrem Fortschritt auf sich selbst angewiesen. Mühsam und unbeholfen, unter zahlreichen Fehlgriffen, mußte sie sich aneignen, was den andern Nationen als ein Geschenk bescheert wurde; und ein halbes Jahrhundert lang hat sie die Spuren ihres ersten Ursprungs nicht ganz verwischen können. Auch ihren höchsten Leistungen merkt man an, daß sie nicht aus einem großen öffentlichen Leben, sondern aus kleinbürgerlichen und kleinstaatlichen Verhältnissen, aus kleinbürgerlichen und kleinstaatlichen Begriffen entsprangen; daß sie ihr Gesetz und ihre Ideale nicht aus der Beobachtung der Wirklichkeit nahm, sondern sie fremden Mustern entlehnte.

Aber dieser mühsame Umweg gab dem gesammten Volk Gelegenheit, all' seine Triebe und Kräfte in einer Fülle zu entfalten, wie es bei einer centralisirten Literatur niemals möglich gewesen sein würde, und wenn bei andern Ländern das ganze geistige Leben sich in einer Hauptstadt zusammenzieht, so traten bei uns alle Theile des Vaterlandes, einer nach dem andern, in den Vordergrund. In einem gewissen Sinn hat die deutsche Literatur das Höchste geleistet, was je einer Literatur beschieden war: sie hat das Bewußtsein des Vaterlandes und das Gefühl der nationalen Gemeinschaft, von dem sie in der Wirklichkeit wenig vorfand, wenn nicht geschaffen, doch zu seinem reinsten Ausdruck gebracht. Wenn neuerdings die Politik und nicht mit Unrecht sich darüber beklagt, noch immer unter den Nachwehen dieses literarischen Ursprungs

zu leiden, so darf sie nicht vergessen, daß sie ohne diese Veihilfe der Literatur wahrscheinlich noch lange in die ärmlichsten Interessen verstrickt geblieben wäre.

Der Umweg von der bisherigen bürgerlichen Sitte zum größern nationalen Leben war allerdings groß. Denn die Literatur begann damit, das bestehende Band zu zerreißzen und den Einzelnen zu isoliren. Wie die Reformatoren von 1687, so begannen auch die Reformatoren von 1750 mit einem allgemeinen Krieg gegen die Regel: in diesem Punkt waren Lessing und Klopstock ebenso einig als früher Thomasins und die Pietisten. Um Leben und Kraft zu gewinnen, mußte zunächst die Freiheit gerettet werden. Aus dem Innern sollte der neue Lebensgehalt gefunden werden, es war die innere Welt und zwar das Eigenste derselben, die Empfindung, was das neue Zeitalter auf sein Panier schrieb.

Selten steht zwischen zwei Perioden ein so bestimmter Markstein als bei uns das Jahr 1750. In dem Messias tritt die Signatur der neuen Zeit bereits mit dem vollsten Selbstgefühl und unendlicher Siegesgewißheit gegen die alte Sitte und die alten Begriffe in die Schranken, und dieses Lebensmotiv schreitet in aufsteigender Linie vorwärts, bis die Katastrophe von Jena es gewaltsam unterbricht. Wir werden Schritt vor Schritt diese ungestüme Bewegung verfolgen: hier sei nur das vorweggenommen, was sich bei der Betrachtung im Einzelnen leicht der Aufmerksamkeit entzieht.

Den ersten merklichen Umschlag nehmen wir in der Philosophie wahr. Tas vorgezeichnete Zeitalter war äußerst productiv in neuen Systemen gewesen. Cartesius, Spinoza und Leibniz waren die größten, neben ihnen steht eine ganze Reihe vorzüglicher Köpfe, von denen jeder seinen eignen Weltmittelpunkt suchte. Das hört nun auf: man beruhigt sich völlig bei den Wolff'schen Kategorien, und es dauert bis zur Kritik der reinen Vernunft, d. h. bis 1781, daß die Metaphysik völlig brach liegt. Der philosophische Geist ist deshalb nicht abgestorben, aber er sucht sich einen andern Gegenstand.

Die Philosophie der vergangenen Periode ging von zwei entgegengesetzten Endpunkten aus: die conservative Metaphysik wurde von der Theologie geleitet, die revolutionäre von der Naturwissenschaft. Beide hatten troß ihrer heftigen Kämpfe gegen einander das Gemeinsame, daß fie auf die Entdeckung oder Sicherstellung eines festen, unumstößlichen Denkgesetzes ausgingen, das alle Willkür ausschloß und das eigentlich nur für die Kundigen berechnet war. Cartefius. Spinoza und Leibnitz hatten ein der Zahl nach sehr kleines Publicum, aber ein europäisches und so stattliches, daß mancher neuere Philosoph sie darüber beneiden möchte. Damals durfte in solchen Dingen nur mitreden, wer eigen gedacht und geforscht hatte. Wolff hatte die Speculation profanirt, indem er sie auf den Lehrstuhl brachte und die studirende Jugend

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