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Ruhe, jene Heiterkeit, jenen innern Frieden, der durch keine Leidenschaft beunruhigt wurde. Keine Noth, keine Verfolgung setzte sie in Mißmuth, keine Streitigkeit war vermögend, sie zum Zorn und zur Feindschaft zu reizen. Auch der bloße Beobachter wurde unwillkürlich zur Achtung hingerissen.“

Dieser Richtung gehörte besonders die Mutter an, die 1737 starb; der Vater war Sattlermeister und nicht in besondern Umständen; der Knabe wurde. von dem Oheim, einem Schuster unterstüßt. Kant wurde 22. April 1724 geboren gleichzeitig mit Klopstock. Sein Beichtvater, der Rector des Fridericianums, in welches Kant 1733 eintrat, Dr. Alb. Schulz (geb. 1692, † 1763) gehörte der Wolffischen Bildung an. Auf der Schule erlangte der Knabe eine gründliche philologische Bildung und einen so gewandten lateinischen Ausdruck, daß er später von seinem Mitschüler Ruhnken, dem berühmten Philologen, bitter getadelt wurde, sich der deutschen Sprache zu bedienen, die doch nur für Ungelehrte sei. Auf der Universität, die er Oct. 1740 bezog, studirte er dem Namen nach Theologie, mit besonderem Eifer aber Mathematik und Naturwissenschaften. Seinen Unterhalt erwarb er sich durch Privatstunden, die er für geringes Honorar andern Studenten gab. Nach Ablauf der Universitätszeit bewarb er sich vergebens um eine Unterlehrerstelle im Kneiphof; in derselben Zeit starb sein Vater, 14. März 1746. 23 Jahr war er alt, als er sein erstes Werk herausgab: „Gedanken von der wahren Schätzung lebendiger Kräfte“, 22. April 1747. Lessing war damals noch ein junger, unbedeutender Student, ebenso Klopstock, Möser hatte eben seine Satire über die Bekehrung geschrieben.

Erst im 57. Jahr hat Kant das Werk geschrieben, welches seinen Namen unsterblich machte. Liest man aber dies Erstlingsbuch des 23jährigen Jünglings, so wird man über diese frühe Reife betroffen. Es handelt sich, die Dynamik, welche Leibnitz, Cartesius und ihre Schüler in langjähriger Arbeit festzustellen unternommen, einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Ein enormes Wissen, eine tiefe Kenntniß der Mathematik und Physik, eine allseitige Durchdringung des Gegenstandes tritt zunächst hervor; dann ein Scharffinn, der sich zu den größten Schritten erkühnt und doch jeden Augenblick vorsichtig den Boden prüft; ein Ausdruck, der ebenso wissenschaftlich sicher als lebendig ist, ja eine anmuthige Bildlichkeit nicht ganz verschmäht. Auch wer für den Gegenstand fein Interesse hat, wird durch diese klare Exposition, diesen entschlossenen, bewußten Fortschritt gefesselt. Ein kühnes und starkes Selbstvertrauen beseelt den Jüngling, und er ist darin nicht naiv, er giebt sich Rechenschaft und weiß es zu begründen.

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„Ich glaube, ich habe Ursache, von dem Urtheil der Welt eine so gute Meinung zu fassen, daß die Freiheit, die ich mir nehme, großen Männern zu

widersprechen, mir für kein Verbrechen werde ausgelegt werden. Es war eine Zeit, da man bei einem solchen Unterfangen viel zu befürchten hatte; allein ich bilde mir ein, diese Zeit sei nunmehr vorbei, und der menschliche Verstand habe sich der Fesseln glücklich entschlagen, die ihm Unwissenheit und Bewunderung ehemals angelegt hatten. Nunmehr kann man es kühn wagen, das Ansehn der Newton und Leibniz für nichts zu achten, wenn es sich der Entdeckung der Wahrheit entgegenseßen wollte, und keinen andern Ueberredungen als dem Zuge des Verstandes zu gehorchen."

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Wenn es vor dem Richterstuhl der Wissenschaften auf die Anzahl an= käme, so würde ich eine sehr verzweifelte Sache haben. Allein diese Gefahr macht mich nicht unruhig. Das Vorurtheil ist recht für die Menschen gemacht, es thut der Bequemlichkeit und der Eigenliebe Vorschub, und so lange die Eitelkeit der menschlichen Gemüther noch mächtig sein wird, so lange wird sich das Vorurtheil auch erhalten, d. h., es wird niemals aufhören.“

„Es steckt viel Vermessenheit in den Worten: die Wahrheit, um die sich die größten Meister der menschlichen Erkenntniß vergeblich beworben haben, hat sich meinem Verstande zuerst dargestellt. Ich wage es nicht, diesen Gedanken zu rechtfertigen, allein ich wollte ihm auch nicht gern absagen. Ich stehe in der Einbildung, es sei zuweilen nicht unnütz, ein gewisses edles Vertrauen in seine Kräfte zu seßen. Eine Zuversicht der Art belebt alle unsere Bemühungen und ertheilt ihnen einen gewissen Schwung, der der Untersuchung der Wahrheit sehr förderlich ist. Wenn man in der Verfassung steht, sich überreden zu können, daß man seiner Betrachtung noch etwas zutrauen dürfe, so wendet man Alles an, seine Vermuthung wahr zu machen. Nachdem man sich nun tausendmal bei einem Unterfangen geirrt hat, so wird der Gewinn, der hierdurch der Erkenntniß zugewachsen ist, dennoch viel erheblicher sein, als wenn man immer die Heerstraße gehalten hätte. — Hierauf gründe ich mich. Ich habe mir die Bahn schon vorgezeichnet, die ich halten will. Ich werde meinen Lauf antreten, und nichts soll mich hindern, ihn fortzusehen.“ „Man wird mich zuweilen in dem Ton eines Menschen hören, der von der Richtigkeit seiner Säße sehr wohl versichert ist, und der nicht befürchtet, daß ihm werde widersprochen werden. Ich bin so eitel nicht, mir dieses in der That einzubilden, ich habe auch nicht Ursache, meinen Säßen den Schein eines Irrthums so sorgfältig zu benehmen; denn nach sovielen Fehltritten, denen der menschliche Verstand zu allen Zeiten unterworfen gewesen, ist es feine Schande zu irren. Es steckt eine ganz andere Absicht unter meinem Verfahren. Der Leser ist ohne Zweifel schon durch die Lehrfäße, die jezt im Schwange gehn, vorbereitet; in dieser Verfassung liest er diese Blätter.

Er sieht meine Gedanken nur als Zweifel an, und wenn ich sehr glücklich bin, noch etwa als scheinbare Zweifel, deren Auflösung er der Zeit überläßt, und die der Wahrheit dennoch nicht hinderlich fallen können. Hingegen muß ich meine ganze Kunst anwenden, um die Aufmerksamkeit des Lesers etwas länger bei mir aufzuhalten; ich muß mich ihm in dem ganzen Licht der Ueberzeugung darstellen, das meine Beweise mir gewähren, um ihn auf die Gründe aufmerksam zu machen, die mir diese Zuversicht einflößen. Der Schriftsteller zieht den Leser unvermerkt mit in diejenige Verfassung, in der er sich bei Verfertigung seiner Schrift selber befand ich wollte ihm also, wenn es möglich wäre, lieber den Zustand der Ueberzeugung als des Zweifels mittheilen. Dies sind die kleinen Kunstgriffe, die ich nicht verachten muß, um das Gleichgewicht der Wage einigermaßen herzustellen, in der das Ansehn großer Männer einen so gewaltigen Ausschlag giebt."

„Es scheint, daß ich den Männern, die ich mich unterfangen habe zu widerlegen, mit mehr Ehrerbietigkeit hätte begegnen können; ich hätte mein Urtheil über ihre Sätze in einem gelindern Ton aussprechen, ich hätte sie nicht Irrthümer, Falschheiten oder auch Verblendungen nennen sollen... Ich will die Wahrheit nur ohne Umschweise gestehn: ich werde nicht ungeneigt sein, diejenigen Säße für wirkliche Irrthümer und Falschheiten zu halten, welche mir in meiner Betrachtung unter dieser Gestalt erscheinen; und warum sollte ich mir den Zwang anthun, diesen Gedanken in meiner Schrift so ängstlich zu verbergen, um dasjenige zu scheinen, was ich nicht denke, was aber die Welt gern hätte, daß ich es dächte? Und überhaupt zu reden, würde ich mit der Ceremonie auch schlecht zurecht kommen, allen meinen Urtheilen, die ich über große Männer ausspreche, einen gewissen Schwung der Artigkeit zu ertheilen, die Ausdrücke geschickt zu mildern und überall das Merkmal der Ehrerbietung sehn zu lassen: diese Bemühung würde mich wegen der Wahl der Wörter öfters in eine verdrießliche Enge bringen, und mich der Nothwendigkeit unterwerfen, über den Fußsteig der philosophischen Betrachtung auszuschweifen. Ich will mich also dieser Gelegenheit bedienen, eine öffentliche Erklärung der Ehrerbietigkeit und Hochachtung zu thun, die ich gegen die großen Meister unserer Erkenntniß, welche ich jezt die Ehre haben werde meine Gegner zu heißen, jederzeit hegen werde, und der die Freiheit meiner schlechten Urtheile nicht den geringsten Abbruch thun kann.“

Nicht alle großen Männer haben das Schicksal, dem Mythus zu verfallen; Kant gehört dazu. Die Ueberlieferung weiß nur von einem alten Fritz, von einem alten Kant zu erzählen: es ist gut, historisch zu bemerken, daß es auch einmal einen jungen Kant gab. Und die Physiognomie dieses jungen Mannes ist sehr bedeutend. Vergleichen wir die obige Schrift mit

dem, was Lessing in gleichem Alter

also 1752

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schrieb, so ist bei Kant nicht blos eine unendlich größere Reife, ein unendlich tieferes Wissen, sondern auch ein jugendliches Feuer, eine Kraft und ein Stolz, daß man wohl die Frage aufwerfen möchte: was wäre aus der Kritik der reinen Vernunft geworden, wenn er sie in der Zeit der vollsten Lebenskraft geschrieben hätte? Anstatt daß er sie nun schrieb, nachdem er dreißig Jahre unmündige Knaben täglich sechs Stunden im ABC der Speculation, langsam und gründlich unterwiesen hatte? Die Frage weiter zu verfolgen, wäre freilich müssig: aber achten müssen wir darauf, daß in diesem kleinen, schwächlichen Mann, der zur regelmäßigen Stunde seinen Spaziergang machte, um seine Gesundheit in Ordnung zu halten, der bei Tische lieber lustige Anekdoten erzählte als über die Unsterblichkeit der Seele disputirte: daß in diesem methodischen Philosophen vielleicht mehr heimliches Feuer schlummerte, als in den spätern Titanen, die gegen Gott declamirten, weil ihnen ihr erstes Sonett mißrathen war.

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Schon damals fühlte er sich berufen, eine neue Lehre zu gründen. „Unsere Metaphysik ist in der That nur an der Schwelle einer gründlichen. Erkenntniß; Gott weiß, wann man sie selbige wird überschreiten sehn." Er durchschaute die einzelnen Schwächen seiner Vorgänger vollkommen, und seine Schilderung, z. B. Wolff's, ist mitunter von einem köstlichen Humor. Aber wichtiger ist, daß er den großen Blick besaß, sofort den Mittelpunkt des Falschen zu treffen. 3ch unterstehe mich zu sagen, daß die Tyrannei der Jrrthümer vornämlich von dem Mangel der Methode herrührt." „Wenn man vermittelst gewisser Schlüffe, die irgendwo einen Fehler versteckt halten, der sehr scheinbar ist, eine gewisse Meinung erwiesen zu haben glaubt, und man hat hernach kein ander Mittel, die Ungültigkeit des Beweises gewahr zu werden, als die Entdeckung des bestimmten Fehlers, so wird der Irrthum lange unentdeckt bleiben. Der Verstand wird entweder niemals einem Beweise Beifall geben, oder er muß es thun, wo er nichts erblickt, was einem Fehler ähnlich sieht, d. h. wo er keinen vermuthet. In einem solchen Fall wird er niemals eine besondere Bestrebung zu Aufsuchung eines Fehlers anwenden, weil er keinen Beweggrund dazu hat; folglich wird derselbe sich nicht anders als vermittelst eines glücklichen Zufalls vorfinden, und dieser glückliche Zufall kann ganze Jahrhunderte ausbleiben. Hieraus läßt sich abnehmen, worin das Geheimniß werde zu suchen sein, das dieser Schwierigkeit vorbeugt, und die Entdeckung der begangenen Irrthümer erleichtert: wir, müssen die Kunst besigen, aus den Vorderfäßen zu errathen und zu muthmaßen, ob ein auf gewisse Weise eingerichteter Beweis in Ansehung der Folgerung auch werde hinlängliche und vollständige Grundsäge in sich halten. Auf diese Art werden wir abnehmen, ob in ihm ein

Fehler befindlich sein müsse, wenn wir ihn gleich nirgend erblicken: wir werden alsdann bewogen werden, ihn zu suchen, denn wir haben eine hinlängliche Ursache, ihn zu vermuthen." Diese Marime ist es in der That, was das breite speculative Denken vom spitzen sophistischen unterscheidet.

Der Mythus erzählt, Kant habe vom menschlichen Geist verlangt, er solle schwimmen lernen, ohne in's Wasser zu gehen; die Denkgeseze zu prüfen, ohne zu denken; seine Philosophie sei subjectiv: sie beschäftige sich mit dem Gewissen und der Moralität, für die Natur zeige sie wenig Interesse; ja sie behaupte, das Ding an sich", das Gesetz der Natur, lasse sich nie entdecken. Wun

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derbarer Weise beginnt Kant's wissenschaftliches Leben mit der Erforschung eben dieses Naturgesetzes; etwa zwanzig Jahre hindurch treibt er fast nichts Anderes, und bis an sein Lebensende beschäftigt er sich mit besonderer Vorliebe mit der Naturwissenschaft. Die glänzendsten Deductionen der Kritik der reinen Vernunft, Zeit, Raum, Bewegung, Ort, Wechselwirkung, Substanz : Positiv und Negativ, Möglichkeit und Wirklichkeit, sind in dieser Erstlingsschrift schon vorbereitet. Die Wahrheit ist vielmehr: daß Kant keinen Augenblick seines Lebens dem wahnsinnigen Zweifel an der Objectivität der Welt und der Objectivität der wissenschaftlichen Erkenntniß Raum gegeben hat; daß ihm als subjectiv nur erschien, wofür man damals objective Gesetze suchte: der Geschmack und die damit zusammenhängende Empfindungswelt. Mit größerem Recht hat man angemerkt, daß diese Jugendarbeit von gar keinem psychischen Interesse eingegeben, sondern rein sachlich sei: er hat kein Bedürfniß, den Kampf seiner Gefühle an den Tag zu legen, und Gott darüber zu interpelliren, sondern er will das Gesetz der Mechanik untersuchen: faltblütig, geschäftsmäßig, solid, wie es einem Philosophen ziemt. Aber ein gewisses psychisches Interesse liegt doch darin. Indem er die Wechselwirkung und den Verbrauch der Weltkräfte untersucht, will er dahinter kommen, ob sie sich nicht am Ende abnußen, so daß der Untergang der Welt nur eine Frage der Zeit ist. Wie steht es dann mit der besten Welt?" Es ist wichtig, das zu wissen: aber Kant's Gemüthsruhe wird durch den Gedanken ebensowenig erschüttert als die des römischen Dichters: „Wenn es gleich nach dem Gesetz der Bewegung, welches wir behauptet haben, nothwendig wäre, daß der Weltbau, nach einer allmäligen Erschöpfung seiner Kräfte, endlich völlig in Unordnung geriethe, so kann dieser Streich die Macht und Weisheit Gottes dennoch nicht treffen. Denn man kann es dieser nimmer verdenken, daß sie nicht ein Gesez in die Welt gebracht hat, wovon wir wissen, daß es absolut unmöglich sei, und daher auf keine Weise statthaben könne.“ Die Frage bildet den Hauptgegenstand noch mehrerer folgenden Schriften Kant's.

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Die Physiker mögen untersuchen, wie es mit dem wissenschaftlichen Werth

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