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Der finnliche Theil des Romans verdient alles Lob; aber Wieland wußte sich viel mehr auf das lehrhafte Element desselben, nur war er selber nicht recht im Klaren, wohin alle diese Disputationen führen sollten. „Es wird Kopfarbeit brauchen," schreibt er an Zimmermann, „den Agathon, nachdem er durch alle Media wird durchgegangen sein, wieder an eben den Punkt zu bringen, von dem er ausgegangen ist. Der Himmel weiß, was aus dem guten Enthusiasten noch werden kann, und ich stehe Ihnen nicht dafür, daß er nicht in seinem 40. Jahr in die Arme der schönen Danae zurückkehren wird, aus denen er sich im 25. losgeriffen.“ 30 Jahr später so lange noch beschäftigte ihn das Problem, in diesem Gemälde Eudämonismus und Tugend zu versöhnen: „Wir werden uns nun kaum verwundern können, wie es zuging, daß unser Held sich endlich unvermerkt auf einem Punkt fand, wo ihn, da er die Grundsäße, die Verheißungen und die Freundschaft des Sophisten Hippias mit einem so feurigen Unwillen von sich wies, vermuthlich nur die schlauesten Kenner des menschlichen Herzens mögen erwartet haben, nämlich da, wo ihm ein großer Theil seiner vormaligen 3deen, an denen er erst nur zu zweifeln angefangen hatte, nun ganz chimärisch und belachenswerth, diejenigen hingegen, deren Gegenstände ihm zwar ehrwürdig bleiben mußten, dennoch subjectiv betrachtet, in der barocken Gestalt, wie sie in der Einbildung der Sterblichen verkleinert, verzerrt, vermischt oder verkleidet werden, zu nichts Anderem zu taugen schienen, als sich lustig damit zu machen.“ So sehr sich Wieland abquält, er findet nur einen Halt: „die namenlose Empfindung ist es allein, die den Liebhaber vom Satyr scheidet, und eine Art sittlicher Grazie sogar über dasjenige ausbreitet, was bei diesem nur das Werk eines animalischen Hungers ist*)."

Ueber die gleichzeitigen deutschen Romane, die sich fast durchweg an Richardson oder Fielding anschließen**), ragt der Agathon erstaunlich hervor.

*) „Wieland,“ schreibt Lichtenberg, scheint alle seine feinen Beobachtungen des Menschen zu erschöpfen, uns Agathon sonderbar und groß vorzustellen. Aber ich kann es unmöglich glauben, daß ein so schwärmerischer delphischer Jesuitenschüler Athen nur eine Stunde beherrschen kann; es wird mir bange, wenn ich höre, daß er sich dazu entschließt. Ich bin durch das ganze Stück dem Agathon nicht recht gut ge. wesen; ich möchte fast sagen, ich mißzgönnte es dem Jesuitenschüler, daß ein so großer Mann wie Wieland sich für ihn interessirt, und jede seiner Alltagsempfindungen durch so feine Theorien zu adeln sucht.”

**) Zu den beliebtesten gehört die „Geschichte der Miß Fanny Wilkes“ 1766, von Timoth. Hermes (geb. 1738 bei Stargard, Predigerssohn, stud. in Königsberg bis 1759, dann Hauslehrer, auch in Berlin; Feldprediger; schließlich 1772 in Breslau). Mehr in Wieland's Manier ist das „prosaisch-komische Heldengedicht“ von M. v. Thümmel (geb. 1738, seit 1761 Kammerjunker in Coburg): „Wilhelmine oder der

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Gleichwohl erwarb er sich beim Publicum und der Kritik nur langsame Anerkennung. „Wie lange,“ fragt ein gleichzeitiger Recensent, „werden doch die deutschen Schriftsteller nach fremden Ländern betteln gehn? So hat schon oft mancher Patriot gefragt, und vielleicht ebenso oft: warum schaffen sich die Deutschen keine Nationalromane?... Es wäre recht und billig, und sogar von ungleich größerem Nußen, wenn wir nach dem Beispiel aller andern Nationen fein zu Hause blieben und unser eignes Vaterland erst studirten, ehe wir unter andern Völkerschaften herumliefen und nicht den Gelehrten gleichen, die die alten Aegypter oder Hottentotten genauer kennen als ihre eignen Landsleute.“

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Agathon, die komischen Erzählungen, Shakespeare u. f. w. genügten noch nicht, Wieland's Productionstrieb zu befriedigen. „Ich habe,“ schreibt er 29. Aug. 1766 an Zimmermann, eine Menge Sujets, welche, wenn ich lebe, mich nach und nach beschäftigen und vielleicht das Publicum ermüden werden zu lesen, ehe ich müde werde zu reimen; so unbeschreiblich groß ist der Reiz, der mit diesem seltsamen und tändelhaften Herenwerk verbunden ist.

Sie werden erschrecken, wenn ich Ihnen von einem heroisch-komischen Gedicht sage, dessen Held - Alexander der Große sein soll!... Meine Idee ist diese. Die Poeten, die epischen und tragischen wenigstens und die Odendichter schildern uns Helden, die meiner festen Ueberzeugung nach nie gewesen sind; die Geschichtschreiber machen es zuweilen nicht besser: sie sind eine Art von Romanschreibern, welche von der Liebe zum Schönen, Großen und Wunderbaren hingerissen, uns statt der wirklichen Leute, welche sie uns bekannt zu machen unternommen haben, idealische Personen unterschieben. Wieviel die wahre Kenntniß der menschlichen Natur darunter leidet, und wieviel auf solche Weise Dichter und historische Romanschreiber zu Unterhaltung einer Menge populärer Vorurtheile, welche dem menschlichen Geschlecht gewiß nicht zum Besten gereichen, beitragen, ist zwar bekannt, verdiente aber wohi einmal umständlich entwickelt zu werden. Nun habe ich in meinem Kopf, es würde einen seltsamen Effect machen, lustig zu lesen und dabei gewiß nicht unuüglich sein, wenn die Helden einmal von einem Poeten geschildert würden, wie sie wirklich sind, d. h. als eine Art von Don Quixoten. Ich habe mir davon eine Idee gemacht, von der ich, die Wahrheit zu sagen, ein wenig behext bin.

vermählte Pedant“, 1764: die Vermählung eines ehrlichen Landpastors mit der abgelegten Maitresse eines Hofmarschalls. Das Sujet ist von der ärgsten Frivolität, aber die Behandlung von so anmuthiger Komik, daß man kaum ein Arg daran hat. Und nebenbei ist das geschilderte Leben, wenn auch mit französischen Edelmanns-Augen angesehn, doch deutsch.

Mein Held muß ein außerordentliches Gemisch von großen Eigenschaften und Schwachheiten, von heroischen und komischen Zügen, und seine Begebenheiten müssen so romanhaft sein, daß sie noch moralisch und poetisch interessant bleiben, ungeachtet sie in ein komisches Licht gestellt werden und durch die Entdeckung der wahren Springfedern vom Wunderbaren unendlich verlieren.“

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Die unaufhörlichen Angriffe auf die Moralität der „komischen Erzählungen" machten Wieland doch viel Verdruß. „Rathen Sie mir nicht,“ schreibt er an Geßner 5. Jan. 1767, „daß ich dergleichen widrige Urtheile mit einer großmüthigen Verachtung ansehn soll; es ist schon darum unmöglich, weil sie mich hier in ein verächtliches Licht stellen." Dringend bat er seinen alten Freund, den Pfarrer Waser zu Winterthur (geb. 1713) eben hatte er die Uebersetzung des Swift beendet und den Lucian begonnen sich seiner anzunehmen und nachzuweisen, daß die komischen Erzählungen als wahre und satirische Gemälde der herrschenden Sitten der großen Welt zu betrachten und aus diesem Gesichtspunkt wirklich moralisch seien.“ „Der Henker hole die Autorschaft, wenn sie mir von allen Enden Deutschlands nichts als Verdruß zuziehn foll!" Aber bald ließ er sich trösten: „Sie sollen

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mich," schreibt er 6. März, nicht mehr in diesem albernen, weinerlichen Tone pinseln hören. Ich habe nun in Absicht der komischen Erzählungen meinen Kopf aufgesezt, und werde gelegentlich Allen und Jeden, und wenn es auf einem allgemeinen poetischen Concil geschehn müßte, in's Ange sicht behaupten, daß sie in ihrer Art ebenso moralisch sind als die Briefe der Leute aus der andern Welt." Ein großer Trost mußte für Wieland das Urtheil Leffing's sein, der (in der Dramaturgie) vom „Agathon“ sagt: „es gehört unter die vortrefflichsten Werke unsers Jahrhunderts, scheint aber für das deutsche Publicum noch viel zu früh geschrieben zu sein. In Frankreich und England würde es das äußerste Auffehn gemacht haben; der Name des Verfassers wäre auf allen Zungen... Mit der äußersten Befremdung nehme ich wahr, welches tiefe Stillschweigen unsere Kunstrichter darüber beobachten, oder in welchem kalten und gleichgültigen Ton fie davon sprechen. Es ist der erste und einzige Roman für den denkenden Kopf, von classischem Geschmack." -Dies ist der Ton, in welchem Lessing fortan stets von Wieland spricht.

Schon Nov. 1763 hatte Lessing gegen seinen Vater den Wunsch ausgesprochen, recht bald zu seiner alten Lebensweise zurückzukehren. Ich habe an diese Nichtswürdigkeiten nun schon mehr als drei Jahre verloren; es ist Zeit, daß ich wieder in mein Geleise komme. Was ich wollte, hab' ich er

reicht: ich habe meine Gesundheit so ziemlich wieder hergestellt, ich habe ausgeruht und mir eine treffliche Bibliothek angeschafft, die ich mir nicht umsonst angeschafft haben will." Juni 1764: „Ich bin über die Hälfte meines Lebens, und ich wüßte nicht, was mich nöthigen sollte, mich auf den kürzeren Rest meines Lebens zum Sklaven zu machen.“ Seine Geschäfte waren zum Theil sehr unbequem, Verhandlungen mit dem Münzfälscher Ephraim u. s. w.

Auch seine Gesundheit war nicht stichfest. „Krank will ich wohl einmal sein," schreibt er an Ramler 5. Aug. 1764, „aber sterben will ich deswegen noch nicht... Ich bin so ziemlich wieder hergestellt, außer daß ich noch mit häufigem Schwindel beschwert bin. Ich hoffe, daß sich auch dieser bald verlieren soll, und dann werde ich wie neugeboren sein. Alle Veränderungen unsers Temperaments, glaube ich, sind mit Wandlungen unserer animalischen Dekonomie verbunden. Die ernstliche Epoche meines Lebens naht heran; ich beginne ein Mann zu werden, und schmeichle mir, daß ich in diesem hißigen Fieber den lezten Rest meiner jugendlichen Thorheiten verrast habe.“ Ihre Liebe wünscht mich gesund: aber sollten sich wohl Dichter eine athletische Gesundheit wünschen? Sollte der Phantasie, der Empfindung, nicht ein gewiffer Grad von Unpäßlichkeit weit zuträglicher sein? Die Horaze und Ramler wohnen in schwächlichen Körpern; die gefunden Döbbelin und Lessing werden Spieler und Säufer. Wünschen Sie mich also gesund, liebster Freund, aber wo möglich, mit einem kleinen Denkzeichen gesund, mit einem kleinen Pfahl im Fleisch, der den Dichter von Zeit zu Zeit den hinfälligen Menschen empfinden läßt."

Zu Anfang des nächsten Jahrs gewann er endlich den Leipziger Proceß, es blieben ihm aber nur 300 Thlr. davon übrig. Mitte April 1765 verließ er Breslau, und ging über seine Baterstadt nach Leipzig, wo er mit Nicolai, der die Ostermesse besuchte, zusammentraf und ihn nach Berlin begleitete. Ein Anderer kam Lessing aus Breslau zurück (36 3. alt). Er war nun wirklich ein Mann geworden, reif, concentrirt, in der vollsten Kraft des Strebens. Er war aus dem engen Literatenkreise herausgetreten und hatte die wirkliche Welt gesehn; tüchtige Menschen, die ihn mehr durch ihren Charakter als durch ihre Bildung angezogen. Ueber seinen Tagesgeschäften hatte er die gelehrten Studien nicht vergessen, und brachte als Resultat derselben ein unsterbliches Werk fast vollendet mit, den „Laokoon". Auch der Dichter war in ihm zur Reise gediehn: die „Minna von Barnhelm“, der natürliche Gewinn seines halben Soldatenlebens, harrte nur noch auf die letzte Hand. — Nur in einem Punkt war er unverändert geblieben: wirthschaften hatte er nicht gelernt. Da sich indeß seine Umstände einigermaßen gebessert hatten, nahm er seinen jüngern Bruder Karl zu sich, und diejer junge Mann, der

eine ziemliche Geistesverwandtschaft mit Nicolai besaß, hat aufgezeichnet, was er über die Art und Weise seines Bruders zu beobachten glaubte.

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Seine Ausgaben waren vergrößert; daher war er genöthigt, desto fleifiger zu sein, und seinen Fleiß auf die Vollendung einiger Werke zu richten, die er in Breslau angefangen hatte... Aber er konnte sich an das ungefunde Stubenhüten nicht recht gewöhnen; man merkte, daß seinem etwas stärker gewordenen Körper die sigende Lebensart nicht mehr behage... Es war sein Vorsatz, sich nur auf ein oder zwei Fächer einzuschränken... Aber wenn er in der besten Arbeit auf und niederging, fiel ihm der Titel eines Buchs in die Augen: er sah hinein, fand da einen Gedanken, der zu seiner jeßigen Meditation zwar ganz und gar in keiner Beziehung stand, aber doch so vortrefflich war, daß er ihn aufschreiben mußte; im Aufschreiben konnte er seine eignen Gedanken nicht mit Stillschweigen übergehn; diese bezogen sich wieder auf etwas Anderes, dem er sogleich nachzuforschen nicht unterlassen konnte, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, es später nicht zu finden. Nun hatte die Sache ein ganz anderes Ansehn! Der Druckerjunge aber verlangte Manuscript; das mußte noch einmal durchgefehn werden, und deswegen hatte er sich recht früh hingefeßt. Jezt konnte er nur mit Noth seine Gedanken auf's Neue fammeln. Gegen Abend war seine Seele vom Stubendunst beklemmt; er ging zu einem Freunde, sie kamen in's Plaudern, über einen interessanten Gegenstand. Er kam zeitig nach Hause, aber das Manuscript war vergessen: des Freundes Meinung hatte viel für sich, mußte aber berichtigt werden. So saß er bis zwölf, legte sich zu Bett, stand auf und mochte lieber alles Andere thun als sigen und seine Arbeit durchlesen, die ihm gar nicht gefiel. Bruder! sagte er wohl endlich, die Schriftstellerei ist die abgeschmackteste Beschäftigung, nimm ein Beispiel an mir!“

Aehnlich kam Lessing wohl den alten Freunden vor, die mittlerweile sehr gesezte Leute geworden waren. Nicolai war der Erfolg der Literaturbriefe zu Kopf gestiegen, aber die sporadische Wirksamkeit genügte ihm nicht mehr, es kam darauf an, die gesammte Literatur, mit Inbegriff aller Wissenschaften zu centralisiren und ihr ein vernünftiges Urtheil beizubringen. Gottsched war alt, lange verbraucht, und konnte beerbt werden. Aus den „Literaturbriefen" wurde die Allgemeine deutsche Bibliothek" 1765, welche sich die Aufgabe stellte, Alles zu recenfiren, überall den Suchenden den rechten. Weg zu zeigen, kurz und bündig zu sagen, was der richtige Geschmack sei. Nicolai gewann eine ziemliche Anzahl nicht unbedeutender Gelehrten, die sich noch jährlich vermehrte denn gute zwei Menschenalter hat die Bibliothek gewirkt. Gern hätte er Lessing an die Spitze gestellt, der ja in der Vossischen ebenso kritisirt, und eigentlich den Ton angegeben: aber Lessing wußte sehr

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