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Sie, sei die Errichtung großer Gesellschaften selbst überflüssig gewesen, indem jeder Mensch ein guter Philosoph sein und in den savoyischen Gebirgen ruhig leben können; vielleicht gehn Sie sogar so weit, und sagen, daß der Mensch glücklicher gewesen sein würde, wenn ihn so wenig Furcht als Liebe geplagt hätten. Wir wollen annehmen, daß allmälig von Adam's Kindern einige tausend Enkel von einander völlig unabhängig geblieben wären; daß sie als Hirten gelebt, und sich endlich über die Weide entzweit hätten: was meinen Sie, würde bei diesem Kriege entstanden sein? Ein Heerführer, glaube ich, auf beiden Seiten, eine Macht, viele Köpfe zu vereinigen, sie auf den Nothfall zu zwingen, zu züchtigen, zu strafen, zu henken, zu brennen, ganze Rotten von ihnen zu vertilgen. Und wie sollte ein glückliches Genie, welches seinen und seiner Freunde Untergang verhüten wollte, zu der nothwendigen Macht gelangen? Er sollte, wenn er konnte, einen Gott zu Hülfe nehmen, oder mit einer Göttin buhlen; seine Mutter von einem Herkules schwängern und seine Gefeße vom Himmel fallen lassen; er sollte Geheimnisse, Tempel und Priester auordnen, Wunder befehlen und die Aufrührer niederdonnern lassen. Das sollte er thun."

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„Das sollte ein Mensch, ein glückliches Genie, ein Held thun? Ich denke doch, die ersten Stifter großer Gesellschaften haben dies nothwendig thun müssen, um sich die nöthige Vollmacht zu verschaffen, eine Vollmacht. welche sie berechtigen konnte, Vater und Mutter auf den Scheiterhaufen zu seßen, wenn sie sich dem großzen Endzweck der allgemeinen Wohlfahrt widerseßten.“

„Aber die Leute sind auch Narren und dumme Klöße gewesen, welche sich auf diese Art hintergehn ließen? - mein werthester Herr Vicar! fie waren freilich keine Emile. Allein bei aller ihrer Einfalt suchten sie doch, wie er, auf einem kleinen Hügel in einem weißen Hause mit grünen Volets und rothen Ziegeln zu wohnen; sie wollten der Frucht ihrer Arbeit und der Reben ihres Weinstocks ruhig genießen, und gelangten zu diesem großen Endzweck, indem sie sich gewisse Dinge einbilden ließen. Das waren gewiß keine dummen Leute."

So ist es also erlaubt, böse Mittel in guter Absicht zu gebrauchen? Bewahre mich der Himmel, daß ich dieses behaupten sollte; ich mißbillige dies Alles im höchsten Grad. Nur eine Folge habe ich nöthig, und diese müssen Sie mir zugeben, nämlich daß alle Gesetzgeber und Stifter großer Staaten, sie mögen nun zu loben oder zu tadeln sein, die natürliche Religion unzulänglich gehalten haben, eine bürgerliche Gesellschaft einzurichten, zu bin den und zu führen; und daß sie deswegen zu Göttern und andern Maschinen, oder zu einer positiven Religion ihre Zuflucht nehmen müssen.“

„Ich habe es oft versucht, und Mosen mit aller der Stärke ausgerüstet, welche ihm die natürliche Religion darbieten konnte; ich habe ihn gegen einige hunderttausend Ziegelbrenner, welche ihr Gefühl und ihr Gewissen in den Leimgruben gebildet hatten, und ihn stürmisch fragten: wer hat dich doch zum Richter über uns gesetzt? von der Schönheit der Gestirne, von der Pracht des Conners, von der Ordnung im unendlich Kleinen und andern Dingen reden lassen; ich habe ihm die Gründe eingegeben, welche die Verfasser der Donners, Stein- und Fischtheologien dem gebändigten Theil der Menschen mit gutem Erfolg vorgelegt haben: allein niemals habe ich damit auch nur zu der Vermuthung gelangen können, daß er mit diesen menschlichen Kräften ein unbändiges Volk von seinem göttlichen Beruf zur Herrschaft überzeugt haben würde; besonders wenn es die Noth erfordert hätte, etliche Rotten aufhenken zu lassen.“

„Ueberhaupt dünkt mich, Gott habe die Seelen der Menschen nicht alle nach einem Maßstab gemacht, so wenig als er sie alle zu Königen und Weltweisen berufen. Ein großer Theil scheint mir unfähig zu sein, gewisse Wahrheiten und Folgen zu begreifen. Wir werden von der Wahrheit nicht lebhaft genug gerührt, um zur Zeit der Anfechtung auszuhalten; es giebt sklavische Seelen, welchen die Wahrheiten anbefohlen werden müssen; es giebt Könige, welche keine andren Beweise als Wunder zulassen; das Costüm, die Sitten und die Arten zu denken und zu begreifen, sind unterschieden; alle diese Menschen finden sich in der Gesellschaft, und die Religion muß für alle gerecht sein. Wenn wir aber der Erfahrung folgen, so hat die natürliche Religion alle diese Bedürfnisse nicht erfüllen können.“

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Und was thun wir Menschen mit der Beredsamkeit und Poesie? Wir malen unsern Sinnen. Und warum das? Weil uns eine sinnliche Rede mehr als bloße Schlüsse rührt. Nun wollen wir einmal annehmen, eine gewisse positive Religion wäre eine sinnliche Rede von der natürlichen (und warum dürften wir das nicht annehmen, da die sinnliche Rede auch das Wahre zum Grunde haben kann?): sollten denn nicht die Stifter und Gesetzgeber Macht haben, die menschlichen Gemüther auf eben die Art zu ihrem Besten anzugreifen und zu rühren, wie wir solche mit sinnlichen Reden anzugreifen nöthig finden?“

„Sie werden aus der Erfahrung wissen, daß die Predigt der Werke Gottes, welche wir täglich vor Augen haben, gar oft dem Geschrei eines Kanarienvogels gleicht, welches sein Besitzer zuletzt gar nicht mehr hört, wenn einem Fremden im Zimmer die Ohren davon erklingen. Und mit dieser Predigt gedenken Sie die wilden Ziegelbrenner zu einem starken, glücklichen und ruhigen Volk zu bilden? mein werthester Herr Vicar! Ihre natürliche Religion ist gut, aber nicht hinlänglich.“

„Sie mögen immer sagen, die Religion sei solchergestalt nur eine bezaubernde Musik, ein Kappzaum für den Pöbel; ich antworte Ihnen darauf jezt weiter nichts als: wir sind alle Pöbel! Für uns Pöbel, und nicht für Engel ist unsre Religion gemacht."

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Was ist der Mensch? Ein Thier, das an der Kette seiner Einbildung liegen soll. Etliche brauchen einen Kloß von fünf Centnern, um nicht mit der Kette wegzulaufen... O es ist eine mächtige Rede: „hören Sie Mosen und die Propheten nicht, so werden sie auch nicht glauben, ob Jemand von den Todten zu ihnen käme." Es ist ein hartnäckiges Volk, beides der Philos soph und der Mensch. Fünf Centner halten sie nicht."

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Keine Religion darf auf bloßen Vernunftschlüssen beruhen. Denn dieses kann nicht geschehn, ohne eines jeden Menschen Vernunft zum Richter zu machen."

„Es ist ein besonderer Hang des Menschen zum Wunderbaren, zum Außerordentlichen, zu Geistern, Gespenstern, Vorgeschichten, heimlichen Naturwirkungen und andern Dingen, welche oft auch dem Philosophen das Bekenntniß abpressen: ja wir wissen noch nicht Alles. Die großen Männer, welche die Wirkungen dieses Hanges als abergläubische Einbildungen bestritten haben, sind glücklich genug gewesen, solchen unschädlich zu machen. Allein die Skrupel haben sie nicht ausrotten können, und Viele schämen sich nur, dasjenige öffentlich zu gestehn, was sie sich in ihrer Betrachtung heimlich selbst beichten. Sollte aber dieser Hang nicht eine höhere Ursache haben? Stellen Sie sich einmal vor, daß wir ihn nicht hätten, daß wir einen Knorpel im Gehirn hätten, der sich blos durch mathematische Beweise behandeln ließe: sollten wir dann wohl diese glücklichen, zärtlichen, weichlichen und leichtgläubigen Empfin dungen haben, die soviel zu unsrer Wollust beitragen? Entweder wir müßten Alles bis auf den Grund einsehn können – und diese Forderung ist ungereimt ; oder wir sind glücklich, daß wir uns leichter und sanfter beruhigen lassen. Freilich ist dieser Hang sehr bequem, den Aberglauben zu unterstützen. Aber die natürliche Liebe, die Güte, die Großmuth sind ebenso sehr zu mißleiten: Sie wissen es, und haben sie nicht verflucht. — O der Mensch ist ein allerliebstes, wunderliches Ding! er ist der Herr und der Narr aller seiner Mitgeschöpfe."

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„Nunmehr erwarten Sie vielleicht, daß ich die Vertheidigung der Wahrheit unserer christlichen Religion übernehme. Allein hier muß ich Ihnen aufrichtig gestehn, daß ich kein Theolog, sondern ein Rechtsgelehrter bin. Ich habe meine Betrachtungen blos so entworfen, wie ich glaube, daß sie ein unparteiischer Mann, der von unserer Religion nur etwas versteht, entwerfen könnte. Ich habe die Bedürfnisse einiger Arten von mensch

lichen Gesellschaften und ihre Zufälle eingesehn; ich habe die Krankheiten dieser großen Staatsvereinigungen, sie mögen Monarchien, Aristokratien, Demokratien oder Tyrannien heißen, erwogen, und daraus geschlossen, daß ihnen eine offenbarte Religion jederzeit nothwendig und heilsam gewesen. Hiernächst habe ich gefunden, daß die christliche Religion zu allen Absichten, welche eine Gottheit mit den Menschen haben kann, hinreicht. Und daraus ziehe ich den Schluß, daß wir thöricht thun, ein so vollkommenes Band zu schwächen oder wohl gar zu zerreißen.“

Diesen rein juristischen Standpunkt der Religion gegenüber hat Möfer stets bewahrt: vom Standpunkt des weltlichen Nugens vertheidigte er die symbolischen Bücher, den Glauben an die Ewigkeit der Höllenstrafen, an eine alleinseligmachende Religion u. s. w. Seine Blicke sind durchweg fein und scharf, aber man soll nicht vergessen, daß erst durch Thomasius' und seiner Schüler harten Kampf es möglich geworden war, dieses sonst schreckliche und culturfeindliche Princip zu einem Spiel des heitern Wißes zu machen. In die Tiefen des religiösen Bewußtseins einzudringen, scheint Möser die Lust wie die Fähig. keit gefehlt zu haben. Daß Moses, um die Welt von seiner göttlichen Sendung zu überreden, selber an seine Sendung glauben; daß er, um seine Inspiration geltend zu machen, wirklich inspirirt sein mußte: das hätte Hamann viel eher finden können als Möser, wenn er im Stande gewesen wäre, seine verwirrten genialen Einfälle ebenso zu beherrschen und zusammenzudrängen, als Möser seine realen Anschauungen.

Möser's größeres und fruchtreicheres Wirken gehört in ein folgendes Capitel.

In rüstigem Wetteifer mit den Berliner Literaturbriefen arbeitete in Leipzig die Bibliothek der schönen Wissenschaften an der Bildung des deutschen Publicums. Von Burgscheidungen aus, wo er seit Aug. 1760 als Gesellschafter des Gr. Schulenburg lebte, sezte Weiße sie fort. Seine Amazonenlieder" in der Manier des Gleim'schen Grenadiers, aber ohne be stimmten Gegenstand, hatten ihn Ramler empfohlen; sein nächster Freund und Verbündeter war der Componist Ad. Hiller (geb. 28. Dec. 1728 bei Görlitz, in der Dresdner Kreuzschule unter Homilius gebildet, 1751 als stud. jur. in Leipzig inscribirt, 1754 Hofmeister bei dem Gr. Brühl), der mit einem jungen Pflegling 1758 nach Leipzig zurückgekehrt war, 1760 seine Stelle niederlegte und eine musikalische Zeitschrift herausgab, zugleich aber Weiße's Operetten und Gellert's geistliche Lieder componirte. Im Jahr 1761 hielt sich Weiße mit seinem Principal in Gotha auffie wollten eigentlich

nach Italien gehn, wurden aber durch den Krieg zurückgehalten

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und Trauerspielen*) beschäftigt, im engen Verkehr mit Bertuch, Münter und Gotter, und bei dem schönen Geschlecht sehr wohl angesehn, wie der folgende Brief eines jungen Fräuleins aus Gotha erweist:

,,Je ne vous ai pas dit encore, quel vide vous avez laissé dans nos petits cercles. Mlle. A. dit: ce M. Weisse était pourtant un honnête garçon, bon, bienfaisant, d'une politesse! il nous apporta les meilleurs livres! Mlle. B.: il dansa parfaitement bien; à nos bals il était toujours le premier et le dernier et nous apprenait des jolies contredanses. Mlle. C.: il avait de l'esprit et disait les plus jolies choses de monde... Mais mon dieu! je vous rendrai tout orgueilleux, n'en croyez rien de tout ce que je vous dis ici, c'est tout autrement qu'on parle. Mlle. A.: c'était un petit fripon, en présence de ma mère il ne parlait que de la morale, et à l'oreille il me dit quelquefois des polissonneries que je n'oublierai pas. Un petit méchant, dit Mlle. B., qui nous quitta un soir sous prétexte d'écrire des lettres, pour le passer lur le canapé avec Me. M. et Mll. J. Oui, un pétit libertin! comme nous fûmes chez son hôtesse, il nouz fit passer dans sa chambre pour voir le bel ordre qui y regnait, il nous enferma et n'en laissa pas sortir une sans l'avoir baisée. Oui mon ami, c'est ainsi qu'on parle de vous. Malgré tout cela nous voulons absolument que vous retourniez encore cet été, je vous le dis à la sourdine, que toute une ville en fera des réjouissances publiques, et je vous promets sous cette condition une absolution entière de tous vos péchés, volontaires et involontaires. Toutes mes amies se préparent de détacher, en cas que vous ne suiviez pas nos ordres, des petits détachemens des Amazones, qui doivent vous emmener bon gré, mal gré“ u. f. w.

Nach kurzem Aufenthalt in Burgscheidungen erhielt Weiße Jan. 1762 eine Kreis-Einnehmerstelle in Leipzig, und reiste nach Dresden, um von Rabener, seinem Vorgeseßten, in Pflicht genommen zu werden. Dort schloß er eine enge Freundschaft mit Hagedorn und Defer, die eifrig an der Bibliothek arbeiteten, und auch Beiträge von Windelmann vermittelten; außerdem gewann er Huber, Geßner, Heyne, Thümmel, Gerstenberg und andere junge Dichter. Freund Hiller erhielt die Direction des Gewandhauses. Endlich entschloß sich der schüchterne Mann, bei dem

*) Oct. 1762 erschien der 2. Bd. seiner „Beiträge zum deutschen Theater“; darin: Mustapha und Zeangir; Rosamunde und die Haushälterin. Oct. 1764 der 3. Bd.: die Befreiung von Theben (in reimlosen Jamben)

Crispus

der Mißtrauische.

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