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„Vergleicht man hiermit das Verfahren der Philosophen, so wie es in allen Schulen im Schwange ist, wie verkehrt wird man es nicht finden! Die allerabgezogensten Begriffe, darauf der Verstand natürlicher Weise zuleßt hinausgeht, machen bei ihnen den Anfang. In der Geometrie fängt man von dem Leichtern an und steigt langsam zu schwereren Ausübungen: in der Metaphysik wird der Aufang vom Schwersten gemacht: von der Möglichkeit und dem Dasein, von der Nothwendigkeit und Zufälligkeit u. s. w., lauter Begriffe, zu denen eine große Abstraction und Aufmerksamkeit gehört, vornämlich, da ihre Zeichen in der Anwendung viele unmerkliche Abartungen erleiden. Sobald die Philosophen den natürlichen Weg der gesunden Vernunft einschlagen werden, so werden sie vielleicht nicht so viel Einsichten feil zu bieten haben, aber diejenigen, die sie darlegen, werden von einem sichern Werthe fein."

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Wenn aber Kant die mathematische Methode von der Philosophie ausgeschlossen sehn wollte; so empfahl er dagegen den Philosophen das Studium der Mathematik, um sich in die darin behandelten Begriffe eine reichere Einsicht zu verschaffen. In den Begriffen des Raumes, des unendlich Kleinen u. s. w. hat die Mathematik wirkliche und sehr erhebliche Entdeckungen gemacht, welche die Philosophie zu sehr vernachlässigte. Eine dieser Entdeckungen behandelte Kant 1763 in dem Versuch, den Begriff der negativen Größe in die Weltweisheit einzuführen“, den man mit Recht unter seine tiefsinnigsten Schriften zählt. Daß Positiv und Negativ in der Mathematik nur Beziehungsbegriffe sind, daß die Anwendung dieses Gesetzes auf die Philosophie der Natur und auch des Geistes von der höchsten Fruchtbarkeit sein müsse, das ist in kühnen geistvollen Zügen den spätern Philosophen hier vorweggenommen. „Die negative und positive Wirksamkeit der Materien, vornämlich bei der Elektricität, verbergen allem Ansehn nach wichtige Einsichten, und eine glücklichere Nachkommenschaft, in deren schöne Tage wir hinaussehn, wird hoffentlich allgemeine Gesetze erkennen, wo uns jetzt noch ein zweideutiger Zusammenhang erscheint." Kant giebt seine Schrift nur für einen unvollkommenen Versuch aus, der zunächst den Zweck habe, Aufmerksamkeit zu erregen; Aufmerksamkeit auf die uns immer gegenwärtige und doch so verborgene Thätigkeit unsers Geistes. „Welche bewundernswürdige Geschäftigkeit ist nicht in den Tiefen unsers Geistes verborgen, die wir mitten in der Ausübung nicht bemerken, weil der Handlungen sehr viel sind, jede einzelne aber nur sehr dunkel vorgestellt wird... Je mehr man seine gemeinsten und zuversichtlichsten Urtheile durchforscht, desto mehr Blendwerke entdeckt man, da wir mit Worten zufrieden sind, ohne etwas von den Sachen zu verstehn." "Da der gründlichen Philosophen, wie sie sich selbst nennen, täglich mehr werden, die so tief in

alle Sachen einschauen, daß ihnen nichts verborgen bleibt, was sie nicht erklären und begreifen können, so sehe ich schon, daß mein Begriff der negativen Größe ihnen sehr seicht vorkommen wird. Ich, der ich aus der Schwäche meiner Einsicht kein Geheimniß mache, nach welcher ich gemeiniglich dasjenige am wenigsten begreife, was alle Menschen leicht zu verstehen glauben, schmeichle mir durch mein Unvermögen ein Recht zu dem Beistand dieser großen Geister zu haben.“ „Simonides ist noch immer ein Weiser, der nach vielfältiger Zögerung seinem Fürsten die Antwort gab: je mehr ich über Gott nachsinne, desto weniger vermag ich ihn einzusehn. So lautet nicht die Sprache des gelehrten Pöbels. Er weiß nichts, er versteht nichts; aber er redet von Allem, und was er redet, darauf pocht er." „Ich wünsche mir einen ordentlichen Mathematiker zum Richter, denn was die metaphysischen Intelligenzen von vollendeter Einsicht anlangt, so müßte man sehr unerfahren sein, wenn man sich einbildete, daß zu ihrer Weisheit noch etwas könnte hinzugethan, oder von ihrem Wahn etwas könnte hinweggenommen werden." Hätte der alte Kant um 1840 wohl anders gesprochen?

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Die nächste Schrift: „Der einzig mögliche Beweisgrund vom Dasein Gottes", 1763, hatte zunächst einen äußerlichen Zweck. Lambert (geb. 1728 zu Mühlhausen, Sohn eines Schneiders, seit 1756 als Reisehofmeister in Göttingen, Leyden u. s. w.) hatte 1761 „Kosmologische Briefe" herausgegeben, die viel Aufsehn machten, obgleich sie nach Kant's Ansicht nichts weiter enthielten, als was er selbst in seiner „Naturgeschichte des Himmels" vorgetragen. Auf diese fast vergessene Schrift die Aufmerksamkeit hinzulenken, war einer der Hauptzwecke des neuen Versuchs, der wiederum eine vollständige Erklärung von der Entstehung des Universums nach mechanischen Gesetzen enthält, und fast nur nebenbei die herkömmlichen Beweise vom Dasein Gottes prüft, was sie eigentlich sagen wollen, und inwiefern sie dem Menschen nüßen. „Die Methode, aus der Größe des Weltalls auf die Größe des Schöpfers zu schließen, ist vortrefflich, 1) weil die Ueberzeugung überaus finnlich und daher sehr lebhaft und einnehmend, und dennoch auch dem gemeinsten Verstande leicht und faßlich ist; 2) weil sie natürlicher ist als irgend eine andere, indem ohne Zweifel ein Jeder von ihr zuerst anfängt; 3) weil sie einen sehr anschauenden Begriff von der Weisheit, Güte und Macht Gottes verschafft und mit ihm die Seele füllt." Wissenschaftlich ist sie freilich nicht, auch verführt sie leicht, in den Details der Welt Zwecke zu suchen, wo keine sind; aber verlangt man Faßlichkeit für den gemeinen Begriff, Lebhaftigkeit des Eindrucks und Einfluß auf die moralischen Triebfedern der menschlichen Natur, so ist dem kosmologischen Beweise vor allen andern der Vorzug zuzugestehn.

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Und es ist ohne Zweifel von mehr Erheblichkeit, den Menschen mit hohen Empfindungen, die fruchtbar an edler Thätigkeit sind, zu beleben, indem man zugleich den gefunden Verstand überzeugt, als ihn mit sorgfältig abgewogenen Vernunftschlüssen zu überführen.“ Freilich, wer die Sache tiefer erforschen will, muß sich auf den bodenlosen Abgrund der Metaphysik wagen. Ein finstrer Ocean ohne Ufer und ohne Leuchtthürme, wo man es wie der Seefahrer auf dem unbeschifften Meer anfangen muß, welcher, sobald er irgendwo Land betritt, seine Fahrt prüft und untersucht, ob nicht unbemerkte Seeströme seinen Lauf verwirrt haben, aller Behutsamkeit ungeachtet." Wenn man beweisen will, Gott ist, hat man zuerst den Begriff des Daseins zu untersuchen, und man wird finden, daß er dem Subject gar kein neues Prädicat zuführt. „Jede menschliche Sprache hat von den Zufälligkeiten ihres Ursprungs einige nicht zu ändernde Unrichtigkeiten; es würde grüblerisch und unnüß sein, wo in dem gewöhnlichen Gebrauch gar keine Mißzdeutungen daraus erfolgen können, an ihr zu künsteln und einzuschränken. Aber ob ich schon an der überfeinen Weisheit derjenigen, welche sichere und brauchbare Begriffe in ihrer logischen Schmelzküche so lange übertreiben, abziehn und verfeinern, bis sie in Dämpfen und flüchtigen Salzen verrauchen, so wenig Geschmack als jemand anders finde, so ist der Gegenstand der Betrachtung, den ich vor mir habe, doch von der Art, daß man entweder gänzlich es aufgeben muß, eine demonstrative Gewißheit davon jemals zu erlangen, oder es muß sich gefallen lassen, seine Begriffe bis in diese Atome aufzulösen.“ – „Ich habe nicht die Meinung von dem Nugen einer solchen metaphysischen Untersuchung, als wenn die wichtigste unserer Erkenntnisse: es ist ein Gott, ohne dieselbe wanke und in Gefahr sei. Die Vorsehung hat nicht gewollt, daß unsere zur Glückseligkeit nothwendigen Einsichten auf der Spitzfindigkeit feiner Schlüsse beruhen sollen, sondern sie dem natürlichen Verstand unmittelbar überliefert, der, wenn man ihn nicht durch falsche Kunst verwirrt, nicht ermangelt, uns gerade zum Wahren und Nützlichen zu führen." „Unsere gesammte Erkenntniß endigt doch zuletzt in unauflöslichen Begriffen."

Der Beweis, den Kant in einer wesentlich verbesserten Form stehn läßt, ist der ontologische: wenn er. euch nicht genügt, so schlagt euch von diesem ungebahnten Fußsteig auf die große Heerstraße der menschlichen Vernunft. Es ist durchaus nöthig, daß man sich vom Dasein Gottes überzeuge; es ist aber nicht ebenso nöthig, daß man es demonstrire.“

Moses' Preisschrift hatte Leffing gelesen und gebilligt, obgleich er seinen. Freund im Studium und Verständniß des Leibniz mittlerweile weit überholt hatte. Von Kant's Arbeit scheint er feine Notiz genommen zu haben: ein eigenes Geschick hielt diese beiden größten Denker ihrer Zeit auseinander, die doch

recht zusammengehörten.

Im Uebrigen hatte Lessing während seines Breslauer Aufenthalts den Berliner Freunden viel Herzeleid bereitet: theils hatte er nichts von sich hören lassen, theils war er in den Ruf eines argen Spielers gekommen, und sein Umgang mit wunderlichen Originalen schien auch nicht sehr erbaulich. Dazu gehörten der Kriegsrath Scheffner, der Schauspieler Brandes (geb. 15. Nov. 1735 zu Stettin), den Leffing zu dramatischen Arbeiten anhielt, und der später die Geschichte seines höchst abenteuerlichen Lebens selbst beschrieben hat, endlich ein junger Kaufmann, Ephraim Kuh (geb. 1731 in Breslau), der April 1763, mit Empfehlungen von Lessing an Moses versehen, nach Berlin ging, dort von einem lebhaften Bildungstrieb ergriffen wurde, poetische Versuche machte, und endlich im Wahnsinn endete. Aug. 1763 zeigte sich Lessing selbst, in Begleitung seines Generals, auf einem kurzen Besuch in Berlin: seine äußern Verhältnisse hatten sich so gebessert, daß er feine Eltern bedeutend unterstüßen konnte.

Mit Kant blieben die Berliner fortan in stetiger Verbindung; an Nicolai empfahl ihn Hamann; Moses knüpfte einen gelehrten Briefwechsel mit ihm an, ebenso Lambert, der 1764 als Mitglied der Akademie nach Berlin berufen wurde, wo er ein „Neues Organon, oder Gedanken über Erforschung und Bezeichnung des Wahren in seinem Unterschied vom Schein" schrieb. Beide waren einverstanden über die Nothwendigkeit einer radicalen Umgestaltung in der Metaphysik. Ehe wahre Weltweisheit aufleben soll," schreibt ihm Kant, ist es nöthig, daß die alte sich selbst zerstöre, und, wie die Fäulniß die vollkommenste Auflösung ist, die jederzeit vorausgeht, wenn eine neue Erzeugung anfangen soll, so macht mir die Krisis der Gelehrsamkeit zu einer solchen Zeit, da es an guten Köpfen gleichwohl nicht fehlt, die beste Hoffnung, daß die so längst gewünschte große Revolution der Wissenschaften nicht mehr weit entfernt sei.“

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Das Symptom der Auflösung fand er in den läppischen Spielwerken", in dem ewigen Getändel der Wiglinge, die weiter keinen Geschmack haben als den, vom Geschmack zu reden. Gegen diese Verweichlichung des Geschmacks zu eifern, wurde Kant nicht müde. Den belletristischen Leistungen der Zeit zu folgen, gab er bald auf; nur den Engländern und Franzosen schenkte er noch einige Aufmerksamkeit, im Uebrigen befriedigte er sein poetisches Bedürfniß in Citaten aus den Alten. Für die Freiheit in der Harmonie, welche das Wesen der schönen Kunst ist, hatte er wenig Sinn. In der Schrift vom Dasein Gottes kommt, bei Besprechung des teleologischen Beweises, eine in dieser Beziehung sehr lehrreiche Stelle vor. Kant beschreibt einen mathematischen Beweis, in welchem sich harmonische Verhältnisse des Cirkels herausstellen, und fährt dann fort: Ich erinnere mich, daß ein verständiger

Lehrling, als ihm dieser Saß mit seinem Beweise von mir vorgetragen wurde, nachdem er Alles wohl verstand, dadurch nicht weniger wie durch ein Naturwunder gerührt wurde. Und in der That wird man durch eine so sonderbare Vereinigung vom Mannigfaltigen in einer so schlecht und einfältig scheinenden Sache, als ein Cirkel ist, überrascht und mit Recht in Bewunderung gesetzt. Es ist auch kein Wunder der Natur, welches durch die Schönheit oder Ordnung, die darin herrscht, mehr Ursache zum Erstaunen gäbe, es müßte denn sein, daß es deswegen geschähe, weil die Ursache derselben ja nicht so deutlich einzusehn ist, und die Bewunderung eine Tochter der Unwissenheit ist... Es läßt sich abnehmen, welche Unermeßlichkeit solcher harmonischen Beziehungen sonst in den Eigenschaften des Raums liege, deren viele die höhere Geometrie in den Verwandtschaften der verschiedenen Geschlechter der frummen Linien darlegt, und alle, außer der Uebung des Verstandes, durch die denkliche Einsicht derselben, das Gefühl auf eine ähnliche oder erhabnere Art wie die zufälligen Schönheiten der Natur rühren.“

Wer so empfindet, scheint gewiß mehr zum Metaphysiker als zum Aesthetiker angelegt. Indeß darf man nicht vergessen, daß sich Lessing ganz ähnlich äußerte; daß er für Naturschönheiten nicht den mindesten Sinn hatte, dagegen über den unsymmetrischen Bau eines Zimmers in den äußersten Verdruß gerathen konnte.

Aesthetische Betrachtungen lagen so sehr in der Zeit, daß auch Kant sich ihnen nicht entziehn fonnte. Er schrieb April 1764 über das Gefühl des Schönen und Erhabenen", nicht in systematischer Durchführung, sondern mehr als eine Sammlung vereinzelter Beobachtungen, die ein gemeinsames Princip suchten. Einzelne Einfälle treffen recht sehr den Kern der Sache*);

*) Unmittelbar darauf schrieb Hamann in die K. Z. eine Recension, die sehr zu beachten ist. „Bei der gleich anfangs gar zu freigebig vorausgesetzten Unabhängigkeit unserer Empfindungen von der Beschaffenheit der Gegenstände besorgen wir, daß ohne Noth und Vortheil dem Eigenfinn des Geschmacks ein Uebergewicht eingeräumt wird... Statt gar zu scharfsinniger Worterklärungen an einigen Stellen wünschte man das eigentliche Ziel der Beobachtungen sorgfältiger bestimmt zu sehn, wenn alle Feinheit nicht auf ein flüchtiges und müssiges Vergnügen hinauslaufen soll... Da ferner zu Beobachtungen die Gleichgültigkeit eines Zergliederers und starken Geistes unumgänglich ist, so hat der Ekel vor dem niedrigen Pöbel der Empfindungen und die Ehrfurcht vor dem hohen Adel des Gefühls dem Leser einen reichen Vorrath von Empfindungen entzogen, die wo nicht anmuthig, doch lehrreich gewesen wären... Wir wollen den Mangel unserer Erinnerungen aus einem englischen Schriftsteller ergänzen, der das Gefühl des Erhabenen aus den Trieben der Selbsterhaltung und durch eine Anstrengung der Fibern erklärt, die mit jedem Schmerz verbunden ist. Daher sind dem Gefühl des Erhabenen unabsehbar große, unregelmäßige, rauhe, nachlässige, massive, dunkle, gerade fortschießende oder stark abstechende Gegenstände angemessen.“ U. s. w.

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